Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2015, RV/3300017/2013

1. Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages nach § 165 FinStrG mangels Darlegung ausreichender Wiederaufnahmegründe 2. Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages mangels Legitimation des Einschreiters

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3300017/2013-RS1
War einem Beschuldigten in einem Finanzstrafverfahren ein ihn allenfalls entlastender Umstand (so er zutreffen sollte; bspw., dass er zu seinem Fehlverhalten durch den Buchhalter des Unternehmens angeleitet und bestärkt worden ist) zwar bekannt, hatte er sich aber entschlossen, dies nicht vorzubringen, ist dieser Aspekt in weiterer Folge kein tauglicher Wiederaufnahmegrund nach § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG.
RV/3300017/2013-RS2
Wird ein Antrag auf Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens ab- oder zurückgewiesen, sind dem Wiederaufnahmewerber gemäß § 185 Abs. 8 FinStrG pauschale Verfahrenskosten im Sinne des § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG vorzuschreiben.

Entscheidungstext

weitere GZ. RV/3300003/2015

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Innsbruck 1 des Bundesfinanzgerichtes hat durch den Vorsitzenden Dr. Richard Tannert, den Richter Mag. Peter Maurer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Heidi Blum und Mag. Thomas Karner als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen A, geb. xxxx, Gesellschafter, whft. XXX, vertreten durch die augustin + nöbauer + partner Wirtschaftsprüfung GmbH, Mitterweg 16/II, 6020 Innsbruck, wegen Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) und Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzamt Innsbruck, StrNr. 081/2009/00255-001, Amtsbeauftragter Hofrat Dr. Werner Kraus, über die Beschwerden des Beschuldigten und der B-KG, FN-xx, XXXX, ebenfalls vertreten durch die augustin + nöbauer + partner Wirtschaftsprüfung GmbH, vom gegen den Bescheid des Spruchsenates I beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde vom , mit welchem ein Antrag des Beschuldigten auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens abgewiesen wurde, in der nichtöffentlichen Sitzung am in Anwesenheit der Schriftführerin Waltraud Vogelsberger folgendes Erkenntnis gefällt:

I. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Bescheid des Spruchsenates über die Abweisung seines Antrages auf Verfahrenswiederaufnahme wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG iVm. § 185 Abs. 8 FinStrG hat der Beschuldigte als Wiederaufnahmeswerber die Kosten des Wiederaufnahmsverfahrens in Höhe von € 500,00 zu tragen.

III. Die Beschwerde der B-KG gegen den Bescheid des Spruchsenates über die Abweisung des Antrages des Beschuldigten auf Verfahrenswiederaufnahme wird mangels Legitimation der Einschreiterin gemäß § 156 Abs. 1 und 4 FinStrG als unzulässig zurückgewiesen.

III. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit vom Vorsitzenden verkündeten Erkenntnis des Spruchsenates I beim Finanzamt Innsbruck als Organ des genannten Finanzamtes als Finanzstrafbehörde vom ist A nach durchgeführter mündlicher Verhandlung zu StrNr. 081/2009/00255-001 schuldig gesprochen worden, weil er
als Gesellschafter und Wahrnehmender der steuerlichen Interessen der B-KG fortgesetzt vorsätzlich
1. betreffend die Voranmeldungszeiträume Juli, August, September, Oktober, November 2007, Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember 2008, Jänner, Februar, März, Mai, Juni, Juli, August, Oktober, November, Dezember 2009 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 37.283,07 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat, sowie
2. betreffend die Lohnzahlungszeiträume Mai bis August 2009 Lohnsteuern in Höhe von € 172,16 sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von € 421,20 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt hat
und hiedurch Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (zu Faktum 1.) und Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG (zu Faktum 2.) begangen hat,
weswegen über ihn gemäß §§ 33 Abs. 5 [, 49 Abs. 2] iVm. § 21 [Abs. 1 und 2] FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von € 9.000,00 und [gemäß § 20 FinStrG] für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Wochen verhängt worden ist (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 37 ff und 41 ff).

