OGH vom 23.02.2023, 12Os143/22d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Seidenschwann in der Strafsache gegen * G* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des * G* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 41/22x-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
* G* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, wurde * G* des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am in A* vorsätzlich anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen herbeigeführt, „indem er den von ihm im alkoholisierten und durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand gelenkten Pkw auf eine Geschwindigkeit von zumindest 30 km/h beschleunigte und auf eine Personengruppe von mehr als zehn Personen zufuhr, die Handbremse zog, um auf die Personengruppe zuzudriften und die Personen zum Teil nur um wenige Zentimeter verfehlte, wobei es nur deshalb zu keiner Kollision kam, weil die Personen zur Seite ausweichen konnten, sohin eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit“ von 17 im Urteil namentlich genannten Personen „und weiterer hinsichtlich ihrer Identität und Anzahl nicht näher feststellbarer Personen“ herbeigeführt, „indem er nach dem Zudriften auf diese Personengruppe mit seinem Pkw im alkoholisierten und durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand bei Dunkelheit mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne Lenkerberechtigung am Parkplatz ins Schleudern geriet und mit dem Pkw der Marke Mercedes mit dem Kennzeichen I-* AU sowie dem Pkw der Marke BMW mit dem Kennzeichen I-* 38 kollidierte, wobei sich * A* direkt neben dem Fahrzeug befand“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G* schlägt fehl.
[4] Der Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter und dritter Fall) zuwider ist es für die Lösung der Schuldfrage nicht entscheidend, ob der Angeklagte die Gefahrensituation durch ein oder zwei Schleudervorgänge („Driftmanöver“) ausgelöst hat. Denn § 176 StGB erfasst jedes Verhalten, das den Gefährdungserfolg in kausaler und objektiv zurechenbarer Weise bewirkt (Hinterhofer/Rosbaud, BT II7 §§ 176, 177 Rz 5).
[5] Mit Zeugenangaben dazu, auf wieviele Personen der Angeklagte direkt zufuhr, musste sich das Erstgericht angesichts der Konstatierungen (US 6 f), wonach sich mehrere Gruppen von insgesamt (hier: deutlich) mehr als zehn Personen (zum diesbezüglichen Richtwert vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 176 Rz 4) im Gefahrenradius befanden, wovon zehn Personen ausweichen oder zur Seite springen mussten bzw vom Pkw des Angeklagten nur knapp verfehlt wurden (US 7 f), nicht befassen (Z 5 zweiter Fall).
[6] Weshalb es ausgehend davon einer Erörterung von Verfahrensergebnissen zur Intensität des Aufpralls auf andere Pkw bedurft hätte, wird nicht klar.
[7] Die weitere Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 10) bestreitet mit dem Ziel einer Tatbeurteilung nach § 89 StGB das Vorliegen einer größeren Anzahl von Personen iSd § 176 Abs 1 StGB mit der pauschalen Behauptung, die Insassen des vom Angeklagten gelenkten Pkws seien keiner relevanten Gefahrensituation ausgesetzt gewesen. Aus welchem Grund diese bei einem schleudernden Fahrzeug auf schneeglatter Fahrbahn mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 30 km/h (US 5, 7 f) nicht gegeben sein soll, erklärt sie solcherart nicht.
[8] Im Übrigen macht die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht deutlich, weshalb vorliegend Konstatierungen zur „konkreten Fahrlinie des Angeklagten“, zur Kollisionsgeschwindigkeit, zur Anzahl der Schleudervorgänge, zur Reihenfolge und zur Heftigkeit der Kollisionen mit anderen Fahrzeugen erforderlich gewesen wären.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00143.22D.0223.000 |
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