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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.03.2014, RV/2100749/2012

Lieferung mit "on-hold-Klausel"

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100749/2012-RS1
Dient eine "on-hold-Klausel" nur dazu, den Kaufpreis zu sichern, so kommt ihr umsatzsteuerlich der Charakter einer Nachnahmelieferung zu (keine Änderung des Lieferortes durch die Klausel).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin

in der Beschwerdesache GesmbH

gegen die Bescheide des Finanzamtes vom , betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate 11/2011, 12/2011 und 1/2012 und vom betreffend Säumniszuschläge 11/2011 und 12/2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die mit elektronischen Geräten handelt.

Im Zuge einer Umsatzsteuer-Nachschau der Monate November 2011, Dezember 2011 und Jänner 2012 wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Die Bf. hat u.a. Mobiltelefone von der Firma_A in der Schweiz erworben. Die Mobiltelefone wurden in ein Lager der Spedition geliefert und von dort an Kunden (vorwiegend im EU Raum) versendet. Die Zollanmeldung erfolgte im Namen der Bf., die die gem. § 26 UStG 1994 am Abgabenkonto verbuche Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen wollte.

Das Finanzamt hat diesen EUSt-Abzug mit der Begründung versagt, die Lieferung an die Bf. sei mit einer „on-hold-Klausel“ erfolgt, was bedeute, dass der Bf. die Verfügungsmacht an den Waren erst nach Entrichtung des Kaufpreises verschafft wurde und dass der Lieferant, die Firma_A, im Zeitpunkt der Einfuhr umsatzsteuerlich verfügungsberechtigt gewesen sei. Daher versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug bei der Bf. und setzte in weiterer Folge für die Monate November und Dezember 2011 Säumniszuschläge fest.

In der dagegen eingebrachten Berufung wandte sich die Bf. gegen diese rechtliche Beurteilung: Nachdem sie in der Zollanmeldung als Warenempfänger angeführt sei, sei sie auch zum Abzug der EUSt berechtigt. Im Zeitpunkt der Versendung der Waren seien die Waren und der Abnehmer genau konkretisiert, was auch vom Finanzamt nicht bestritten worden sei. Damit sei die Lieferung bereits vor der Einfuhr erfolgt.

Soweit sich das Finanzamt (im mündlichen Betriebsprüfungsverfahren) darauf stützte, die Firma_A sei eine „Briefkastenfirma“ weist die Bf. darauf hin, dass auch „Briefkastenfirmen“ Unternehmer iSd UStG sein könnten. Außerdem habe die Finanzverwaltung nicht ausreichend ermittelt, ob die Firma_A überhaupt Teil eines Umsatzsteuer-Karussellbetruges sei. Der Liefervorgang habe sich immer so abgespielt, dass die Bf. die Ware genau spezifiziert und danach eine größere Anzahlung geleistet habe. Nach Eintreffen der Ware sei diese begutachtet, danach der Kaufpreis vollständig entrichtet worden bis schließlich die Ware von der Firma_A „freigegeben“ wurde (d.h. der Spediteur wurde angewiesen, die Waren nach Bezahlung des Kaufpreises an die Bf. heraus zu geben). Damit sei trotz „on-hold-Klausel“ (die letztlich nur der Besicherung der Kaufpreisforderung diene) die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht bereits mit Beginn der Beförderung an die Bf. übergegangen.

Die Bf. verweist diesbezüglich auf ein Urteil des BFH vom , XI R 67/07, demzufolge auch bei einer „ship-on-hold -Klausel“ von einer Beförderungslieferung (iSd § 3 Abs 8 (ö)UStG 1994) auszugehen sei.

Hinsichtlich des Säumniszuschlages wurde um die Stornierung (mangels Abgabenschuld) ersucht.

