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OGH vom 22.05.2023, 12Os11/23v

OGH vom 22.05.2023, 12Os11/23v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fitzthum in der Strafsache gegen * H* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 327 Hv 42/22w-36.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H*, soweit hier relevant, der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./), des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 2, 15 StGB (III./), der Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (IV./), der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall StGB (V./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (VI./) schuldig erkannt.

[2] Soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, hat er danach

I./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen und von diesen an sich vornehmen lassen, und zwar

A./ im Juli 2017 in U* an der am geborenen * B*, indem er ihre Brüste über dem BH mehrere Minuten lang streichelte und massierte;

B./ von Anfang 2018 bis zum in G* an der am geborenen * S*, indem er

1./ ihr beim Tanzen während des Trainings in zumindest zwei Angriffen auf ihre bekleidete Scheide griff, und

2./ mehrmals ihre Hand nahm und oberhalb seiner Bekleidung auf seinen Penis drückte;

II./ im April oder Mai 2020 in S* außer den Fällen des § 201 StGB * R* mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie nach dem Tanztraining mit dem Rücken gegen den Bühnenboden drückte und dabei auf ihre bekleidete Scheide griff;

III./ mit minderjährigen Personen, die seiner Ausbildung und Aufsicht als Tanzlehrer unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von diesen Personen an sich vornehmen lassen, und zwar

A./ in der vorletzten Augustwoche im Jahr 2017 in N* während eines Tanztrainingslagers mit der am geborenen * Sch*, indem er sich zu ihr ins Bett legte, in ihre Unterhose griff, ihre Scheide streichelte und seinen Finger einen halben Zentimeter in ihre Scheide einführte;

B./ in U* mit der am geborenen * B*, und zwar

1./ im Juli 2017 durch die zu Punkt I./A./ angeführte Handlung;

2./ im Sommer 2018, indem er zweimal versuchte, ihr beim Tanzen während des Trainings zwischen die Beine auf ihre bekleidete Scheide zu greifen, wobei es beim Versuch blieb, weil sie sofort die Beine zusammenpresste;

C./ mit der am geborenen * W*, und zwar

1./ im Juni 2015 in U*, indem er ihre nackten Brüste unter ihrem BH streichelte und massierte, mit seiner Hand unter ihre Hose und Unterhose griff, ihre nackte Scheide berührte und versuchte, seine Finger zwischen ihre Schamlippen zu schieben;

2./ von Sommer 2015 bis in G* und andernorts, indem er ihr beim Tanztraining in zahlreichen Angriffen mehrmals pro Woche auf ihre Brust und ihre Scheide, teils oberhalb der Kleidung, teils unterhalb der Kleidung, griff;

D./ vom bis September 2019 in G* mit der am geborenen * S*,

1./ indem er ihr beim Tanzen während des Trainings zwischen die Beine auf ihre bekleidete Scheide griff,

2./ indem er mehrmals ihre Hand nahm und oberhalb seiner Bekleidung auf seinen Penis drückte;

IV./ Personen durch geschlechtliche Handlungen an ihnen belästigt, und zwar

1./ vom bis März 2019 in G* und andernorts * W*, indem er ihr beim Tanztraining in zahlreichen Angriffen mehrmals pro Woche auf ihre Brust und ihre Scheide, teils oberhalb der Kleidung, teils unterhalb der Kleidung, griff;

2./ von Ende Februar 2020 bis Anfang Mai 2020 in S* * R*, indem er ihr in mehreren Angriffen oberhalb der Kleidung beim Tanztraining auf ihre Scheide griff;

V./ vom bis zum in G* und andernorts pornographische Darstellungen unmündiger Minderjähriger besessen, und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen an und von einer unmündigen Person, indem er ein Video, welches ein Kleinkind bei geschlechtlichen Handlungen an einer erwachsenen Frau zeigt, wobei das Kleinkind angeleitet wird, seinen Penis und seine Hand in die Vagina der Frau zu stecken, sowie ein Video, „beinhaltend geschlechtliche Handlungen zweier unmündiger Minderjähriger miteinander“, auf seinem Mobiltelefon abspeicherte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Entgegen der zum Schuldspruchfaktum I./A./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) spielt es für die Lösung der Schuldfrage keine Rolle, welche Personen bei der vom Angeklagten vor der Tathandlung im Tanzunterricht veranstalteten Bewertung der Gesäße der Tanzschüler und der Brüste der Tanzschülerinnen (US 10 f) anwesend waren.

[5] Die Angaben der bei diesem „Gewinnspiel“ anwesenden Zeugen G*, L* und R* hat der Schöffensenat ohnedies berücksichtigt (vgl US 23 f, 25). Da nur sinnliche Wahrnehmungen einem Zeugenbeweis zugänglich sind, musste er sich mit der Einschätzung der Zeugin L*, wonach sie im Fall von entsprechenden Beobachtungen in das Tatgeschehen eingegriffen hätte (ON 36.3 S 19), nicht befassen (vgl RIS-Justiz RS0097545).

