Steuerliche Mehrbelastungsrechnung für Zuzugsbegünstigung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7101235/2015-RS1 | Für die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „…steuerliche Mehrbelastung beseitigen…“ ist – entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VwGH – in erster Linie auf die in den bereits zitierten Erläuternden Bemerkungen zu § 103 EStG (idF. BGBl. 448/1992, 574 BlgNr XVIII. GP und idF. BGBl. 818/1993, 1237 Blg XVIII. GP) gegebenen Hinweise zurückzugreifen.
Die Beseitigung einer steuerlichen Mehrbelastung durch Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG darf danach nur insoweit erfolgen, dass keine Steuerersparnis als Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich entsteht. Das ist nur dann der Fall, wenn die gewährte Begünstigung in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung nur die durch den Zuzug verursachte Steuermehrbelastung vermeidet.
Die Rechtsauffassung, dass die gesamte, höhere österreichische Steuerbelastung im Vergleich zu jener vor dem Zuzug Gegenstand der Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG sei, würde zu überschießenden sachlich nicht gerechtfertigten Steuerprivilegien führen. Diese Meinung steht in offenem Widerspruch zu den für die Tatbestandsauslegung relevanten Gesetzesmaterialien und hat kein plausibles Argument für sich. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter, Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde des Bf. , XX.XX.1979 geb., A. wohnhaft, vertreten durch Mag. Thomas Scholik, Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungskanzlei, 1130 Wien, Fichtnergasse 6a, vom gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , GZ. XX betreffend Abweisung des Antrages vom auf Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gemäß §103 EStG 1988 für die Kalenderjahre 2011, 2012, 2013 und 2014
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art 133 Abs. 4 B‑VG i.V.m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Anbringen vom stellte der Beschwerdeführer (in der Folge Bf. genannt) durch seinen steuerlichen Vertreter an den Bundesminister für Finanzen (BMF) den Antrag auf Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988 ab den Veranlagungsjahren 2011. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf. russischer Staatsbürger sei und mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Kind in Italien lebte. Der Bf. habe in Österreich ein Wohnung gekauft und würde Anfang 2011 mit seiner Familie nach Österreich ziehen und hier einen Wohnsitz begründen. Der Bf. sei ein international auftretender Opernsänger und erziele aus dieser Tätigkeit in Österreich und im europäischen Ausland steuerpflichtige Einkünfte.
Der Zuzug des Bf. von Italien nach Österreich diene der Förderung der Kunst und liege insofern im öffentlichen Interesse. Da der Zuzug gegenüber dem italienischen Steuerniveau mit einer höheren Besteuerung in Österreich verbunden sei, werde die Gewährung einer Zuzugsbegünstigung ab dem Jahr 2011 begehrt.
Mit Vorhalt vom forderte die belangte Behörde den Bf. auf, das Einkommen der Jahre 2009, 2010 und soweit möglich auch der Folgejahre bekanntzugeben und die steuerliche Belastung dieses Einkommens im bisherigen Wohnsitzstaat Italien darzustellen. Er solle eine Mehrbelastungsrechnung im Sinne des § 103 EStG vorlegen sowie einen Vorschlag für konkrete Begünstigungsmaßnahme abgeben.
In der Vorhaltsbeantwortung vom reichte der Bf. eine Kopie einer italienischen Abgabenerklärung ein, die weder Unterschrift noch einen Stempel aufwies und die weder einen Ausstellungsvermerk noch einen behördlichen Einbringungsnachweis enthielt. Bei diesem Schriftstück handle es sich um den italienischen Einkommensteuerbescheid 2010 des Bf. und aus diesem sei ersichtlich, dass die Steuerbelastung (neben den Abzugssteuern) bei einer Bemessungsgrundlage von € 27.521 nur 4,82% betragen habe.
Als konkrete Begünstigungsmaßnahme zur Vermeidung einer steuerlichen Mehrbelastung werde vorgeschlagen, dass die Einkünfte aus jenen Staaten, für welche das anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen die Anrechnungsmethode vorsehe (z.B. Italien, Niederlande) in Österreich als steuerbefreite Einkünfte unter Progressionsvorbehalt behandelt werden sollen.
