OGH vom 28.02.2023, 14Os13/23b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen M* T* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 40 Hv 8/22t-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M* T* jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (1./a./) und in der geltenden Fassung (1./b./), sowie jeweils eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (2./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (3./) und der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in
1./ H* und anderen Orten von bis (a./) und von bis April 2021 (b./) J* T* in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl, durchschnittlich jedoch mindestens einmal im Monat, gegen ihren erkennbaren Willen mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indemer die Schlafzimmertüre versperrte, ihr gegenüber äußerte, sie umzubringen, sie und die Kinder zu schlagen oder diesen die Rippen zu brechen, sollte sie den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht vollziehen, sie mit den Händen an den Schultern packte und kräftig festhielt, sie gewaltsam ins Bett zurückzog, aus dem sie sich mehrfach zu entfernen versuchte, dort ihre Schultern festhielt, sie am Rücken liegend ins Bett drückte und an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, wodurch sie blaue Flecken an den Handgelenken und an den Schultern erlitt;
2./ von bis gegen J* T* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich durch fortlaufende körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen, gefährliche Drohungen und Nötigungen, indem er
a./ sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2018/2019 durch gefährliche Drohung zum Unterlassen der Aufnahme einer Beziehung mit einem anderen Mann nötigte, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie eine neue Beziehung zu einem anderen Mann haben werde;
b./ ihr zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 mehrere Faustschläge und mehrere Schläge mit der flachen Hand gegen den Kopf versetzte, wodurch sie mehrere Tage Schmerzen verspürte;
c./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 eine Zigarette auf ihrem linken Bein ausdrückte, wodurch sie eine Brandwunde erlitt;
d./ sie im genannten Zeitraum mehrfach gefährlich mit der Zufügung einer Körperverletzung bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde ihr die Wirbelsäule brechen, dass sie anschließend behindert sei und er werde sie auch umbringen;
e./ ihr im genannten Zeitraum zumindest einmal wöchentlich mit der flachen Hand und der Faust gegen den Kopf schlug, sie an den Haaren zog und zu Boden stieß, wodurch sie Hautrötungen und Hämatome am gesamten Körper erlitt;
3./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2019/2020 * N* am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, indem er ihr ein Mund-Piercing sowie einen Ohrstecker herausschlug, wodurch sie blutende Wunden erlitt;
4./ zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Jahren 2018/2019 Jo* T* am Körper zu verletzen versucht, indem er ihr mit dem Fuß in den Bauch trat.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 39 S 27) seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (ON 39 S 25 f) in Verteidigungsrechten nicht verletzt.
[5] Die zeugenschaftliche Vernehmung von * O* und * V*, welche mehrere Monate gemeinsam mit dem Angeklagten und J* T* in einer Wohnung in H* gelebt haben, zum Beweis, „dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten nicht begangen hat, insbesondere seine Ex-Frau nicht regelmäßig vergewaltigt hat“, konnte unterbleiben. Denn mit der Behauptung, es sei ausgeschlossen, dass die Genannten keine Wahrnehmungen gehabt hätten, wenn der Angeklagte die von der Ex-Frau und den beiden Töchtern angegebenen wöchentlichen oder bis zu täglichen Gewalttätigkeiten gesetzt hätte, wurde nicht plausibel dargetan, warum die Zeuginnen (überdies) für den gesamten Tatzeitraum Wahrnehmungen zu den unter Beweis gestellten Tatsachen haben sollten, sodass der Antrag auf einen (im Hauptverfahren unzulässigen) Erkundungsbeweis hinauslief (RISJustiz RS0099453).
[6] Auf einen solchen zielte auch der Antrag auf Vernehmung des * I* als Zeugen zum Beweis ab, dass der Angeklagte im Fall der Nachweisbarkeit der ihm vorgeworfenen Taten diese unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen habe, sodass er zumindest deutlich in seiner Dispositionsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei und „wenn nicht ein Strafausschließungsgrund, dann doch zumindest ein erheblicher Milderungsgrund“ (vgl dazu aber RISJustiz RS0116503, RS0099469) vorliegen würde (RISJustiz RS0118123). Soweit das Vorliegen eines Milderungsgrundes bewiesen werden sollte, betraf das Beweisthema überdies keine für die Fragen der Schuld, Subsumtion oder Strafbefugnisgrenze erheblichen Tatsachen (RISJustiz RS0118319).
