Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.07.2015, RV/1100397/2015

kindbezogene "Ausgleichszahlung"

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2015/16/0103. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ri in der Beschwerdesache Bf, gegen den Bescheid des Finanzamt s1 vom  betreffend Gewährung der Familienbeihilfe (AZ) für die angeführten Zeiträume 1. Jänner bis und 1. Jänner bis  

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Familienbeihilfe für das Kind k1 für den Zeitraum 1. Jänner bis wird gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 9 iVm Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II. zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Familienbeihilfe für das Kind  k3 für den Zeitraum 1. Jänner bis , das Kind k1 für den Zeitraum 1. Juli bis und das Kind k2 für den Zeitraum vom 1. Jänner bis  wird Folge gegeben.

Der Bescheid wird daher hinsichtlich des Kindes k3 für den Zeitraum vom 1. Jänner bis , des Kindes k1 für den Zeitraum 1. Juli bis sowie des Kindes k2 für den Zeitraum 1. Jänner bis aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausgleichszahlung für seine drei namentlich genannten Kinder für die Zeiträume 1. Jänner bis bzw. 1. Jänner bis abgewiesen. Es wurde begründend ausgeführt, dass Familienbeihilfe gemäß § 10 Abs. 4 Familienbeihilfengesetz 1967 (FLAG 1967) nur einmal gebühre. Für die angeführten Zeiträume sei bereits Ausgleichszahlung bzw. Familienbeihilfe gewährt und ausbezahlt worden.

Mit Schriftsatz vom 2. Feber 2015 führte der Beschwerdeführer (Bf) ua aus, dass die Begründung des Finanzamtes in seinem Abweisungsbescheid nicht korrekt sei. Die Ausgleichszahlung bzw. Familienbeihilfe für die namentlich genannten Kinder sei nämlich nur teilweise gewährt und ausbezahlt worden. Aufgrund der erhaltenen Beträge gehe er davon aus, dass ein negativer Differenzbetrag für die jüngeren Kinder k4, k5, k6 und k7 berücksichtigt wurde, obwohl er in seinem Antrag vom ausdrücklich festgehalten hatte, dass er keine Ausgleichszahlung für die genannten jüngeren Kinder beantrage.

Das Abziehen von Differenzbeträgen für die jüngeren Kinder würde bedeuten, dass er für die älteren Kinder nur darum einen geringeren Betrag erhält, weil er noch weitere jüngere Kinder hat. Er müsste also nur darum eine Benachteiligung in Kauf nehmen, weil er noch weitere Kinder hat.

Er bitte deshalb, der Beschwerde stattzugeben, d.h. um Gewährung der restlichen Ausgleichszahlung.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde ua. ausgeführt:

"Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist (Beschäftigungslandprinzip).

Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Sind die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, trifft die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.

Sind die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, besteht dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Differenzbetrages (Artikel 76 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 10 der DVO 574/72).

Die für die Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung maßgeblichen Bestimmung des Familienlastenausgleichsgesetzes FLAG lauten (auszugsweise) wie folgt:

§ 4 (1). Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

§ 4 (3). Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

§ 8 (1). Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die Familienbeihilfe gewährt wird.

Deshalb wird die Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der inländischen Familienbeihilfe gewährt.

Da Sie in l1 beschäftigt sind, ist l1 vorrangig für die Auszahlung der Familienleistungen zuständig. Die Kinderzulagen (Familienleistungen) für die Töchter k1, k2 und k3 wurden ab der Vollendung des 18. Lebensjahres (ab , und ab ) in l1 eingestellt.

Im Inland ist keine Beschäftigung im Sinne der EU-Verordnung 883/2004 der Gattin vorhanden.