Für die Jahre 2010, 2011 und 2012 werde nachstehende Aufgliederung der Konzerteinnahmen nach DBA-Staaten vorgenommen und die geleistete Abzugssteuer angeführt:
I. Konzerteinnahmen 2010 (eigene Konzerte)
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1. Inlandskonzerte | Einnahmen in Euro | einbehaltene Abzugssteuer |
Wien | 20.517,02 | 4.103,40 |
Salzburg | 21.000,00 | -- |
Österreich gesamt | 41.517,02 |
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2. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode | Einnahmen in Euro | einbehaltene Abzugssteuer |
Niederlande (Amsterdam) | 43.750,00 | 0,00 |
Italien (Palermo, Neapel) | 58.000,00 | 18.450,00 |
Gesamt | 101.750,00 | 18.450,00 |
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3. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Befreiungssmethode | Einnahmen in Euro | |
Spanien (Madrid) | 35.000,00 | 8.400,00 |
Deutschland (München, Hamburg) | 35.000,00 | 7.175,00 |
Frankreich (Lyon ) | 21.000,00 | 2.823,00 |
Gesamt | 91.000,00 | 10.010,00 |
Gesamte Konzerteinnahmen 2010 | 234.267,02 | 28.408,00 |
II. Konzerteinnahmen 2011 (eigene Konzerte)
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1. Inlandskonzerte | Einnahmen in Euro | einbehaltene Abzugsteuer |
Wien | 14.000,00 | 3.064,00 |
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2. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode | Einnahmen in Euro | einbehaltene Abzugsteuer |
Italien gesamt (Venedig, Pesaro, Parma, Rieti) | 77.500,00 | 24.083,70 |
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3. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Befreiungsmethode | Einnahmen in Euro | einbehaltene Abzugsteuer |
Spanien gesamt | 57.000,00 | 13.680,00 |
Frankreich gesamt | 33.750,00 | 4.556,25 |
Deutschland gesamt | 51.314,00 | 10.100,40 |
Gesamten Konzerteinnahmen 2011 | 233.564,00 | 55.484,35 |
III. Konzerteinnahmen 2012 (eigene Konzerte)
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1. Inlandskonzerte | Einnahmen in Euro |
Salzburg | 10.500,00 |
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2. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode | Einnahmen in Euro |
-- | 0,00 |
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3. Auslandskonzerte in DBA-Staaten mit Befreiungssmethode | Einnahmen in Euro |
Spanien | 107.500,00 |
Deutschland | 72.700,00 |
Frankreich | 53.700,00 |
Belgien | 27.000,00 |
Gesamt | 260.900,00 |
Gesamten Konzerteinnahmen 2012 | 271.400,00 |
In einem weiteren Vorhalt vom wurde die Vorlage der Mehrbelastungsrechnung urgiert. Weiters sei der Behörde der Zusammenhang nicht erklärbar, wenn in dem als italienischen Steuerbescheid 2010 bezeichneten Schriftstück eine Bemessungsgrundlage von € 27.521 ausgewiesen wurde, in der Aufstellung über Konzerteinnahmen aus Italien aber € 58.000 angeführt sind. Auch der Steuersatz von lediglich 4,82% sei nicht nachvollziehbar, weshalb um Vorlage des italienischen Steuerbescheides 2010 samt einer deutschsprachigen Übersetzung ersucht werde.
Im Schreiben vom nahm der Bf. an Hand von Einkünfte aus Konzertauftritten der Jahre 2010 und 2011 folgende „Mehrbelastungsrechnung“ vor:
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Steuerberechnung Österreich 2010 | Ohne Begünstigung | Mit Begünstigung |
Konzerteinnahmen Italien, Niederlande = erkl. Gewinn sA. | 101.750,00 | 0,00 |
Grundfreibetrag | -3.900,00 | 0,00 |
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | 97.850,00 | 0,00 |
Einkünfte aus unselbständiger Arbeit | 20.236,48 | 20.236,48 |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 118.086,48 | 20.236,48 |
Sonderausgabenpauschale | 60,00 | -60,00 |
Einkommen | 118.026,48 | 20.176,48 |
Durchschnittssteuersatz (aufgrund Progressionsvorbehalt) | 45,33% | 45,31% |
Einkommensteuer | 53.501,40 | 9.162,14 |
Absetzbeträge | -291,00 | -291,00 |
-54,00 | -54,00 | |
Einkommensteuer | 53.156,40 | 8.817,14 |
Anrechenbare ausländische Steuer | 18.450,00 | 0,00 |
Einkommensteuer Österreich | 34.706,40 | 8.817,00 |
Steuern DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode | 18.450,00 | 18.450,00 |
Steuern DBA-Staaten mit Befreiungsmethode | 10.010,00 | 10.010,00 |
Steuern in Osterreich | 34.706,40 | 8.817,14 |
Gesamtsteuerbelastung 2010 | 63.166,40 | 37.277,14 |
Mehrbelastung 2010 mit und ohne der beantragten Zuzugsbegünstigung (Befreiungs- statt Anrechnungsmethode) | 25.889,26 |
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Steuerberechnung Österreich 2011 | Ohne Begünstigung | Mit Begünstigung |
Konzerteinnahmen Italien, Anmerkung: unbekannte Konzerteinkünfte = erkl. Gewinn sA. | 77.500,00 12.002,02 89.502,02 | 0,00 12002,02 12.002,02 |
Grundfreibetrag | -3.900,00 | 1.560,00 |
Einkünfte aus selbständiger Arbeit | 85.602,02 | 10.441,76 |
Einkünfte aus unselbständiger Arbeit | 13.021,55 | 13.021,55 |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 98.623,57 | 23.463,31 |
Sonderausgabenpauschale | 60,00 | -60,00 |
Einkommen | 98.563,57 | 23.403,31 |
Durchschnittssteuersatz (aufgrund Progressionsvorbehalt) | 45,98% | 45,98% |
Einkommensteuer | 45.319,53 | 10.760,84 |
Absetzbeträge | -291,00 | -291,00 |
-54,00 | -54,00 | |
Einkommensteuer | 44.974,53 | 10.415,84 |
Anrechenbare ausländische Steuer | 26.495,00 | 0,00 |
Einkommensteuer Österreich | 18.479,53 | 10.415,84 |
Steuern DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode | 26.495,00 | 26.495,00 |
Steuern DBA-Staaten mit Befreiungsmethode | 28.755,62 | 28.755,62 |
Steuern in Osterreich | 18.479,53 | 10.415,84 |
Gesamtsteuerbelastung 2010 | 73.730,15 | 65.666,46 |
Mehrbelastung 2011 mit und ohne der beantragten Zuzugsbegünstigung (Befreiungs- statt Anrechnungsmethode) | 8.063,69 |
Aus dieser Berechnung sei ersichtlich, dass die Mehrbelastung des Bf. ohne Zuzugsbegünstigung 2010 € 26.000 und 2011 € 8.000 betrage. Diese „steuerlichen Mehrbelastung“ trete nicht ein, wenn die vorgeschlagene Zuzugsbegünstigung gewährt werde, indem die ausländischen Einkünfte, welche nach den DBA der Anrechnungsmethode unterliegen (z.B. Italien, Niederlande) als steuerbefreite Einkünfte unter Progressionsvorbehalt behandelt würden.
