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OGH vom 13.12.2022, 10Ob44/22a

OGH vom 13.12.2022, 10Ob44/22a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober, Dr. Thunhart und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. D*, vertreten durch Rechtsanwälte Haberl und Huber GmbH Co KG in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. H*, und 2. Mag. A*, beide *, beide vertreten durch Rechtsanwälte Estermann Partner OG in Mattighofen, und der auf der Seite der beklagten Parteien beigetretenen Nebenintervenienten 1. Eigentümergemeinschaft H*, und 2. S* GmbH, FN *, beide vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 48.468,52 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 95/22m106, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 5 Cg 5/18m100, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.984,70 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 330,78 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Am kam es in der Zahnarztpraxis des Klägers nach einem Starkregen zu einem Wasserschaden infolge eines Wassereintritts. Die Haftung der beklagten Parteien für den Verdienstentgang des Klägers in der Zeit der Sanierung der (angemieteten) Räumlichkeiten von bis wurde mit Zwischenurteil des Erstgerichts vom dem Grund nach festgestellt (siehe 10 Ob 27/20y).

[2] Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens sprachen die Vorinstanzen dem Kläger einen Verdienstentgang von 28.000 EUR sA (vor Einkommensteuer) zu. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige ermittelte aus den Deckungsbeiträgen der Monate Juni und Juli der Jahre 2014 bis 2016 und 2018 bis 2019 einen fiktiven Deckungsbeitrag für die Monate Juni und Juli 2017 und stellte diesen Wert dem tatsächlich in diesen beiden Monaten erzielten Deckungsbeitrag gegenüber. Aus dem entgangenen Umsatz abzüglich anfallender variabler (umsatz- und beschäftigungsabhängiger) Kosten schätzte er den im Sanierungszeitraum erlittenen Verdienstentgang auf (rechnerisch) 13.982,40 EUR netto; die Mietzinsreduktion von 1.713 EUR wurde dabei berücksichtigt. Im Rahmen der Gutachtenserörterung legte der Sachverständige dar, warum aus seiner Sicht eine Berechnung auf Basis der Monate Juni und Juli sachgerechter erscheine als eine (kalender-)jahresweise Betrachtungsweise: Bei einer jahresweisen Betrachtung würde die Schwankungsbreite des Deckungsbeitrags, die auf andere Ereignisse (zB Mehrarbeit) als das Schadensereignis zurückzuführen sei, wesentlich stärker zutage treten.

[3] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zur Frage zu, ob bei der Berechnung des Verdienstentgangs eines selbständig Erwerbstätigen stets und unabhängig vom konkreten Zeitraum, für den Verdienstentgang gebührt, auf einen im Kalenderjahr erlittenen Verdienstentgang abzustellen sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[5] 1. Die Beklagten halten in der Revision den Standpunkt aufrecht, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 129/09y die Methode der Verdienstentgangsberechnung bei einem selbständig Erwerbstätigen in zeitlicher Hinsicht nach Kalenderjahren vorgegeben habe; eine Aufspaltung nach kürzeren Zeiträumen sei unzulässig. Gerade bei einem Zahnarzt komme es, über das Jahr gesehen, aufgrund von Aufholeffekten nicht zu einem Verdienstentgang (anders möglicherweise bei einem nur saisonal tätigen Eisverkäufer). Auch in den Entscheidungen 2 Ob 1/15h, 5 Ob 139/21h und weiteren Entscheidungen sei der Verdienstentgang des betroffenen Unternehmers nach Kalenderjahren beurteilt worden. Bei einem Vergleich der jährlichen Deckungsbeiträge hätte sich herausgestellt, dass der Kläger im Jahr 2017 keinen Verdienstentgang erlitten habe. Es liege nicht am Sachverständigen, die Methode zur Ermittlung des entgangenen Verdienstes zu wählen; vielmehr sei die Methode vom Gericht vorzugeben. Überdies hätten die Vorinstanzen den Verdienstentgang für zwei Monate und nicht nur für 4,71 Wochen zuerkannt. Wenn der vom Sachverständigen ermittelte Nettoverdienstentgang 13.982,40 EUR betrage, würde bei einem Grenzsteuersatz von 50 % die Einkommensteuerbelastung 6.991,20 EUR ausmachen, sodass nur ein Betrag von 20.973,60 EUR zuzusprechen gewesen wäre.

[6] 2. Damit wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt.

