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OGH 20.09.2023, 1Ob119/23s

OGH 20.09.2023, 1Ob119/23s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Mag. Werner-Felix Diebald, Rechtsanwalt in Köflach, gegen die beklagte Partei I* GmbH, *, vertreten durch Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger, Mag. Tobias Praschl-Bichler, Rechtsanwälte in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. N* als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen von N*, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold und Dr. Norbert Kollerics, Rechtsanwälte in Graz, wegen 73.337,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision und den darin enthaltenen Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 4/23t-31, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 17 Cg 16/21x-23, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der in der Revision enthaltene Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger schloss über Vermittlung der Beklagten – einer Vermögensplanung GmbH – bei einer Lebensversicherungs AG eine fondsgebundene Todesfallversicherung mit vorgezogener Leistung bei Eintritt einer schweren Krankheit ab, aus diesem Anlass kündigte er einen bestehenden Versicherungsvertrag mit ähnlichen Leistungen. Nachdem beim Kläger eine ernste Erkrankung aufgetreten war, erklärte die Versicherung den Versicherungsvertrag als nichtig anzufechten und jede Leistung abzulehnen, weil der Kläger bei der Antragstellung zahlreiche Vorerkrankungen verschwiegen hatte. Die für die Beklagte tätige (selbständige) Beraterin (nunmehr Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten) hatte im Antragsformular bei allen Fragen zum Gesundheitszustand des Klägers die Rubrik „NEIN“ angekreuzt, ohne dies mit ihm zu erörtern. Der bestehende Vertrag war ihr bekannt.

[2] Der Kläger begehrte von der Beklagten Schadenersatz von 73.337,77 EUR, weil deren Erfüllungsgehilfin ihn bei Abschluss des Vertrags falsch beraten habe. Er hätte eine damals bestehende Vorversicherung, aus der er die Versicherungsleistung erhalten hätte, keinesfalls gekündigt, hätte ihn die Erfüllungsgehilfin der Beklagten darüber aufgeklärt, dass eine andere Versicherung seinen Antrag aufgrund seiner zwischenzeitig aufgetretenen Vorerkrankungen ablehnen würde.

[3] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 36.668,88 EUR sA und wies das darüber hinausgehende Begehren von 36.668,88 EUR sA ab.

[4] Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Klägers, der Beklagten und des Nebenintervenienten teilweise Folge. Mit Teilurteil sprach es dem Kläger einen Betrag von 36.125,77 EUR sA zu, bestätigte (mittlerweile rechtskräftig) die Abweisung eines Klagebegehrens von 24.445,92 EUR sA und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im Übrigen hob es mit Beschluss das Ersturteil hinsichtlich eines Zahlungsbegehrens von 12.766,08 EUR sA zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen den klagestattgebenden und aufhebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.

[6] I. Soweit sich die Beklagte gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wendet, mit dem das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich eines Betrags von 12.766,08 EUR aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, ist ihr Rechtsmittel absolut unzulässig:

[7] Gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse, soweit dadurch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Die Zulässigkeit des Rekurses ist daher an einen ausdrücklichen Zulassungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz gebunden. Fehlt – wie hier – ein solcher Ausspruch, ist auch ein außerordentlicher Rekurs (oder wie hier eine „außerordentliche Revision“ als Rechtsmittel nur gegen ein Berufungsurteil: §§ 505, 506 ZPO) ausgeschlossen (RS0043880; RS0043898). Die insoweit als Rekurs zu behandelnde außerordentliche Revision der Beklagten ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (1 Ob 72/23d).

[8] II. Im Übrigen ist die außerordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig:

[9] 1. Die Ansicht der Beklagten, das Fehlverhalten der Beraterin beim Ausfüllen des Versicherungsantrags sei ihr nicht zuzurechnen, weil sie ihr nie die Aufgabe übertragen habe, die im Antrag gestellten Gesundheitsfragen anstelle des Kunden zu beantworten, übergeht grundsätzlich den vom Kläger erhobenen Vorwurf, dass ihm die Beraterin wegen seiner Vorerkrankungen gar nicht zur Kündigung der Vorversicherung hätte raten dürfen.

[10] Fest steht, dass der Kläger den alten Versicherungsvertrag nicht gekündigt hätte, wäre er darüber aufgeklärt worden, dass die neue Versicherung seinen Antrag wegen der zwischenzeitig aufgetretenen Vorerkrankungen nicht annehmen würde. Schadensursächlich war daher letztlich nicht bloß die wahrheitswidrige Beantwortung der Gesundheitsfragen, weil nach den Feststellungen auch deren richtige Beantwortung nicht zum Abschluss eines (zumindest den Konditionen der Vorversicherung entsprechenden) Versicherungsvertrags mit der neuen Versicherung geführt hätte, sondern der Rat zum Versicherungswechsel ohne Erörterung der sich aus allfälligen Vorerkrankungen ergebenden Problematik (erhöhtes Versicherungsrisiko). Dass aber die Beratung über die Vor und Nachteile eines Vertragsabschlusses zum Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers gehört, bezweifelt nicht einmal die Beklagte.

[11] 2. Davon ausgehend vermag die Beklagte keine Bedenken an der vom Berufungsgericht im vorliegenden Einzelfall (vgl RS0087606) angenommenen Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Gunsten des Klägers zu wecken. Die von ihr zitierten Entscheidungen 7 Ob 20/79 und 7 Ob 11/85 betreffen, wie bereits das Berufungsgericht festgehalten hat, das Verhältnis des Versicherungsnehmers zur Versicherung und nicht – wie hier – zum Versicherungsvermittler und sind daher nicht einschlägig.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00119.23S.0920.000

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)

Fundstelle(n):
QAAAB-55181