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OGH vom 09.05.2023, 11Os35/23s

OGH vom 09.05.2023, 11Os35/23s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen * K* wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 319 Hv 64/22x-18.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, § 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von Mai 2020 bis Juni 2021 in P* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice durch die Vorgabe, die K* Unternehmensberatung sei von vorübergehenden, nicht saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen und würde deshalb zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Kurzarbeit für die tatsächlich ohne betriebliche Notwendigkeit ausschließlich zur Schaffung der formellen Voraussetzungen für die Erlangung von Beihilfen zur Kurzarbeit gemäß § 37b AMSG in einem Beschäftigungsausmaß von 25 bzw 30 Stunden pro Woche zur Sozialversicherung angemeldeten Arbeitnehmer Kl*, T* und J* durchführen, und durch die Übermittlung von entsprechenden monatlichen Abrechnungsdateien, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung von dem Unternehmen nicht zustehenden Kurzarbeitsbeihilfen in Höhe

1./ von 16.877,70 Euro für den Zeitraum von Mai bis Juni 2020 (Projektnummer P*),

2./ von 11.217,14 Euro für den Zeitraum von August bis September 2020 (Projektnummer P*) und

3./ von 32.256,38 Euro für den Zeitraum von Oktober 2020 bis März 2021 (Projektnummer P*),

demnach zu Handlungen verleitet (I./), welche die Republik Österreich in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und dies in Ansehung von weiteren rund 15.000 Euro für den Zeitraum von April 2021 bis Juni 2021 (Projektnummer P*) versucht (II./).

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Umsatzaufstellung des Angeklagten nicht übergangen, sondern diese vielmehr ihren Feststellungen zur Höhe der im Rahmen seines Unternehmens erzielten Umsätze zugrunde gelegt (vgl US 3 f und US 6 iVm ON 7.9 S 8). Indem der Beschwerdeführer den vom Erstgericht daraus gezogenen Schlüssen (US 7 f) eigenständige Erwägungen gegenüberstellt und für seinen Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen reklamiert, beschränkt er sich darauf, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts zu bekämpfen.

[5] Die in der Hauptverhandlung am vorgelegten, als „ÖGK-Meldebestätigungen“ bezeichneten Urkunden wurden nach dem unbeanstandet gebliebenen Inhalt des darüber aufgenommenen Protokolls nach Einsichtnahme durch den Vorsitzenden von diesem weder zum Akt genommen noch verlesen oder vorgetragen (ON 18.3 S 32 f) und waren daher – mangels Vorkommens in der Hauptverhandlung – entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge nicht zu erörtern (§ 258 Abs 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 427).

[6] Dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend war das Erstgericht auch nicht gehalten, die als nicht zu seiner Entlastung geeignet angesehene Verantwortung des Angeklagten (US 6 ff) und die Angaben der Zeugin J* (US 7 f) in all ihren Details gesondert zu erörtern (RIS-Justiz RS0098778, RS0106642; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

[7] Aus welchem Grund die „E-Mail-Korrespondenz des Beschwerdeführers mit dem AMS“ auch angesichts der konstatierten Tatzeiten entscheidungswesentlich sein sollte, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10/1). Die mit dem darauf basierenden Vorbringen angesprochene – auf die vom Erstgericht geschilderten Tätigkeiten ab März 2020 (US 4 f) bezugnehmende – Frage, ob der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt allfällige Vorbereitungshandlungen gesetzt hat, bezieht sich im Übrigen nicht auf entscheidende Tatsachen.

[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) argumentiert bloß auf Basis der vom Erstgericht aus den Umsatzzahlen des Unternehmens des Beschwerdeführers abgeleiteten Erwägungen (US 3 f) und verfehlt damit eine am Gesetz ausgerichtete Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0117425, RS0117961, RS0119424; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die mit hinreichender Deutlichkeit getroffenen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) Feststellungen, dass der Angeklagte nach gemäß § 37b AMSG erfolgter Antragstellung dem Arbeitsmarktservice in den Verfahren P*, P*, P* und P* auch die entsprechenden Abrechnungsdateien übermittelt hat (US 5 iVm US 2) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810). Im Übrigen leitet der Beschwerdeführer nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die konstatierte Antragstellung nach § 37b AMSG nicht bereits eine den auszulösenden Willensentschluss der Getäuschten mitbestimmende (RIS-Justiz RS0089830 [T6], RS0094550 und RS0130106; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 124 ff [insb 126]) Ausführungshandlung wäre.

[10] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) legt nicht dar, weshalb die aggravierende Wertung des „hohen“ (hier die Wertgrenze nach § 147 Abs 2 StGB um mehr als das Zehnfache übersteigenden) Schadens (US 11) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot begründen sollte (RIS-Justiz RS0091126, RS0099961). Die weitere Kritik an der fehlenden Begründung der Feststellung, dass gegen die Tat kaum Vorsicht gebraucht werden konnte (US 11 iVm US 6), entzieht sich einer meritorischen Erwiderung, weil Konstatierungen zu Strafzumessungstatsachen nicht mit Mängelrüge (Z 11 zweiter und dritter Fall iVm Z 5 [hier: vierter Fall]) bekämpft werden können (RIS-Justiz RS0099869 [insb T20, T28]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680). Einwandfreie Sachverhaltsermittlung kann insoweit (ohne Hinderung durch das Neuerungsverbot) vielmehr nur mit Berufung eingefordert werden.

[11] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00035.23S.0509.000

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