Mit einem weiteren Vorhalt vom teilte der BMF dem Bf. mit, dass die vorgelegte Mehrbelastungsrechnung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 103 EStG entspreche. Die Berechnung des Bf. enthalte lediglich eine Darstellung der Steuerbelastung ohne Zuzugsbesteuerung (Normalbesteuerung) im Verhältnis zur Steuerbelastung des Einkommens mit Zuzugsbegünstigung gemäß dem vom Bf. begehrten Steuervorteil (generelle Anwendung der Befreiungsmethode statt der Anrechnungsmethode bei den ausländischen Einkünften).
Die gesetzliche Bestimmung über die Zuzugsbegünstigung verlange aber, dass die Höhe der durch den Zuzug nach Österreich verursachten steuerlichen Mehrbelastung bei den nicht unter § 98 EStG fallenden (ausländischen) Einkünften im Verhältnis zur steuerlichen Belastung im Wegzugsstaat (Italien) darstellt werde. Es sei unerlässliche Voraussetzung des § 103 EStG, dass der Antragsteller durch eine derartige Vergleichsrechnung die steuerliche Mehrbelastung, die durch die Wohnsitzverlegung von Italien nach Österreich bei seinen ausländischen Einkünften eintritt, nachweist oder zumindest glaubwürdig darlege. Nochmals werde der Bf. in diesem Zusammenhang auf das – noch nicht erfüllte – Nachweisverlangen auf Vorlage des italienischen Einkommensteuerbescheides samt deutscher Übersetzung hingewiesen.
Hierauf replizierte der Bf. mit Schreiben vom , dass die vorgelegte Mehrbelastungsrechnung den gesetzlichen Vorgaben des § 103 EStG entspreche, da die Mehrbelastung der ausländischen Einkünfte dargestellt worden sei. Aus der gesetzlichen Bestimmung des § 103 EStG ergebe sich nämlich nicht, dass der Begriff der „steuerlichen Mehrbelastung“ einen Vergleich zwischen ausländischer und österreichischer Steuerbelastung erforderlich mache. Die Mehrbelastung im Sinne des § 103 EStG sei danach zu bemessen, ob durch den Zuzug eine höhere österreichische Steuerbelastung als vor dem Zuzug entstanden sei, wobei diese Beurteilung in isolierter Anwendung des österreichischen Steuerrechts zu treffen sei. Zu dieser Rechtsmeinung werde auf einen Fachbeitrag und die Einkommensteuerrichtlinien verwiesen (EStR Rz. 8203, Lang, SWI 8/2000, 362ff). Es werde beantragt über die Zuzugsbegünstigung für die Veranlagungsjahre 2011, 2012, 2013 und 2014 stattgebend abzusprechen.
Mit Vorhalt vom übermittelte der BMF der Bf. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend § 103 idF BGBl. 448/1992 und wies darauf hin, dass die von der Bf. vertretene Rechtsauffassung in eindeutigen Widerspruch dazu stehe. Nach den Gesetzesmaterialien sei keineswegs lediglich der Vergleich der österreichischen Steuerbelastung auf den ausländischen Einkünften vor und nach dem Zuzug nach Österreich maßgebend. Damit würde nämlich der in den Gesetzesmaterialien klar geäußerte Normzweck, „lediglich durch den Zuzug verursachte steuerliche Härten abzubauen und keinen steuerlichen Anreiz für die Wohnsitzbegründung in Österreich zu bieten“, nicht erreicht. Nach herrschender Meinung sei in diesem Zusammenhang daher das ausländische und inländische Steuerniveau zu vergleichen (Quantschnigg/Schuch, EStG-HB, § 103 Tz. 23). Dem Bf. werde auch nochmals eine Frist zur Vorlage der angeforderten und noch ausstehenden Unterlagen und Informationen eingeräumt.
In einer weiteren Stellungnahme vom verwies der Bf. auf die in der ersten Vorhaltsbeantwortung vom aufgelisteten Konzerteinnahmen der Jahre 2010, 2011 und 2012 und die davon einbehaltenen Abzugssteuern. Ergänzend werde dazu nunmehr folgender Steuerbelastungsvergleich vorgenommen:
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2010 | Euro |
Einkünfte insgesamt | 234.267,02 |
österreichische Steuer daraus wäre | 106.845,00 |
Italienische Steuerbelastung im Vergleich dazu (ohne einbehaltene Abzugssteuer) | 1.320,00 |
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2011 | Euro |
Einkünfte insgesamt | 233.564,00 |
österreichische Steuer daraus wäre | 106.490,00 |
Italienische Steuerbelastung im Vergleich dazu (ohne einbehaltene Abzugssteuer) | 674,80 |
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2012 | Euro |
Einkünfte insgesamt | 271.400,00 |
österreichische Steuer daraus wäre | 125.410,00 |
Italienische Steuerbelastung im Vergleich dazu (ohne einbehaltene Abzugssteuer) | 506,10 |
Somit ergebe sich nachweislich in Österreich eine erheblich höhere Steuerbelastung und sei die beantragte Zuzugsbegünstigung zu gewähren. Die bereits mit Schreiben vom als „italienischer Einkommensteuerbescheid 2010“ vorgelegte Kopie einer ohne Einbringungsvermerke versehene italienische Steuererklärung wurde nochmals übermittelt. Aus dieser sei zu ersehen, dass die Einkünfte des Bf. in Italien nur mir 4,82% Einkommensteuer belastet gewesen seien.