In ihrer Stellungnahme zur Berufung führte die Betriebsprüfung ergänzend an, dass ihrer Ansicht nach eine „Domizilgesellschaft“ wie die Firma_A gar keine Verfügungsmacht an Waren verschaffen könne. Bei der Firma_A handle es sich lt. IWD-Abfrage um eine „Domizilgesellschaft“, die kein eigenes Personal beschäftige und von der kein Bankkonto bekannt sei (wer die Verfügungsmacht über das Bankkonto habe, auf das der Kaufpreis überwiesen wurde, bleibe im Dunklen). Auch die Geschäftsführerin der Bf. habe als Kontaktperson bei der Firma_A nur den Vornamen „Cyril“ nennen können. Daraus ergebe sich eindeutig, dass die Firma_A mangels selbständiger, nachhaltiger Tätigkeit zur Einnahmenerzielung kein Unternehmer iSd UStG sei.

Die von der Bf. als „größere“ Anzahlungen bezeichneten Zahlungen wurden nur in den ersten Fällen entrichtet und gehen über das Ausmaß von 3% des Kaufpreises nicht hinaus. Außerdem liege das Risiko der Beschädigung oder des Verlustes der Waren während des Transportes bei der verwendeten Intercom-Bestimmung bei der Bf.

Von der Steuerfahndung konnte bisher nachgewiesen werden, dass teilweise Lieferanten und Kunden der Bf. an einem Karussellbetrug beteiligt waren.

Rechtslage:

Die Einfuhrumsatzsteuerpflicht entsteht mit Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland (§ 1 Abs 1 Z 3 UStG 1994) und zwar unabhängig von einem Umsatz (zB ).

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer … erfolgt (§ 3 Abs 8 UStG 1994).

Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

- die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, (§ 12 Abs 1 Z 2. a UStG 1994)

- in den Fällen des § 26 Abs. 3 Z 2 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind (§ 12 Abs 1 Z 2. b UStG 1994).

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der Bestimmungen des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs 2 BAO).

Nach § 217 Abs 8 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Unbestrittener maßen sind Mobiltelefone aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und in der Folge von der Bf. weiterveräußert worden.

Damit ist zunächst die EUSt-Schuld iSd § 1 Abs 1 Z 3 UStG 1994 entstanden und zwar unabhängig davon, ob die Firma_A die Verfügungsmacht an den Waren verschafft hat bzw. verschaffen konnte oder nicht (vgl schon zitiert nach Ruppe/Achatz, § 1 Tz 442; oder ).

Tatsache ist ebenfalls, dass die Bf. die EUSt in Anwendung des § 26 UStG 1994 auf ihr Abgabenkonto verbuchen ließ.

Uneinigkeit herrscht zwischen den Verfahrensparteien darüber, ob der Einfuhr eine Lieferung zugrunde liegt oder nicht.

Das Finanzamt führt dazu widersprüchliche Behauptungen an: Einerseits wird erklärt, dass aufgrund der „on-hold-Klausel“ die Verfügungsmacht erst im Inland übergegangen sei. Andererseits wird konstatiert, dass die Firma_A als „Domizilgesellschaft“ mangels Unternehmereigenschaft gar keine Verfügungsmacht verschaffen könne. Nicht in Abrede gestellt wurde hingegen, dass die Bf. tatsächlich Waren übernommen und weiter veräußert hat.

Die Berufungswerberin vertritt demgegenüber die Auffassung, die Firma_A sei Unternehmer und habe bereits im Ausland geliefert.

In Hinblick darauf, dass der Maßstab für den Abzug der EUSt als Vorsteuer allein die Bestimmung des § 12 Abs 1 Z 2. b UStG 1994 ist (es kommt darauf an, ob der Gegenstand für das Unternehmen der Bf. eingeführt wurde), kann es in diesem Verfahren dahingestellt bleiben, ob die Firma_A Unternehmer iSd UStG ist oder nicht, weil in beiden Fällen die Waren für die Bf. eingeführt wurden. Die Gründe dafür sind:

Im Fall der „On-hold-Klausel“:

Vom Finanzamt wird nicht bestritten, dass die Waren - wie in der Beschwerdeschrift angeführt - bereits bei Bestellung spezifiziert waren und mit dem Auftrag versendet wurden, in die Verfügungsmacht der Bf. zu gelangen. Damit ist § 3 Abs 8 UStG 1994 für die Bestimmung des Ortes der Lieferung maßgeblich. Eine Lieferung gilt bei Beginn der Versendung in einem anderen Mitgliedstaat als dort ausgeführt, wenn der Gegenstand der Lieferung und die Person des Abnehmers fest stehen. Die Verschaffung der umsatzsteuerlichen Verfügungsmacht hängt dabei nicht vom (zivilrechtlichen) Gefahrenübergang oder ähnlichem ab. Daher steht es dem § 3 Abs 8 UStG 1994 auch nicht entgegen, dass die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst in ein inländisches Lager gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Erwerber herausgegeben wird. Dient diese "on-hold-Klausel" nämlich wie im Beschwerdefall dazu, die Kaufpreiszahlung zu sichern, führt dies umsatzsteuerlich nur dazu, dass der Lieferung der Charakter einer Nachnahmelieferung zukommt. Auch bei einer Versendungslieferung per Nachnahme, bei der die Übergabe an den Abnehmer davon abhängt, dass dieser den Kaufpreis entrichtet, gilt die Lieferung bereits an dem Ort als ausgeführt, an dem die Ware an den Beauftragten übergeben wird, ohne dass der Vorbehalt der Kaufpreiszahlung dem entgegensteht (vgl das bereits zit. Urteil des BFH, , XI R 67/07). Die Lieferung wird damit am Beginn der Versendung im Drittlandsgebiet ausgeführt.

Im Zeitpunkt der Einfuhr war die Bf. umsatzsteuerlich verfügungsberechtigt, weil die Gegenstände eingeführt wurden, um durch die Bf. (und nicht durch den Lieferanten) im Inland veräußert zu werden. Damit erfolgte die Einfuhr iSd § 12 Abs 1 Z 2. b UStG 1994 für ihr Unternehmen was sie berechtigt, die EUSt als Vorsteuer ab zu ziehen.

Im Fall der fehlenden Unternehmereigenschaft der „Domizilgesellschaft“:

Auch wenn die Firma_A mangels Unternehmereigenschaft die Verfügungsmacht an den Mobiltelefonen im umsatzsteuerlichen Sinn gar nicht verschafft, fällt bei Einfuhr der Waren in das Bundesgebiet dennoch Einfuhrumsatzsteuer an. Nachdem die Mobiltelefone nach der Einfuhr von der Bf. weiterveräußert wurden, ist die denklogische Konsequenz, dass die Mobiltelefone für das Unternehmen der Bf. nach Österreich eingeführt wurden. Das wiederum berechtigt die Bf. gemäß § 12 Abs 1 Z 2. b UStG 1994 zum Abzug der EUSt.

Nachdem in beiden vom Finanzamt aufgezeigten Sachverhaltsvarianten die Bf. zur Abzug der EUSt berechtigt ist, war der Beschwerde ohne Überprüfung der steuerlich maßgebenden Umstände des Lieferanten statt zu geben. Die Feststellung, ob die ausländische Firma_A Unternehmer iSd UStG ist oder nicht, bleibt dem Finanzamt im weiteren Verfahren unbenommen.

Zum Säumniszuschlag:

Unbestritten ist, dass der mit den bekämpften Bescheiden festgesetzte Umsatzsteuerbetrag nicht zur Fälligkeit entrichtet und damit die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages eingetreten ist. Säumniszuschläge setzen jedoch voraus, dass eine Verpflichtung zur Entrichtung der betreffenden Abgabe dem Grunde nach besteht.

Mit diesem Erkenntnis werden die Festsetzungsbescheide aufgehoben. Damit ist die den Säumniszuschlag begründende Umsatzsteuernachforderung weggefallen.

Da die Festsetzung des Säumniszuschlages im Berufungswege bekämpft wurde, war über den Wegfall des Säumniszuschlages in dieser Berufungssache zu entscheiden (vgl. zuletzt oder -G/11 beide unter Hinweis auf -G/05 und -G/06).

Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen (§ 217 Abs 8 BAO). Nachdem die Grundlage für den strittigen Säumniszuschlag weggefallen ist, geht auch die Verhängung des Säumniszuschlages ins Leere. Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Revision:

Da zur Rechtsfrage, ob der „on-hold-Klausel“ umsatzsteuerliche Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsortes zukommt, noch keine Judikatur des VwGH vorliegt, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision zulässig.

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
BFH, XI R 67/07
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.2100749.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at