OGH vom 14.09.2022, 1Ob157/22b

OGH vom 14.09.2022, 1Ob157/22b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. WesselyKristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* L*, vertreten durch die Imre Schaffer Rechtsanwälte OG, Gleisdorf, gegen die beklagten Parteien 1. R* S*, MSc, und 2. DI C* Z*, vertreten durch die Harb Postl Rechtsanwälte OG, Graz, wegen Entfernung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 64/22g14, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 10 Cg 82/21a9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt lautet:

„1. Die Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig,

a. den im nordöstlichen Bereich des Grundstücks 1903/1, *, auf dem dort in der Natur bestehenden Parkplatz abgelagerten Betonquader zu entfernen, und

b. in Hinkunft jede derartige Störung des Dienstbarkeitsrechts des Abstellens von Fahrzeugen auf dem Grundstück 1903/1, *, zu Gunsten des Grundstücks 1903/4, *, zu unterlassen,

werden abgewiesen.

2. Die beklagten Parteien sind schuldig, es zu unterlassen, der klagenden Partei bauliche Tätigkeiten auf ihrem Grundstück 1903/1 der *, zu verbieten, soweit diese zur Herstellung eines bauordnungskonformen Zustands zur Ausübung des Dienstbarkeitsrechts des Abstellens von Fahrzeugen auf diesem Grundstück zu Gunsten des Grundstücks 1903/4 der *, erforderlich sind.

3. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 5.427,76 EUR (darin enthalten 563,57 EUR USt und 2.046,38 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft mit dem (herrschenden) Grundstück 1903/4, zu dessen Gunsten seit 2003 auf dem (dienenden) Grundstück 1903/1 einer Liegenschaft, die je zur Hälfte den Beklagten gehört, die Grunddienstbarkeiten des Gehens, des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art und des Abstellens von Fahrzeugen besteht.

[2] In einem gerichtlichen Vergleich vom hatten die damaligen Eigentümer des dienenden Grundstücks – das die Beklagten im Jahr 2018 erworben haben – mit dem Ehemann der Klägerin vereinbart, dass die Servitutsberechtigten den im östlichen Teil des Servitutswegs gelegenen Parkplatz selbst pflegen und es ihnen freistehe, diesen Parkplatz zu befestigen. Dieser im nordöstlichen Bereich des dienenden Grundstücks 1903/1 gelegene Parkplatz ist Gegenstand dieses Zivilprozesses.

[3] Als die Klägerin und der damalige Eigentümer des dienenden Grundstücks im Jahr 2009 einvernehmlich den Parkplatz befestigten, wurde – ohne Einholung einer Baubewilligung – entlang des nach Westen abfallenden Weggrundstücks 1903/1 eine Steinschlichtung anstelle der dort gelegenen Böschung angebracht. Zwischen der Parkfläche und dem darunter gelegenen Servitutsweg besteht seither ein kontinuierlich ansteigender Höhenunterschied bis etwa 1,5 Meter. Entlang der Steinschlichtung wurde – auch nach dem Erwerb des dienenden Grundstücks durch die Beklagten im Jahr 2018 – keine Absturzsicherung angebracht.

[4] Nachdem die Streitteile die umstrittene Parkfläche von Dezember 2020 bis Februar 2021 gemeinsam genutzt hatten, widerrief die Klägerin im Februar 2021 gegenüber den Beklagten „die prekaristische Gestattung der Nutzung“, worauf diese im Juni 2021 der Klägerin jegliche weitere Nutzung der Parkfläche untersagten und sie aufforderten, die von einem Bauunternehmen veranschlagten Kosten der Errichtung einer Absturzsicherung von knapp 6.000 EUR zu übernehmen. Diese Absturzsicherung sei aufgrund der exponierten Lage des Parkplatzes unmittelbar neben der Steinschlichtung erforderlich und die Beklagten seien als Liegenschaftseigentümer baurechtlich und zur Einhaltung ihrer Verkehrssicherungspflichten zur Errichtung einer Absturzsicherung verpflichtet. Außerdem teilten sie der Klägerin mit, dass sie keine baulichen Tätigkeiten der Klägerin auf ihrer Liegenschaft dulden würden.

[5] Im Juli 2021 teilte die Klägerin den Beklagten mit, sie werde den Parkplatz wie bisher uneingeschränkt nutzen und die Kosten der Errichtung der Absturzsicherung, die von den Beklagten zu tragen seien, nicht übernehmen.

