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OGH 04.10.2023, 15Os95/23v

OGH 04.10.2023, 15Os95/23v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen Mag. * H* und eine weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten sowie über die Berufung der Privatbeteiligten R* AG gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 112/19w451, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde Mag. * H* mit dem angefochtenen Urteil der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 [erster Fall], Abs 2, 148 erster und zweiter Fall StGB (I./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – zusammengefasst –

I./ in W* gewerbsmäßig (§ 70 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Verfügungsberechtigten im Rechnungswesen der R* AG (idF R*) durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich der Auszahlung von Rechnungsbeträgen verleitet, wodurch die I* AG (idF I*)mit insgesamt 26.750 Euro am Vermögen geschädigt wurde,

A./ indem er zwischen und zur Täuschung vier im Urteil näher bezeichnete falsche Honorarnoten, also falsche Urkunden, verwendete, auf denen wahrheitswidrig J* N* als Ausstellerin und Coaching-Tage als angeblich erbrachte Leistungen aufschienen, obwohl diesen Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen, und, indem er in weiterer Folge durch seinen Prüfungsvermerk die Wirtschaftlichkeit der verrechneten Leistung bestätigte und diese an das genannte Rechnungswesen weiterleitete;

B./ indem er im Februar 2011 die Rechnung des W* für den Lehrgang zum systemischen Coach über 3.950 Euro, der tatsächlich von R* N* besucht wurde, bei der I* einlaufen ließ und indem er in weiterer Folge durch seinen Prüfungsvermerk die Wirtschaftlichkeit der verrechneten Leistung bestätigte und diese an das genannte Rechnungswesen weiterleitete, obwohl die vom W* erbrachte Leistung tatsächlich der Genannten und nicht dem die Rechnung bezahlenden Unternehmen zukam;

II./ zwischen und März 2013 in W* seine ihm als vertretungsbefugter Prokurist (von bis ) und als vertretungsbefugter Geschäftsführer (von bis ) der I*, die am in Ra* GmbH (idF RC*) umbenannt wurde, eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen oder andere, nämlich das genannte Unternehmen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die Gesellschaft in einem 300.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er mit den nachgenannten Unternehmen Verträge abschloss und in weiterer Folge die Wirtschaftlichkeit der in Eingangsrechnungen jeweils angeführten Leistungen bestätigte, sodass es zur Auszahlung der Rechnungsbeträge kam, obwohl diesen keine oder nur teilweise an die I*/RC* erbrachte Leistungen zugrunde lagen, nämlich

A./ mit der A* Gesellschaft m.b.H. betreffend 22 im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

B./ mit der T* KGbetreffend sieben im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

C./ mit der „v*“ e.U. betreffend 12 im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

D./ mit der M* GmbH betreffend fünf im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

E./ mit der P* GmbH & Co KG betreffend 18 im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

F./ mit der K* Ges.m.b.H & Co KG betreffend fünf im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

G./ mit dem Kn*, Inhaber K* und M* P* betreffend zwei im Urteil näher bezeichnete Eingangsrechnungen;

H./ indem er mit der H* Ltd einen Mietvertrag für ein Leih-Fahrzeug auf Kosten der I* abschloss.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten Mag. H* aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet betreffend I./A./ des Schuldspruchs eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeitsqualifikation und bringt vor, die Konstatierung, dass der Angeklagte trotz fehlender Verfügungsberechtigung über das Konto der J* N* über dieses faktisch verfügen konnte, lasse offen, ob er über die Eingänge auf dem Konto tatsächlich verfügt hat und ob durch die Behebung der Beträge bei ihm eine Bereicherung eingetreten ist. Damit verkennt der Rechtsmittelwerber, dass Gewerbsmäßigkeit keineswegs den tatsächlichen Eintritt einer „Bereicherung beim unmittelbaren Täter“ verlangt, vielmehr genügt insoweit das Handeln in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB), sich selbst durch die wiederholte Begehung der Taten ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 70 Rz 2). Im Übrigen lässt die Beschwerde die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter völlig außer Acht (US 69, US 87 f). Die Mängelrüge ist aber nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370).

