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OGH vom 18.10.2022, 10ObS112/22a

OGH vom 18.10.2022, 10ObS112/22a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Claudia Biegler, MA (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem * 2020 verstorbenen *, zuletzt *, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Hannes Huber, Rechtsanwalt in Melk, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 16/22g-28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Der während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbene Kläger – der Einfachheit halber wird in der Folge nicht zwischen diesem und der Verlassenschaft unterschieden – war österreichischer Staatsbürger und befand sich von * 2018 bis zu seinem Tod * 2020 im Pflege und Betreuungszentrum M* in Niederösterreich. Er bezog eine Rente aus dem Vereinigten Königreich in Höhe von ungefähr 237 EUR, wovon er 189,60 EUR (80 % seines Einkommens) als Beitrag zu den vom Land Niederösterreich getragenen Heimkosten leistete.

[2] Mit vom lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers, ihm Pflegegeld zu gewähren, mangels der Voraussetzungen der §§ 3, 3a BPGG ab.

[3] Die wiesen das auf Zuerkennung von Pflegegeld im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren ab. Ein Anspruch auf Pflegegeld bestehe nicht, weil der Kläger einerseits keine Grundleistung nach § 3 BPGG bezogen habe und andererseits Österreich wegen des Bezugs (lediglich) einer Rente aus dem Vereinigten Königreich für die Erbringung von Geldleistungen bei Krankheit, zu der auch das Pflegegeld zähle, nicht iSd VO (EG) 883/2004 zuständig sei (§ 3a BPGG). Zwar könnten nach § 20 BPGG auch Sach anstatt Geldleistungen erbracht werden. Das setze aber einen Bescheid des zuständigen Entscheidungsträgers voraus, der hier nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seiner zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Im Verfahren ist nicht strittig, dass die VO (EG) 883/2004 ungeachtet des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union mit weiter anwendbar geblieben und es damit bis zum Tod des Klägers zu keiner Änderung der Rechtslage gekommen ist. Nach Art 126 und 127 Abs 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl 2020 C 384 Ⅰ/1) stand das Unionsrecht während der Übergangsfrist (bis ) im Verhältnis zum Vereinigten Königreich weiter in Geltung.

[6] 2. Der Kläger geht zu Recht mit den Vorinstanzen davon aus, dass er mangels Bezugs einer österreichischen Grundleistung nach § 3 Abs 1 oder 2 BPGG gemäß § 3a Abs 1 BPGG in Österreich nur dann Anspruch auf Pflegegeld hat, wenn nach den Kollisionsregeln des Art 11 ff VO (EG) 883/2004 nicht ein anderer Mitgliedstaat für Pflegeleistungen zuständig ist (RISJustiz RS0131205). Er bestreitet auch nicht, dass Pflegegeld eine Leistung bei Krankheit iSd Art 3 Abs 1 lit a VO (EG) 883/2004 darstellt und als Geldleistung iSd Art 21 ff VO (EG) 883/2004 anzusehen ist (10 ObS 3/22x; 10 ObS 202/21k ua). Darauf aufbauend zieht er ebenfalls nicht in Zweifel, dass für die Gewährung von Pflegegeld an Rentner mit (nur) einer Rente aus einem anderen Mitgliedstaat in der Regel dieser und nicht der Wohnmitgliedstaat zuständig ist (Statut der Rentenleistung; 10 ObS 31/22i; 10 ObS 56/21i ua). Seiner Ansicht nach beziehen sich diese Grundsätze aber nur auf die „Pflege zu Hause“, nicht aber auf die ihn betreffende Unterbringung in einem Pflegeheim. Da der Anspruch auf Pflegegeld in dieser Konstellation zum überwiegenden Teil auf den jeweiligen Kostenträger übergehe (§ 13 BPGG), gewähre die Beklagte nämlich keine Geldleistung (mehr), sondern Sachleistungen in Form der Abdeckung der von dritter Seite erbrachten Pflegeleistungen.

[7] 3. Allerdings macht der Kläger – dem österreichischen Pflegegeldrecht entsprechend – in seiner Klage keine Sachleistungen, sondern Geldleistungen iSd Art 21 ff VO (EG) 883/2004 geltend. Wie erwähnt bekämpft der Kläger die Ansicht der Vorinstanzen, dass für die Gewährung von Geldleistungen das Vereinigte Königreich zuständig ist und daher die Voraussetzungen des § 3a BPGG nicht vorliegen, nicht. Die außerordentliche Revision zeigt daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf; sie ist daher zurückzuweisen.

[8] 4. Der vom Kläger ausdrücklich für den Fall seines Unterliegens im Revisionsverfahren begehrte Kostenersatz nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) kommt nur dann in Betracht, wenn (unter anderem) tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen. Das ist hier nicht der Fall.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00112.22A.1018.000

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