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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.03.2015, RV/3100063/2012

Verlustverrechnung bei Vorliegen eines (halbsatzbegünstigten) Sondergewinnes iSd § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100063/2012-RS1
Auch im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2b Z 2 und 3 EStG 1988 ist davon auszugehen, dass im Einkommen enthaltene halbsatzbegünstigte Einkünfte (im Beschwerdefall: ein nach § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 begünstigter Veräußerungsgewinn) bei der Verlustverrechnung vorrangig erhalten bleiben sollen. Ein gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 vortragsfähiger Verlust darf daher zuerst mit den nicht begünstigten Einkünften verrechnet werden, allerdings - da die Vortragsgrenze des § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988 insoweit nicht aufgehoben ist - nur in Höhe von 75 % (der nicht begünstigten Einkünfte).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache des Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom betreffend Einkommensteuer 2010

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe betragen:
Einkommen 2010: 28.524,19 Euro;
Einkommensteuer (nach Abzug der anrechenbaren Abzugssteuern): -2.592,41 Euro.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I) Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) erklärte für das Veranlagungsjahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 181.896,68 Euro, die (nach Verlustausgleich innerhalb dieser Einkunftsart) zur Gänze aus einem Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 bestehen, sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 28.738,13 Euro (Gesamtbetrag der Einkünfte somit: 210.634,81 Euro). An Sonderausgaben machte er Beiträge zu Personenversicherungen (nach § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 begrenzt mit dem Pauschbetrag von 60 Euro), den Kirchenbeitrag (91,68 Euro) und einen Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 von 181.958,94 Euro geltend. Für das daraus errechnete steuerpflichtige Einkommen von 28.524,19 Euro beantragte der Bf. die Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988.

Im Einkommensteuerbescheid 2010 vom setzte das Finanzamt das Einkommen erklärungsgemäß mit 28.524,19 Euro an, wendete darauf jedoch den Tarif gemäß § 33 Abs. 1 und 2 EStG 1988 an. Begründend wurde ausgeführt, nach Ansicht der Finanzverwaltung sei „die Verlustverrechnung primär mit Sondergewinnen gemäß § 2 Abs. 2b Z 3 EStG vorzunehmen“.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 erhob der steuerliche Vertreter des Bf. Berufung, die sich gegen „die Nichtgewährung des Hälftesteuersatzes für den (verbleibenden) Veräußerungsgewinn in Höhe von 28.524,19 Euro“ richtet. Unstrittig sei, dass der Veräußerungsgewinn gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 dem Hälftesteuersatz unterliege. Gleichfalls unstrittig sei, dass gemäß § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 die Verlustvortragsgrenze nicht zur Anwendung komme. Die Ansicht der Finanzverwaltung, dass die Verlustverrechnung primär mit Sondergewinnen vorzunehmen sei, finde im Gesetz keine Deckung. § 37 EStG 1988 sei eine reine Tarifbestimmung. Hätte der Bf. keine anderen Einkünfte erzielt und stünden ihm auch keine Sonderausgaben zu, wäre der (gesamte) Betrag von 181.896,68 Euro mit dem halben Einkommensteuersatz zu besteuern gewesen. Unter Berücksichtigung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und der Sonderausgaben - vor allem des ungekürzt zustehenden Verlustvortrages - sei das Einkommen des Jahres 2010 mit 28.524,19 Euro ermittelt worden. Nach der Steuersatzbegünstigung des § 37 EStG 1988 ermäßige sich der Steuersatz für die außerordentlichen Einkünfte auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes. Habe das gesamte Einkommen des Bf. im Jahr 2010 nur 28.524,19 Euro betragen, unterliege dieses Einkommen zur Gänze der Steuersatzbegünstigung des § 37 EStG 1988.

Mit Vorlagebericht des Finanzamtes vom wurde die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim unabhängigen Finanzsenat anhängig gewesenen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

II) Rechtliche Erwägungen

1) Gemäß § 37 Abs. 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz für außerordentliche Einkünfte (Abs. 5) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes. Außerordentliche Einkünfte sind nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn die Betriebsveräußerung oder
-aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt:

1. Der Steuerpflichtige ist gestorben und es wird dadurch eine Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe veranlasst.

2. Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen.

3. Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein.

Für Veräußerungs- und Übergangsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind.

Dass der vom Bf. erklärte Veräußerungsgewinn den Tatbestand des § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 erfüllt, ist zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens nicht strittig.

2) Gemäß § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 sind - unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen - als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Auch die Höhe des bei der Veranlagung 2010 danach zur Verfügung stehenden Verlustabzuges steht nicht in Streit.

3) Gemäß § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung können vortragsfähige Verluste im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 nur im Ausmaß von 75 % des Gesamtbetrages der Einkünfte abgezogen werden (Vortragsgrenze). Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung der Vortragsgrenze abzuziehen.

Nach § 2 Abs. 2b Z 3 dritter Teilstrich EStG 1988 ist die Vortragsgrenze insoweit nicht anzuwenden, als im Gesamtbetrag der Einkünfte Veräußerungsgewinne und Aufgabegewinne, das sind Gewinne aus der Veräußerung sowie der Aufgabe von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen, enthalten sind.

4) Ein Veräußerungsgewinn erhöht somit die Verlustvortragsgrenze. Sie beträgt im Beschwerdefall 203.450,27 Euro (100 % von 181.896,68 Euro zuzüglich 75 % von 28.738,13 Euro). Der geltend gemachte Verlustvortrag (181.958,94 Euro) findet in der Vortragsgrenze Deckung und ist daher in voller Höhe abzugsfähig.