Zur mündlichen Verhandlung ist der nachweislich von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der Finanzstrafbehörde durch Zustellung des Einleitungsbescheides und der Stellungnahme des Amtsbeauftragten informiert gewesene Beschuldigte nicht erschienen (genannter Finanzstrafakt Bl. 37), wobei er behauptete, von der Verständigung über die Hinterlegung seiner Vorladung beim Zustellpostamt keine Kenntnis erlangt zu haben.

Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses wurde dem Beschuldigten durch ordnungsgemäße Hinterlegung am bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes zugestellt (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 50).

Der hinterlegte RSa-Brief wurde vom Beschuldigten nicht behoben; nachträglich wurde von ihm behauptet, von der diesbezüglichen Hinterlegungsanzeige ebenfalls keine Kenntnis erlangt zu haben.

Eine Berufung gegen dieses Straferkenntnis wurde vom Beschuldigten nicht erhoben (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001). - Ein Anbringen des Beschuldigten vom , per Fax dem Finanzamt Innsbruck am übermittelt, anlässlich der Zustellung einer Buchungsmitteilung zum verfahrensgegenständlichen Strafkonto erwies sich als Missverständnis dahingehend, dass A die Vorschreibung einer - zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangenen - Geldstrafe in einem weiteren Finanzstrafverfahren zu StrNr. 081/2012/00125-001, in welchem aber erst am nach erfolgter nicht strafbefreiender Selbstanzeige eine Betriebsprüfung begonnen hatte, bekämpfen wollte (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 87 ff).

Das Erkenntnis des Spruchsenates vom ist daher tatsächlich am in Rechtskraft erwachsen.

Ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung bezüglich der angeblich unverschuldet versäumten mündlichen Verhandlung vom vor dem Spruchsenat liegt nicht vor (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001).

Mit Schreiben vom beantragten der bestrafte Beschuldigte und - unzulässigerweise - auch die B-KG, beide jetzt vertreten durch die augustin + nöbauer + partner Wirtschaftsprüfung GmbH, u.a. eine Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens betreffend den Beschuldigten zu StrNr. 081/2009/00255-001 im Wesentlichen mit der Begründung wie folgt:

Der Beschuldigte habe betreffend seine eigenen Steuerangelegenheiten und die der B-KG für die steuerliche Beratung [im Allgemeinen], für die Erstellung und Beratung im Bereich der Lohnverrechnung und Erstellung der laufenden Buchhaltung inklusive rechtzeitiger Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen Mag.C als Steuerberater beauftragt. Der solcherart Beauftragte sei tatsächlich für diese Agenden als Steuerberater tätig geworden und habe als solcher auch entsprechende Rechnungen gelegt (zum Beweis dafür sind dem Anbringen die Beilagen 5 bis 13 beigeschlossen, welche Ablichtungen der Honorarnoten des "Steuerberaters" Mag.C vom , , , , , , ,  und an die "D-KEG" bzw. die "D-KEG-E" für die Erstellung der Buchhaltung für die Monate September bis Oktober 2003, Jänner bis Juli 2004, Jänner bis Dezember 2006 und Lohnverrechnung Mai bis Dezember 2006 darstellen; Finanzstrafakt Bl. 96 bis 104). Mag.C sei "mündlich" und auf Visitenkarten als Steuerberater aufgetreten. In diesem Sinne auch eine vorgelegte Ablichtung eines Protokolles vom über eine Todfallsaufnahme vor dem Notariatssubstituten Mag.F als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren betreffend den Mitgesellschafter des Beschuldigten, in welchem der vom "Steuerberater" Mag.C ermittelte Wert des Kommanditanteiles des Verstorbenen zum Ansatz gebracht wurde (Finanzstrafakt Bl. 126). Erst im Februar bzw. März 2013 aufgrund der nunmehrigen Recherchen der Verteidigerin (Beilagen 14 bis 16, Finanzstrafakt Bl. 105 bis 107, im Ergebnis: Mag.C kein Bilanzbuchhalter bzw. kein Wirtschaftstreuhänder) hätte der Beschuldigte Kenntnis erlangt, dass sein Erfüllungsgehilfe kein Steuerberater gewesen sei (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 76 ff).