Mit Vorhalt vom wies der BMF den Bf. auf gravierende Widersprüche der, in den Rechenwerken angegebenen Beträge hin. Am Beispiel des Jahres 2010 sei erwähnt, dass in einer Berechnung (Schreiben v. ) bei Einkünften von € 213.267 eine Gesamtsteuerbelastung von € 63.166 (davon € 53.156 österr. ESt) genannt wurde, in der letzten Berechnung (Schreiben vom ) werden bei Einkünften von € 234.267 eine österreichische Steuerbelastung von € 106.845,00 erklärt. Diese Differenzen seien nicht nachvollziehbar.
In einer weiteren Replik vom wurde vom Bf. mitgeteilt, dass der Behörde nun diverse Mehrbelastungsrechnungen vorgelegt worden seien, mit denen den Anforderungen des § 103 EStG genüge getan worden sei, zumal die Gesetzesbestimmung keine eindeutige Vorgehensweise dazu vorgebe. Es werde weiterhin der Rechtsstandpunkt vertreten, dass die Beurteilung der steuerlichen Mehrbelastung ausschließlich nach österreichischem Recht – ohne Anwendung ausländischen Steuerrechts – vorzunehmen ist. Dafür würden auch verfassungsrechtliche Überlegungen sprechen. Maßgebend für die Gewährung der Zuzugsbegünstigung sei daher, dass durch den Zuzug von Italien nach Österreich eine höhere österreichische Steuerbelastung entstanden sei. Durch die vorgelegten Mehrbelastungsrechnungen sei dieser zuzugsbedingte höhere Anfall an österreichischer Einkommensteuer nachweislich dargelegt worden.
In einem weiteren Schriftverkehr ( und Bf. vom ) nehmen die Parteien zur Ermessensausübung und den Kriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit Stellung.
Mit Bescheid vom des BMF wurde die beantragte Zuzugsbegünstigung für die Veranlagungsjahre 2011 bis 2014 als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung gibt die Behörde den vorstehend bereits ausgeführten Verfahrensgang und Sachverhalt wieder und führt ergänzend an, dass der Bf. seine Gattin und ihr gemeinsamer Sohn bereits seit Jänner 2010 in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen seien. Im September 2010 sei dann der Umzug der Familie in die vom Bf. in Wien gekaufte Wohnung erfolgt.
Die dem Finanzamt übermittelten Jahreslohnzettel belegen folgende nichtselbständige Einkünfte des Steuerpflichtigen (StPfl.) in Österreich (KZ 245):
2009: 30.790,70 Euro (Salzburger Festspielfonds und Wiener Staatsoper GmbH)
2010: 20.368,48 Euro (Wiener Staatsoper GmbH)
2011: 13.153,55 Euro (Wiener Staatsoper GmbH)
2012: 13.745,21 Euro (Wiener Staatsoper GmbH)
2013: 130.311,93 Euro (Wiener Staatsoper GmbH)
Auf Grundlage dieses Sachverhaltes gelangte die belangte Behörde zu folgender rechtlichen Beurteilung:
„§ 103 EStG 1988 i.d.F. BGBl. I 2004/180, lautet:
‚(1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter § 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.
(2) Abs. 1 ist auf Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen aus Österreich wegverlegt haben, nur dann anzuwenden, wenn zwischen diesem Wegzug und dem Zuzug mehr als zehn Jahre verstrichen sind.
(3) […] ‘
Ein Zuzug bedingt, dass danach ein Wohnsitz (§ 26 Abs. 1 BAO) oder ein gewöhnlicher Aufenthalt (Abs. 2 BAO) besteht. Somit liegt ein Zuzug jedenfalls bei einem Wechsel von der beschränkten (§ 1 Abs. 3 EStG 1988) in die unbeschränkte Steuerpflicht (Abs. 2) vor (vgl. Lang, ).
Der StPfl. ist lt. Zentralem Melderegister (ZMR) erstmals im Jänner 2010 nach Österreich gezogen („Hauptwohnsitz“), begleitet von seiner Familie. Seit dem Zuzug besteht lt. ZMR durchgehend ein österreichischer Wohnsitz. Dem ZMR widersprechende Sachverhalte sind nicht aktenkundig.
Der Zuzug aus dem Ausland nach Österreich gilt aufgrund des Urkundenprinzips (§ 168 BAO) als bewiesen. Ein begünstigungsschädlicher Wegzug i.S.d. § 103 Abs. 2 EStG 1988 ist mangels vorangegangen Wegzugs ins Ausland auszuschließen.
Das Gesetz umschreibt nicht explizit Kriterien, wann der Zuzug von Künstlern der Förderung der Kunst dient und aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. Kufner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. EL § 103 Anm. 5). In Anlehnung an § 1 Abs. 2 Kunstförderungsgesetz wäre ein wesentliches Kriterium, dass die Kunst allen Bevölkerungskreisen zugänglich gemacht wird und die Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich begünstigt wird. Die Förderung der Kunst hat insbesondere die zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz zu berücksichtigen.
