OGH vom 08.03.2023, 15Os106/22k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshof Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Lung als Schriftführer in der Strafsache gegen * W* wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom , GZ 609 Hv 6/22k40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * W* gemäß § 336 StPO von der Anklage freigesprochen, er habe sich in Wien auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar
I./
ab zumindest Mitte 2014 bis zum , indem er nationalsozialistisches Propagandamaterial, und zwar eine Kaffeetasse mit zwei Lichtbildern von Adolf Hitler, nämlich einem Porträt und einem Bild, auf dem dieser den Hitlergruß zeigt, und dem Text „ADOLF HITLER“, zum Zweck der Verbreitung dieses Gedankenguts besaß;
II./
indem er folgende Nachrichten und Bilddateien über die Kommunikationsplattform „What´sApp“ versendete, und zwar
A./ an * L*
1./ am ein Lichtbild von einem Feuerwehrfahrzeug mit der Aufschrift „88“ in weißer Schrift samt der Nachricht: „Hoffentlich zeigt uns keiner an.“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
2./ am
a./ ein Lichtbild von einer Frau in Unterwäsche, die ein eisernes Kreuz um den Hals sowie einen Kragen mit dem SS-Abzeichen trägt, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete;
b./ eine Bild-Text-Kombination zeigend Adolf Hitler und den Text: „Adolf Hitler Verpasster Anruf“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
c./ als Antwort auf drei von * L* übermittelte Lichtbilder mit nationalistischen Inhalten ein Bild einer rechten ausgestreckten Hand, die den Hitlergruß symbolisieren soll, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete;
3./ am ein Lichtbild von einer Schar Frauen und Kinder, die um eine Geburtstagstorte mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift „UNSEREM FÜHRER ZUM GEBURTSTAG“ versammelt sind, wobei es sich beim 20. April um den Geburtstag von Adolf Hitler handelt, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
B./ an nicht mehr feststellbare Empfänger
1./ am ein Lichtbild eines Mannes in einem öffentlichen Verkehrsmittel, der aufgrund der Frisur und des Bartes an Adolf Hitler erinnert, mit dem Text: „GOTT SEI DANK, ER IST AUF DEM WEG“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
2./ am eine Bild-Text-Kombination bestehend aus einem Lichtbild von Anne Frank auf der linken Seite und einem Häufchen Asche auf der rechten Seite mit der Überschrift: „25 Shocking Celebrity Weight Changes“, womit er die Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten guthieß;
3./ am ein Lichtbild eines gefliesten Raumes, wobei die Fliesen ein Hakenkreuz und ein eisernes Kreuz bilden, mit dem Text „Es gibt noch gute Fliesenleger“, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete;
4./ am
a./ ein Lichtbild von Adolf Hitler bei einer Rede mit erhobener rechter Hand und dem Text „HIGH FIVE“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
b./ ein Lichtbild von einer Schar Frauen und Kinder, die um eine Geburtstagstorte mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift „UNSEREM FÜHRER ZUM GEBURTSTAG“ versammelt sind, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
c./ einen Screenshot des Lichtbildes von einer Schar Frauen und Kinder, die um eine Geburtstagstorte mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift „UNSEREM FÜHRER ZUM GEBURTSTAG“ versammelt sind, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
d./ ein Lichtbild von Adolf Hitler, auf dem dieser lächelt und die rechte Hand hebt, mit dem Text „WER HAT DENN HEUT GEBURTSTAG“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
e./ einen Aushang vom mit dem Text: „Fahnen heraus am Geburtstag des Führers! Der Geburtstag des Führers ist ein Freudentag der ganzen Nation! Wehende Fahnen sollen an diesem Tag Ausdruck der Freude und der Verbundenheit des Volkes mit dem Führer und seiner Bewegung sein! Darum, Volksgenossen in Stadt und Kreis Rothenburg: Beflaggt morgen, am Geburtstag des Führers, eure Häuser! Rothenburg o.Tbr., . Heil Hitler! NSDAP, Kreisleitung Rothenburg, Steinacker, Kreisleiter“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
f./ ein Bild mit dem Text „Haben Sie gelegentlich rassistische Gedanken?“ und zwei Antwortkästchen mit „Ja“ und „Nein“, wobei in das Antwortkästchen „Nein“ ein Hakenkreuz gezeichnet wurde, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete und die Wertevorstellung des NS-Regimes, insbesondere den Rassenwahn der Nationalsozialisten, glorifizierte;
5./ am eine Bild-Text-Kombination mit einem Bild eines Wehrmachtsoldaten und dem Text: „AN ALLE IS-KÄMPFER: Vor 70 Jahren waren drei Großmächte notwendig um uns zu stoppen, ihr Eselficker schafft das nicht!“ sowie einer deutschen Fahne mit dem Text „Mein Land Meine Heimat Meine Kultur“, womit er die Wehrmacht und die Kriegsführung der Nationalsozialisten glorifizierte;
6./ am ein Bild von Adolf Hitler in einem Bilderrahmen mit dem Text „Ohne Dich ist alles doof“, womit er die Person des Adolf Hitler glorifizierte;
7./ am ein Lichtbild von einem Mann mit Judenstern und einem Polizisten mit Hakenkreuzarmbinde mit dem Text: „Nein Samuel, der Stern bedeutet nicht, dass du jetzt Sheriff bist!“, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete und die Verfolgung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten guthieß;
8./ am ein Lichtbild von zwei Helmen mit Hakenkreuzen darauf, womit er typische NS-Symbolik propagandistisch verwendete.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 8 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.