Mit Bescheid vom hat der obgenannte Spruchsenat den Antrag des Beschuldigten auf Wiederaufnahme seines Finanzstrafverfahrens abgewiesen mit der Begründung, dass kein dem Gesetz entsprechender Wiederaufnahmsgrund vorgebracht worden sei (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 154 f).

Ebenfalls abgewiesen hat der Spruchsenat einen im Gesetz nicht vorgesehenen Antrag des Beschuldigten auf Aussetzung der Einhebung des Rückstandes am bezüglich der Geldstrafe zu StrNr. 081/2009/00255-001 eingerichteten Strafkonto.

Eine Entscheidung über die Anträge der B-KG (wohl eine Zurückweisung) hat der Spruchsenat nicht getroffen (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001).

Gegen den Bescheid über die Abweisung des Wiederaufnahmsantrages des Beschuldigten haben der Beschuldigte innerhalb offener Frist und die von diesem Bescheid nicht betroffene B-KG durch ihre gemeinschaftliche Vertreterin Beschwerde erhoben und dabei vorgebracht wie folgt (Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 157 ff):

"Gemäß § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG ist eine Wiederaufnahme zu verfügen, wenn, wie unter lit. b angeführt, Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten. Der diesbezügliche Antrag auf Wiederaufnahme beschreibt ausführlich den Wiederaufnahmsgrund gemäß § 165 Abs. 1 lit. b und wurde auch in der mündlichen Verhandlung beim Spruchsenat I beim Finanzamt lnnsbruck vor dem Vorsitzenden Dr.G insofern dargebracht, als dass durch die nicht zugestellten Schriftstücke betreffend dem Finanzstrafakt 081/2009/00255-001  die neu hervorgekommenen Beweismittel nicht geltend gemacht werden konnten. Die neu hervorgekommenen Beweismittel müssen bereits während des wieder aufzunehmenden Verfahrens vorhanden, aber dem Antragsteller bzw. der wiederaufnehmenden Behörde, unbekannt gewesen sein. Gemäß Dorazil/Harbich, FinStrG § 165 Abs. 1 lit. b Rz 26.1 ist es dabei unerheblich, aus welchem Grund sie in diesem Verfahren nicht bekannt waren. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Tatsachen ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen  Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände sind, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Bezogen auf den mit eingebrachten Wiederaufnahmeantrag bedeutet dies, dass Herr A hinsichtlich des Erkenntnisses vom nicht vorsätzlich agiert haben konnte! Aufgrund der, im gestellten Antrag auf Wiederaufnahme vom angeführten Gründen ist Herrn A bezogen auf den § 9 des Finanzstrafgesetzes durch die Beauftragung eines Parteienvertreters kein Vorsatz vorzuwerfen. Sowohl die im Wiederaufnahmsantrag dargestellten Tatsachen als auch die in der mündlichen Verhandlung des Spruchsenates I zu Verfahren 081/2012/00125-001 bzw. 002 dargelegten Äußerungen bestätigen, dass Herr A einem Schwindler aufgesessen ist, der sich nachweislich als Steuerberater ausgegeben hat. Die diesbezüglichen schriftlichen Bestätigungen, dass er sich als Steuerberater ausgegeben hat, liegen dem Antrag auf Wiederaufnahme vor, ebenso dem Spruchsenat I in den oben angeführten Verfahren. Selbst in der mündlichen Verhandlung zu AZ 081/2012/00125-001 bzw. 002 wurde vom Vorsitzenden treffend geäußert, dass die vorgebrachten Argumente beim ersten Vergehen sehr wohl vorgebracht werden könnten, allerdings im zweiten Verfahren nicht mehr, weshalb Herr A bzw. die B-KG im Verfahren 081/2012/00125-001 bzw. 002 schuldig gesprochen wurden.

