OGH vom 22.06.2023, 10ObS63/23x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Arno Sauberer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Arnaud Berthou (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 31/23t-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der 1965 geborene Kläger hat den Beruf des Maurers erlernt. Er war im Zeitraum von bis als Gemeindearbeiter („Bauhofarbeiter“) bei einer Stadtgemeinde tätig und übte dort die im Einzelnen festgestellten Tätigkeiten aus.
[2] Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die vom Kläger beantragte Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von bis ab.
[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von bis mit der im Rechtsmittelverfahren noch wesentlichen Begründung ab, dass der Kläger zwar an einzelnen Tagen Schwerarbeit mit einem Verbrauch von mehr als 2.000 Arbeitskilokalorien im Sinn des § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV verrichtete, dies aber nur ausnahmsweise und nicht an 15 Tagen im Monat.
Rechtliche Beurteilung
[4] In seiner gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[5] 1. Der Kläger argumentiert, dass das Abstellen auf einen Kalorienverbrauch in teils lange zurückliegenden Zeiträumen geradezu prädestiniert sei, zu Unschärfen und Unrichtigkeiten, daher zu unsachlichen Ergebnissen zu führen. Beim „Berufsbild“ des Gemeindearbeiters handle es sich nicht um einen Einzelfall. Die Rekonstruktion des Kalorienverbrauchs für längst zurückliegende Arbeitsleistungen führe je nach Einschätzung eines Sachverständigen zu von „Zufälligkeiten“ abhängigen Ergebnissen, wodurch das auch an die Vollziehung gerichtete Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG verletzt werde.
[6] 2.1 Das Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die Verpflichtung von Gesetzgebung und Vollziehung, sich bei der rechtlichen Behandlung der Staatsbürger nur von sachlich gerechtfertigten Momenten leiten und subjektive, nur in der Person – des Standes – begründete Erwägungen beiseite zu lassen. Beruht eine verschiedene Behandlung jedoch darauf, dass objektive Merkmale verschieden sind, dann wird dadurch der Gleichheitssatz nicht verletzt (vgl nur B 1383/88 mwH; RS0053981; RS0054018).
[7] 2.2 Der Oberste Gerichtshof hat beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, ua § 1 Abs 1 Z 4, § 3 und die Anlage zur SchwerarbeitsV als gesetzwidrig aufzuheben (10 ObS 140/10a). Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen sah er ua in der Widersprüchlichkeit der Definition von „körperlicher Schwerarbeit“ in der Verordnung und im Abstellen auf den in aller Regel nicht individuell feststellbaren Kalorienverbrauch in der Vergangenheit und die faktische Ermittlung nach fiktiven Durchschnittswerten. Der Verfassungsgerichtshof wies diesen Antrag ab und vertrat in der Begründung seines Erkenntnisses die Ansicht, dass der Begriff der „Schwerarbeit“ im Gesetz hinreichend determiniert sei und dass kein Verstoß der Schwerarbeitsverordnung gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitssatz und auch keine Unsachlichkeit der Umschreibung der körperlichen Schwerarbeit vorliege (VfGH G 20/11 ua; V 13/11 ua; 10 ObS 116/11y SSVNF 25/96).
[8] 2.3 Zur Beurteilung der Frage, ob ein Schwerarbeitsmonat vorliegt, ist nicht auf ein „Berufsbild“, sondern auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen (10 ObS 117/16b SSVNF 30/82; RS0130802 [T2]). Im vorliegenden Fall ergeben sich – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – nach den Feststellungen objektive Unterschiede zwischen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers und jener eines Arbeitskollegen des Klägers. Aus dem Umstand, dass bei diesem Arbeitskollegen ausgehend von dessen tatsächlicher Tätigkeit Schwerarbeitszeiten vorlagen, ergibt sich daher nach der dargestellten Rechtsprechung nicht die vom Revisionswerber behauptete Verfassungswidrigkeit.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00063.23X.0622.000 |
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