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OGH vom 27.09.2022, 2Ob153/22x

OGH vom 27.09.2022, 2Ob153/22x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen R*, Vereinigte Staaten von Amerika, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Mag. P*, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, 2. N*, Inc, *, Vereinigte Staaten von Amerika, 3. N*, Inc.*, Vereinigte Staaten von Amerika, beide vertreten durch Frotz Rechtsanwälte OG in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 106/22i-63, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der 2020 verstorbene Erblasser lebte zuletzt in den USA und war auch US-Staatsbürger. Das Vermögen des Erblassers befindet sich überwiegend in den USA. Verfahrensgegenständlich ist sein sich in Österreich befindliches Vermögen, das sich im Wesentlichen aus drei Liegenschaften und verschiedenen Sparguthaben zusammensetzt. Der Erblasser hinterließ mehrere letztwillige Verfügungen.

[2] Die stellten aufgrund des Testaments vom und des Kodizills vom das Erbrecht der Zweitantragstellerin sowie der Drittantragstellerin fest und wiesen die bedingt zum gesamten Nachlass abgegebenen Erbantrittserklärungen der Erstantragstellerin (letztwillige Verfügung vom ) zurück. Dabei gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Erblasser mit dem Testament ua auch das Kodizill aus 2004 widerrufen hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die zeigt mit ihrem , mit dem sie die Feststellung ihres Erbrechts zum gesamten Nachlass aufgrund der letztwilligen Verfügung vom anstrebt (§ 749 ABGB), keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Die (vom Erstgericht auf Art 34 Abs 1 lit a EuErbVO in Verbindung mit den Bestimmungen des New Yorker Rechts gestützte) Anwendung österreichischen Rechts bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung(en) und der Prüfung des Erbrechts ist (auch) in dritter Instanz unstrittig.

[5] 2. Die Erstantragstellerin wirft als erhebliche (verfahrensrechtliche) Rechtsfrage auf, ob die Bestimmungen der ZPO zur aktorischen Kaution auch im Erbrechtsstreit nach dem AußStrG anzuwenden sind. Damit wird aber eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht.

[6] Die Erstantragstellerin rügte bereits im Rekurs den Umstand, dass der Zweitantragstellerin und der Drittantragstellerin keine aktorische Kaution auferlegt worden seien, als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Vom Rekursgericht wurde der behauptete Verfahrensmangel verneint. Diese Frage kann in dritter Instanz nicht mehr aufgeworfen werden. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz bildet grundsätzlich keinen Revisionsrekursgrund (RS0050037). Das gilt nur dann nicht, wenn das Rekursgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge überhaupt unterlassen (RS0043086) oder Mängel des Verfahrens erster Instanz mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verneint hat (RS0043086 [T4]). Dann wäre das Rekursverfahren selbst mangelhaft (RS0043086). Eine solche Ausnahme wird aber nicht aufgezeigt.

[7] 3. Ob der Erblasser mit seinem Testament vom auch das (das österreichische Vermögen betreffende) Kodizill vom widerrufen hat, ist durch Auslegung zu ermitteln (RS0012776 [T1]). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem wahren Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Verfügung (RS0012370 [T3]; RS0012238 [T1, T2]; RS0012342; RS0012598). Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ihr kommt regelmäßig keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu (vgl RS0043463 [T12]). Der Revisionsrekurs wäre daher nur dann zulässig, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0043463 [T12]).

[8] 4. Eine solche Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

[9] 4.1 Nach den eindeutig der Tatsachenebene zuzuordnenden Ausführungen des Erstgerichts wollte der Erblasser mit seiner letztwilligen Verfügung vom das Kodizill aus 2004 widerrufen („ergibt sich … nicht nur aus der wortwörtlichen und grammatikalischen Interpretation, sondern auch aus dem wahren Willen des Erblassers“), was das Erstgericht auch aus zahlreichen anderen Urkunden ableitet. Wird der Wille des Erblassers für den Zeitpunkt, in dem er seine letztwillige Verfügung getroffen hat, nicht ausschließlich aus der letztwilligen Verfügung abgeleitet, sondern werden noch andere Beweismittel herangezogen und damit außerhalb der letztwilligen Verfügung liegende Tatsachen zu Grunde gelegt, liegt eine Tatfrage vor (7 Ob 173/02w; RS0043463 [T13]). Die entsprechende Tatsachenrüge der Erstantragstellerin blieb im Rekursverfahren erfolglos. Der maßgebliche Wille des Erblassers steht damit bindend fest und ist der Auslegung des Testaments zugrundezulegen (2 Ob 151/18x; 2 Ob 190/19h jeweils mwN).

[10] 4.2. Es stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, wenn die Vorinstanzen aus dem im Testament geäußerten „Vorbehalt“ zum österreichischen Vermögen nicht ableiten konnten, dass damit das Kodizill aus 2004 aufrecht bleiben sollte. In dieser Passage hielt der Erblasser fest, er beabsichtige nicht, das österreichische Vermögen zu vermachen, „wenn ich ein Testament oder Kodizill von mir hinterlasse, das dieses Vermögen vermacht“. Es ist im Sinne der angefochtenen Entscheidung jedenfalls vertretbar, diesen Vorbehalt nur auf zukünftige Verfügungen zu beziehen, nicht aber auf das bereits vorliegende Kodizill, zumal der Vorbehalt nicht im Zusammenhang mit dem Widerruf der bisherigen Verfügungen erklärt wurde.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00153.22X.0927.000

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