Hätte Herr A damals die zugestellten Schriftstücke erhalten, so wäre ihm das Ausmaß seines Vergehens damals bereits bewusst geworden, nicht erst durch das Telefonat mit Herrn Hofrat Dr.T im Jänner 2013. Wäre ihm damals durch die zugestellten Schriftstücke das Ausmaß des Vergehens bewusst geworden, so ist davon auszugehen, dass er die selben Schritte unternommen hätte, wie nach dem Bekanntwerden der Umstände nach dem Telefonat mit Herrn Hofrat Dr.T und wären die diesbezüglichen Tatsachen bereits im Verfahren zu 081/2009/00255-001 vorgelegt worden.

Aus diesem Umstand heraus lässt sich ableiten, dass Herr A durch die Übergabe seiner steuerlichen Agenden an einen Parteienvertreter nie vorsätzlich gehandelt haben konnte, da er auf die Aussagen seines vermeintlichen "Steuerberaters" vertraut hat. Ihm ist aber aus der Sicht der vorgelegten Dokumente höchstens Fahrlässigkeit zu unterstellen. Für den Vorsatz fehlte ihm zum damaligen Zeitpunkt sowohl die Wissenskomponente als auch die Wollenskomponente, da diese beiden Faktoren im Zeitpunkt der Tat nicht vorlagen. Herr A irrt über das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals. Aufgrund der Übergabe der steuerlichen Agenden an den berufsmäßigen Parteienvertreter wird der Antrag gestellt, sein Verhalten im Sinne des § 9 FinStrG als entschuldbar angesehen.

Dass Herr Mag.C nun nachweislich kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist, sich aber als solcher in öffentlichen Schriftstücken und Dokumenten als Steuerberater ausgegeben hat, kann nicht zu Lasten von Herrn A gehen, da Herr A erst im Jänner 2013 nachweislich bekannt wurde, dass Herr Mag.C kein Steuerberater ist.

Es wird der Antrag gestellt, die Wiederaufnahme gemäß Antrag vom , gemäß § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG zuzulassen und die darin vorgebrachten, neu hervorgekommenen Beweismittel und Tatsachen im Verfahren 081/2009/00255-001 zu berücksichtigen."

Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt; es konnte die Entscheidung daher in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. ).

Die Zustellung des Bescheides des Spruchsenates vom an den Beschuldigten erschließt sich aus seinem Rechtsmittel gegen diesen; eine Zustellung des Bescheides auch an den Amtsbeauftragten ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen, weshalb hinsichtlich dieser Amtspartei der Ablauf der Beschwerdefrist fraglich gewesen wäre.

Mit Fax vom hat jedoch der Amtsbeauftragte ausdrücklich auf die Erhebung einer Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages des Beschuldigten verzichtet.

Die dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegten Beschwerden des A und der B-KG sind gemäß § 265 Abs. 1s lit. a FinStrG durch das Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG bzw. § 152 Abs. 1 FinStrG zu behandeln.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

1. Zur Beschwerde des A:

Wie von der Vertreterin des Bestraften vorerst zutreffend vorgebracht, ist gemäß § 165 Abs. 1 FinStrG die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag des Beschuldigten zu verfügen, wenn ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht mehr zulässig ist und (als einer von mehreren Tatbeständen) gemäß lit. b Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Ein derartiger Wiederaufnahmsantrag ist gemäß § 165 Abs. 4 FinStrG innerhalb von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung erlassen hat (hier: das Finanzamt Innsbruck). Diese Möglichkeit eines Wiederaufnahmsantrages des Beschuldigten endet mit Ablauf der im § 31 Abs. 2 FinStrG genannten Fristen (hier: fünf Jahre) seit Rechtskraft der Entscheidung im abgeschlossenen Verfahren).

Einem Antrag auf Wiederaufnahme kommt gemäß § 165 Abs. 5 FinStrG eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Die Behörde, die über den Antrag zu entscheiden hat (hier: die Finanzstrafbehörde Innsbruck) hat diesem jedoch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn durch die Vollziehung der im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Entscheidung ein nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten würde (in der Regel: wenn und insoweit die Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen werden sollte) und nicht öffentliche Rücksichten die sofortige Vollziehung gebieten. Die Einhebung einer rechtskräftigen und fälligen Geldstrafe (Fälligkeit hier: am ) ist üblicherweise nicht mit einem nicht wieder gutzumachenden Schaden verbunden.