[6] Die weitere Beschwerde erklärt nicht, weshalb die Tatrichter zu erörtern gehabt hätten, aus welchen Gründen * G* und * L* keine Wahrnehmungen zu dem Vorfall hatten (vgl § 258 Abs 2 StPO). Im Übrigen hat der Zeuge R* – dem insoweit aktenwidrigen Vorbringen der Beschwerde zuwider – ohnedies berichtet, dass der Angeklagte nach Vergleich der genannten Körperpartien die Bühne mit dem Opfer verlassen hat (ON 24.4 S 28 ff).

[7] Schließlich hat das Erstgericht bei Bewertung der Glaubwürdigkeit des Opfers B* auch die Gründe für den Weiterverbleib im Tanzverein des Angeklagten nach der Tat in seine Erwägungen aufgenommen (US 22). Entsprechend dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war es nicht verpflichtet, sich mit einem knapp vier Jahre nach der Tat vom Opfer und einer anderen Person an den Angeklagten übermittelten – auch Dankesworte enthaltenden – Kündigungsschreiben (ON 14.5 S 2) auseinanderzusetzen.

[8] Die zu den Schuldspruchfakten I./B./1. und 2./ erhobene Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) macht nicht deutlich, aus welchem Grund die Tatrichter berücksichtigen hätten müssen, dass die inkriminierten Vorfälle im Tagebucheintrag der Zeugin S* (ON 3.6.) nicht explizit erwähnt sind. Soweit der Beschwerdeführer diesen Umstand eigenständig als entlastend bewertet, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Schuldberufung.

[9] Das Vorgesagte gilt entsprechend für den zu II./ und IV./1./ sowie 2./ erhobenen Einwand (Z 5 zweiter Fall) des Unterbleibens der Erörterung der Aussage der Zeugin Gö*, wonach ihr * R* lediglich von einem sexuellen Übergriff berichtet habe.

[10] Die Kritik, das Erstgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass das Opfer dem Angeklagten auch trotz der ab Februar 2020 beginnenden sexuellen Übergriffe „anzügliche“ Fotos geschickt und ihm zu Ostern 2020 einen Osterhasen gebastelt habe (ON 14.7 und 24.3 S 102), orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370). Denn danach wollte * R* die Tanzpartnerschaft mit dem Angeklagten zunächst aus sportlichen Erwägungen aufrechterhalten, wandte sich erst nach dem zu II./ abgeurteilten sexuellen Übergriff an die Tanztrainerin Gö* (US 24) und beendete zudem die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten (US 13). Ausgehend davon erklärt der Beschwerdeführer nicht, weshalb die erwähnten Fotos und das Geschenk den Erwägungen zur Glaubwürdigkeit des Opfers erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen. Denn er behauptet nicht einmal, dass ihm das Geschenk und die Fotos nach dem in Rede stehenden Übergriff (II./) zugekommen wären.

[11] Das zu III./ erstattete Vorbringen des Fehlens von Urteilskonstatierungen zum Modus der Ausnützung von sich aus der Stellung des Angeklagten als Tanzlehrer bietenden Gelegenheiten (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 9 lit a, im Hinblick auf die zum Teil konstatierten Tateinheiten auch Z 10), übergeht prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die Feststellungen, wonach der Angeklagte „seine Stellung als einige Jahre älterer Tanzlehrer, zu dem die Mädchen aufsahen, derart ausnütze, dass er ihnen einzeln erzählte, dass er sich in sie verliebt hätte, und sie jeweils die Einzige für ihn sei, dass sie sich teilweise tatsächlich in ihn verliebten, für ihn schwärmten und zu ihm aufschauten“, sowie weiters, dass der Angeklagte die Mädchen „durch Gruppenzwang und Versprechen regelrecht gefügig“ machte (US 10). Aus welchem Grund aus diesen Konstatierungen ein gezieltes, für den Erfolg kausales Täterverhalten im Sinne eines Einsatzes dieser Autorität nicht ableitbar sein soll (RIS-Justiz RS0095185), erklärt die Rüge nicht.

[12] Soweit die Beschwerde den zitierten Feststellungen bloß eigenständige Überlegungen zum freundschaftlichen Verhältnis zwischen dem Angeklagten und den Tanzschülerinnen entgegenstellt, erschöpft sie sich erneut in einer unzulässigen Beweiswürdigungskritik.

[13] Die zu V./ erhobene Rüge behauptet, dass der Angeklagte die inkriminierten pornographischen Darstellungen unaufgefordert erhalten, aber nicht gelöscht hat (vgl dazu Hinterhofer, SbgK § 207a Rz 60). Indem sie daraus einen für die Strafzumessung relevanten geringeren Handlungsunwert ableitet, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen.

[14] Dies gilt ebenso (vgl RIS-Justiz RS0116498) für die Kritik an der hinsichtlich des Angeklagten erstellten Gefährlichkeitsprognose nach § 220b Abs 1 StGB (US 20 f).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00011.23V.0522.000

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