[6] Nachdem die Beklagten der Klägerin in weiterer Folge Maßnahmen zur Beschränkung des Nutzungsrechts der Klägerin angekündigt hatten, weil die Absicherung des Parkplatzes „nicht eine Erhaltungsmaßnahme, sondern eine Herstellungsmaßnahme im Sinne des Steiermärkischen Baugesetzes (kurz: Stmk BauG) sei“, stellten sie noch im Juli 2021 auf der Parkfläche einen massiven Betonquader ab; seither kann die Klägerin den Parkplatz nicht mehr benützen.

[7] Mit Bescheid vom untersagte der Bürgermeister der örtlich zuständigen Marktgemeinde den Beklagten gemäß § 38 Abs 7 Z 4 Stmk BauG die Benützung dieses Parkplatzes als Abstellfläche für Kraftfahrzeuge und trug ihnen auf, dafür zu sorgen, dass auch keine anderen „Verfügungsberechtigten“ diese Abstellfläche für Kraftfahrzeuge benützten. In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass die Stützmauer in Form einer Steinschlichtung baugesetzwidrig errichtet worden sei – es existiere weder eine Baubewilligung gemäß § 20 Abs 2 lit g Stmk BauG noch eine „Fertigstellungsanzeige gemäß § 38 Stmk BauG“ –, und es sei auch keine Absturzsicherung gemäß der „OIB-Richtlinie 4.4“ errichtet worden.

[8] Außerdem trug der Bürgermeister mit weiterem Bescheid vom („Beseitigungsauftrag“) den Beklagten auf, binnen vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheids das Bauwerk „Stützmauer“ zu beseitigen, weil dafür keine Baubewilligung gemäß § 20 Abs 2 lit g Stmk BauG eingeholt worden sei.

[9] Beide Bescheide erwuchsen am in Rechtskraft. Die Beklagten beharren auf ihrem Standpunkt, das Dienstbarkeitsrecht der Klägerin aufgrund dieser behördlichen Aufträge beschränken zu dürfen.

[10] Die Klägerin begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Entfernung des Betonquaders und die zukünftige Unterlassung derartiger und anderer Störungen („Störungen anderer Art“) ihres Dienstbarkeitsrechts auf Abstellen von Fahrzeugen auf dem Grundstück der Beklagten. Die Beklagten hätten den Betonquader auf der Servitutsfläche deponiert, um ihr deren Nutzung als Parkplatz unmöglich zu machen. Diese „unrechtmäßig ausgeübte Selbsthilfe“ berechtige sie zur Beseitigungs- und Unterlassungsklage. Zudem hätten ihr die Beklagten jegliche bauliche Tätigkeiten auf deren Liegenschaft untersagt, die von ihr in Auftrag gegeben würden. Somit könne sie ihr „allenfalls obliegende Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit“ nicht treffen. Sie habe sich bereit erklärt, eine entsprechende Absturzsicherung zu montieren, was ihr von den Beklagten untersagt worden sei.

[11] Die Beklagten wendeten ein, sie hätten der Klägerin die Benützung des Parkplatzes unmöglich gemacht, weil davon mangels Absturzsicherung eine Gefahr für Leib und Leben ausgehe, „da man unmittelbar bei der Steinschlichtung, welche zwischen Parkplatzfläche und dem Servitutsweg liegt, aussteigen muss und bei einem falschen Schritt droht, über mehr als 1 m abzustürzen“. Sie handelten infolge der in Rechtskraft erwachsenen Bescheide der zuständigen Marktgemeinde nicht eigenmächtig, wenn sie einen Stein auf der Parkfläche platzierten, sondern setzten diesbezüglich den bescheidmäßigen Auftrag um. Aus dem Servitutsrecht der Klägerin ergebe sich nicht, dass diese berechtigt wäre, Bauarbeiten – wie die gegenständlich notwendigen – zur Absturzsicherung auf ihrer Liegenschaft durchzuführen; diese Bauarbeiten bedürften einer Baugenehmigung und seien von ihnen als Grundstückseigentümer zu veranlassen.