5) Strittig ist, ob der Verlustvortrag vorrangig den halbsatzbegünstigten Veräußerungsgewinn - als „Sondergewinn“ im Sinne des § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 - kürzt (Ansicht des Finanzamtes) oder ob er vorrangig von den übrigen, nicht begünstigten Einkünften in Abzug gebracht werden darf (Ansicht des Bf.).

6) § 2 Abs. 2 EStG 1988 definiert das Einkommen als Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104, 105 und 106a.

Treffen halbsatzbegünstigte Einkünfte mit Verlusten zusammen, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgende Reihenfolge der Verlustverrechnung einzuhalten: Zunächst ist ein innerbetrieblicher Verlustausgleich vorzunehmen; dabei ist es dem Steuerpflichtigen freigestellt, in welcher Weise er die Verrechnung positiver und negativer Komponenten vornimmt (; ), sofern nicht das Gesetz ausdrücklich eine bestimmte Reihenfolge der Verrechnung festlegt (vgl. etwa § 37 Abs. 1 dritter Teilstrich EStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 2/2001, betreffend Einkünfte aus besonderen Waldnutzungen). In einem zweiten Schritt ist der Saldo der Einkünfte aus jener Einkunftsart, der die begünstigten Einkünfte angehören (horizontaler Verlustausgleich), und sodann der Gesamtbetrag der Einkünfte zu ermitteln (vertikaler Verlustausgleich). Nur soweit im Einkommen (§ 2 Abs. 2 EStG 1988) noch begünstigte Einkunftsteile enthalten sind, kommt der Hälftesteuersatz zur Anwendung (; siehe dazu etwa Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2015, § 37 Rz 51; Rauscher in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 37 Anm. 7, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich somit, dass der Steuerpflichtige zur Verlustverrechnung vorrangig die (im Einkommen enthaltenen) nicht begünstigten Einkünfte heranziehen darf. Dass begünstigte Einkünfte erst zuletzt gekürzt werden müssen, gilt nicht nur für den Verlustausgleich, sondern in gleicher Weise für den Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 oder 7 EStG 1988 (wie auch für andere Sonderausgaben, die nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen sind).

7) Sondergewinne im Sinne des § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 bewirken, dass die in § 2 Abs. 2b Z 2 normierte Vortragsgrenze insoweit  nicht anzuwenden ist. Dass der Verlustvortrag (§ 18 Abs. 6 EStG 1988) deshalb vorrangig mit einem Sondergewinn (im Beschwerdefall: dem halbsatzbegünstigten Veräußerungsgewinn) zu verrechnen wäre, ordnet das Gesetz nicht an. Nach der oben (Punkt 6) dargestellten Systematik der Verlustverrechnung ist daher auch im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2b Z 2 und 3 EStG 1988 davon auszugehen, dass im Einkommen enthaltene halbsatzbegünstigte Einkünfte vorrangig erhalten bleiben sollen (Lenneis, Verlustverrechnung nach § 2 Abs. 2b EStG bei halbsatzbegünstigten Einkünften, UFSaktuell Nr. 1/2003, S. 22; Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2015, § 37 Rz 51).

8) Dem Bf. ist somit darin Recht zu geben, dass der Verlustvortrag von 181.958,94 Euro zuerst mit den nicht begünstigten Einkünften verrechnet werden durfte. Insoweit - nämlich in Bezug auf andere als die in § 2 Abs. 2b Z 3 taxativ aufgezählten Einkünfte - war aber die Vortragsgrenze des § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988 (durch das Vorhandensein eines Sondergewinnes) nicht aufgehoben. Der Verlustvortrag war daher mit 75 % von 28.738,13 Euro, das sind 21.553,60 Euro, mit den nicht begünstigten Einkünften und in Höhe des verbleibenden Betrages von 160.405,34 Euro (181.958,94 Euro abzüglich 21.553,60 Euro) mit dem halbsatzbegünstigten Sondergewinn zu verrechnen (siehe Lenneis, Verlustverrechnung nach § 2 Abs. 2b EStG bei halbsatzbegünstigten Einkünften, UFSaktuell Nr. 1/2003, S. 23).

III) Neuberechnung der Einkommensteuer 2010

Nach Verrechnung des Verlustvortrages ist im Einkommen ein halbsatzbegünstigter Veräußerungsgewinn von 21.491,34 Euro (181.896,68 Euro abzüglich 160.405,34 Euro) enthalten. Auf das restliche Einkommen von 7.032,85 Euro (28.524,19 Euro abzüglich 21.491,34 Euro) ist der Durchschnittssteuersatz anzuwenden (§ 33 Abs. 10 EStG 1988).

Der Durchschnittssteuersatz beträgt 22,04 % (Steuer nach Abzug der Absetzbeträge 6.287,95 Euro / 28.524,19 Euro x 100).

Die Einkommensteuer 2010 errechnet sich wie folgt:
 


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11,02 % von 21.491,34 Euro
2.368,35
22,04 % von 7.032,85 Euro
1.550,04
Zwischensumme
3.918,39
Steuer sonstige Bezüge
155,92
anrechenbare Lohnsteuer
-6.612,22
Kapitalertragsteuer
-54,50
Festgesetzte Einkommensteuer
-2.592,41

IV) Zulässigkeit der ordentlichen Revision

Zur Verlustverrechnung bei Vorliegen eines begünstigten Sondergewinnes im Sinne des § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 liegt - soweit ersichtlich - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Eine Revision ist daher zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100063.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at