zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 19.07.2023, 13Os62/23a

OGH vom 19.07.2023, 13Os62/23a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Wunsch in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 18 Hv 4/23k-36, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (I) sowie Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II), der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach §§ 15, 205a Abs 1 erster Fall StGB (III), der Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 15 StGB (IV) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G*

(I) am * S* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs an ihm, zu nötigen versucht, indem er sie an den Unterarmen packte und mehrfach auf ein Bett stieß sowie durch im Urteil beschriebene Äußerungen den Eindruck vermittelte, er sei willens und in der Lage, ihr im Fall des Zuwiderhandelns Hämatome und Prellungen am Körper zuzufügen, wobei sie durch Schlucken des Ejakulats in besonderer Weise erniedrigt werden sollte (US 10),

(II) am * S* durch im Urteil beschriebene Äußerungen, wonach er in Aussicht stellte, er sei willens und fähig, sowohl ihr als auch ihrer Mutter und ihrem Bruder zumindest Hämatome zuzufügen, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 8 und 9 f),

(III) zwischen dem 14. November und dem mit einer Person gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorzunehmen versucht, indem er erklärte, er werde der Bitte der * S*, sie in ein Krankenhaus zu verbringen, nur dann nachkommen, wenn sie den von ihr zuvor ausdrücklich abgelehnten Oralverkehr an ihm doch noch vornimmt, wobei sie seinen Penis auch mit ihren Händen berührte, sie aber aufgrund der Schmerzen und der innerlichen Ablehnung zur Vornahme der geschlechtlichen Handlung nicht im Stande war, sodass es beim Versuch blieb,

(IV) * S*

A) am mit Gewalt zur Durchführung eines Kusses zu nötigen versucht, indem er sie am Oberarm erfasste und ihren Körper niederdrückte, sowie

B) am mit Gewalt am Verlassen eines Raumes gehindert, indem er die Zimmertüre von innen versperrte, den Schlüssel einsteckte und ihren mehrstündigen Versuchen, an den Schlüssel und damit aus dem Zimmer zu gelangen, dadurch begegnete, dass er sie gegen ein Bett stieß und ihr Schläge mit der Faust und mit einem Gegenstand versetzte (US 7), wobei er die Türe im Fall einer (von ihr abgeforderten) Erklärung, die Beziehung sofort zu beenden, geöffnet hätte, weiters

(V) am * S* durch die zu IV B beschriebenen Handlungen, wodurch die Genannte eine Schürfwunde erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, „9“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5) in Bezug auf den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 StGB (I) Begründungsmängel behauptet, sich dabei aber nicht an der Gesamtheit der Erwägungen des Erstgerichts orientiert (US 9 f, 12 ff und 14), ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RISJustiz RS0119370).

[5] Indem sie aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstige Schlüsse ableitet, bekämpft sie nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[6] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ist die Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 17) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).

[7] Soweit die Mängelrüge die Frage releviert, ob * S* das Schlucken des Ejakulats als erniedrigend empfunden hätte, spricht sie keinen für die Subsumtion nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB maßgebenden Aspekt an (RISJustiz RS0095315 [T10] sowie Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 33, siehe aber RISJustiz RS0106268).

[8] Weshalb es – wie von der Rechtsrüge (Z 9 [richtig] lit a) behauptet – zur Subsumtion nach § 205a Abs 1 StGB jedenfalls auch auf die Ausnutzung einer Zwangslage ankommen sollte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RISJustiz RS0116565).

[9] Hinzugefügt sei, dass § 205a Abs 1 StGB Tatbegehungsvarianten statuiert. Die erste Alternative betrifft das – auf US 5 festgestellte – Handeln gegen den Willen einer Person (Philipp in WK2 StGB § 205a Rz 3 ff).

[10] Indem die Rechtsrüge die Behauptung der Straflosigkeit des von den Schuldsprüchen IV B und V umfassten Tatgeschehens nach § 105 Abs 2 StGB und wegen entschuldigenden Notstands im Sinn des § 10 Abs 1 StGB (der Sache nach Z 9 lit b) nicht auf der Basis der Urteilsfeststellungen, sondern auf der Grundlage entwickelt, dass * S* dem Angeklagten den Schlüssel „entwenden“ wollte, während sie dieser durch das Einsperren und die Gewaltanwendung nur vor einem Verkehrsunfall habe bewahren wollen, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810; Ratz, WKStPO § 281 Rz 581 und 584).

[11] Weshalb das Erfassen am Oberarm und Niederdrücken der * S*, um sie gegen ihren Willen zu küssen (IV A), keine physische Krafteinwirkung und solcherart zur Subsumtion nach § 105 Abs 1 StGB nicht ausreichend sein sollte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RISJustiz RS0116565).

[12] Nach den Feststellungen des Erstgerichts (Schuldspruch II) wollte der Angeklagte durch die im Urteil beschriebenen Äußerungen * S* jeweils ernstlich in Aussicht stellen, er sei willens und fähig, ihrer Mutter und ihrem Bruder auf die im Urteil beschriebene Weise Hämatome zuzufügen, wobei es ihm auch darauf ankam, die Genannte dadurch in Furcht und Unruhe um ihre körperliche Unversehrtheit sowie jene ihrer Angehörigen zu versetzen (US 8, 9 und 10).

[13] Mit dem Einwand bloßer „Unmutsäußerungen“ bestreitet die Rechtsrüge die konstatierte – auf der Tatsachenebene angesiedelte (RISJustiz RS0092448 [T5]) – Ernstlichkeit der Drohungen (RISJustiz RS0093096 [T6]) und verfehlt solcherart erneut die prozessordnungsgemäße Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit.

[14] Gleiches gilt, soweit die Rüge (Z 10) in Bezug auf den Schuldspruch I eine Subsumtion nach § 105 Abs 1 StGB anstrebt, gleichzeitig aber die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite (US 9) bestreitet. Warum die Konstatierungen zum objektiven Geschehen (festes Packen an den Unterarmen und Ziehen auf ein Bett, US 9) der Begehungsweise der Gewalt im Sinn des § 201 Abs 1 StGB nicht entsprechen sollten, macht die Beschwerde auch nicht klar (siehe aber erneut RISJustiz RS0116565).

[15] Hinzugefügt sei, dass als Mittel zur Willensbeugung jede Art von Gewalt (im Sinne des Einsatzes einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft) zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands genügt, eine besondere Intensität der Kraftanwendung ist dem Vorbringen zuwider nicht nötig (RIS-Justiz RS0095666).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[17] Die Entscheidung über die Berufung und die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende – Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00062.23A.0719.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.