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OGH vom 22.06.2023, 10ObS48/23s

OGH vom 22.06.2023, 10ObS48/23s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten  Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Arno Sauberer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Arnaud Berthou (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 88/22t-62, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die wiesen das Begehren des Klägers, ihm ab die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß, in eventu die gesetzlich vorgesehenen Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren, ab.

[2] Der Kläger genieße keinen Berufsschutz. Da es ihm trotz psychischer und physischer Einschränkungen möglich sei, einer Reihe von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (etwa als Staplerfahrer, Hilfskraft in der industriellen Serienfertigung oder Textilbranche, Kuvertierer, Adressenverlagsarbeiter oder Maschinenbügler) nachzugehen, liege vorübergehende oder dauernde Invalidität nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Den behaupteten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge der unterlassenen Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 194 ZPO hat bereits das Berufungsgericht verneint. Dieser kann daher in dritter Instanz nicht neuerlich geltend gemacht werden (RISJustiz RS0042963; RS0043061).

[5] 2.1. Die Frage, welche Bedeutung die Tatsacheninstanzen einem von einer Partei vorgelegten Privatgutachten beigemessen haben, betrifft die in dritter Instanz nicht angreifbare Beweiswürdigung (RS0043291 [T3]; 1 Ob 71/22f ua). Im Anlassfall hat die vom Gericht bestellte Sachverständige zu dem vom Kläger ins Treffen geführten Privatgutachten – wenn auch nicht in seinem Sinn – Stellung genommen, worauf das Berufungsgericht bei Erledigung der Verfahrensrüge zutreffend hingewiesen hat. Ob die darauf aufbauenden Erwägungen des Berufungsgerichts richtig oder fehlerhaft sind, ist durch den Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu prüfen.

[6] 2.2. In den im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbaren Tatsachenbereich fällt auch, ob ein Sachverständigengutachten vollständig und schlüssig ist (RS0113643 [T7]; RS0043320 [T12]), ob es die getroffenen Feststellungen rechtfertigt (RS0043163; RS0043320 [T21]) oder ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll (RS0043320; RS0043163 [T16]). Vor allem kann die Frage, ob und inwiefern sich die von den Sachverständigen berücksichtigten Befunde des Psychotherapeuten des Klägers auf deren Gutachten auswirken (hätten müssen), nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.

[7] 2.3. Die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält, betrifft ebenfalls die nicht revisible Beweiswürdigung (RS0043125).

[8] 3.1. Wenn der Kläger seiner Rechtsrüge zugrunde legt, er sei – nach dem von ihm vorgelegten Privatgutachten und den Befunden seines Psychotherapeuten – nicht mehr in der Lage, einer (zumutbaren) Erwerbstätigkeit nachzugehen, weicht er von den getroffenen Feststellungen ab.

[9] 3.2. Dass eine Prüfung, ob in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit und trotz zumutbarer Krankenbehandlung leidensbedingte jährliche Krankenstände in einer Dauer von sieben Wochen und darüber zu erwarten sind (vgl RS0084855 [T7]; RS0084898 [T12]), unterblieben ist, trifft nicht zu. Angesichts der Feststellung, dass auch in Zusammenschau der Fachgebiete leidensbedingte Krankenstände des Klägers in Zukunft nicht zu erwarten sind, scheidet der zu diesem Thema behauptete rechtliche Feststellungsmangel aus (vgl RS0053317 [T1]; RS0043320 [T18]).

[10] 3.3. Die Anfechtung von aufgrund von Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen könnte dann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung möglich sein, wenn dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare (sonstige) Erfahrungssätze vorliegt (vgl RS0043168 [T8, T14]; RS0043404). Dass das hier der Fall ist, zeigt die Revision aber nicht stichhältig auf.

[11] 4. Offene Fragen der Auslegung von Unionsrecht im Zusammenhang mit § 351 Abs 1 ZPO sind hier nicht zu beantworten (vgl insb Art 51 Abs 1 GRC), sodass kein Anlass besteht, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nachzukommen.

[12] 5. Da die außerordentliche Revision insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO anspricht, ist sie zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00048.23S.0622.000

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