OGH 20.09.2023, 13Os69/23f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 23 Hv 98/22a52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* mehrerer Vergehen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden, die über keine aufrechte Einreise- oder Aufenthaltsbewilligung für den Schengenraum verfügten (US 6), in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich von Italien nach Österreich und weiter nach Deutschland, mit dem Vorsatz „zu fördern versucht (zu Pkt. 1) bzw.“ gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
(1) im März 2014, „wobei die Fahrt schlussendlich nicht durchgeführt wurde und somit beim Versuch blieb“, weil der vom Fahrer zu diesem Zweck beigebrachte Pkw ihrem Auftraggeber als nicht sicher genug erschien, und
(2) am von sechs syrischen Staatsangehörigen,
indem sie Dritte als Fahrer für die jeweilige „Schlepperfahrt“ anwarb, als Dolmetscherin zwischen diesen und ihrem Auftraggeber fungierte und (im angefochtenen Urteil festgestellte) sonstige Hilfsdienste leistete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 (richtig) lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
[4] Dass die tatrichterlichen Feststellungen (US 3 bis 6) die rechtliche Annahme eines Vorsatzes der Angeklagten, durch ein für die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise geleistetes Entgelt sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern (§ 114 Abs 1 FPG), nicht zu tragen vermöchten (Z 9 lit a), wird ohne Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
[5] Mit der bloßen Wiedergabe von Teilen der Urteilsbegründung wird auch nicht dargetan, dass jene Feststellungen – wie die weitere Rüge behauptet – „undeutlich bz. unzureichend begründet“ (der Sache nach Z 5 erster und vierter Fall) wären.
[6] Eine Urteilsaussage, wonach die Beschwerdeführerin „wusste“, dass ihr Auftraggeber (just) „EUR 1.360,-- von den geschleppten verlangte“, hat das Erstgericht nicht getroffen.
[7] Schon deshalb geht der Vorwurf, sie sei „nicht begründet“ worden (der Sache nach Z 5 vierter Fall), ebenso ins Leere wie jener, sie widerspreche (der Sache nach Z 5 dritter Fall) anderen Urteilsaussagen.
[8] Hinzugefügt sei, dass die Subsumtion nach § 114 Abs 1 FPG – der keine bestimmte Höhe des vom Bereicherungsvorsatz umfassten Entgelts verlangt (vgl RIS-Justiz RS0131308 [insbesondere T1]) – eine solche Feststellung auch nicht erfordert.
[9] Das allein gegen den Schuldspruch 1 gerichtete Vorbringen (nominell Z 9 lit a, inhaltlich teils Z 9 lit b) legt – abermals prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0116565) – nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 3 bis 6)
- der Beschwerdeführerin strafbefreiender Rücktritt (§ 16 Abs 1 StGB) vom Versuch (§ 15 StGB) zustatten kommen und es
- „an einer Inlands(relevanten) Tat iSd. § 67 StGB“ (gemeint offenbar an der inländischen Gerichtsbarkeit) mangeln sowie
- zur Rechtsrichtigkeit des Schuldspruchs – über die ohnedies getroffenen hinaus – zusätzlicher Feststellungen zum Fehlen von „Einreisegenehmigungen nach Österreich“ und zur „konkrete[n] Ausgestaltung des Tatplanes“ bedurft haben sollte.
[10] Die weitere Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach Z 10a) reklamiert, ein aus ihrer Sicht gebotenes diversionelles Vorgehen sei zu Unrecht unterblieben.
[11] Indem sie ihre Argumentation – zudem unter Vernachlässigung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Diversionsvoraussetzungen des § 198 StPO – nicht auf der Basis der Tatsachenfeststellungen des Schöffengerichts (insbesondere US 19) entwickelt, verfehlt sie den Anfechtungsrahmen einer Diversionsrüge (dazu RIS-Justiz RS0124801, RS0116823 und RS0119091).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[13] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[14] Hinzugefügt sei, dass die geförderte Ein- oder Durchreise den Feststellungen (US 6) zufolge tatplangemäß (unter anderem) nach Österreich (als „Transitland“) führte (Schuldspruch 2) und führen sollte (Schuldspruch 1). Dies begründet fallkonkret – obwohl die Beschwerdeführerin (soweit festgestellt) im Ausland handelte (US 3 bis 6) – inländische Gerichtsbarkeit gemäß § 114 Abs 7 FPG (siehe dazu RIS-Justiz RS0131529, insbesondere 13 Os 129/17w), welche Bestimmung mit BGBl I 2013/144 (Inkrafttreten mit ) neu geschaffen wurde und somit zur jeweiligen Tatzeit bereits in Geltung stand (vgl demgegenüber zur früheren Rechtslage 13 Os 4/13g sowie – mit Blick auf jene Gesetzesänderung – 11 Os 96/16a).
[15] In Bezug auf die vom Schuldspruch 1 umfasste Tat liegt allerdings – entgegen der (insoweit rechtlich verfehlten) Ansicht des Erstgerichts – auf der Basis der Urteilsfeststellungen nicht Versuch (§ 15 StGB), sondern Vollendung vor:
[16] Für die angesprochene Unterscheidung kommt es nicht darauf an, ob die vom Täter intendierte Durch- oder Einreise gelingt. Das bloße Fördern einer solchen erfüllt das Tatbild des § 114 Abs 1 FPG, der kein Erfolgs-, sondern ein schlichtes Tätigkeitsdelikt ist (RIS-Justiz RS0127813, 11 Os 39/16v, 13 Os 129/17w und 11 Os 81/22d).
[17] Vorliegend waren schon die festgestellten (US 4 f) – von entsprechender Willensausrichtung getragenen (US 6) – Handlungen der Beschwerdeführerin im Vorfeld der geplanten (vgl US 5) Schlepperfahrt ein im Sinn des § 114 Abs 1 StGB tatbestandsmäßiges „Fördern“, die strafbare Handlung somit vollendet, mag auch die solcherart geförderte „Reise“ letztlich „nie angetreten“ (US 17) worden sein (im Sachverhalt anders 12 Os 115/21k EvBl 2022/41, 339 [Ratz]; RZ 2022/3, 56 [Danek]).
[18] Hievon ausgehend stellte sich die (von der Beschwerde relevierte) Frage nach strafbefreiendem Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) im Gegenstand – von vornherein – nicht (vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 16 Rz 5). Auf die Bedeutsamkeit des Entwicklungsstadiums (nicht für die Subsumtion, aber) als Strafbemessungsaspekt (RIS-Justiz RS0122138 [insbesondere T1]) sei im Übrigen verwiesen.
[19] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00069.23F.0920.000 |
Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)