Als förderungswürdig i.S.d. § 2 Abs. 1 Kunstförderungsgesetz – somit auch im öffentlichen Interesse liegend – erachtet der Gesetzgeber insbesondere:
das künstlerische Schaffen der Literatur, der darstellenden Kunst, der Musik, der bildenden Künste, der Fotografie, des Films und der Videokunst sowie neuer experimenteller oder die Grenzen der genannten Kunstsparten überschreitender Kunstformen,
die Veröffentlichung, Präsentation und Dokumentation von Werken sowie
die Erhaltung von Werkstücken und Dokumenten.
Der StPfl. ist als international anerkannter Tenor tätig. Dies ergibt sich u.a. aus der vom StPfl. übermittelten Biografie und den überdurchschnittlich hohen Lohnbezügen von der Wiener Staatsoper (z.B. 2013: 131.328,17 Euro brutto, wobei kein durchgehender Bezug erzielt wurde). Ein künstlerisches Wirken mit entsprechender Außenwirkung kann dem StPfl. somit nicht abgesprochen werden.
Eine Ex-Post-Betrachtung untermauert, dass der StPfl. im Zeitraum 2010 bis 2013 sein künstlerisches Wirken in Österreich intensiviert hat. Die steuerpflichtigen Bezüge lt. Lohnzettel betrugen 2009 bis 2010 durchschnittlich 25.579,59 Euro, im Zeitraum 2011 bis 2013 waren es durchschnittlich 52.403,56 Euro (+104,9%).
Offensichtlich gelang es der Wiener Staatsoper – lt. Wikipedia eines der bekanntesten Opernhäuser der Welt – leichter, den StPfl. zu Auftritten zu bewegen, nachdem dieser einen Wohnsitz in Wien begründet hat.
Somit ist zweifelsfrei ersichtlich, dass der Zuzug des StPfl. nach Österreich sein musikalisches Wirken prinzipiell allen Bevölkerungskreisen zugänglich gemacht hat und der Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich auch im Allgemeinen (z.B. Steigerung der künstlerischen Qualität der Wiener Staatsoper als wichtige Kultureinrichtung) dient. Der Zuzug diente also der Kunst in Österreich und ist im öffentlichen Interesse gelegen, weshalb die allgemeinen personenbezogenen Voraussetzungen für die Erteilung einer Zuzugsbegünstigung als erfüllt angesehen werden können.
Anders als nach der alten Rechtslage gemäß § 103 EStG i.d.F. BGBl. 1992/448, wonach die Zuzugsbegünstigung nicht bloß auf die steuerliche Mehrbelastung beschränkt war, sondern theoretisch auch darüberhinausgehend gewährt werden konnte, beschränkt sich die nach geltendem Recht bestehende Zuzugsbegünstigung auf die Vermeidung einer durch den Zuzug entstehenden steuerlichen Mehrbelastung. Beseitigbar ist eine steuerliche Mehrbelastung lediglich bei nicht unter § 98 EStG 1988 fallenden Einkünften. Die Inlandseinkünfte (§ 98 EStG 1988) sind somit nicht begünstigbar.
Zwecks Ermittlung dieser Mehrbelastung ist es erforderlich, die durch den Zuzug eintretende Mehrbelastung an Hand einer „Mehrbelastungsrechnung“ darzustellen, in der der Antragsteller die Steuerbelastung unter Zugrundelegung des Zuzuges nach Österreich jener ohne Zugrundelegung des Zuzuges nach Österreich gegenüberstellt (vgl. in diesem Sinne Rz 8203 EStR). Die Gewährung einer Begünstigung nach § 103 EStG 1988 setzt voraus, dass das ausländische Besteuerungsniveau wesentlich vom inländischen abweicht (vgl. Kufner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. EL § 103 Anm. 9).
Der Gesetzgeber bringt im Zusammenhang mit den außergewöhnlichen Belastungen (§ 34 EStG 1988) klar zum Ausdruck, dass der Belastungsbegriff in wirtschaftlicher Hinsicht und nicht bloß als fiktive Rechengröße zu sehen ist. Eine Mehrbelastung impliziert also, dass sie die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ wesentlich beeinträchtigt (vgl. § 34 Abs. 1 Z 3 EStG).
Die in der Literatur vertretene Einzelmeinung (Lang, ), wonach in Zusammenhang mit dem Begriff der Mehrbelastung – mangels expliziter Bezugnahme auf das ausländische Recht – isoliert auf das österreichische Steuerrecht abzustellen sei, würde dem Prinzip der Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (iZm der steuerlichen Belastung) widersprechen.
Für diese Sichtweise sprechen neben der systematischen Auslegung des Belastungsbegriffs auch historische Materialien, welche die Intention des Gesetzgebers belegen: „Quantschnigg/Schuch vergleichen […] das ausländische und das inländische Steuerniveau. Ähnlicher Auffassung sind die Erläuterungen zur Regierungsvorlage“ (Lang, ).
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818/1993, führen zum geänderten § 103 EStG Folgendes aus: „Dadurch wird somit keine Steuerersparnis als Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich angeboten, sondern es wird im Gegenteil nur eine durch den Zuzug verursachte Steuermehrbelastung beseitigt, die vielfach Haupthinderungsgrund für ein Wirken der Wissenschaftler und Forscher zugunsten Österreichs war“.
