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OGH vom 13.06.2023, 11Os33/23x

OGH vom 13.06.2023, 11Os33/23x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen B* Q* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 67/22b48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde B* Q* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II./), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 (teils iVm § 15) StGB (III./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am in S*

I./ mit der * 2014 geborenen und somit unmündigen * N* außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung unternommen, indem er ihr unterhalb der Kleidung auf ihre Vagina griff und diese intensiv berührte, „wobei er sie darüber hinaus auch am Gesäß berührte und sie am Gesäß küsste“;

II./ durch die unter I./ näher bezeichnete Tat mit seiner minderjährigen Stieftochter eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

III./ einen anderen zu einer Unterlassung genötigt, und zwar

1./ * N* durch die Äußerung „Wenn du lügst, bring ich dich um“, sohin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Abstandnahme von weiteren Äußerungen zu dem unter I./ angeführten Geschehen gegenüber ihrer Mutter T* Q*, wobei es beim Versuch blieb,

2./ T* Q* mit Gewalt, indem er sie an der Hand, in der sie ihr Mobiltelefon hielt, packte und daran zerrte, während er sie mit der anderen Hand fest am Hals erfasste, zur Abstandnahme von der (US 4, 10: weiteren) Aufzeichnung des zwischen ihr und ihm geführten Streitgesprächs;

IV./ T* Q* durch die zu III./2./ näher bezeichnete Handlung, wodurch sie zu Sturz kam, sowie dadurch, dass er sie am Boden liegend weiter würgte, am Körper verletzt, wobei die Tat Prellungen des Kopfes, des Jochbeins rechts und der Halswirbelsäule sowie eine Einblutung im Augapfel des rechten Auges zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am gestellten Antrags (ON 44 S 20) auf Einholung eines „aussagepsychologischen Gutachtens [...] zum Beweis dafür, dass den Angaben der Zeugin * N* kein Glauben zu schenken ist, sie im Rahmen ihrer Befragung die Unwahrheit gesagt hat bzw falsche Anschuldigungen getätigt hat bzw es ihren Ausführungen an Erlebnisfundiertheit und Wahrheitsgehalt fehlt“, Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[5] Bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben einer Zeugin handelt es sich um eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung, die in der Regel der Hilfestellung durch einen Sachverständigenbeweis nicht bedarf. Das Gutachten eines Kinderpsychologen ist nur in besonders gelagerten Fällen erforderlich, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, bei in der Hauptverhandlung zutage getretenen Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten, die es geboten erscheinen lassen, Angaben der Zeugin unter einem dem Gericht nicht zugängigen Aspekt zu überprüfen (RISJustiz RS0098297 [T1]). Eine derartige Untersuchung einer Zeugin ist nur dann geboten, wenn die Aktenlage Anhaltspunkte für konkrete erhebliche Bedenken gegen ihre allgemeine Wahrnehmungsfähigkeit oder Wiedergabefähigkeit oder doch gegen ihre (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit bietet (RIS-Justiz RS0098015 [T11]). Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verlässlichkeit einer Zeugin im Anlassfall sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (RIS-Justiz RS0097733 [insbesondere T9], RS0097576). Qualifizierte Anhaltspunkte im oben dargelegten Sinn wurden im Antrag nicht dargelegt.

[6] Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat angesichts des aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

[7] Mit ihrer Kritik an der Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses entfernt sich die Rüge vom Prüfungsmaßstab des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0116749 und RS0121628 [T1]).

[8] Das dazu (ua) erstattete Vorbringen, die Abklärung einer (allfälligen) Zustimmung der betroffenen Zeugin bzw ihrer gesetzlichen Vertreterin zu einer psychologischen Untersuchung (vgl dazu RIS-Justiz RS0097584, RS0108614 [T3]) wäre wegen „des Fehlens jeglichen Kontaktes des Angeklagten bzw seines Verteidigers zur Zeugin * N*“ nicht möglich gewesen, ist mit Blick auf die seit aktenkundige Vertretung des Opfers durch einen Rechtsanwalt (§ 73 StPO; ON 9; ON 47 S 1) im Übrigen auch nicht nachvollziehbar.

[9] Der Behauptung der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht zu I./ und II./ mit Widersprüchen in Angaben der Zeugin N* im dem Gebot zu gedrängter, aber bestimmter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) vorgegebenen Umfang (vgl dazu RISJustiz RS0106642, RS0106295, RS0098519, RS0098778) auseinandergesetzt (US 5 ff; allgemein zu ihrer Schilderung der Geschehnisse gegenüber ihr fremden Personen ohne Beistand der Mutter im Krankenhaus US 6).

[10] Indem die Beschwerde an Hand isoliert hervorgehobener Details aus Angaben der Zeuginnen N* (ON 2, 19) und Q* bloß eigene Schlussfolgerungen zu deren Glaubhaftigkeit (RISJustiz RS0099419, RS0106588 [insbesondere T14]) und zur Intensität der Berührung der Vagina des Kindes (dazu US 2 f, 6 f [„Griff auf die Vagina“, „Betasten der Vagina“]) anstellt, bekämpft sie der Sache nach bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO; vgl RISJustiz RS0099599) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StGB) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[11] Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu III./1./ behauptet, das Erstgericht habe die Ton- und Videoaufzeichnung des Streitgesprächs zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau übergangen (vgl aber US 8), obwohl „zumindest während des Zeitraums dieser Aufzeichnungen“ keine bedrohlichen Äußerungen des Angeklagten belegt seien, nimmt sie nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RISJustiz RS0119370), wonach die Aufzeichnung bloß einen Teil des Streitgesprächs umfasst (US 4). Mit dem Inhalt der Aufnahme wiederum setzten sich die Tatrichter im erforderlichen Umfang ohnehin auseinander (US 8). Mit der Behauptung, das Gericht habe bestimmte Aspekte ohnedies verwerteter Beweismittel nicht oder nicht den Intentionen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt, wird weder eine Unvollständigkeit noch eine offenbar unzureichende Begründung der Entscheidungsgründe dargetan, sondern bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Schuldberufung bekämpft (erneut RISJustiz RS0099599).

[12] Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist nicht zu beanstanden, dass die zur Intensität der (aus dem Gesamtkontext der Entscheidungsgründe klar erkennbar nicht bloß flüchtigen und oberflächlichen; vgl dazu RISJustiz RS0095186, RS0095733, RS0102141) Berührung der Vagina des Kindes getroffenen Feststellungen – nicht anders als jene zum Ablauf des sexuellen Übergriffs an sich – aus den vorgelegten Tonaufnahmen und den zeugenschaftlichen Angaben des unmündigen Opfers und der Ehefrau des Angeklagten darüber abgeleitet wurden, was das Opfer seiner Mutter kurze Zeit nach dem Übergriff anvertraut hatte (US 5 f, 8 f).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00033.23X.0613.000

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