[12] Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die rechtskräftigen Bescheide „der Gemeinde“, die „nur für deren jeweiligen Adressaten“ Bindungswirkung entfalteten, berührten die zivilrechtlichen Ansprüche zwischen der klagenden Servitutsberechtigten und den beklagten Servitutsbelasteten nicht. Der Inhalt dieser Bescheide bewirke keinen rechtlichen Untergang „der Sache“ im Sinn des § 525 ABGB, weil gemäß § 483 ABGB die Klägerin die umstrittene Parkfläche in einen rechtmäßigen (den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden) Zustand zu versetzen und so die Nutzung der Parkfläche wieder zu ermöglichen habe. Die Beklagten, die dies dulden müssten, dürften der Klägerin dabei keine bestimmten Maßnahmen vorschreiben. Diese hätten durch das Anbringen eines Betonquaders der Klägerin die Nutzung der Baufläche unmöglich gemacht und dadurch ihre Servitut schon Monate vor den behördlichen Beseitigungs- und Unterlassungsaufträgen adäquat kausal gestört, seien sie doch weder zur Zeit des Anbringens des Betonquaders noch aufgrund der im November 2021 erlassenen baubehördlichen Bescheide berechtigt gewesen, das Servitutsrecht der Klägerin „zu beschneiden“. Da die Beklagten bis zuletzt auf ihrem Standpunkt beharrten, der Klägerin die Nutzung des Parkplatzes verwehren zu können, bestehe Wiederholungsgefahr. Der Klägerin als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks stehe daher das Recht zu, von den Beklagten (als Miteigentümer des dienenden Grundstücks seien sie eine einheitliche Streitpartei) die Beseitigung der Beeinträchtigung und die Unterlassung künftiger Störungen zu verlangen.

[13] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Rechtlich führte es aus, die Beklagten beeinträchtigten die Klägerin seit Juli 2021 in ihrem dinglichen Recht auf Benützung eines Teils der Liegenschaft der Beklagten als Abstellplatz für Fahrzeuge, indem sie auf dieser Servitutsfläche einen massiven Betonquader lagern und indem sie der Klägerin Baumaßnahmen auf dem dienenden Grundstück verwehren. Dass sich die Servitutsfläche in einem baugesetzwidrigen Zustand befinde, bewirke nicht das Erlöschen der Servitut, sondern bloß die Verpflichtung der Klägerin, die Servitutsfläche durch ihr (§ 483 ABGB) auferlegte Erhaltungsmaßnahmen in einen baugesetzkonformen Zustand zu versetzen. Wenn die Klägerin den baugesetzkonformen Zustand hergestellt habe, könne sie auch ihre Dienstbarkeit wieder ausüben; die vorübergehende Unmöglichkeit habe lediglich zur Folge, dass die Dienstbarkeit bis zur Herstellung des baugesetzkonformen Zustands „ruhe“. Durch welche Maßnahmen die Klägerin ihre Verpflichtung zur Herstellung des baugesetzkonformen Zustands der Servitutsfläche nachkomme, sei ihr überlassen. Die Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks hätten diese Maßnahmen grundsätzlich zu dulden und den Maßnahmen der Klägerin zuzustimmen, wenn eine solche Zustimmung (etwa bei Anträgen an die Baubehörde) zwingend Voraussetzung für die Herstellung des baugesetzkonformen Zustands sei. Durch die gegen § 523 ABGB verstoßende Deponierung des Betonquaders auf der Servitutsfläche setzten „die Beklagten jedenfalls nicht ihren in § 483 ABGB normierten Anspruch gegen die Klägerin auf Herstellung des baugesetzkonformen Zustands durch“, weshalb die Klägerin zu Recht auf Beseitigung des Betonquaders und auf Unterlassung weiterer Störungen der Servitut klage.

[14] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO zur Beantwortung der Frage für zulässig, ob die Beklagten die Klägerin „durch Ablegen eines Betonquaders auf der Servitutsfläche und durch das an die Klägerin gerichtete Verbot, bauliche Maßnahmen auf dieser Liegenschaft durchzuführen, daran hindern dürfen, ihr Dienstbarkeitsrecht dadurch auszuüben, dass sie gemäß § 483 ABGB die Servitutsfläche in einen baugesetzkonformen Zustand versetzt“.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die dagegen von den Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen die rechtskräftigen Bescheide der Baubehörde nicht ausreichend berücksichtigten; sie ist auch teilweise berechtigt.

