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OGH 19.09.2023, 2Ob174/23m

OGH 19.09.2023, 2Ob174/23m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2021 verstorbenen C*, über den Revisionsrekurs des Vaters W*, vertreten durch Mag. Philipp Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 110/23v-40, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 1 A 311/21p-34, in Folge Rekurses des Vaters bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der ledige Erblasser starb ohne Hinterlassung von Nachkommen. Seine Eltern, darunter der nunmehrige Revisionsrekurswerber, wären daher als gesetzliche Erben berufen, gaben aber keine Erbantrittserklärungen ab.

[2] Die Verlassenschaftsaktiva belaufen sich auf 8.143,97 EUR. Mehrere Gläubiger – darunter die Vermieterin des Erblassers – meldeten Nachlassforderungen in Höhe von insgesamt 7.661,21 EUR an. Unter Berücksichtigung der Kosten des Verlassenschaftsverfahrens ist die Verlassenschaft überschuldet. Über ausdrücklichen Antrag der Vermieterin wurde dieser mit Beschluss des Erstgerichts vom der Nachlass an Zahlungs statt überlassen und das Nachlassvermögen kridamäßig verteilt, wobei eine Forderung des Vaters mangels Anmeldung keine Berücksichtigung fand.

[3] Der (zu diesem Zeitpunkt unvertretene) Vater gab dem Gerichtskommissär telefonisch im November 2021 bekannt, die Begräbniskosten getragen zu haben, meldete seine Forderung aber – trotz Verständigung nach § 155 Abs 1 AußStrG im Mai 2022 – erst nach Erlassung des Beschlusses über die Überlassung an Zahlungs statt (beim Gerichtskommissär) schriftlich an. Das im November 2021 geführte Telefonat wurde erst durch ein Schreiben des Gerichtskommissärs vom Dezember 2022 aktenkundig.

[4] Unter Vorlage der mit datierten Rechnung über die Begräbniskosten stellte der Vater beim Erstgericht am einen Abänderungsantrag mit der Begründung, dass ihm nie mitgeteilt worden sei, auf welche Weise er seine Forderung anmelden hätte sollen. Ihm sei keine Gelegenheit zur Äußerung nach § 155 AußStrG gegeben worden, er habe unverschuldet Prozesshandlungen versäumt.

[5] Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil der Vater kein ausreichendes Vorbringen zu seinem mangelnden Verschulden erstattet habe.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, weil die Rechnung über die Begräbniskosten kein neues Beweismittel sei, habe der Vater doch nie behauptet, die Urkunde nicht in Händen gehabt zu haben. Die im Rekurs enthaltenen Neuerungen über ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Gerichtskommissärs im Oktober 2022 seien unbeachtlich.

[7] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass eine Klarstellung zur im Revisionsrekurs behaupteten unrichtigen Anwendung des § 49 AußStrG durch das Rekursgericht geboten sei, weil der Frage der Begräbniskosten von Amts wegen nachzugehen sein könnte.

[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekursdes Vaters mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung seines Antrags; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[11] 1. Nachlassgläubiger sind (nur) dann Parteien des Verlassenschaftsverfahrens und damit rekursberechtigt, wenn sie von ihren Rechten nach den §§ 811 bis 815 ABGB Gebrauch machen oder durch eine Verfügung des Abhandlungsgerichts unmittelbar in ihre Gläubigerrechte eingegriffen wird, etwa wenn der Nachlass anderen Gläubigern an Zahlungs statt überlassen wird (RS0006659; RS0006604; 2 Ob 75/18w Punkt III.2. mwN). Jedem Verlassenschaftsgläubiger steht daher das Recht zu, die Überlassung an Zahlungs statt und damit auch die in diesem Beschluss erfolgte Art der Aufteilung der vorhandenen Aktiva unter mehreren Gläubigern zu bekämpfen (2 Ob 75/18w Punkt III.2. mwN).

[12] 1.1. Nach § 155 Abs 1 AußStrG hat der Gerichtskommissär im – hier vorliegenden – Fall, dass die Aktiven voraussichtlich 5.000 EUR übersteigen, die aktenkundigen Gläubiger und jene aktenkundigen Personen, die als Erben oder Pflichtteilsberechtigte in Frage kommen, von der beabsichtigten Überlassung an Zahlungs statt zu verständigen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Vater erhielt eine solche mit „Äußerungsaufforderung“ überschriebene Verständigung im Mai 2022. Da er ungeachtet dieser Verständigung (und des ihm übermittelten Beschlussentwurfs, in dem er nicht als Gläubiger aufscheint) keine Forderungsanmeldung vornahm, kann im vorliegenden Fall als Zäsur für die Anmeldung der Forderung des Vaters (als potentiellen Verlassenschaftsgläubiger) und damit für seine Parteistellung der Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts über die Überlassung an Zahlungs statt angesehen werden (RS0116631; 2 Ob 70/15f mwN).