Steuerliche Mehrbelastungen können sich lt. Doralt/Ludwig (in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG15, § 103 Tz. 13) in folgenden Fällen ergeben:
ohne Zuzug wären die ausländischen Einkünfte im ausländischen Staat steuerfrei, während im Inland Steuerpflicht besteht;
ohne Zuzug würden die ausländischen Einkünfte mit wesentlich niedrigeren Steuersätzen besteuert werden;
ohne Zuzug würden die ausländischen Einkünfte mit einer wesentlich niedrigeren Bemessungsgrundlage besteuert werden.
Wer die Zuzugsbegünstigung in Anspruch nimmt, hat selbst einwandfrei das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtlichen Begünstigungen gestützt werden können (). Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (, 94/15/0181).
Der Untermauerung des StPfl. hinsichtlich der behaupteten Mehrbelastung – im Vergleich zum ausländischen Recht – erschöpft sich im Wesentlichen in dem Vorbringen, dass er eine italienische Steuererklärung abgegeben habe. Die Richtigkeit der Angaben ist nicht nachvollziehbar, insbesondere nicht aufgrund fehlender Erläuterungen, weshalb sich der angegebene italienische Steuersatz zur Schätzung der zu erwartenden italienischen Steuer 2011 bis 2014 eignen würde. Eine Übersetzung des italienischsprachigen Dokuments wurde trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Abgabenbehörde nicht übermittelt. Gem. Art. 8 Abs. 1 B-VG ist die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik. Bereits aus diesem formellen Grund erscheint die Tauglichkeit der Steuererklärung als Beweismittel zweifelhaft. Darüber hinaus kann aus der Sicht der Beweisführung hinsichtlich des Beweisthemas die bloße Vorlage einer Steuererklärung nicht mit dem oben dargestellten, individuell zu erstellenden Belastungsvergleich gleich gesetzt werden.
Der im Antrag des Stpfl. vom enthaltene, allgemeine Hinweis, dass ein Zuzug nach Österreich gegenüber dem italienischen Steuerniveau einen teuren Eintritt in die österreichische Besteuerung darstelle, kann für sich allein ebenfalls den Nachweis einer steuerlichen Mehrbelastung nicht ersetzen. Der StPfl. verkennt in seinem Vorbringen auch, dass jede steuerliche Begünstigung, die eine niedrigere Gesamtsteuerlast (tatsächliche ausländische + tatsächliche inländische Steuern) bedingt, einen steuerlichen Anreiz darstellt, der mit der Zielsetzung der Zuzugsbegünstigung in der geltenden Fassung nicht vereinbar wäre.
Da der Stpfl. trotz mehrmaliger Aufforderungen keine Unterlagen vorlegte, die nachvollziehbar belegen könnten, dass die begehrte Entlastung lediglich steuerliche Härten abbauen würde und nicht einen steuerlichen Anreiz für die Wohnsitzbegründung in Österreich darstellt, ist die für die Jahre 2011 bis 2014 beantragte Zuzugsbegünstigung zu verwehren, ohne dass auf die im Fall der tatbestandsmäßigen Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung maßgeblichen Gründe der Billigkeit und Zweckmäßigkeit näher eingegangen werden müsste. Somit kann auch dahin gestellt bleiben, ob es mit den Erwägungen der Zweckmäßigkeit überhaupt vereinbar wäre, eine Zuzugsbegünstigung auch einer Person zu gewähren, die offensichtlich bereit war, auch ohne steuerliche Sondermaßnahmen nach Österreich zu ziehen.“
Gegen den abweisenden Bescheid des BMF erhob der Bf. mit Schriftsatz vom form- und fristgerecht Beschwerde und begehrte die Gewährung der beantragten Zuzugsbegünstigung. Zur Begründung wurde auf die bisherigen Ausführungen in den Schreiben vom , und verwiesen und die bisher geäußerte Rechtsauffassung wiederholt. Für die Berechnung der steuerlichen Mehrbelastung sei isoliert nach österreichischem Recht zu bemessen, ob durch den Zuzug in Österreich eine höhere österreichische Steuerbelastung als vor dem Zuzug entstanden sei. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat werden beantragt.
Nach Wechsel des steuerlichen Vertreters wurden der Antrag auf mündliche Verhandlung (Eingabe vom ) und der Antrag auf Entscheidung durch den Senat (Eingabe vom ) zurückgenommen.
Vom Bf. wurden dem Verwaltungsgericht zu den eingereichten Einkommensteuererklärungen für 2011 und 2012 Ergänzungen und Korrekturen vorgelegt (Mail vom ).
Anzumerken ist zudem, dass bei der Wohnsitzanmeldung gegenüber der Meldebehörde der Bf. und alle seine Familienmitgliedern als Zuzugsort die Russische Föderation und nicht Italien angegeben haben (Beweis: Meldezettel, amtliche Anmeldung lt. ZMS).
Mit Vorlagebericht vom wurde die Bescheidbeschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen
Die rechtliche Beurteilung beruht auf den oben dargelegten Sachverhalt, der sich im Wesentlichen aus den im vorgelegten Verwaltungsakt enthalten Vorbringen der Parteien ergibt.
Soweit eine widersprüchliche Beweislage zu einem entscheidungserheblichen Sachverhaltsmerkmal besteht, ist die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung nachstehend ausgeführt.
In Streit steht, ob der Bf. durch Vorlage einer inhaltlich und rechtlich richtigen Mehrbelastungsrechnung oder auf andere geeignete Weise eine zuzugskausale steuerliche Mehrbelastung der Auslandseinkünfte im Sinne des § 103 EStG nachgewiesen oder glaubhaft gemacht hat.
