OGH vom 14.09.2022, 15Os56/22g

OGH vom 14.09.2022, 15Os56/22g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Turner als Schriftführer in der Medienrechtssache der Antragstellerin * W* gegen die Antragsgegnerin M* GmbH wegen §§ 6, 7a MedienG, AZ 113 Hv 101/21g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Antragstellerin und der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil vom , GZ 113 Hv 101/21g-9, sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien aus, dass durch die inhaltsgleichen Veröffentlichungen vom im periodischen Druckwerk *, im periodischen Druckwerk * und in den über die Webseite www.e*.at abrufbaren elektronischen Versionen von „*“ und * mit der Überschrift „Die Prozesse des *“ und dem weiteren Inhalt, bei einer Hausdurchsuchung in der Wohnung eines Rechtsanwalts hätten Ermittler 2019 eine Luxushandtasche der Antragstellerin mit Kokainspuren gefunden, die diese damit erklärt habe, dass sie die Handtasche bei ihrem Auszug 2016 in der Wohnung des Rechtsanwalts „vergessen“ hätte und das Kokain nicht von ihr sei, seien in einem Medium Angaben veröffentlicht worden, die geeignet waren, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität der Antragstellerin zu führen, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtigt wurde. Zufolge Erfüllung des Tatbestands des § 7a Abs 1 MedienG wurde die Antragsgegnerin nach dieser Gesetzesstelle zu Entschädigungszahlungen verpflichtet.

[2] Mit Urteil vom , AZ 17 Bs 26/22f, gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung der Antragsgegnerin nicht, der Berufung der Antragstellerin hingegen dahin Folge, dass durch die inkriminierten Veröffentlichungen auch „suggeriert wurde, dass sie [die Antragstellerin] des Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 SMG verdächtig sei“. In Bezug auf die Antragstellerin sei damit (auch) der objektive Tatbestand der üblen Nachrede (§ 111 Abs 1 und Abs 2 StGB) und damit die Anspruchsgrundlage des § 6 Abs 1 MedienG hergestellt worden. Auf dieser Grundlage verurteilte das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin zur Zahlung von (erhöhten) Entschädigungsbeträgen und gemäß § 34 Abs 1 MedienG zur Urteilsveröffentlichung.

[3] Nach den vom Berufungsgericht als unbedenklich erachteten und übernommenen Feststellungen des Erstgerichts erschien am in den belangten Medien wortgleich eine Glosse zu einer von der Antragstellerin in einem anderen Verfahren erwirkten Urteilsveröffentlichung mit der Überschrift „Die Prozesse des *“. Darin findet sich folgende Passage: „Die Tatsache, dass die Ermittler in der Wohnung von * bei einer Hausdurchsuchung private Garderobe von * W* – unter anderem eine Luxus-Handtasche mit Kokain-Spuren – fanden, erklärte * W* damit, dass sie diese Gegenstände bei ihrem Auszug 2016 in * Wohnung ′vergessen′ hätte und das Kokain nicht von ihr sei.“

[4] „Der Leser aus dem Kreis der an einer plakativen Berichterstattung über Politik und menschliche Schicksale interessierten Personen aus allen Bildungsschichten versteht die vier inhaltsgleichen Veröffentlichungen so, dass die Antragstellerin verdächtig sei, vor Jahren vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain, besessen zu haben. Er versteht die Veröffentlichung somit so, dass der Verdacht bestehe, dass die Antragstellerin das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG begangen habe. Er entnimmt der Veröffentlichung weiters, dass die Antragstellerin dies bestreitet“ (US 5 f).

[5] Ein von der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Antragstellerin eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG sei am gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden (US 7).

[6] Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien richtet sich der (nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte; vgl RIS-Justiz RS0122228) Antrag der Antragsgegnerin Mediengruppe * GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG, mit dem eine Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK behauptet wird.

[7] Die Erneuerungswerberin bringt dazu vor, dass erhebliche Bedenken gegen den vom Berufungsgericht angenommenen Bedeutungsinhalt der inkriminierten Veröffentlichung, wonach die Antragstellerin verdächtig sei, das Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG begangen zu haben, bestünden.

Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu:

Rechtliche Beurteilung

[8] Ein Erneuerungsantrag im erweiterten Anwendungsbereich hat nicht nur eine Grundrechtsverletzung darzulegen, sondern hat sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359). Soweit er die Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung bekämpft, hat er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu erwecken (RIS-Justiz RS0125393 [T1]; Rebisant, WK-StPO §§ 363a363c Rz 84).

[9] Erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen sind aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) unter konkreter Bezugnahme auf solches anhand einer Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung abzuleiten (RIS-Justiz RS0117446; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 487).

[10] Mit dem – den Kontext der Veröffentlichung vernachlässigenden – Vorbringen, durch die Glosse werde lediglich ein Sachverhalt geschildert, der Artikel spreche weder von einer Straftat noch von „§ 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG“ sowie der Argumentation, ein Verweis auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens sei nicht erforderlich gewesen, weil im Artikel nicht über dieses berichtet worden sei (vgl die entsprechenden Erwägungen des Berufungsgerichts US 10 f), gelingt es der Erneuerungswerberin nicht, beim Obersten Gerichtshof solch qualifizierte Bedenken gegen die Konstatierungen zum Bedeutungsinhalt zu erwecken.

[11] Der Erneuerungsantrag war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00056.22G.0914.000

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