[16] 1. § 1447 ABGB geht zwar vom Sonderfall des Untergangs der geschuldeten Sache aus, stellt ihm dann aber jede andere Unmöglichkeit der Erfüllung gleich und ist – ebenso wie die korrespondierende Bestimmung des § 880 ABGB – auf alle Fälle einer nach dem Vertragsabschluss eintretenden Unerlaubtheit der Leistung anzuwenden (RS0016928). Von rechtlicher Unmöglichkeit einer Leistung ist insbesondere dann auszugehen, wenn die geschuldete Leistung durch individuellen oder generellen Hoheitsakt untersagt wird (RS0109498). Die Beweispflicht für die Unmöglichkeit trifft den Schuldner (RS0016928 [T4]; 6 Ob 77/01v; 4 Ob 27/05g).

[17] 2. Gemäß § 20 Z 2 lit g Steiermärkisches Baugesetz, LGBl 1995/59 idF LGBl 2021/91 (kurz: Stmk BauG), sind Stützmauern mit einer Ansichtshöhe von mehr als 0,5 Meter über dem angrenzenden natürlichen Gelände baubewilligungspflichtig und für sie gelten die Bestimmungen des vereinfachten Verfahrens. Gemäß § 41 Abs 3 Stmk BauG hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen oder sonstiger Maßnahmen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Auf dieser Grundlage hat der Bürgermeister der zuständigen Marktgemeinde (als Baubehörde; § 2 Abs 1 leg cit) den Beklagten den rechtskräftigen Auftrag erteilt, das Bauwerk „Stützmauer“, für das die erforderliche Baubewilligung nicht vorläge, binnen vier Wochen zu beseitigen.

[18] Gemäß § 38 Abs 7 Z 4 Stmk BauG ist die Benützung einer baulichen Anlage zu untersagen, wenn Mängel vorliegen, die eine ordnungsgemäße Benützung verhindern. Der Bürgermeister untersagte mit weiterem Bescheid vom den Beklagten die Benützung der Abstellfläche für Kraftfahrzeuge und trug ihnen auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Abstellfläche auch durch keinen anderen „Verfügungsberechtigten“ benützt werde. In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass gemäß „OIB-Richtlinie 4.4“ zum Schutz vor Absturzunfällen ab einer Fallhöhe von 60 cm eine Absturzsicherung zu errichten sei, die aber nicht vorhanden sei. Im Hinblick darauf sei die Untersagung der Benützung des PKW-Abstellplatzes anzuordnen.

[19] Diese Bescheide wurden den beklagten Grundeigentümern zugestellt und von ihnen nicht bekämpft. Beide Bescheide sind gegenüber den Verpflichteten und derzeitigen Grundeigentümern (vor Schluss der Verhandlung erster Instanz) in Rechtskraft erwachsen und zu beachten.

[20] 3. Der am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte – hier die Klägerin – wird nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von der Gestaltungswirkung und der Tatbestandswirkung des Bescheids erfasst (RS0121545). Die Tatbestandswirkung eines Bescheids tritt dann ein, wenn ein Bescheid in einer Rechtsvorschrift als Tatbestand für eine Rechtsfolge eingesetzt wird, wenn also die Rechtsordnung schon an die bloße Existenz des Bescheids bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Die rechtliche Relevanz eines solchen Bescheids für den Adressaten der Rechtsvorschrift ergibt sich in einem derartigen Fall also nicht aus der Verbindlichkeit des Bescheids für ihn, sondern aus der an den Bescheid anknüpfenden Bestimmung (RS0114910 [T1]).

[21] Die Tatbestandswirkung resultiert im vorliegenden Fall aus § 525 ABGB, wonach „der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes“ zwar die Dienstbarkeit einstellt; sobald aber der Grund oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft. § 525 ABGB befasst sich – neben dem Erlöschen von Dienstbarkeiten durch den dauernden Untergang der dienenden oder herrschenden Sache (2 Ob 115/12v ua; vgl RS0012150) – vorrangig mit der vorübergehenden Störung (Argument: „… stellt … die Dienstbarkeit ein …“). Ein vorübergehender (tatsächlicher oder rechtlicher) Untergang – etwa infolge eines entsprechenden Verwaltungsbescheids (siehe 6 Ob 77/01v) – bewirkt eine als „Einstellung“ bezeichnete Latenz des Rechts und nicht dessen Untergang (vgl Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 525 Rz 6, 7 mwN). Diese Tatbestandswirkung ist (auch) im vorliegenden Verfahren zu beachten.

