Zurückweisung der Beschwerde, wenn die Eingabe entgegen der Ansicht des FA nicht als Vorlageantrag zu werten ist.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Name in der Beschwerdesache Bf, Anschrift, Steuernummer, gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 beschlossen:
Die Beschwerde wird mangels Vorlageantrag iSd. § 264 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 105/2014 zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Am ist beim Finanzamt (kurz: FA) ein am zur Post gegebenes Schreiben mit folgendem Inhalt eingelangt:
"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom erhebe ich Einspruch, da ich in dieser Zeit geringfügig beschäftigt war. X kann in seinem Taschenkalender sonstige Aufzeichnungen tätigen, die ich jetzt bezahlen soll? Zudem sind das nicht meine Aufzeichnungen, also kann man mir nicht etwas ohne Beweise in die Schuhe schieben. Mein Name ist Vorname und nicht " Rufname "! Oder kann ich in meinem Taschenkalender notieren, dass " xxx " mir 1.000 € schuldet und Sie Frau xxxx zahlen mir diese aufgrund meiner Aufzeichnungen zurück? Nebenbei erwähnt kann man in den Monaten Jänner bis März aufgrund der Wetterbedingungen nicht Vollzeit arbeiten!
Bezüglich des Insolvenzfonds habe ich im Jahre (2012) und (2013) kein Geld erhalten. In den Jahren davor sind es nicht Monatsentgelte, die ich in Anspruch gestellt habe, es waren teilweise 1,5 bis 2 Monatsentgelte samt Weihnachtsremuneration und nicht bezahlten Überstunden, die wir getätigt haben und die wir im Winter als Zeitausgleich zur Überbrückung der Wintermonate in Anspruch nehmen sollten. Daher kann ich die von Ihnen gestellte Forderung so nicht hinnehmen und auch nicht begleichen."
Diese Eingabe wurde vom Finanzamt als Antrag auf Entscheidung über die elektronisch (über Finanz-Online) eingebrachte Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid vom durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag iSd. § 264 Abs. 1 BAO idgF) gewertet. Das Finanzamt hat die Beschwerde vom und die verfahrensrelevanten Akten mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Bf wurde nach der Aktenlage mit Schreiben vom Finanzamt unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes über die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht informiert.
Gem. § 264 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 105/2014 kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt (lassen muss) und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013) § 264 unter Verweis auf ).
Dem Schreiben des Bf vom (= Eingangsdatum beim FA) ist nicht zu entnehmen, dass sich der in diesem Schreiben unter Bezugnahme auf ein Schreiben des FA vom erhobene "Einspruch" gegen die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom , mit der das FA über die Beschwerde des Bf gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 vom entschieden hat, richtet. Der Bf nimmt Bezug auf ein Schreiben des Finanzamtes vom und nicht auf einen konkreten Bescheid (eine Beschwerdevorentscheidung). Der Bf bestreitet in der Eingabe u.a., im Jahre 2012 und 2013 Geld vom Insolvenzfonds erhalten zu haben. Ein Vorlageantrag darf nur darauf gerichtet sein, dass die ursprüngliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wird. Die Beschwerdevorentscheidung, hinsichtlich derer das Finanzamt davon ausgeht, dass der Bf gegen sie mit dem Schreiben vom einen Vorlageantrag eingebracht habe, betrifft die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom . Einen auf Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom an das Bundesfinanzgericht gerichteten Antrag enthält die Eingabe vom nicht.
Die Beschwerdevorentscheidung und die gesonderte Begründung betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom weisen jeweils das Ausfertigungsdatum aus. Der Bf hat an keiner Stelle des Schreibens auf eine konkrete, rechtsmittelfähige Erledigung (einen Bescheid) Bezug genommen.
Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Die Behörde hat den Sinn einer Parteienbekundung nicht in der Richtung zu bestimmen, die für den Standpunkt der Partei nach der Beurteilung der Behörde am günstigsten wäre. Der Bf hat entgegen der Ansicht des FA selbst bei inhaltlicher Betrachtung keinen Antrag auf Vorlage der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuer(bescheid) 2010 vom an das Bundesfinanzgericht gestellt. Der Vorlageantrag hat sich aber darauf richten (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 264 Anm. 1). Er hat überhaupt auf keine Erledigung (keinen Bescheid) Bezug genommen.
Unter den gegebenen Umständen war auch vom Bundesfinanzgericht kein Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2 BAO) wegen fehlender Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung (§ 264 Abs. 1 Satz 2 BAO idgF) zu erlassen.
Dass das Finanzamt das Schreiben der Bf vom dennoch als (zudem mangelfreien) Vorlageantrag iSd. § 264 Abs. 1 BAO gewertet und die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt hat, führt nicht dazu, dass das Bundesfinanzgericht an diese Beurteilung gebunden ist.