Dem Bf. ist beizupflichten, dass die Zuzugsbegünstigung in einem verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Spannungsfeld steht. Für die Gewährung von persönlichen Steuervorteilen an einzelne Steuerpflichtige muss eine sachliche Rechtfertigung bestehen. Die Rechtmäßigkeit der Begünstigungsnorm des § 103 EStG und seiner Vollziehung ist an der sachlichen Rechtfertigung der gewährten Steuervorteile für bestimmte einzelne Steuerpflichtige zu prüfen. Das Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung schafft somit eine klare Begrenzung des Anwendungsbereichs dieser personellen Begünstigungsnorm.
Aus diesem Grunde zielt der Normzweck der Zuzugsbegünstigung nur auf die bloße Beseitigung von steuerlichen Mehrbelastungen, die durch den Zuzug nach Österreich verursacht werden, ab. Es soll und darf durch die Begünstigung kein steuerlicher Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich gegeben werden, sondern nur die zuzugskausale steuerliche Härte (Mehrbelastung) abgebaut werden, sodass hinsichtlich der Auslandseinkünfte und des Auslandsvermögens des Zuziehenden keine wesentlich höhere Steuerbelastung als bei Verbleib im bisherigen Ansässigkeitsstaat besteht (zitiert aus EB).
Die Gewährung von Steuervorteilen die über den Abbau der zuzugsbedingten „steuerlichen Mehrbelastung“ hinausgingen wäre nicht mehr sachlich gerechtfertigt und dies entspricht auch nicht mehr dem Tatbestand des § 103 EStG.
Für die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „…steuerliche Mehrbelastung beseitigen…“ ist – entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VwGH – in erster Linie auf die in den bereits zitierten Erläuternden Bemerkungen zu § 103 EStG (idF. BGBl. 448/1992, 574 BlgNr XVIII. GP und idF. BGBl. 818/1993, 1237 Blg XVIII. GP) gegebenen Hinweise zurückzugreifen.
Die Beseitigung einer steuerlichen Mehrbelastung durch Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG darf nur insoweit erfolgen, dass keine Steuerersparnis als Anreiz für eine Wohnsitzbegründung in Österreich entsteht. Das ist nur dann der Fall, wenn die gewährte Begünstigung in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung nur die durch den Zuzug verursachte Steuermehrbelastung vermeidet.
Die vom Bf. vertretene Rechtsauffassung, dass die gesamte, höhere österreichische Steuerbelastung im Vergleich zu jener vor dem Zuzug Gegenstand der Steuerbegünstigung gemäß § 103 EStG sei, ist eindeutig verfehlt. Diese Meinung steht in offenem Widerspruch zu den für die Tatbestandsauslegung relevanten Gesetzesmaterialien und hat kein plausibles Argument für sich. Aus der selbstverständlichen Feststellung des Bf., dass das Tatbestandsmerkmal „Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung“ auslegungsbedürftig ist, lässt sich für seinen Standpunkt überhaupt nichts gewinnen. Diese Art der „Mehrbelastungsrechnung“ würde bei den in Betracht kommenden Auslandseinkünften und Auslandsvermögen des Zuziehenden zu unsachlichen und völlig überschießenden Steuerprivilegien führen, die der Gesetzgeber gerade zu verhindern bezweckte.
Im Inland bereits ansässige Steuerpflichtige, die durch ihre Erwerbstätigkeit eine vergleichbare Förderung der Forschung, Wissenschaft, Kunst oder des Sports vornehmen und deren Ansässigkeit und Wirken in Österreich insgesamt im öffentlichen Interesse gelegen ist, würden durch eine derartige Gewährung persönlicher Steuerbegünstigungen, die über die bloße Vermeidung wesentlicher zuzugsbedingter steuerlicher Härten hinausgehen, eindeutig diskriminiert. Genau dies beabsichtigte der Gesetzgeber zu vermeiden und dies war der Zweck der Novellierung der Zuzugsbegünstigung.
Die ständige Verwaltungspraxis über die Anforderungen der „Mehrbelastungsrechnung“ zur Darlegung der zuzugsbedingten steuerlichen Mehrbelastung (EStR Rz. 8203), welcher die belangte Behörde in ihrer Entscheidung folgte, ist daher rechtskonform.
Diese Vollziehung des § 103 EStG führt auch zu keiner verfassungsrechtlich bedenklichen Anwendung ausländischen Rechts, wie der Bf. vermeint. Davon zu unterscheiden nämlich ist die regelmäßige Notwendigkeit, dass bei der Vollziehung innerstaatlichen Rechts auch tatbestandsrelevante ausländische Sachverhalte, nach den für sie maßgebenden ausländischen Normen, zu beurteilen sind (z.B. innerstaatliche Rechts- und Parteifähigkeit oder Vergleichbarkeit einer ausländischen Gesellschaft nach ausländischem Gesellschaftsrecht).
Die Beschwerde hat aber bereits auf der Sachverhaltsebene keine Aussicht auf Erfolg. Die vom Bf. vorgelegten Aufgliederungen über seine Auslandseinkünfte und die darauf entfallenden Steuern sind in vielen Punkten in sich widersprüchlich.
