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OGH 03.10.2023, 11Os101/23x

OGH 03.10.2023, 11Os101/23x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * L* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom , GZ 13 Hv 33/22y105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * L* zu A/I/ und A/II/ jeweils eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, weiters mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B/I/ und B/II/) sowie mehrerer Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (C/I/ und C/II/), des sexuellen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (D/) und der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall StGB (F/) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Weiters wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB die strafrechtliche Unterbringung des Angeklagten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet.

[3] Danach hat er in B* und anderen Orten

A/ mit nachstehenden unmündigen Personen den Beischlaf bzw dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

I/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum von zumindest bis in einer Vielzahl von – etwa monatlichen – Angriffen mit der am * 2003 geborenen * G*, indem er sie mit seinem Penis und mit seinen Fingern vaginal penetrierte, wobei jede der Taten mitursächlich für eine schwere Körperverletzung der Genannten, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung von über 24 Tagen, nämlich einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung war;

II/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum in den Jahren 2012 bis zum in einer Mehrzahl von Angriffen mit der am * 1999 geborenen * N*, indem er sie mit seinem Finger penetrierte, wobei jede der Taten mitursächlich für eine schwere Körperverletzung der Genannten, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung von über 24 Tagen, nämlich einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung war;

B/ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar

I/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum von zumindest bis in einer Vielzahl von Angriffen mit der am * 2003 geborenen * G*, indem er ihre Brüste und ihren Schambereich unter der Kleidung intensiv berührte;

II/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum im Jahr 2011 bis 2012 in einer Mehrzahl von Angriffen an der am * 1999 geborenen * N*, indem er ihre Brüste und ihre Brustwarzen abtastete und ihre Klitoris mit der Hand stimulierte;

C/ mit Personen gegen deren Willen oder nach vorangegangener Einschüchterung den Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

I/ in einem nicht mehr festzustellenden Zeitraum „ab dem “ bis Ende September 2018 in einer Vielzahl von – etwa monatlichen – Angriffen mit * G*, indem er sie trotz ihrer verbalisierten Weigerung und der Tatsache, dass sie ihn wegdrückte, mit seinem Penis vaginal penetrierte, nachdem er gedroht hatte, sie bei ihren Eltern als Hure zu bezeichnen;

II/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum ab dem bis mit * N*, indem er sie trotz der Tatsache, dass sie seine Hände wegschob, ihre Beine zusammen presste und/oder sich zur Seite drehte, mit seinen Fingern penetrierte;

D/ mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung „seiner Stellung als guter Freund der Familie“ (bei G*) oder Taufpate (bei N*) (US 5, 7 bis 10: unter Ausnützung seiner Stellng als Aufsichtsperson in Abwesenheit der Erziehungsberechtigten) gegenüber diesen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

I/ durch die zu A/I/, B/I/, C/I/ angeführten Handlungen, mit der am * 2003 geborenen * G*;

II/ durch die zu A/II/, B/II/, C/II/ bis zur Volljährigkeit „am * 2017“ angeführten Handlungen mit der am * 1999 geborenen * N*;

F/ ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum sich pornographische Darstellungen unmündiger Minderjähriger verschafft und besessen, indem er zumindest 1.000 Videos und Bilder zeigend Kinder im Alter von zirka acht Jahren bei der Selbstbefriedigung oder „geschlechtlichen Handlungen“ (US 10 f: oralen, vaginalen und analen Penetrationshandlungen) mit erwachsenen Männern auf verschiedenen Datenträgern abspeicherte.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung von in der Hauptverhandlung am gestellten Beweisanträgen (ON 88 S 38 ff). Der Beschwerdeführer verkennt dabei, dass für die Urteilsanfechtung nur jene Hauptverhandlung relevant ist, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangegangen ist. Im vorliegenden Fall ist dies aufgrund der Neudurchführung gemäß § 276a StPO (ON 104 S 5) die am abgehaltene Hauptverhandlung (RISJustiz RS0099049 [insbesondere T1, T2]), in welcher vom Angeklagten allerdings keine Beweisanträge gestellt wurden (vgl ON 104 S 10). Schon aus diesem Grund geht das Vorbringen somit ins Leere.

[6] Der Ausspruch des Gerichtshofs über entscheidende Tatsachen ist nur dann iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO mit sich selbst im Widerspruch, wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RISJustiz RS0119089), wenn also der Ausspruch mit sich selbst (nicht aber mit einzelnen Beweisergebnissen) im Widerspruch ist, das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die sich gegenseitig ausschließen oder die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Kriterien logischen Denkens nebeneinander nicht bestehen können (RISJustiz RS0099548).

[7] Da selbst ab dem Kindergartenalter der * G* regelmäßig etwa einmal im Monat vom Angeklagten an dieser (A/I/) durchgeführter Geschlechtsverkehr (US 2, 5, 13 f) ab etwa Juli 2015 im Zuge von intensiven Berührungen der Brüste und des Schambereichs des Mädchens (B/I/) geäußerte Fragen des Genannten nicht ausschließen, ob ihre Brüste oder ihr Haare im Intimbereich wachsen würden (US 5), ist der behauptete Begründungsmangel (Z 5 dritter Fall) nicht gegeben.

[8] Inhaltlich stellt das Vorbringen der Mängelrüge bloß einen Versuch dar, die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu bekämpfen.

[9] Bleibt anzumerken, dass damit – unter dem Aspekt einer Tatsachenrüge (Z 5a) betrachtet – beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen erweckt werden.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[11] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00101.23X.1003.000

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)