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OGH vom 19.10.2022, 13Os33/22k

OGH vom 19.10.2022, 13Os33/22k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen Mag. * S* wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 29 Hv 85/21g-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * S* des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, teilweise unter Verwendung einer falschen Urkunde, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über das Bestehen eines betrieblichen Pensionsanspruchs, zu Handlungen zu verleiten versucht, welche die R* eGen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollten, und zwar

(1) am in W* Mag. * P*, Mag. * H*, * L*, * K* und Mag. (FH) * Sch* als Aufsichtsräte der R* eGen zur Gewährung eines Zusatzentgelts in einem 300.000 Euro jedenfalls übersteigenden Ausmaß, indem er einen Entwurf einer nicht rechtsgültig erfolgten Zusage über die Gewährung einer betrieblichen Alterspension durch die R* eGen vorlegte, dem die letzte Seite seines satzungsmäßig gefertigten Dienstvertrags angeschlossen war und ankündigte, er werde diese Leistung einfordern, sowie

(2) am in I* Dr. * N* als im Verfahren AZ 43 Cga 59/20k des Landesgerichts Innsbruck zuständige Richterin, in welchem von ihm seine am ausgesprochene Entlassung angefochten worden war, zum Zuspruch ihm angeblich zustehenden Entgelts sowie zur Feststellung, dass das Dienstverhältnis über den hinaus aufrecht fortbesteht, und solcherart zur Verpflichtung der R* eGen zu Leistungen in einem ebenfalls 300.000 Euro übersteigenden Wert, indem er wahrheitswidrig vorbrachte, er sei irrtümlich davon ausgegangen, dass die von ihm vorgelegte Pensionszusage in Geltung getreten sei.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen * G* zum Beweis dafür, dass der Angeklagte sowohl diesem als Vorstandsmitglied wie auch gegenüber dem Aufsichtsrat der Bank bei mehreren vor dem gegebenen Gelegenheiten immer den Standpunkt vertreten und die Historie so geschildert habe, dass er 1992 die Pensionsvereinbarung gegen eine Dienstwohnung „abgetauscht“ und auf den Pensionsvertrag verzichtet habe (ON 21 S 29), keine Verteidigungsrechte verletzt, weil das Beweisthema keine für die Schuld oder die Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO, vgl auch § 254 Abs 1 StPO) betraf (RISJustiz RS0116503).

[5] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS-Justiz RS0115902).

[6] Soweit die Beschwerde Feststellungen des Erstgerichts aus „§ 281 Abs 1 Z 5 u insb 5a StPO“ anficht, Konstatierungen unter dem Kalkül von „§ 281 Abs 1 Z 5 u 5a StPO“ betrachtet, auf die mündliche Urteilsbegründung Bezug nimmt (zu deren Irrelevanz im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde siehe RISJustiz RS0098421 sowie Danek/Mann, WKStPO § 268 Rz 8) substratlos vorbringt, das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und eine (isoliert betrachtete) Passage der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) wären „miteinander nicht kompatibel“, weil „die Begründung den Spruch“ nicht tragen würde, Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des Wortes „Aktivieren“ vermisst, im Rahmen der Kritik Plausibilitätserwägungen anstellt, Konstatierungen – weil nicht getroffen – als „widersprüchlich iSv § 281 Abs 1 Z 5 StPO“ bezeichnet und „ohne Anspruch auf Vollständigkeit als Nichtigkeit gem § 281 Abs 1 Z 9 lit a (Grundtatbestand) und Z 10 (Qualifikation) StPO“ rügt, es liege ein „Subsumptionsmangel“ vor, weil das Erstgericht die Vorgaben von § 39b BWG nicht erhoben und „sekundäre Feststellungsmängel“ zu vertreten habe, wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht.

[7] Soweit ein Nichtigkeitsgrund zwar nicht nominell, aber der Sache nach hinreichend deutlich angesprochen wird, sei erwidert:

[8] Ausgeschlossenheit der vorsitzenden Richterin (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO) macht die Rüge geltend, weil die Vorsitzende dem Angeklagten im Rahmen der Erörterung der Entgeltbedingungen „vorgehalten“ habe, „ob ihm das zu wenig gewesen sei“. Gemäß § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Diese sogenannte richterliche Befangenheit (dazu Lässig, WKStPO vor §§ 43 bis 47 Rz 1) liegt somit dann vor, wenn eine Hemmung zur unparteiischen Entscheidung durch sachfremde Motive gegeben ist. Dabei reicht grundsätzlich der Anschein der Befangenheit, wofür jedoch zureichende Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RISJustiz RS0097086 [T5]). Mit dem Hinweis auf die angesprochene Frage an den Angeklagten (ON 21 S 6) werden solche Umstände nicht dargetan.

[9] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten haben die Tatrichter mit eingehender Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 15 bis 17). Zu einer Erörterung sämtlicher Aussagedetails waren sie entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht verhalten (RISJustiz RS0098778 und RS0106295).

[10] Nach den Feststellungen des Erstgerichts wollte der Angeklagte die Mitglieder des Aufsichtsrats der R* eGen täuschen, indem er ihnen vorspiegelte, über eine rechtlich verbindliche (aber, wie er wusste, tatsächlich nicht bestehende), schriftlichen Zusage über eine Alterspension im Wert von 900.000 Euro zu verfügen, welche er sich gegen eine – zuvor vom Aufsichtsrat bereits mehrfach abgelehnte – Gehaltserhöhung von mehr als 300.000 Euro auf seine verbleibende Dienstzeit abgelten lassen wollte, und die R* eGen durch die Auszahlung eines entsprechenden Entgelts im selben Ausmaß mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz am Vermögen schädigen (US 6, 8 ff, 18 f).

[11] Die Behauptung strafloser Vorbereitungshandlung und der Einwand fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite (der Sache nach Z 9 lit a) argumentieren nicht auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts. Solcherart verfehlt die Rüge den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).

[12] Weshalb die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10) die Subsumtion nach § 147 Abs 3 StGB nicht tragen sollen (der Sache nach Z 10), entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RISJustiz RS0116565).

[13] Die behauptete Verfassungswidrigkeit von Strafnormen ist kein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RIS-Justiz RS0053859 [insbesondere T3 und T6]).

[14] Hinzugefügt sei, dass der Verfassungsgerichtshof den aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde im Sinn des Art 140 Abs 1 Z 1 lit d BVG erhobenen Antrag des Angeklagten in Bezug auf § 16 Abs 1 StGB, § 45 Abs 1 zweiter Satz StPO und § 238 Abs 2 StPO zurückgewiesen hat (, G 88/2022).

[15] Den Einwand, Parteienvorbringen wäre nicht täuschungsgeeignet, leitet die Rüge nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber erneut RISJustiz RS0116565).

[16] Hinzugefügt sei, dass vorsätzliche falsche Angaben einer Partei gegenüber dem Gericht zur Erlangung vermögensrechtlicher Leistungen auch dann als Täuschung über Tatsachen zu beurteilen sind, wenn das Gericht zur Überprüfung der Angaben verpflichtet ist und wenn keine falschen Beweismittel und Bescheinigungsmittel aufgeboten wurden (vgl RISJustiz RS0115362 und RS0094148 sowie Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 41).

[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[18] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[19] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00033.22K.1019.000

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