[22] 4. Die (zu 2.) angeführten Bescheide lassen das Recht der Dienstbarkeit des Abstellens von Fahrzeugen unberührt. Der Bescheid über die Untersagung der Benützung des PKW-Abstellplatzes („Untersagungsbescheid“) hebt die Dienstbarkeit nicht (auf Dauer) auf. Nach § 525 ABGB erlöschen Dienstbarkeiten durch den dauernden Untergang der dienenden Sache. Sie leben aber mit der Wiederherstellung wieder auf. Ein bloß vorübergehender – auch rechtlicher – „Untergang“ der Sache bewirkt kein Erlöschen. Die vorübergehende Unmöglichkeit hat lediglich zur Folge, dass die Dienstbarkeit bis zur Wiederherstellung „ruht“ (6 Ob 77/01v mwN; Koch in KBB6 § 525 ABGB Rz 2; Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2016] § 525 Rz 2; vgl RS0011688). Im Fall der künftigen „Beseitigung“ oder Aufhebung des Bescheids über die Untersagung der Benützung des PKW-Abstellplatzes, wenn etwa den Beklagten die Baubewilligung für die 0,5 Meter Höhe übersteigende Stützmauer erteilt und von der Klägerin eine ausreichende Absturzsicherung errichtet wird, wäre die Klägerin zur dann wieder möglichen Ausübung ihrer Dienstbarkeit berechtigt (6 Ob 77/01v).

[23] 5. Derzeit steht dem Unterlassungsbegehren der Klägerin betreffend die Ablagerung des Betonquaders auf dem Parkplatz („derartige Störung“) der „Untersagungsbescheid“ entgegen, aufgrund dessen die Ausübung der Dienstbarkeit derzeit rechtlich unmöglich ist.

[24] Das ebenfalls gestellte Begehren auf Beseitigung des abgelagerten Betonquaders ist für sich allein sinnlos, weil diese Vorkehrung, auch wenn sie schon vor Bescheiderlassung getroffen wurde, – offenkundig – nunmehr dazu dienen soll, die von der Klägerin weiterhin angestrebte Nutzung des Parkplatzes zu verhindern. Dies entspricht dem den Beklagten bescheidmäßig erteilten Auftrag (vgl 6 Ob 77/01v: Unmöglichkeit der Ausübung einer Wegedienstbarkeit durch einen Wiederaufforstungsbescheid gegenüber dem Belasteten; Abweisung des Klagebegehrens auf Beseitigung von drei Absperrungen des Forstaufschließungswegs). Dass der Betonsockel die Klägerin bei der Durchführung allfälliger Arbeiten zur Anbringung einer Absturzsicherung behindern würde, behauptet sie nicht.

[25] Dass der – amtswegig gefasste – „Untersagungsbescheid“ auf das allfällige aktive Einschreiten der Beklagten und deren Angaben zurückzuführen ist, ändert nichts an der derzeit vorliegenden rechtlichen und Unmöglichkeit der Ausübung der Parkplatzservitut (6 Ob 77/01v).

[26] Das Beseitigungsbegehren betreffend den Betonquader und das Begehren, in Hinkunft jede derartige Störung zu unterlassen, sind aus den dargelegten Gründen in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen abzuweisen.

[27] 6. Aufwendungen zur Herstellung sowie zur Erhaltung der Nutzbarkeit der dienstbaren Sache hat mangels anderweitiger Vereinbarung grundsätzlich der Berechtigte zu tragen (§ 483 Satz 1 ABGB; Koch in KBB6 § 483 ABGB Rz 1; Bittner in Klang3 § 483 ABGB Rz 1; Merth/Spath in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 483 Rz 1). Die mit einer Servitut belasteten Grundeigentümer haben am Servitutsgegenstand erforderliche Instandsetzungsarbeiten jedenfalls zu dulden. Dabei ist unbeachtlich, wer solche Arbeiten durchführt, sie können auch von Dritten durchgeführt werden (RS0107735). Obwohl der Servitutsverpflichtete grundsätzlich nur zur Duldung, nicht aber zu einem positiven Tun verpflichtet ist, ist er auch verpflichtet, der Errichtung zuzustimmen, wenn dies zwingend die Voraussetzung für die Herstellung ist (1 Ob 79/10i = RS0107735 [T2]). Der belastete Liegenschaftseigentümer kann dem Servitutsberechtigten keine bestimmten Maßnahmen vorschreiben (Bittner aaO § 483 ABGB Rz 1; Merth/Spath aaO § 483 Rz 3, jeweils mwN zur Judikatur).