Würde man eine Bindung des Bundesfinanzgerichtes (BFG) an diese Beurteilung annehmen, würde dies bedeuten, dass eine Partei des Verfahrens (das FA) über die Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes (in der Sache) bestimmen könnte.
Entscheidungszuständigkeit des BFG bzw. seine Pflicht zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (also in der Sache) löst dann, wenn das Finanzamt - wie im gegenständlichen Fall - über die Bescheidbeschwerde zwingend durch Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden hatte (§ 262 Abs. 1 BAO) - wie bereits dem Wortlaut des § 265 Abs. 1 zweiter Teil des ersten Halbsatzes BAO ("..oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist..") zu entnehmen ist - nur ein (fristgerecht eingebrachter und zulässiger) Vorlageantrag iSd. § 264 Abs. 1 BAO idgF aus.
Hat das FA gem. § 262 Abs. 1 BAO eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen (ein solcher Fall liegt hier vor), darf die Abgabenbehörde ab Stellung des Vorlageantrages (und nicht erst ab Beschwerdevorlage) mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide und allfällige Beschwerdevorentscheidungen bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben. Diese gesetzliche Anordnung dient der klaren Abgrenzung der Zuständigkeit des FA von jener des Bundesfinanzgerichtes. Eine konkurrierende Zuständigkeit wird im ersten Satz des § 300 Abs. 1 ausdrücklich ausgeschlossen.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001, zur Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes Folgendes ausgeführt (auszugsweise Wiedergabe der Begründung zum Erkenntnis):
"Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht des Finanzamtes dient hingegen - wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde. Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst; die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde." (Anmerkung der Richterin: Fettdruck im auszugsweise wiedergegebenen Text der Bgründung des Erkenntnisses dient der Hervorhebung besonders verfahrensrelevanter Passagen)
Da die Eingabe des Bf vom nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes aber nicht als Vorlageantrag zu werten ist, kommt eine Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht über die Bescheidbeschwerde vom (in der Sache) nicht in Betracht.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung vom , mit der das FA über die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom entschieden hat, dem Bf nachweislich (Zustellnachweis vom FA vorgelegt) am zugestellt wurde. Die gesonderte Begründung vom dazu wurde laut dem von der Abgabenbehörde (Finanzamt) vorgelegten Zustellnachweis (nach Zustellversuch und Hinterlegung einer Verständigung über die Hinterlegung) am beim Postamt PLZ hinterlegt und lag für den Bf ab bei diesem Postamt zur Abholung bereit. Hinterlegte Dokumente gelten (unabhängig vom Tag der Abholung der Sendung) mit dem ersten Tag der Abholfrist (= ) als zugestellt (§ 17 Abs. 3 ZuStG).
Die Monatsfrist für die Stellung eines Vorlageantrages (§ 264 Abs. 1 BAO idgF) hat mit der Zustellung der gesonderten Begründung zur Beschwerdevorentscheidung am zu laufen begonnen und hat daher bereits am geendet. Die Eingabe des Bf wurde laut Poststempel auf dem von der Abgabenbehörde vorgelegten Briefumschlag am zur Post gegeben und ist beim Finanzamt am eingelangt.
Selbst wenn man das am beim Finanzamt eingelangte Schreiben als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) werten würde, was aber im gegenständlichen Fall aus vorstehend angeführten Gründen nicht in Betracht kommt, wäre (diesfalls) und das auch nur bei (über Mängelbehebungsauftrag)rechtzeitiger Behebung des der Eingabe diesfalls jedenfalls anhaftenden (inhaltlichen) Mangels der Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung (§ 264 Abs. 1 Satz 2 BAO idF BGBl. I Nr. 105/2014) der Vorlageantrag auf Basis der derzeitigen Aktenlage als nicht fristgerecht (verspätet) eingebracht zurückzuweisen gewesen. Bei (bereits) nicht rechtzeitiger Behebung des inhaltlichen Mangels wäre der Vorlageantrag als zurückgenommen zu erklären gewesen (§ 85 Abs. 2 BAO).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, zumal es der ständigen Rechtsprechung des VwGH entspricht, dass Eingaben nach ihrem wesentlichen Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lassen muss und die Art des in diesem gestellten Begehrens zu beurteilen sind (vgl. dazu Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013) § 264 unter Verweis auf ).
Dass das Bundesfinanzgericht zu einer Entscheidung in der Sache im Regelfall (die fallbezogen nicht relevanten Ausnahmefälle sind in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO geregelt) nur dann zuständig ist, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen (Anmerkung der Richterin: rechtzeitig und zulässigerweise) ein Vorlageantrag eingebracht wurde, hat der VwGH jüngst im in den Entscheidungsgründen angeführten und auszugsweise zitierten Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001, ausgesprochen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
A, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 264 Abs. 1 Satz 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 264 Anm. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.1100597.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at