Laut Aktenlage hat ein Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe nicht stattgefunden; auch die schon längst fällige und vollstreckbare Geldstrafe haftet am Strafkonto noch unentrichtet aus (Abfrage vom ).

Wie vom Beschwerdeführer richtig erkannt, sind Tatsachen Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. bereits Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8 Rz 588; ).

Eine derartige Tatsache ist ein ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängender tatsächlicher Umstand, also ein Sachverhaltselement, das bei einer entsprechenden Berücksichtigung voraussichtlich zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätte.

Die vom Duden zur Bedeutung des Voraussichtlichen angebotenen Synonyme sind: "allem Anschein nach, aller Voraussicht/Wahrscheinlichkeit nach, anscheinend, bestimmt, geschätzt, gewiss, höchstwahrscheinlich, mit ziemlicher Sicherheit, nach menschlichem Ermessen, schätzungsweise, sicher[lich], vermutlich, wahrscheinlich, wohl; (gehoben) mutmaßlich". Im Ergebnis bedeutet die hier gebotene Voraussichtlichkeit wohl einen gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit (, 575/78; Seiler/Seiler, FinStrG4 Rz 2 zu § 165; Tannert, FinStrG9 MTK (2014) Anm 9 zu § 165) bzw. eine große Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. Fellner, FinStrG, Rz 6 zu §§ 165-166). Eine bloß entfernte Möglichkeit einer anderslautenden Entscheidung reichte jedenfalls nicht aus.

Als eine nach Abschluss des Finanzstrafverfahrens zu StrNr. 081/2009/00255-001 neu hervorgekommene derartige Tatsache wird nun vom Beschuldigten im Wesentlichen der Umstand dargestellt, dass der ihn in steuerlichen Angelegenheiten unrichtig beraten habende gewerbliche Buchhalter Mag.C im strafrelevanten Zeitraum nicht die Befugnis eines Wirtschaftstreuhänders besessen habe. Weil er, der Beschuldigte, dem Genannten fälschlicherweise diese Reputation zugemessen habe, habe er dessen Beratung vertraut und wäre es - so wohl die vom Antragsteller angestrebte Schlussfolgerung - zu den hier verfahrensgegenständlichen Finanzvergehen des Beschuldigten gekommen.

Vorerst ist anzumerken, dass A rechtskräftig bestraft worden ist, weil er bezüglich der Voranmeldungszeiträume Juli, August, September, Oktober, November 2007, Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember 2008, Jänner, Februar, März, Mai, Juni, Juli, August, Oktober, November, Dezember 2009 Vorauszahlungen an Umsatzsteuer wissentlich nicht bis zum 15. des zweitfolgenden Monates entrichtet hatte, diesbezüglich zumindest bedingt vorsätzlich auch nicht bis zu diesen Zeitpunkten ordnungsgemäße Voranmeldungen eingereicht hatte und bezüglich der Lohnzahlungszeiträume Mai bis August 2009 die Lohnabgaben zumindest bedingt vorsätzlich nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet hatte. Der Beschuldigte habe wissentlich bzw. bedingt vorsätzlich gehandelt.

Bedenkt man, dass diese Verfehlungen gegen grundsätzliches steuerliches Allgemeinwissen verstossen, A mittels der B-KG aber bereits seit Dezember 2001 unternehmerisch tätig geworden war (Veranlagungsakt, Dauerakt), ist ein jahrelanger Irrtum des Beschuldigten über diese Pflichten nur schwer vorstellbar. Nicht die unrichtige Beantwortung difiziler steuerlicher Rechtsfragen ist am Prüfstand gestanden, sondern allgemeine steuerliche Handhabungen, für deren Beschreibung zur rechtsrichtigen Durchführung ein breiter Personenkreis zur Verfügung gestanden ist.

