OGH 20.09.2023, 1Ob131/23f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* S*, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt *, vertreten durch die RUDECK – SCHLAGER RECHTSANWALTS KG in Wien, wegen 223.519,11 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 44/23b-31, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
[1] Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Grundsätzlich kommt dem Obersten Gerichtshof bei der Auslegung von Verwaltungsrecht keine Leitfunktion zu (RS0116438; RS0113455 [T3]), weshalb keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts getroffen hat (RS0116438 [T2]).
[3] 2. Soweit sich die Revision darauf beschränkt, die Berufung wörtlich zu wiederholen, wird die Rechtsrüge den an sie gestellten Anforderungen nicht gerecht (RS0043603 [T15]). Da die notwendige Auseinandersetzung mit den Argumenten des Berufungsgerichts insofern gerade nicht stattfindet, ist die Revision in dieser Hinsicht nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T9]).
[4] 3. In der Folge wird nur auf jene Revisionsargumente eingegangen, denen eigenständige rechtliche Überlegungen zur Berufungsentscheidung zugrunde liegen. Insofern zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[5] 3.1. Strittig ist die vom Kläger behauptete – von den Vorinstanzen verneinte – Rechtswidrigkeit der Durchführung der Ersatzvornahme des Abbruchs seines Hauses am durch Organe der Beklagten.
[6] Dem Kläger wurde im Februar 2008 mit rechtskräftigem Bescheid („Titelbescheid“) der Auftrag erteilt, sein Kleingartenwohnhaus, das nicht den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprach, binnen sechs Monaten zur Gänze entfernen zu lassen. Nach der Androhung einer Ersatzvornahme im September 2011 wurde im Jänner 2012 gemäß § 4 Abs 1 VVG die zwangsweise Durchführung des behördlichen Auftrags durch Ersatzvornahme angeordnet, weil der Kläger dem Entfernungsauftrag nicht nachgekommen war. Auch diese Vollstreckungsverfügung wurde rechtskräftig. Auf ihrer Grundlage wurde das Haus am abgetragen.
[7] 3.2. Anlässlich einer Besprechung am hatten Mitarbeiter der Beklagten eine Begehung Anfang April 2018 angekündigt und dem Kläger mitgeteilt, „dass ein weiterer Aufschub der Vollstreckung nur bei faktischen Leistungen des Klägers hinsichtlich Herstellung eines konsensmäßigen Zustands des vorhandenen Gebäudes möglich ist“.
[8] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass darin keine Zusage der beklagten Vollstreckungsbehörde, mit dem Abbruch noch länger zuzuwarten, zu erblicken sei, weil mit der „faktischen Leistung“ die Entsprechung des Entfernungsauftrags durch den Kläger (die gänzliche Entfernung des Bauwerks) bzw ein Rückbau auf ein bewilligungsfähiges, bereits eingereichtes Projekt gemeint sei, das den behördlich angeordneten Abbruch verhindern hätte können, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der inhaltsleeren Behauptung des Revisionswerbers hätte ein solches Verhalten keine Verwaltungsübertretung gemäß § 135 Abs 1 Bauordnung für Wien bewirkt, ist doch weder die Herstellung des Zustands entsprechend dem Titelbescheid („Abbruchbescheid“) noch die Herstellung eines Zustands, wie er der ursprünglichen rechtskräftigen Baubewilligung entsprochen hätte, eine Übertretung dieses Gesetzes.
[9] Zudem kann im Verwaltungsvollstreckungsverfahren auch unter Berücksichtigung des Schonungsprinzips (§ 2 Abs 1 VVG) nicht bloß die Verkleinerung der Baulichkeit erzwungen werden, wenn der Titel – wie im vorliegenden Fall – auf Entfernung lautet (VwGH 2011/05/0139; 2011/05/0152).
[10] 3.3. Die Vollstreckung eines Beseitigungsauftrags ist während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung unzulässig. Dies setzt aber nicht nur voraus, dass sich das nachträgliche Bauansuchen auf das vom Vollstreckungsverfahren betroffene Bauobjekt bezieht, sondern auch, dass diesbezüglich überhaupt eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann (VwGH Ra 2021/05/0113 ua).
[11] Im Zeitpunkt des behördlich angeordneten Abbruchs des Kleingartenhauses hatte der Kläger kein solches Bauansuchen gestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, im bei der Beklagten eingebrachten „Antrag eines Tauschvertrags“, mit dem um Zustimmung der Beklagten als Grundstückseigentümerin zum Tauschvertrag laut Teilungsplan angesucht wurde, könne kein Bauansuchen zur nachträglichen Bewilligung des gegenständlichen Bauwerks gesehen werden, ist nicht korrekturbedürftig. Die bloße Absicht, eine Baubewilligung zu erlangen, vermag an der Zulässigkeit der Vollstreckung des Auftrags – ebenso wie eine nicht erteilte Baubewilligung – nichts zu ändern. Auch ist es ohne Belang, aus welchen Gründen der verpflichtete Kläger an einer Antragstellung gehindert war (VwGH 2013/05/0007).
[12] 3.4. Zusammengefasst vermag der Revisionswerber keinen gesetzlich zulässigen Grund für einen behaupteten „Vollstreckungsaufschub“ zu nennen. Eine „Vereinbarung eines Aufschubgrundes“ steht nicht fest, ganz abgesehen davon, dass der Kläger dafür auch keine Rechtsgrundlage nennen kann.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00131.23F.0920.000 |
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