OGH vom 14.03.2023, 11Os13/23f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 78/21t40a, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte * M* des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (1) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt (2).
[2] Danach hat er in H*
1) im Jänner 2021 mit * K* gegen deren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ihr vorerst Ohrfeigen versetzte und nach anfänglich einvernehmlichem Vaginalverkehr gegen ihren Willen einen Analverkehr durchführte, obwohl sie ihm zitternd und unter Tränen ausdrücklich sagte, dass sie das nicht wolle, er aufhören solle und versuchte, ihn durch körperlichen Widerstand von sich wegzubekommen;
2) in der Nacht auf den * K* mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er gegen ihren körperlichen Widerstand und ihre ausdrückliche mündliche Weigerung ihre Kleidung vom Leib riss, ihr Ohrfeigen versetzte, sie am Hals packte und würgte, ihr den Mund zuhielt, ihren Kopf nach unten drückte und sich auf ihre Oberarme kniete, sowie dadurch, dass er ihr gegenüber sinngemäß äußerte, es werde ihr etwas Schlimmeres passieren, wenn sie nicht aufhöre zu weinen und sich zu wehren, und an ihr mehrfach Vaginalverkehr durchführte und Oral- sowie Analverkehr durchzuführen versuchte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Beantwortung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt ist (RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann zwar unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat.
[5] Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubhaftigkeit oder Unglaubhaftigkeit (die ihrerseits eine erhebliche Tatsache [zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409] darstellt), sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]). Erheblich, somit nach Maßgabe ihres Vorkommens in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) erörterungsbedürftig, sind insoweit Tatumstände, welche die – von den Tatrichtern als notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache bejahte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410) – Überzeugungskraft der Aussage (eines Zeugen oder Angeklagten) in Bezug auf diese entscheidende Tatsache ernsthaft in Frage stellen (vgl RIS-Justiz RS0120109 [T3]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 29).
[6] Davon ausgehend zeigt die gegen den Schuldspruch zu 1) gerichtete Argumentation (Z 5 zweiter Fall), * K* habe dem Sachverständigen „nur“ von Misshandlungen durch den Angeklagten im Jänner 2021 berichtet und, der von der Genannten „geschilderte Vorfall und eine Blutung“ seien mangels „Beiziehung der Polizei oder eines Arztes nicht objektivierbar“, ein Begründungsdefizit ebenso wenig auf wie der Hinweis auf die subjektive Meinung einer Zeugin betreffend die Ehrlichkeit des Opfers (vgl RIS-Justiz RS0097545).
[7] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
[8] Mit dem Vorbringen, der Liste der Sachverständigen lasse sich nicht entnehmen, ob der beigezogene Sachverständige die erforderliche Qualifikation hat, eine psychisch gesunde Frau hätte bereits nach der ersten Gewalttätigkeit die Beziehung sofort beendet, weshalb davon auszugehen sei, dass * K* im Sommer 2020 psychisch nicht gesund war, und die Mutter des Opfers habe nach dem ersten Vorfall die Polizei nicht beigezogen, erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00013.23F.0314.000 |
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