Überdies ist A auch laut Aktenlage anlässlich von Schlussbesprechungen am und am persönlich über die Verpflichtung eines Unternehmers bzw. des Wahrnehmenden zur zeitgerechten Entrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen und Einreichung von Voranmeldungen belehrt worden (Niederschrift vom zu ABNr. uu1, Pkt. 7; Niederschrift vom zu ABNr. uu2), ohne dass dies sein Fehlverhalten beendet hätte.

Hätte der Beschuldigte daher im abgeschlossenen Finanzstrafverfahren vorgebracht, eine Vertrauensperson, welche er mit der Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten bezüglich der Gesellschaft betraut gehabt hätte, hätte ihn soweit überzeugt, dass er in den Irrtum über seine abgabenrechtlichen Pflichten geführt worden wäre, wäre dies bei festgestellten zumindest durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten des Beschuldigten - diesbezügliche Defizite wurden nicht vorgebracht und sind auch der Aktenlage nicht zu entnehmen - nicht glaubhaft gewesen und ist auch nunmehr noch nicht glaubhaft.

Tatsächlich aber hat der Beschuldigte im abgeschlossenen Verfahren eben nicht vorgebracht, dass er solcherart in die Irre geführt worden wäre; er hat auch nicht vogebracht, im Irrtum gewesen zu sein. Bei rein theoretischer Annahme eines durch einen Dritten veranlassten Irrtums ist nicht erkennbar, weshalb A an einem Vorbringen darüber gehindert gewesen wäre, zumal der Beschuldigte ausführlich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Kenntnis gesetzt worden war (hinterlegter Einleitungsbescheid vom , vom Beschuldigten übernommen, Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 16 ff; hinterlegte Stellungnahme des Amtsbeauftragten vom , genannter Finanzstrafakt, Bl. 20 ff).

Es ist daher hinsichtlich der These eines bösartigen Einflusses einer Vertrauensperson, die den Beschuldigten in die Irre geleitet habe, weder eine voraussichtlich anderslautende Entscheidung des Spruchsenates erschließbar noch ein Umstand festzustellen, warum der Beschuldigte diese These im abgeschlossenen Verfahren nicht bereits vorbringen hätte können.

Soweit A zur Verstärkung der Glaubwürdigkeit seines - grundlos vorerst unterlassenen - Vorbringens vorbringt, er habe erst im Jänner 2013 entdeckt, dass sein Berater kein Wirtschaftstreuhänder gewesen sei, ist ihm wie folgt entgegenzuhalten:

Laut Aktenlage hat der Wiederaufnahmswerber in der Zeit, als von einer Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens aus seiner Sicht noch keine Rede gewesen ist, Mag.C in den von ihm unterfertigten Eingaben gegenüber der Finanzstrafbehörde nicht als Steuerberater oder Wirtschaftstreuhänder tituliert, was nur logisch gewesen wäre, hätte er diesen auch tatsächlich für einen Steuerberater bzw. Wirtschaftstreuhänder gehalten, sondern den Genannten jeweils als seinen "Buchhaltungsbeauftragten" bezeichnet (Eingaben vom und vom , Finanzstrafakt StrNr. 081/2009/00255-001, Bl. 56 f). Dies stimmt überein mit der Aktenlage, wonach Mag.C außer in einem einzigen Fall (Antrag auf Ratenzahlung am ) gegenüber der Abgabenbehörde möglicherweise als wissenstragender Buchhalter des Beschuldigten, nicht aber als dessen steuerlicher Vertreter in Erscheinung getreten ist (Veranlagungsakt des Finanzamtes Innsbruck betreffend die B-KG).

Sind diese Umstände für sich vorerst nur Aspekte einer Beweiswürdigung, durch welche das Vorbringen des Wiederaufnahmswerbers, wenngleich wesentlich, in Frage gestellt wird, wird seine Darstellung durch die weitere Aktenlage noch weiter erschüttert:

Der Bestrafte stützt sich - wie oben ausgeführt - in seinem Vorbringen auf bestimmte Honorarnoten des Mag.C vom , , , , , , ,  und an die "D-KEG" bzw. die "D-KEG-E", in welchen der Buchhalter sich selbst unzutreffend als "Steuerberater" bezeichnet hatte, lässt dabei aber außer Acht, dass er nachweislich bereits seit langem vom Finanzamt Innsbruck über die tatsächliche berufliche Qualifikation des Rechnungslegers in Kenntnis gesetzt worden war (falls er diese Information nicht ohnehin schon vorher besessen hätte):