[7] 2.1 Die Methodenwahl gehört zum Kern der Sachverständigentätigkeit (3 Ob 60/21a; RIS-Justiz RS0119439; Spitzer in Spitzer/Wilfinger, Beweisrecht [2020] § 351 ZPO Rz 3). Es ist Aufgabe des Sachverständigen, aufgrund der einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebenden strittigen Tatfragen am besten eignet (RS0119439 [T2]; Spitzer in Spitzer/Wilfinger § 351 ZPO Rz 3). Aus diesem Grund hat das Gericht dem Sachverständigen im Allgemeinen keine bestimmte Methode vorzugeben. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass das Gericht, das wegen Fehlens eigenen Sachverstands ein Gutachten eines Sachverständigen einholt, bei Fehlen von gesetzlichen (Methoden-)Vorgaben in der Lage sein sollte, die Anwendung einer bestimmten sachverständigen Methode zu verlangen. Konsequenterweise vertritt die Rechtsprechung den Standpunkt, dass die Frage, welche wissenschaftliche Untersuchungsmethode der medizinische Sachverständige seinem Gutachten zugrunde legt, nur die Begründung des Gutachtens betrifft und daher nicht mit Revision bekämpfbar ist (RS0043163 [T5]; RS0118604).

[8] 2.2 Auch die Beklagten bekämpfen weitgehend das Ergebnis des Sachverständigengutachtens und damit unzulässigerweise eine Tatfrage.

[9] 2.3 Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof in den in der Revision angeführten Entscheidungen – entgegen der Ansicht der Beklagten – keine generellen Methoden für die Verdienstentgangsberechnung bei einem selbständig Erwerbstätigen vorgegeben:

[10] In der Entscheidung 2 Ob 129/09y wurde zum Beginn der Verjährung des Verdienstentganganspruchs eines Tischlers (bloß) ausgeführt, bei einem selbständigen Unternehmer werde der Verdienstentgang – wovon auch die Parteien und die Vorinstanzen ausgegangen seien – in der Regel nach Kalenderjahren berechnet.

[11] In der Entscheidung 2 Ob 1/15h wurde zur Höhe des – langfristigen – Verdienstentgangs eines Akustikdeckenmonteurs auf das Kalenderjahr als einkommensteuerrechtliches Veranlagungsjahr beim Geschädigten Bezug genommen. Die Entscheidung enthält jedoch keine Aussage in Richtung einer – dort wegen der Dauer des Verdienstentgangs naheliegenden – Jahresbetrachtung in Bezug auf den Verdienstentgang.

[12] In der Entscheidung 5 Ob 139/21h, die den Beginn der Verjährung des Verdienstentganganspruchs eines Unternehmers betrifft, wird unter Verweis auf die Entscheidung 2 Ob 129/09y bloß festgehalten, dass „bei einem selbständigen Unternehmer der Verdienstentgang in der Regel nach Kalenderjahren berechnet wird ...“.

[13] Zum einen schränkt der Oberste Gerichtshof die Heranziehung eines Kalenderjahres also auf den Regelfall ein; zum anderen nimmt er nicht Bezug auf die Berechnungsweise durch das Gericht, sondern durch eine außenstehende Person. Insoweit missverstehen die Beklagten die höchstgerichtliche Rechtsprechung.

[14] 3. Entgegen den Revisionsausführungen wird dem Kläger kein Verdienstentgang für einen über die tatsächliche Schließung hinausgehenden Zeitraum zuerkannt. Die Höhe des im Schließungszeitraum entstandenen Verdienstentgangs ergibt sich schon aus dem festgestellten Sachverhalt. Den Einwänden der Beklagten gegen die Betrachtung des zweimonatigen Zeitraums, in dem der (mögliche) „Verdienstentgangszeitraum“ liegt, ist ergänzend entgegenzuhalten, dass sie selbst einen noch längeren Zeitraum (in den sie den eigentlichen „Verdienstentgangszeitraum“ einbetten) als Vergleichszeitraum für maßgeblich halten.

[15] 4. Dem Geschädigten müssen auch die Steuern und Abgaben ersetzt werden, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Ziel ist, dass dem Geschädigten der sich ergebende Differenzbetrag
(= Nettoschaden) ungeschmälert verbleibt (RS0028339, RS0031017). Nach § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 gehören zu den Einkünften iSd § 2 Abs 3 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene und entgehende Einnahmen gewährt werden. Darunter sind auch Entschädigungen aus dem Titel des Verdienstentgangs zu verstehen (). Die von den Beklagten vorgeschlagene Berechnungsart vermischt den Bruttoschaden (vor Einkommensbesteuerung) mit dem Nettoschaden (nach Einkommensbesteuerung).

[16] 5. Wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

[17] 6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16, T20]). Die Beklagten haften in der Hauptsache solidarisch, sodass sie auch für die Kosten solidarisch haften. Da dem Kläger im Revisionsverfahren nur zwei Parteien gegenüber stehen, gebührt ihm gemäß § 15 RATG nur ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von 10 % (vgl RS0036223).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00044.22A.1213.000

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