[7] Zu Recht abgewiesen wurde auch der Antrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens mit dem Vorbringen, dass nach den (ersichtlich außerhalb der gegenständlichen Tatzeiten liegenden) Wahrnehmungen des Verteidigers sowie eines „Bekannten“ des Angeklagten und den Schilderungen der Zeugin J* T* über das Verhalten und das Wesen des Angeklagten, insbesondere über ein schlechter werdendes Augenzucken bei demselben, Grund zur Annahme bestehe, der Angeklagte leide unter einer psychischen oder neurologischen Krankheit, die einen Schuldausschließungsgrund im Sinn des § 11 StGB oder einen erheblichen Milderungsgrund im Sinn des § 34 Abs 1 Z 11 StGB darstelle. Soweit das Bestehen eines Milderungsgrundes unter Beweis gestellt werden soll, betraf das Beweisthema abermals keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage oder die Strafbefugnisgrenze erhebliche Tatsache. Das darüber hinausgehende Begehren legte auf objektiven Beweisergebnissen beruhende Zweifel über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht dar, die aber Voraussetzung für die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens gewesen wären (RISJustiz RS0097641 [T15, T17]).
[8] Die weitere auf Z 4 gestützte Rüge bezieht sich mit der Behauptung, durch zwei Passagen des Urteils werde die Unschuldsvermutung (§ 8 StPO; Art 6 Abs 2 MRK) verletzt, nicht – wie aber von Z 4 vorausgesetzt – auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen dort erhobenen Widerspruch (RISJustiz RS0099250). Im Übrigen hat das Erstgericht dem Angeklagten mit der Annahme, dieser habe „die bereits in Bosnien stattgefundenen sexuellen und körperlichen Übergriffe gegenüber seiner damaligen Ehefrau“ auch in Österreich fortgesetzt (US 4), keine konkreten Straftaten vorgeworfen und bringt die Behauptung, Zeiten vor der Einreise des Angeklagten nach Österreich seien nicht Gegenstand des Strafverfahrens gewesen, einen Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung. Die ebenfalls in diesem Zusammenhang erhobene Kritik an der Erwägung des Gerichts (US 15 f), der Umstand, dass eine in der Hauptverhandlung vorgespielte Videosequenz laut der damals beigezogenen Dolmetscherin keine Drohung enthalte, bedeute nicht, dass es ansonsten keine Drohungen des Angeklagten gegeben hätte, wobei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werde, dass diese Dolmetscherin aufgrund ihres hohen Alters bei längeren Aufträgen Konzentrationsschwierigkeiten aufweise, sodass sie eine allfällige Drohung auch überhört haben könne, zeigt mit der Behauptung, die Behandlung der Aussage der Dolmetscherin verstoße „grundsätzlich gegen die Unschuldsvermutung“, weil sie in einem gerichtlichen Verfahren aufgetreten sei, „ohne ihrer Funktion enthoben zu werden“, ebenfalls keine Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 StPO auf.
[9] Der auch im Rahmen der Sanktionsrüge erhobene Einwand, aus der (zum Tathergang getroffenen) Annahme (US 4), es habe bereits in Bosnien sexuelle und körperliche Übergriffe des Angeklagten gegen J* T* gegeben, resultiere Nichtigkeit (Z 11 zweiter Fall) infolge Verletzung der Unschuldsvermutung, versagt, weil eine solche nur vorliegt, wenn das Gericht bei der Strafbemessung auf die Begehung einer Straftat als tatsächlichen Anknüpfungspunkt abstellt, die nicht Gegenstand des im angefochtenen Urteil gefällten oder eines sonstigen rechtskräftigen Schuldspruchs ist (RISJustiz RS0132357, RS0074684; Ratz, WKStPO § 281 Rz 713, 725).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00013.23B.0228.000 |
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