OGH vom 14.09.2022, 1Ob155/22h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. WesselyKristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E* und 2. E*, vertreten durch die Dr. Schartner Rechtsanwalt GmbH, Altenmarkt im Pongau, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Alexander Bosio, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen 290 EUR sA sowie wegen Feststellung (14.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 14.000 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 84/22t19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 15 C 330/21g14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.119,44 EUR (darin 186,57 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Zugunsten des herrschenden Grundstücks des Beklagten besteht ein Geh- und Fahrrecht an einer über die beiden dienenden Grundstücke 150/1 und 150/8 der Kläger verlaufenden Straße. Diese dient der Aufschließung des Grundstücks des Beklagten, der Grundstücke der Kläger sowie eines Grundstücks eines Dritten. Die Straße ist teilweise asphaltiert und zum Teil geschottert. Sie erschließt zunächst das Grundstück des Dritten, dann jenes des Beklagten und zuletzt das Grundstück der Kläger, wo die Straße endet. Sie wird von den drei anrainenden Grundeigentümern in unterschiedlichem – vom Erstgericht näher festgestellten – Ausmaß als Zufahrt zu ihren Grundstücken genutzt. Die Instandhaltung der Straße erfolgte bisher durch die Kläger, die auch die Kosten für die Schneeräumung trugen. 2018 wurde ihnen behördlich aufgetragen, die bereits im Bauverfahren 1978 vorgeschriebene Straßenbreite von sechs Metern herzustellen.
[2] Die begehrten die Zahlung von 290 EUR an anteiligen Kosten der Schneeräumung sowie die Feststellung, dass sich der Beklagte zu einem Drittel an den Erhaltungs-, Betreuungs- und Herstellungskosten der über ihr Grundstück 150/8 und zu einem Viertel an den Erhaltungs- und Herstellungskosten der über ihr Grundstück 150/1 verlaufenden Straße zu beteiligen habe. Mangels abweichender Vereinbarung richte sich der Beitrag zu diesen Kosten nach der anteiligen Nutzung der Straße.
[3] Der wandte – soweit in dritter Instanz relevant – ein, er müsse sich nicht an den Kosten für die Herstellung einer breiteren Straße beteiligen, weil die Eigentümer der dienenden Grundstücke schon vor Begründung des Wegerechts baubehördlich zur Errichtung einer Straße mit einer Breite von sechs Metern verpflichtet worden seien. Dass sie dem bisher nicht nachgekommen seien, könne nicht dem Beklagten zur Last fallen.
[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Aufwand für die Herstellung und Instandhaltung einer dienstbaren Sache sei mangels abweichender Vereinbarung vom Servitutsberechtigten zu tragen. Mehrere Berechtigte hätten entsprechend dem Verhältnis ihrer jeweiligen Nutzung beizutragen. Die Mitbenutzung durch den Eigentümer sei wie die Benutzung durch einen weiteren Servitutsberechtigten zu sehen. Dass den Klägern die Errichtung der Straße in einer bestimmten Breite behördlich vorgeschrieben wurde, vermöge an der „internen Kostentragung“ nichts zu ändern. Die Herstellung einer den behördlichen Vorgaben entsprechenden Straße erfolge auch im Interesse des Beklagten.
[5] Das vom Beklagten nur hinsichtlich des Feststellungsausspruchs angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung sowie die Begründung des Erstgerichts. Dass den Klägern behördlich aufgetragen wurde, die Straße in einer gewissen Breite zu errichten, ändere nichts an den zivilrechtlichen Grundsätzen über die Aufteilung der dafür anfallenden Kosten.
[6] Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung dazu bestehe, ob der Servitutsberechtigte den Aufwand für die Herstellung der dienstbaren Sache auch dann tragen müsse, wenn dem Eigentümer deren Errichtung behördlich vorgeschrieben werde.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage ulässig, aber nicht berechtigt.
[8] 1. Die Revision ficht das Berufungsurteil zwar hinsichtlich des gesamten Feststellungsausspruchs (Punkt 2 im erstinstanzlichen Urteil) an. Inhaltlich beziehen sich die Ausführungen aber nur auf die Verpflichtung des Beklagten, sich an den Kosten der Herstellung der dienstbaren Sache zu beteiligen. Auf die Verpflichtung zur Beteiligung an den Erhaltungs- und Betreuungskosten kommt das Rechtsmittel nicht zurück, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
[9] 2. Eine Dienstbarkeit fordert gemäß § 482 ABGB nur ein Dulden bzw Unterlassen des Verpflichteten (RS0105768). Bereits daraus folgt, dass der Berechtigte den Aufwand für die (auch erstmalige; 7 Ob 691/84 = RS0011674) Herstellung der dienstbaren Sache grundsätzlich – soweit vertraglich nichts anderes vereinbart wurde – selbst zu tragen hat. § 483 Satz 1 ABGB stellt dies nochmals ausdrücklich klar. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige den Aufwand auf die dienende Sache tragen soll, dem auch ihr Nutzen zukommt. § 483 Satz 2 ABGB sieht demnach vor, dass ein solcher Aufwand, wenn die zur Dienstbarkeit bestimmte Sache nicht nur vom Berechtigten, sondern auch vom Verpflichteten benützt wird, von diesen „verhältnismäßig“ zu tragen ist (vgl auch § 494 ABGB für Wegeservituten). Wurde ein Aufwand ausschließlich im Interesse des Servitutsverpflichteten getätigt, ist er nach der Rechtsprechung von diesem zur Gänze selbst zu tragen (6 Ob 585/87; 7 Ob 337/97b; 1 Ob 273/07i).