[13] 1.2. Da der Vater seine Forderung erst nach der Entscheidung des Erstgerichts über die Überlassung an Zahlungs statt angemeldet hat, kommt ihm grundsätzlich keine Parteistellung zu. Die bloße telefonische Bekanntgabe gegenüber dem Gerichtskommissär über die Tragung von Begräbniskosten, die erst nach Beschlussfassung durch das Erstgericht über die Überlassung an Zahlungs statt im Akt dokumentiert wurde, machte den Vater schon deswegen nicht zu einem aktenkundigen Gläubiger iSd § 155 Abs 1 AußStrG (vgl dazu Grün in Rechberger/Klicka, AußStrG³ § 155 Rz 3), weil sich die Parteistellung zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht aus den im konkreten Gerichtsakt befindlichen Informationen ergab (vgl RS0127056 zu § 8 Abs 2 AußStrG).

[14] 1.3. Allerdings kann dem Vater im vorliegenden Fall nicht die Möglichkeit abgesprochen werden, eine Überprüfung der abschlägigen Entscheidung über den von ihm gestellten Abänderungsantrag vornehmen zu lassen. Er behauptet nämlich im Rahmen des Abänderungsantrags (und auch im dazu geführten Rechtsmittelverfahren), durch Verfahrensfehler des Gerichts(kommissärs) an der Erlangung der Stellung als Partei gehindert worden zu sein. Im Ergebnis ist damit die Beurteilung der Parteistellung des Vaters notwendiger Bestandteil der Prüfung des Abänderungsantrags. Ist aber die Frage des Vorliegens der Parteifähigkeit strittig, ist die davon betroffene Person jedenfalls insoweit als parteifähig anzusehen (RS0035423 [insb auch T14]).

[15] 2. Eine nähere Überprüfung der Frage, ob dem Vater aufgrund der von ihm behaupteten Verfahrensfehler trotz erst nach Erlassung des Beschlusses über die Überlassung an Zahlungs statt erfolgter Forderungsanmeldung ausnahmsweise doch Parteistellung zuzuerkennen sein könnte (vgl 4 Ob 201/99h zur Maßgeblichkeit der Möglichkeit zur [rechtzeitigen] Forderungsanmeldung im Verlassenschaftsverfahren), kann aber ebenso wie ein Eingehen auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage unterbleiben. Das Rekursgericht hat nämlich das Vorliegen des ausgehend von den Ausführungen des Vaters allein in Betracht kommenden Abänderungsgrundes des § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint:

[16] 2.1. Nach Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem in der Sache entschieden wurde, kann dessen Abänderung beantragt werden, wenn die Partei Kenntnis von neuen Tatsachen erlangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen imstande ist, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (§ 73 Abs 1 Z 6 AußStrG). Dies entspricht dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, sodass die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien auch im außerstreitigen Abänderungsverfahren herangezogen werden können (RS0124752).

[17] Derjenige, der die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung begehrt, ist behauptungs- und beweispflichtig dafür, dass er ohne sein Verschulden die neuen Tatsachen oder Beweismittel nicht schon im Vorverfahren geltend machen konnte. Das Verschulden ist – nach dem Maßstab des § 1297 ABGB – streng zu prüfen (3 Ob 108/14z Punkt 3. mwN).

[18] Sinn und Zweck des Abänderungsantrags nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit dem Abänderungsantrag angefochtenen Beschlusses zu beseitigen, nicht aber, Fehler der Partei bei Führung des Vorverfahrens zu korrigieren (RS0039991 und RS0044354 – jeweils zu § 530 Abs 1 Z 7 ZPO).

[19] 2.2. Da der Vater ungeachtet der ihm nach § 155 Abs 1 AußStrG zugegangenen Verständigung keine Forderungsanmeldung vornahm, ist die Abweisung des Abänderungsantrags schon wegen seines auf der Hand liegenden Verschuldens (§ 73 Abs 3 AußStrG) nicht korrekturbedürftig.

[20] 3. Der Revisionsrekurs war damit insgesamt mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00174.23M.0919.000

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