[3] Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage bezogene Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen. Dabei ist zu beachten, dass sämtliche zu den beschriebenen Inhalten erteilten Belehrungen eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet richtig oder unrichtig sein kann (RISJustiz RS0125434).
[4] Zum subjektiven Tatbestand des § 3g VerbotsG hält die Rechtsbelehrung einleitend fest: „Die Betätigung im nationalsozialistischen Sinn – also jenes Verhalten, das geeignet ist, (zumindest) eine der spezifischen Zielsetzungen der NSDAP zu neuem Leben zu erwecken, zu propagieren und solcherart zu aktualisieren – ist ein normatives Tatbestandselement; dh, dass sich der – zumindest bedingte – Vorsatz des Täters darauf erstrecken muss.“ (S 14 erster Absatz der Rechtsbelehrung). Die Rüge kritisiert, dass sich neben diesem Satz keine „vereinfachte Erklärung zur inneren Tatseite“ finde, erklärt aber nicht, weshalb diese Erläuterung – in Zusammenschau mit den allgemeinen Ausführungen zum Vorsatz (S 2 f der Rechtsbelehrung) – in einer zur Irreführung geeigneten und daher einer Unrichtigkeit gleichkommenden Weise unvollständig und undeutlich sein sollte.
[5] Ebenso wenig wird klar, weshalb die von der Beschwerde ins Treffen geführte Erklärung, in welcher der Unterschied zwischen den im VerbotsG geregelten Tatbeständen und dem Verwaltungsstraftatbestand des Art III Abs 1 Z 4 EGVG dargelegt wird (S 14 der Rechtsbelehrung), einen Irrtum der Geschworenen über die für die Bejahung der Hauptfrage erforderliche subjektive Tatseite hervorrufen hätte können (vgl RIS-Justiz RS0119549, RS0100695).
[6] Indem die Instruktionsrüge weiters vorbringt, durch die (auszugsweise) Wiedergabe des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom (B 1824/88) in der Rechtsbelehrung werde „bei den Laienrichtern der falsche Eindruck erweckt, es wäre für eine Strafbarkeit nach § 3g VerbotsG nötig, dass der Täter darauf abzielt, das Wiedererstehen des Nationalsozialismus in Österreich zu bewirken“, was im Widerspruch zum ersten Satz der Rechtsbelehrung stehe, hält sie – prozessordnungswidrig (vgl RIS-Justiz RS0119071) – nicht am tatsächlichen Inhalt der Rechtsbelehrung fest. Denn in der Instruktion wird insoweit nur auf den allgemeinen und grundsätzlichen Zweck des VerbotsG („im Wesentlichen“), und nicht auf einen speziellen Tatbestand dieses Gesetzes abgestellt (vgl auch zum objektiven Tatbestand S 11 ff der Rechtsbelehrung). Der behauptete Widerspruch liegt daher nicht vor.
[7] Mit den Ausführungen zur Dauer der in § 323 Abs 2 StPO vorgesehenen mündlichen Rechtsbelehrung lässt die Nichtigkeitsbeschwerde schließlich keinen Konnex zu den Kategorien der in § 345 Abs 1 StPO genannten Nichtigkeitsgründe erkennen (vgl RIS-Justiz RS0100716).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00106.22K.0308.000 |
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