[10] 3. Aus § 482 ABGB ergibt sich auch, dass es am Servitutsberechtigten liegt, für die erstmalige Herstellung der dienstbaren Sache zu sorgen (2 Ob 148/18f; Risak in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 [2020] § 482 ABGB Rz 1; Merth/Spath in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 [2019] § 482 ABGB Rz 2). Er bestimmt grundsätzlich auch, wie dies konkret geschehen soll. Der Servitutsverpflichtete kann ihm insoweit keine bestimmten Maßnahmen vorschreiben (vgl 8 Ob 154/70 und 7 Ob 2427/96d zur Erhaltungspflicht; dies muss auch für die Herstellung der dienstbaren Sache gelten, soweit dies vom Titel gedeckt ist; vgl RS0011720).
[11] 4. Nach der Behauptung des Revisionswerbers wurde zugunsten seines Grundstücks ein über die Grundstücke der Kläger führendes Wegerecht an einer sechs Meter breiten Straße vereinbart. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits (irgend)eine Straße bestand, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Jedenfalls bestand eine solche aber noch nicht in der vereinbarten Breite.
[12] 5. Dass die Kläger baubehördlich zur Verbreiterung der Straße und damit zur Herstellung der dienstbaren Sache verpflichtet sind, obwohl dazu nach § 482 ABGB der Servitutsberechtigte berufen wäre, nimmt diesem zwar die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, ob bzw wie die Herstellung erfolgen soll. Warum deshalb die Bestimmung des § 483 ABGB über die Aufteilung der Aufwendungen auf die dienstbare Sache unanwendbar wäre, ist aber schon deshalb nicht ersichtlich, weil die behördlich angeordnete Verbreiterung der Straße – wie der Revisionswerber zugesteht – zweifellos auch in seinem Interesse liegt. Die behördliche Anordnung lässt auch keine Gefahr erkennen, dass die Kläger den nutzungsberechtigten Beklagten durch kostspielige Aufwendungen „unerträglich“ belasten würden, was eine gänzliche Kostentragung durch diese rechtfertigen könnte (6 Ob 585/87).
[13] 6. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen entspricht auch der Entscheidung zu 7 Ob 2427/96d. Dort war der Fall zu beurteilen, dass dem Eigentümer eines mit einem Wasserbezugsrecht belasteten Grundstücks aufgrund einer baubehördlichen Anordnung die Sanierung des Brunnens aufgetragen worden war. Er begehrte vom Servitutsberechtigten als alleinigem Benutzer des Brunnens den Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten. Der Oberste Gerichtshof ging auch in diesem Fall davon aus, dass der Aufwand zur Erhaltung und Herstellung der dienstbaren Sache gemäß § 483 ABGB vom Berechtigten zu tragen sei. Da der Grundeigentümer aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift einen Aufwand getätigt habe, den der Servitutsberechtigte machen hätte müssen, stehe ersterem – auch wenn der Berechtigte grundsätzlich selbst bestimmen könne, wie er seiner Verpflichtung zur Erhaltung der dienstbaren Sache nachkomme – ein Anspruch auf Ersatz dieses Aufwands zu. Dass der Grundeigentümer nach der Bauordnung zur Sanierung des Brunnens verpflichtet gewesen sei, ändere nichts an der Pflicht des Servitutsberechtigten zur Kostentragung nach § 483 ABGB.
[14] 7. Diese Erwägungen können ungeachtet dessen, dass den Klägern hier nicht die Instandhaltung, sondern die erstmalige Herstellung der dienstbaren Sache behördlich aufgetragen wurde, auf den vorliegenden Fall übertragen werden, weil § 483 ABGB den Erhaltungs- und Herstellungsaufwand gleich behandelt. Dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Eigentümer der dienenden Grundstücke zur Verbreiterung der Straße bereits vor Begründung der Wegeservitut bestand, vermag die vom Beklagten angestrebte gänzliche Kostentragungspflicht der Kläger mangels entsprechender Vereinbarung nicht zu begründen. Der Beklagte hat daher gemäß § 483 Satz 2 ABGB künftig anfallende Kosten für die auch in seinem Interesse gelegene Herstellung der Straße in der im Servitutsvertrag vereinbarten Breite verhältnismäßig mitzutragen.
[15] 8. Der Nutzungsanteil des Servitutsberechtigten ergibt sich aus dem Verhältnis seiner Benützung im Vergleich zu jener durch den Servitutsverpflichteten im Hinblick auf die Länge der betroffenen Teilstücke zur Gesamtlänge des Wegs, wobei auch die Intensität der jeweiligen Nutzung zu berücksichtigen ist (RS0116384). Der Revisionswerber wendet sich nicht gegen das dem Berufungsurteil zugrunde gelegte Nutzungsverhältnis. Die angefochtene Entscheidung ist daher zu bestätigen.
[16] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00155.22H.0914.000 |
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