Bei der Berechnung der Ausgleichszahlung werden die ausländischen Familienleistungen für die Kinder den inländischen Familienleistungen für alle Kinder gegenübergestellt. Durch den ausländischen Anspruch von wä 1320 für die insgesamt vier Kinder ab (von - monatlich wä 1650 für fünf Kinder) ergibt dies eine betragsmäßige Ausgleichszahlung, die Ihnen mit dem Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wird. Somit werden die gesamten inländischen Familienbeihilfenansprüche für alle sieben Kinder mit den ausländischen Ansprüchen gegenverrechnet. Betragsmäßig ist die Ausgleichszahlung für die Kinder und insbesondere für die älteren Töchter k1, k2 und k3 nicht in Höhe der inländischen Familienbeihilfe möglich. Es wird daher die verbleibende Differenz als Ausgleichszahlung mit dem Kinderabsetzbetrag von monaltich € 58,40 für jedes Kind ausbezahlt.

Von - , bzw. von - wurde die Ausgleichszahlung laufend bereits vor der nochmaligen Beantragung vom an Sie ausbezahlt. Daher konnten dieselben Beträge für die genannten Zeiträume nicht nochmals gewährt werden. Eine separate Familienbeihilfenauszahlung für die über 18jährigen Töchter wird deshalb nicht möglich. Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

Mit seinem Vorlageantrag vom stellte der Bf folgende Anträge:

"1. Meine Beschwerden mögen dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werden.

2. Die Abweisungsbescheide betreffend der Ausgleichszahlungen mögen infolge Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes als gesetzwidrig aufgehoben werden.

3. Für meine Tochter k1 möge ab dem die österreichische Familienbeihilfe gewährt werden.

4. Für meine Töchter k3 und k2 möge ab dem die österreichische Familienbeihilfe gewährt werden.

Begründung:

Gemäß § 4 Abs. 1 FLAG haben Personen, welche einen Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, in Österreich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Richtig ist, dass gemäß der VO 883/04 zunächst l1 für die Erbringung der Familienleistung zuständig ist. Aufgrund der in l1 bestehenden Vorschriften wird jedoch die Kinderzulage nach st Recht nur bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres gewährt. Für die Kinder k3 und k2 bestand daher im Kalenderjahr 2013 in l1 kein Anspruch auf Kinderzulagen nach st Recht, für die Tochter k1 bestand kein entsprechender Anspruch ab

Für die Kinder k1, k2 und k3 ist daher meines Erachtens die Republik Österreich gem. der VO 883/04 für die Erbringung der Familienleistungen zuständig. Das la ist daher als Beschäftigungsstaat für die Erbringung der Familienleistungen der noch nicht volljährigen Kinder zuständig, die Republik Österreich ist als Wohnsitzstaat für die Erbringung von Familienleistungen für die bereits volljährigen Kinder zuständig. Eine Ausgleichszahlung ist von der Republik Österreich lediglich für die noch nicht volljährigen Kinder zu entrichten.

"Hat jemand Anspruch auf eine ausländische Familienbeihilfe, so ist er nur hinsichtlich derjenigen Kinder vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen, für die er Anspruch auf die ausländische FB hat. Für Kinder, für die nach den ausländischen Rechtsvorschriften kein Anspruch besteht, wird - bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen - ein Anspruch nach dem FLAG nicht ausgeschlossen. Es kann demnach eine Person Anspruch auf eine ausländische Beihilfe für bestimmte Kinder und Anspruch auf die österreichische FB für andere Kinder haben." (vgl: Herwig/Aigner, Christian Lenneis in Familienlastenausgleichsgesetz, § 4, Rz 3).

Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde wird in der Literatur die Rechtsansicht vertreten, dass es möglich ist, dass für bestimmte Kinder im Beschäftigungsstaat ein Anspruch auf Familienleistungen besteht und gleichzeitig im Wohnsitzstaat ein Anspruch auf Familienleistungen für bestimmte andere (in diesem Fall bereits volljährige) Kinder besteht."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist in l1 erwerbstätig und erhält dort für 4 Kinder die Familienbeihilfe (Kinderzulage). Die Familienbeihilfe bzw. der Anspruch auf Kinderzulage für seine hier in Rede stehenden drei Töchter wurde nach Erreichen des 18. Lebensjahres eingestellt (siehe Beilagen zu seinem Antrag auf Gewährung der Ausgleichszahlung vom ). Der Beschwerdeführer begehrt die Zuerkennung der vollen österreichischen Familienbeihilfe ab diesem Zeitpunkt. 

Rechtliche Würdigung:

In Streit steht der Anspruch auf Gewährung von österreichischer Familienbeihilfe für die namentlich genannten drei älteren Töchter des Bf.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die laut Ausführungen des Finanzamtes in seiner Beschwerdevorentscheidung vom anzuwendende Verordnung verwiesen.

Strittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, ob und inwieweit dem Bf auch für seine drei älteren Töchter Familienbeihilfe zusteht, obwohl der Bf in l1 bereits für vier Kinder Familienbeihilfe bezieht. Diese Zahlungen aus l1 (für vier jüngere Kinder) wurden vom Finanzamt den gesamten inländischen Familienbeihilfenansprüchen (für insgesamt sieben Kinder) gegenübergestellt.

Richtig ist jedenfalls, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn eine Person einen Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe hat (§ 4 Abs. 1 FLAG).

Eine ausländische Beihilfe wird dann als gleichartig anzusehen sein, wenn sie auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage beruht und zur Erleichterung der Belastungen, die durch den Unterhalt von Kindern entstehen, gewährt wird.

Hat jemand Anspruch auf eine ausländische FB, so ist er nur hinsichtlich derjenigen Kinder vom Anspruch auf die FB nach dem FLAG ausgeschlossen, für die er Anspruch auf die ausländische FB hat. Für Kinder, für die nach den ausländischen Rechtsvorschriften kein Anspruch besteht, wird - bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen - ein Anspruch nach dem FLAG nicht ausgeschlossen. Es kann demnach eine Person Anspruch auf eine ausländische Beihilfe für bestimmte Kinder (hier wären es die vom Beschwerdeführer namentlich genannten vier jüngeren Kinder) und Anspruch auf die österreichische FB für andere Kinder (nämlich die namentlich im Bescheid genannten Töchter des Bf) haben.

Der Sinn dieser Bestimmung ist der, dass der Gesetzgeber verhindern will, dass im Inland und im Ausland für dieselben Kinder Beihilfe bezogen wird. Es kommt auch nicht darauf an, ob aufgrund des Anspruches auf eine gleichartige ausländische Beihilfe diese auch tatsächlich bezogen wird (Herwig Aigner/Christian Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 4 Rz 3).

Dies bedeutet für den hier vorliegenden Beschwerdefall eindeutig, dass der Bf für seine hier in Rede stehenden Töchter entgegen den Ausführungen des Finanzamtes in seinem Bescheid Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe hat. Die ausländische Familienbeihilfe (Kinderzulage) wurde nämlich nur für die vom Beschwerdeführer angegebenen vier jüngeren Kinder gewährt. Der Beschwerdeführer hat nur dann keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe, wenn er für dieselben Kinder Anspruch auf eine ausländische Beihilfe gehabt hätte. Nachdem der Beschwerdeführer laut Aktenmaterial keinen Anspruch auf Kinderzulage für die in Rede stehenden älteren Töchter hatte, steht ihm die österreichische Familienbeihilfe in voller Höhe zu.

Über die Beschwerde war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im vorliegenden Beschwerdefall nicht vor, da die zugrundeliegende Rechtsfrage durch die zitierte gesetzliche Bestimmung und deren Interpretation ausreichend beantwortet wird.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 76 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
Schlagworte
kindbezogene "Ausgleichszulage"
Zitiert/besprochen in
Reinalter in BFGjournal 2016, 398
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.1100397.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at