Die Angaben zu den Abgabenerklärungen und ergangene ESt-Bescheiden 2011 und 2012 sind ein weiterer Beweis über die gravierenden inhaltlichen Mängel der vorgelegten „Mehrbelastungsrechnungen“. Beispielsweise wurde 2011 bei den maßgebenden Einnahmen aus Auslandskonzerten in DBA-Staaten mit Anrechnungsmethode ein Gewinn aus selbständiger Arbeit von € 85.602, eine österr. ESt von € 45.319 und eine anrechenbare ausländische ESt von € 26.495 angegeben (Berechnung vom ). Nach Vorlage der Berichtigung des StV beträgt dieser Gewinn aus selbständiger Arbeit € 51.015, die darauf entfallende österr. ESt (Durchschnittssteuersatz 45,87%) € 23.400 und die darauf entfallende anrechenbare ausländische ESt € 26.091. Die Berechnung vom , wonach beispielsweise durch den Zuzug nach Österreich 2011 ein in Österreich steuerpflichtiges Einkommen von € 233.564 bestünde und dass darauf eine österr. ESt von € 106.490 entfiele, während die fiktive italienische ESt nur € 674 betrage, stellt sich im Vergleich mit den ergangenen österr. ESt-Bescheid 2011 und 2012 und den hierzu eingereichten Korrekturen als Phantasiewerk dar.
Viele Positionen der angegebenen Einnahmen, Einkünfte und Steuern weisen in sich kleine und größere Widersprüche auf, zu einem Zeitpunkt wo bereit definitiv richtige Zahlen hätten vorliegen müssen.
Der Bf. hat mit besonderer Entschiedenheit und ohne eine Begründung den verlangten italienischen Steuerbescheid des letzten Jahres vor seinem angeblichen Zuzug aus Italien (Veranlagungsjahr 2010) nicht vorgelegt. Er hat zunächst eine schlechte Kopie einer italienischen Abgabenerklärung, die keine Unterschrift des Steuerpflichtigen, keinen Stempel oder sonstigen Hinweis auf die Erstellung durch den steuerlichen Vertreter und keinen Vermerk über die Einbringung bei der italienischen Steuerbehörde enthält, mit der Behauptung dem BMF vorgelegt, hierbei handle es sich um den italienischen Einkommensteuerbescheid 2010. Dieses Schreiben hat nicht nur keine Beweiskraft, es wurde zunächst auch versucht, es als ausländischen Steuerbescheid auszugeben.
Vom Bf. wurde nicht nur keine rechtlich und inhaltlich richtige Mehrbelastungsrechnung vorgelegt, sondern auch der behauptete Zuzug aus Italien ist nicht nachgewiesen worden. In den amtlichen Meldedaten ist die Russische Föderation – auf Grund der eigenen Angaben des Bf. und seiner Familienangehörigen anlässlich ihrer Begründung des Hauptwohnsitzes in Wien im Jänner 2010 – als Zuzugsort angeführt.
Die Vorlage des italienischen Einkommensteuerbescheides 2010 hätte nicht nur einen tauglichen Beweis für die ausländischen Einkünfte und deren steuerliche Belastung zwecks Ermittlung (Prognose) der zuzugsbedingten steuerlichen Mehrbelastung gebildet, sondern hätte auch die Ansässigkeit in Italien bewiesen. Diese Beweisführung wurde vom Bf. aber bewusst verweigert.
Zu den als „steuerliche Mehrbelastungsrechnung“ vorgelegten Berechnungen ist zudem anzumerken, dass die erste Berechnung vom , nicht einmal den eigenen Anforderungen gerecht wird. Sie gibt nämlich nicht Auskunft, wie hoch die österr. ESt von den Auslandseinkünften vor dem Zuzug und nach dem Zuzug ist, sondern wie hoch die österr. Einkommensteuer mit der gewünschten Steuervergünstigung und ohne diese Steuervergünstigung sei. Dieser Unterschiedsbetrag wird als „steuerliche Mehrbelastung“ iSd. § 103 EStG erklärt.
Den vorgelegten Berechnungen fehlt, neben der inhaltlichen Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Angaben somit auch die rechtlichen Richtigkeit.
Die fehlende Glaubwürdigkeit der behaupteten steuerlichen Mehrbelastung durch den Zuzug aus dem Ausland wurde dem Bf. bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgehalten, ohne das er im nachfolgenden Verfahren von der angebotenen Gelegenheit Gebrauch gemacht hätte, sein Vorbringen zu substantiieren und nachzuweisen.
Nach der Judikatur des VwGH hat, wer eine Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden können.
Da vom Bf. in keiner Weise das Vorliegen einer zuzugskausalen steuerlichen Mehrbelastung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurde, war die Beschwerde gegen die Abweisung des gestellten Antrages nicht berechtigt.
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die Entscheidung des vorliegenden Falles beruht maßgebend auf der Lösung von Sachverhaltsfragen (Vorliegen einer steuerlichen Mehrbelastungsrechnung), die nicht Gegenstand einer (ordentlichen) Revision sein können. Die dabei auch behandelte Rechtsfrage folgt der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass für die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmales (hier „Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung“ die dazu erfolgten Erläuternden Bemerkungen heranzuziehen sind. Da bereits auf der Tatsachenebene die Beschwerde erfolglos war, war die behandelte Rechtsfrage, zudem nicht mehr entscheidungsrelevant. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung war gemäß § 25a Abs. 1 VwGG die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in | Reinold/Stückler in ÖStZ 2015/543 Seydl in SWI 2015, 430 Geiger in BFGjournal 2017, 103 Seydl in ÖStZ 2017/371 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101235.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at