[5] Die weitere Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) bringt vor, betreffend die der Annahme der Gewerbsmäßigkeit zugrundeliegenden Feststellungen zu I./B./ wäre die erstgerichtliche Formulierung auf US 22 widersprüchlich, wonach es dem Angeklagten bei der Tathandlung („also Singular“) darauf ankam, sich durch die Begehung der Betrügereien („also Plural“) für einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, womit „erkennbar das Faktum I./B./ mit den Fakten I./A./“ vermengt würde. Damit wird ein Widerspruch im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0117402).

[6] Zu I./B./ führt der Rechtsmittelwerber weiters aus, dass der Nutzen des Lehrgangs nicht dem Angeklagten, sondern R* N* zugute kam, weshalb es an einer Begründung für die Annahme gewerbsmäßigen Handelns fehle (Z 5 vierter Fall; vgl RIS-Justiz RS0086962). Damit spricht er keinen entscheidenden Umstand an (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 399), weil schon die Feststellungen zu I./A./ die Annahme der Gewerbsmäßigkeit tragen.

[7] Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat das Schöffengericht betreffend die Feststellungen zu II./H./ des Schuldspruchs die Aussage der Zeugin R* N* nicht übergangen (US 45 ff).

[8] Betreffend die erstgerichtliche Feststellung, wonach es eine vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung zwischen dem Angeklagten und „der Privatbeteiligten oder der Ö* als Konzernmutter“ im Sinn des § 167 Abs 2 Z 2 StPO nicht gab (US 30), behauptet die Mängelrüge Unvollständigkeit und Aktenwidrigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter und fünfter Fall).

[9] Die Umstände, dass der Rechtsmittelwerber per vom Dienst freigestellt wurde, ab Juni 2013 sein Bezug bis zum pfändungsfreien Betrag einbehalten wurde und er in der Folge mit vollen Bezügen in den Ruhestand versetzt wurde, ließen die Tatrichter entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerde nicht unberücksichtigt (US 15).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde argumentiert nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung, indem sie ausführt, die „Nichtentlassung“ des Rechtsmittelwerbers spreche für das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung zur Schadensgutmachung, die mediale Berichterstattung sei einer schriftlichen Vereinbarung entgegengestanden, weil deren Inhalt als unsachliche Bevorzugung des Mag. H* gegenüber der Angeklagten O*, welche sehr wohl entlassen wurde, angesehen hätte werden können (vgl dazu US 15 f, US 116 ff). Aktenwidrigkeit wird damit jedenfalls nicht aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0099431).

[11] Betreffend die Erwägungen der Tatrichter zur Aussage des Zeugen * A* (US 77) übt der Nichtigkeitswerber bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik, ohne eine Anfechtungskategorie der Z 5 anzusprechen.

[12] Das gilt auch für das weitere Vorbringen zur erstgerichtlichen Urteilsbegründung, wonach der genannte Zeuge ausgeführt habe, eine Rückzahlungszusage des Angeklagten zu kennen, ohne Details benennen zu können, womit nach der Einschätzung des Schöffengerichts „offenbar die Vereinbarung vom “ (ON 245 S 485) gemeint war. Der Nichtigkeitswerber zeigt keine Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) auf, indem er ausführt, die „Gesprächsnotiz vom “ wäre „nach Form und Inhalt überhaupt keine Vereinbarung“ gewesen. Er nimmt damit nämlich nur eine eigenständige Interpretation eines Beweismittels vor, ohne ein Fehlzitat aufzuzeigen (vgl jedoch RISJustiz RS0099431).

[13] Auch betreffend die Aussage des Zeugen Mag. * T* zeigt die Mängelrüge (Z 5 letzter Fall) keine Aktenwidrigkeit auf (US 80 f). Der Rechtsmittelwerber nimmt bloß eine eigenständige Interpretation der Angaben des Zeugen vor, indem er die erstgerichtlichen Erwägungen kritisiert, wonach dieser betreffend die Einbehaltung der Bezüge des Angeklagten keine detaillierten Angaben machen konnte, sondern im Wesentlichen ausführte, dass diese seines Wissens nach mit ihm abgestimmt gewesen sei, womit er „offenbar die Vereinbarung vom “ gemeint habe.