[28] Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Unterlassung von „Störungen anderer Art“ ihres Dienstbarkeitsrechts des Abstellens von Fahrzeugen. Dazu brachte sie vor, die Beklagten hätten ihr untersagt, bauliche Tätigkeiten auf deren Liegenschaft durchzuführen. Mit dieser Vorgangsweise hätten ihr die Beklagten verwehrt, ihr „allenfalls obliegende Maßnahmen zur Herstellung der Verkehrssicherheit“ zu treffen, und sie an der Ausübung ihrer Dienstbarkeit in rechtswidriger Weise beschränkt. Sie habe sich bereit erklärt, eine entsprechende Absturzsicherung zu montieren, was ihr jedoch von den Beklagten verwehrt werde.

[29] Nach den getroffenen Feststellungen teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass sie keine Baumaßnahmen auf ihrer Liegenschaft durch die Klägerin dulden würden.

[30] Diesem Anspruch hielten die Beklagten entgegen, dass die Klägerin aufgrund ihres Servitutsrechts nicht berechtigt wäre, Bauarbeiten – wie die gegenständlich notwendigen – betreffend die Absturzsicherung auf ihrer Liegenschaft durchzuführen. Diese Bauarbeiten bedürften einer Baugenehmigung und seien von ihnen als Grundstückseigentümer zu veranlassen.

[31] Dass die Klägerin nicht berechtigt wäre, die Arbeiten für eine Absturzsicherung auf der Liegenschaft der Beklagten in Auftrag zu geben, um den Abstellplatz benützen zu können, trifft nach § 483 Satz 1 ABGB nicht zu. Durch welche Maßnahmen der Servitutsberechtigte seiner Verpflichtung zur Erhaltung der Sache, die zur Dienstbarkeit bestimmt ist, nachkommt, ist grundsätzlich ihm überlassen (RS0011677; RS0011680 [T1]). Dass die Beklagten der Klägerin die Durchführung der erforderlichen Herstellungs- und Instandsetzungsarbeiten, damit sie in Zukunft ihre Parkplatzservitut nutzen kann, verbieten, ist rechtswidrig, sodass sie dagegen ein Unterlassungsbegehren erheben kann (§ 523 ABGB).

[32] Nach ständiger Rechtsprechung sind Anpassungen des Urteilsspruchs (hier: Begehren auf Unterlassung von „Störungen anderer Art“) an den sachlichen Inhalt des Begehrens abweichend von dessen Wortlaut zulässig (RS0041254). Bei der Fassung des Urteilsspruchs ist nicht nur der Wortlaut des gestellten Begehrens, sondern auch das Klagsvorbringen, auf das sich das Begehren stützt, sowie das erkennbare Rechtsschutzziel zu beachten (RS0039357 [T2, T44]).

[33] Das Unterlassungsbegehren der Klägerin hinsichtlich „anderer Störungen“ richtet sich nach ihren Klagebehauptungen eindeutig darauf, dass es die Beklagten zu unterlassen haben, ihr bauliche Tätigkeiten zu verbieten, die sie daran hindern, die Servitutsfläche in einen bauordnungskonformen Zustand zu bringen.

[34] Das Unterlassungsbegehren ist daher in diesem Umfang, der – abweichend vom Wortlaut – dem Klagsvorbringen und dem erkennbaren Rechtsschutzziel der Klägerin entspricht, berechtigt. Im Spruch über das Unterlassungsgebot hatte die Verpflichtung „zur ungeteilten Hand“ zu entfallen, weil mehrere Unterlassungsverpflichtete nicht zur ungeteilten Hand haften (RS0079591).

[35] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Die Klägerin ist mit dem Beseitigungsbegehren und der Hälfte ihres Unterlassungsbegehrens unterlegen, sodass sie den Beklagten drei Viertel der Barauslagen und die Hälfte deren Verdienstes zu ersetzen hat, selbst aber ein Viertel ihrer Barauslagen erhält. Für die Revision steht den Beklagten gemäß § 23 Abs 3 RATG lediglich ein Einheitssatz von 50 % (anstatt verzeichnet 60 %) zu. Der ERV-Zuschlag beträgt gemäß § 23a RATG lediglich 2,10 EUR (anstatt 4,10 EUR), handelt es sich doch bei der Revision um keinen das Verfahren einleitenden Schriftsatz. Die Verfahrenskosten aller drei Instanzen wurden saldiert.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00157.22B.0914.000

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