Haftung; Ermessensübung wegen Zeitraum zwischen Abschluss Insolvenzverfahren und Erlassung des Haftungsbescheides
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M. in der Beschwerdesache D., Adresse , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Blaschitz, Walfischgasse 11/10, 1010 Wien, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und die Haftungssumme an Umsatzsteuer Oktober 2010 von Euro 2.891,94 um Euro 722,99 auf Euro 2.168,95 reduziert. Darüber hinaus wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde Herr D. (in weiterer Folge: Bf.) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma D-GmbH , Firmenbuchnummer 1 , von € 2.891,94 an Umsatzsteuer 10/2010 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Geltendmachung der Haftung im Ermessen der Abgabenbehörde liege, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 SAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Die Haftung nach § 9 BAO sei eine Ausfallshaftung und werde subsidiär geltend gemacht unter der Voraussetzung der objektiven Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden.
Der Bf. sei vom Datum1 bis Datum2 eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma D-GmbH (FN 1) gewesen. Er sei somit mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten betraut gewesen.
Schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigten zur Haftungsinanspruchnahme. Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören vor allem die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwalte, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werde, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen sei.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 UStG 1994 selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume – siehe Haftungsbescheid – sei die Umsatzsteuer gemeldet bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.
Der Geschäftsführer hafte auch dann für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Eine solche Ausnahme bestehe auch für die Kapitalertragsteuer.
Es werde auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auf Nebenansprüche erstrecken.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom wird der Haftungsbescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen Rechtswidrigkeit angefochten und dies wie folgt begründet:
"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass der Einschreiter für die Umsatzsteuer der D-GmbH für den Zeitraum 10/2012 in der Höhe von EUR 2.891,94 als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen wird.
Begründet wird die Geltendmachung der Haftung mit der Behauptung, dass der Einschreiter vom bis eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der D-GmbH gewesen sei.
Bereits aufgrund der kurzen Zeit, in welcher der Einschreiter zum Geschäftsführer bestellt war, ergibt sich, dass er für den Zeitraum Oktober 2010 nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Im kurzen Zeitraum seiner Bestellung hatte er keinerlei Finanzmittel zur Verfügung, welche es ihm ermöglicht hätten, für die Abgabenentrichtung Sorge zu tragen. Intern war der Einschreiter zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit am bereits zurückgetreten. Die Haftung für die Abgabenentrichtung trifft daher entweder A. oder B. , nicht jedoch den Einschreiter.
Dieser ist im Übrigen kürzlich zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er ist völlig vermögenslos und nicht in der Lage, irgendwelche Zahlungen leisten zu können,
Der Einschreiter stellt daher nachstehenden Antrag: Die Berufungsbehörde möge in Stattgebung der vorliegenden Berufung den Haftungsbescheid vom , Steuernummer 123 ersatzlos beheben."
Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Als Begründung wurde nach Anführung der §§ 9, 80 BAO und § 21 UStG 1994 ausgeführt, dass die unbestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben auf Grund der amtswegigen Löschung der D-GmbH gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit per zweifelsfrei feststehe.
Laut Firmenbuchabfrage habe die Funktion des Bf. als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D-GmbH am Datum1 begonnen und bis Datum2 gedauert und zähle dieser somit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter, welche zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.
Die Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis erfolge durch einseitig empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH (den Gesellschaftern). Eine solche Niederlegung wirke unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch - dieser komme nur deklarative Wirkung zu. Der Rücktritt des Einmann-Gesellschaftergeschäftsführers vollziehe sich durch simple Entschließung, wobei § 18 Abs. 5 GmbHG entsprechend anzuwenden sei. Diese Gesetzesstelle normiere, dass über Rechtsgeschäfte, die der einzige Gesellschafter sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Gesellschaft abschließe, unverzüglich eine Urkunde zu errichten habe. Dabei sei vorzusorgen, dass nachträgliche Änderungen des Inhaltes und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen seien; die Bestellung eines Kurators sei nicht erforderlich.
Wenn der Bf. damit argumentiere, dass er als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit am bereits intern zurückgetreten wäre, werde dem entgegengehalten, dass der Abgabenbehörde mit der Berufung gegen den Haftungsbescheid keine dementsprechende Urkunde vorgelegt worden sei, die dies belegen würde.
Gemäß § 16a Abs. 1 GmbHG werde der Rücktritt erst mit Ablauf von vierzehn Tagen wirksam. Liege ein wichtiger Grund vor, könne der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden. Dass der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt worden wäre sei gegenüber der Abgabenbehörde nicht bewiesen worden. Die Geschäftsführerfunktion habe somit über den (Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung 10/2010) hinaus gedauert.
Daraus folge, dass die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuernachforderung im Zeitraum der Geschäftsführerfunktion des Berufungswerbers fällig geworden sei.
Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten () worauf im Haftungsbescheid vom unter Punkt 8 hingewiesen worden sei.
Die bloße Behauptung, wie in der Berufung ausgeführt, dass der Berufungswerber im Zeitraum seiner Bestellung keinerlei Finanzmittel zu Verfügung gehabt habe, sei ohne die Erbringung des entsprechenden Nachweises unbeachtlich.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Berufungswerber habe die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.
Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Mit der Einführung des Bundesfinanzgerichtes haben sich auch diverse Bezeichnungen geändert. So wurde das frühere Rechtsmittel der Berufung ab zur Beschwerde. Die Ausdrücke werden in weiterer Folge jeweils angepasst.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Insolvenzverfahren:
Zunächst ist festzustellen, dass der Bf. laut Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma D-GmbH gewesen ist. Zudem ist er in diesem Zeitraum auch Alleingesellschafter der GmbH gewesen.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 63 IO zurückgewiesen. Die Firma wurde wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht.
