TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 13.06.2023, 11Os21/23g

OGH vom 13.06.2023, 11Os21/23g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 24 Hv 55/22a105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen der Einziehung des „sichergestellten Verpackungsmaterials mit Suchtgiftanhaftungen“ sowie der Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (B./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in L* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

A./ am in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 1 kg Kokain hervorragender Qualität (Reinheitsgehalt 84,8 % Cocain) einem anderen zum Kauf angeboten, indem er im Auftrag einer abgesondert verfolgten Person diese Suchtgiftmenge zum Preis von 45.000 bis 50.000 Euro einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts offerierte, wobei als Termin für die Geschäftsabwicklung die erste Juliwoche 2022 vereinbart wurde;

B./ am in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen überlassen, indem er im Auftrag einer abgesondert verfolgten Person einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts zunächst 0,95 g Kokain als Probe und in weiterer Folge eine Lieferung mit 385,3 g Kokain (Reinheitsgehalt 84,8 % Cocain) gewinnbringend zum Preis von 25.000 Euro übergab;

C./ erworben und besessen, wobei er die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging, indem er im Zeitraum von Anfang 2022 bis kurz vor dem eine insgesamt unbekannte Menge Kokain konsumierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der in der Hauptverhandlung am gestellte Antrag des Angeklagten (ON 98 S 5 iVm ON 91) – der sich zu B./ zur Überlassung von Suchtgift mit einem „durchschnittlichen“ Reinheitgehalt geständig verantwortet hatte (ON 98 S 4 f) – auf Einholung eines „neuerlichen Analysegutachtens“ zum Beweis dafür, dass der „Reinheitsgehalt des sichergestellten Suchtgifts wesentlich niedriger“ (als 84,8 % Cocain) sei, woraus sich „eine andere Strafnorm zugunsten des Angeklagten“ ergäbe, weil dann eine „wesentlich niedrigere Grenzmengenüberschreitung vorliege“, ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen.

[5] Bereits im Ermittlungsverfahren war das zu B./ sichergestellte Suchtgift (385,3 g Kokain; US 4 f) vom Bundeskriminalamt, Referat Chemie der Kriminaltechnik, also einer über besonderes Fachwissen verfügenden Einrichtung der Strafverfolgungsbehörden iSd § 126 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0098450, Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.660; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 3) mittels Dünnschichtchromatographie, Infrarotspektroskopie und Gaschromatographie untersucht worden. Dessen der Anklageschrift (ON 84 S 7) zugrunde liegender und in der Hauptverhandlung verlesener Untersuchungsbericht weist einen Reinheitsgehalt der Substanz Cocain von 84,8+/-1,2 % (absolut 327+/-4,7 g) aus (ON 70.12; ON 103 S 5).

[6] Vor diesem Hintergrund ließ der lediglich auf Durchschnittswerte und das subjektive Empfinden des Angeklagten Bezug nehmende Antrag nicht erkennen, aus welchem Grund der erwähnte Untersuchungsbericht unzulänglich sein sollte (zu einem solchen Fall vgl etwa 14 Os 147/04), und lief damit auf eine bloße – im Hauptverfahren jedoch unzulässige – Erkundungsbeweisführung mit dem Ziel einer Überprüfung des Untersuchungsberichts in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses in Bezug auf entscheidende Tatsachen – hinaus (vgl RISJustiz RS0118444; Ratz, WKStPO § 281 Rz 330 f).

[7] Die unterbliebene Begründung der Abweisung des Beweisantrags steht nicht unter Nichtigkeitssanktion. Dass der Angeklagte einen auf die Einhaltung des § 238 Abs 2 StPO abzielenden Antrag gestellt hätte, behauptet die Beschwerde im Übrigen nicht (RIS-Justiz RS0116749 [T2, T3]).

[8] Die Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) bekämpft den von den Tatrichtern – gestützt auf die Aussage des verdeckten Ermittlers – (ua) zum Reinheitsgehalt des zu A./ tatverfangenen Suchtgifts gezogenen Schluss („aus diesem Grund gelangte der Schöffensenat zur vollen Überzeugung, dass * M* […] ein Kilogramm Kokain hervorragender Qualität [Reinheitsgehalt von 84,8 %] Kokain tatsächlich zum Kauf angeboten hat“; [disloziert] US 5) als aktenwidrig. Aktenwidrigkeit wird aber nur durch die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln begründet; die Richtigkeit von auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüssen hingegen kann unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0099431, RS0099524).

[9] Den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu A./ und B./ zufolge wusste der Angeklagte, dass er vorschriftswidrig handelt, und dass er einerseits Suchtgift einem anderen überlässt sowie zum Kauf anbietet, und wollte das auch; ferner hielt er es zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, einerseits bei den Suchtgiftüberlassungen in Bezug auf eine große (das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigende Menge) und beim Anbieten in Bezug auf eine übergroße (das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigende) Menge zu handeln (US 5). Weshalb dies eine „zirkuläre Verwendung von verba legalia“ darstellen und daher keine „konkrete Feststellung zur subjektiven Tatseite vorliegen“ sollte, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (RIS-Justiz RS0095939 [T1], RS0099620 [T7]). Ebenso wenig lässt sie erkennen, welche darüber hinausgehenden Feststellungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich gewesen wären, und weshalb in dem Umstand, dass nach dem Urteilssachverhalt der Angeklagte nicht in Bezug auf alle Tatbestandselemente mit der gleichen Vorsatzform gehandelt hat, ein Widerspruch gelegen sein soll.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[11] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – gleichfalls im Einklang mit der Generalsprokuratur – davon, dass dem Einziehungs- und dem Konfiskationserkenntnis jeweils eine vom Angeklagten nicht geltend gemachte, diesem zum Nachteil gereichende materiell-rechtliche Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO):

[12] Das Erstgericht ordnete – neben der Einziehung des sichergestellten Suchtgifts auch – gemäß „§ 34 Abs 1 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB“ die Einziehung des „Verpackungsmaterials mit Suchtgiftanhaftungen“ an. Während § 34 SMG nur bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar ist, setzt die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS-Justiz RS0121298). Verpackungsmaterial ist – per se – keineswegs besonders deliktstauglich. Eine bestehende „Suchtgiftanhaftung“ könnte ohne Weiteres entfernt werden, sodass die Einziehung nur zulässig wäre, wenn dem Berechtigten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB, RIS-Justiz RS0088184 [T5]). Mangels diesbezüglicher Feststellungen ist der Ausspruch der Einziehung im Umfang des „Verpackungsmaterials mit Suchtgiftanhaftungen“ mit Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall belastet (RIS-Justiz RS0121299 [T1, T2]).

[13] In Ansehung der Konfiskation (§ 19a StGB) wurde weder konstatiert, dass die davon betroffenen Gegenstände (Smartphones der Marke Apple) im Eigentum des Angeklagten stehen, noch findet sich eine Feststellungsbasis zur (intendierten) Verwendung (beider) Mobiltelefone zur Begehung einer dem Schuldspruch zugrundeliegenden Straftat (Z 11 erster Fall).

[14] Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz (zur Zuständigkeit des Einzelrichters RIS-Justiz RS0100271 [T16, T17]) zu verweisen.

[15] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[16] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00021.23G.0613.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.