[14] Soweit die Mängelrüge (Z 5) auf die Ausführungen des Schöffengerichts betreffend das Unterbleiben eines Verfallsausspruchs und einer Abschöpfung der Bereicherung beim Angeklagten Bezug nimmt, wonach für mehrere Jahre ein Teil dessen Gehalts von insgesamt zumindest 133.959,84 Euro einbehalten wurde, wovon 83.361,33 Euro auf von der Anklage unabhängige Forderungen entfielen (US 140 f), wird keine für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 399) angesprochen.

[15] Betreffend I./ des Schuldspruchs argumentiert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts (vgl aber RISJustiz RS0099810), indem sie ausführt, die Prüftätigkeit der Mitarbeiter der R* sei keine inhaltliche, sondern eine rein formelle gewesen, weshalb eine Täuschung über Tatsachen durch den Angeklagten nicht angenommen werden könne. Sie übergeht dabei jedoch die Konstatierungen der Tatrichter, wonach die genannten Mitarbeiter die Zahlungen nicht freigegeben hätten, wenn sie gewusst hätten, dass es sich dabei um gefälschte Honorarnoten handelte (US 20; vgl im Übrigen die Feststellungen auf US 22 zum Täuschungsvorsatz).

[16] Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert für den Angeklagten den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB, orientiert sich aber nicht am festgestellten Sachverhalt, wonach eine vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung zwischen diesem und der Privatbeteiligten oder der Ö* als Konzernmutter nicht vereinbart wurde (US 30; vgl neuerlich RIS-Justiz RS0099810).

[17] Die Behauptung eines Feststellungsmangels kann prozessordnungsmäßig nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsaussagen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass die getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um eine umfassende und verlässliche rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, oder dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte für diese Subsumtion rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die – wie fallaktuell – einen Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet (vgl die Negativfeststellung zur vertraglichen Verpflichtung zur Schadensgutmachung auf US 30), nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0099730, RS0099810).

[18] Der Angeklagte bringt vor:

Eine „schadensregulierende“ Vereinbarung verlange keine Schriftlichkeit.

Der Angeklagte habe der Privatbeteiligten schon am einen Vorschlag zur Schadensgutmachung angeboten und am eine umfassende Schadenssachverhaltsdarstellung übermittelt (vgl US 116 f).

Der mit der Aufarbeitung der Schäden von der Privatbeteiligten beauftragte Mag. * P* hätte die Vorschläge des Angeklagten an den Vorstand weiterzuleiten gehabt.

Aus dem sichergestellten Entwurf ergäbe sich, dass dieser alle bisherigen Vereinbarungen hätte ersetzen sollen.

Der Angeklagte hätte diesen Entwurf sogar anwaltlich auf seine Tauglichkeit für eine allfällige Straffreiheit noch vor Einleitung von Ermittlungen gegen ihn überprüfen lassen.

Dass die Privatbeteiligte auf den Vorschlag nicht schriftlich reagiert habe, sei im Hinblick auf deren tatsächliches Verhalten (Gehaltsabzug noch vor Anzeigeerstattung) ein sicherer Hinweis auf eine konkludente Vereinbarung gewesen.

Der Zeuge A* hätte ausgesagt, eine Rückzahlungszusage des Angeklagten zu kennen (vgl dazu US 77).

Der Angeklagte habe ab seiner Ruhestandsversetzung am seine Pensionszahlung ohne Abzüge erhalten.

Der „damals auf dem Vorstand gelastet habende Druck durch die mediale Berichterstattung“ mache es verständlich, dass von einer Schriftform der Vereinbarung abgesehen worden sei.

[19] Mit dieser Argumentation übt der Rechtsmittelwerber bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer nur im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Schuldberufung.

[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00095.23V.1004.000

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