Aufgrund des Ergebnisses des Insolvenzverfahrens steht somit die Uneinbringlichkeit des im Haftungsbescheid dargestellten Abgabenbetrages bei der Primärschuldnerin zweifelsfrei fest.
Rechtliche Erwägungen:
Es ist Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038), widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
Maßgebend für die Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO ist die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer oder zum Beispiel nur als "pro forma-Geschäftsführer" () oder "nur auf dem Papier" () tätig ist. Die Haftungsbestimmung des § 9 BAO stellt nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab.
Der Vertreter hat den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf den Fälligkeitszeitpunkt einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , Zl. 2008/15/0220 und Zl. 2008/15/0263, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl. ebenfalls ).
In diesem Zusammenhand ist darauf hinzuweisen, dass einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr: Beschwerdevorentscheidung) Vorhaltscharakter zukommt (). Der Bf. wurde in der "Berufungsvorentscheidung" ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Nachweise einer Gläubigergleichbehandlung, des Nichtvorhandenseins von liquiden Mitteln oder des Zurücklegens der Geschäftsführertätigkeit erbracht wurden. Trotz dieser Hinweise sind entsprechende Ausführungen oder Nachweise auch im Vorlageantrag nicht vorgebracht worden.
Ebenso wurde trotz entsprechendem Hinweis in der Berufungsvorentscheidung vom Bf. kein Nachweis erbracht, wann und in welcher Form er seine Geschäftsführertätigkeit bei der Primärschuldnerin, deren Alleingesellschafter er laut Firmenbuch im hier relevanten Zeitraum gewesen ist, beendet hat. Daher war auf die im Firmenbuch veröffentlichten Daten Bedacht zu nehmen.
Laut Urkunden im Firmenbuch hat der Bf. die GmbH am Datum1 um den Abtretungspreis von € 5.000,00 von A. abgetreten bekommen, wobei laut Punkt fünftens des Notariatsaktes der Bf. als Übernehmer den "Geschäftsanteil" mit allen Rechten und Pflichten erworben hat. Damit war auch die Verpflichtung verbunden, die abgabenrechtlichen Pflichten gegenüber dem Finanzamt wahrzunehmen. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Bf. erst mit Umlaufbeschluss vom als Geschäftsführer abberufen wurde.
Soweit der Bf. einwendet, für den Zeitraum Oktober 2010 nicht zur Verantwortung gezogen werden zu können, ist darauf zu verwiesen, dass sich der Vertreter bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, weil die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet (vgl. ). Damit kann er sich nicht mit Erfolg auf eine fehlende Haftungsverpflichtung für den Zeitraum Oktober 2010 berufen.
§ 21 Abs. 1 (1. Unterabsatz) UStG 1994: Der Unternehmer hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Als Voranmeldung gilt auch eine berichtigte Voranmeldung, sofern sie bis zu dem im ersten Satz angegebenen Tag eingereicht wird. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Vorauszahlung und der Überschuß sind Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung. Ein vorangemeldeter Überschuß ist gutzuschreiben, sofern nicht Abs. 3 zur Anwendung gelangt. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück.
Gemäß dieser Gesetzesstelle wäre der Bf. am verpflichtet gewesen, die Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 2010 von € 2.891,94 zu entrichten. Da weder ein entsprechender Liquiditätsstatus noch Nachweise darüber, inwieweit liquide Mittel zum Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung standen, vorgelegt wurden, war eine entsprechende Prüfung aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Bf. nicht möglich.
Zusammengefasst ist von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. durch Nichtentrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung zum Fälligkeitstag auszugehen.
Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall ().
Ermessen:
Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Berücksichtigt man die Tatsache, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur im Haftungswege beim Bf. einbringlich gemacht werden können, so war im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse des Bf., nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden (Billigkeitserwägung).
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen (vgl. ).
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom zurückgewiesen. Damit ist die Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Primärschuldnerin festgestanden, wobei die Entscheidung über die Geltendmachung der Haftung in einem angemessenen Zeitraum nach diesem Zeitpunkt erfolgen muss. Die Heranziehung des Bf. zur Haftung ist erst mit dem nun angefochtenen Bescheid vom erfolgt, somit mehr als zwei Jahre später, sodass man nicht mehr von einer zeitnahen Bescheiderlassung sprechen kann.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen betont hat, dass die Haftung keineswegs nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfe (; ). Die Geltendmachung der Haftung könne auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich sei, da dies nicht ausschließe, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (; ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen, dessen Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften stünde für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (; ).
In der kurzen Zeit der Geschäftsführertätigkeit kann insoweit keine Unbilligkeit erblickt werden, da davon auszugehen ist, dass der Bf. vor Unterzeichnung des Abtretungsvertrages sich über die wirtschaftliche und damit finanzielle Lage der GmbH ausreichend Kenntnis verschafft hat, da er sonst für die GmbH den Abtretungspreis nicht bezahlt hätte, der zudem schon vor dem eigentlichen Abtretungstag am Datum1 bezahlt wurde.
Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits verstrichenen Zeit zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides überwog im gegenständlichen Fall zumindest zum Teil die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung, sodass bei Gesamtbetrachtung des Falles die Reduzierung des Haftungsbetrages an Umsatzsteuer Oktober 2010 im Rahmen des Ermessens um 25% von Euro 2.891,94 (um Euro 722,99) auf Euro 2.168,95 gerechtfertigt erscheint und der Beschwerde insoweit teilweise stattzugeben war.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die oben angeführte Judikatur wird verwiesen.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
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ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7102161.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at