So hat am mit A als Wahrnehmenden der steuerlichen Interessen der B-KG eine Schlussbesprechung über eine Außenprüfung für die Zeiträume 2004 bis 2006 und für den Nachschauzeitraum März bis Juli 2008 stattgefunden, bei welcher dieser informiert wurde, dass sein Buchhaltungsbeauftragter keineswegs etwa ein anerkannter Wirtschaftstreuhänder, sondern (sogar) ein steuerliches "U-Boot" gewesen war, weshalb die Abgabenbehörde bei sämtlichen Rechnungen des Mag.C im Prüfungszeitraum mangels Unternehmereigenschaft keinen Vorsteuerabzug anerkannte (genannter Veranlagungsakt, Niederschrift Schlussbesprechung Pkt.2, sowie BP-Bericht vom , ABNr. uu1, Tz. 3 b).

In Abwägung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass A bereits vor Eröffnung des gegenständlichen Finanzstrafverfahrens zu StrNr. 081/2009/00255-001 über die Tatsache, dass Mag.C kein Wirtschaftstreuhänder gewesen ist, in Kenntnis war und er diesen Umstand, wollte er dies zu seiner Entlastung vorbringen, jederzeit vor Abschluss des Verfahrens vorbringen hätte können. Eine nachträglich neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG liegt somit insoweit nicht vor.

Der Spruchsenat hat daher zu Recht den Antrag des A auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens als unbegründet abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 Abs. 8 FinStrG, wonach einem Wiederaufnahmswerber, dessen Antrag abgewiesen wird, pauschal ein Kostenersatz nach § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG im Ausmaß von 10% der im abgeschlossenen Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 vorzuschreiben ist.

2. Zur Beschwerde der B-KG:

Zur Erhebung einer Beschwerde gegen alle sonstigen im Finanzstrafverfahren ergehenden Bescheide (also solche, die keine Erkenntnisse nach § 134 FinStrG sind; hier: der Bescheid vom , mit welchem der Antrag des A auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens zu StrNr. 081/2009/00255-001 abgewiesen wurde) sind lediglich berechtigt gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG derjenige, an den der angefochtene Bescheid ergangen ist (hier: der rechtskräftig bestrafte Beschuldigte A) sowie (wie hier vorliegend) bei einem Bescheid eines Spruchsenates auch der Amtsbeauftragte.

Gegen den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid, welcher nur über den Antrag des bestraften Beschuldigten und nicht über den (ohnehin mangels Parteistellung im Verfahren zu StrNr. 081/2009/00255-001 nicht zulässigen) Antrag der B-KG abgesprochen hat, wurde auch - wenngleich ohne Berechtigung - von der genannten Gesellschaft Beschwerde erhoben.

Gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde bzw. ersatzweise das Bundesfinanzgericht nach § 156 Abs. 4 FinStrG eine derartige unzulässige Beschwerde zurückzuweisen, weshalb insofern ebenfalls spruchgemäß zu entscheiden war.

Zur Zulässigkeit der Revision

Ob Wiederaufnahmsgründe vorgelegen haben, ist in der gegenständlichen Finanzstrafsache hauptsächlich ein Aspekt der Würdigung der gegebenen Aktenlage. Dass dann, wenn Tatsachen von Seite des Beschuldigten schon längst während des abgeschlossenen Verfahrens vorgebracht hätten werden können, kein Wiederaufnahmsgrund vorliegt, ist gesicherte Rechtsprechung. Ebenso besteht gesichertes Wissen, dass ein Dritter mangels Aktivlegitimation zu einem Antrag auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens nicht berechtigt ist. Gegen diese Entscheidung ist somit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
zusätzliche pauschale Verfahrenskosten im Wiederaufnahmsverfahren
Voraussichtlichkeit
neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3300017.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at