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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2015, RV/1100310/2012

Auch Sachbezug einer pädagogisch qualifizierten Au-Pair-Kraft ist abzugsfähig

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100310/2012-RS1
Hat ein Steuerpflichtiger mit Au-Pair-Kräften Arbeitsverträge besonderer Art abgeschlossen, kommen alle Aufwendungen die er aus diesem Rechtsgrund getragen hat, die ihre Wurzel also im Dienstverhältnis haben, grundsätzlich als Aufwendungen gemäß § 34 Abs 6 iVm Abs 9 in Frage. Entscheidend ist nicht, welchem Empfänger gegenüber eine Leistung erbracht wird bzw. wie der Zahlungsfluss verläuft, sondern für welchen Zweck bzw. aus welchem Grund sie erbracht wurde (vgl. ; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34 Anm. 77 i). Oder mit anderen Worten: Sind mit der Kinderbetreuung im engeren Sinn andere Kosten untrennbar verbunden, stellen auch diese Aufwendungen im Sinne von § 34 Abs. 6 EStG 1988 dar.
RV/1100310/2012-RS2
Hat bis zum Ablauf des Oktobers des Streitjahres die pädagogische Ausbildung der zu diesem Zeitpunkt zwanzigjährigen Au-Pair-Kraft allein im Besuch eines Volkshochschule-Kurses mit insgesamt acht Unterrichtseinheiten bestanden, so ist der Schluss des Finanzamts, dass diese in der fraglichen Zeit nicht entsprechend - wie vom Gesetz gefordert - pädagogisch qualifiziert war, zutreffend (vgl. auch ; Reichel/Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 34 Tz. 4.2; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34 Anm. 77r; Ryda/ Langheinrich, FJ 2012, 11).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Romuald Kopf in der Beschwerdesache des Bf, vertreten durch WT, gegen den Bescheid des FA Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2010 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.

Die Einkommensteuer 2010 wird festgesetzt mit 1.492,06 €.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, nachfolgend Bf abgekürzt, machte in seiner Steuerklärung für das Streitjahr für jedes seiner drei minderjährigen Kinder (geb. 2000, 2003 und 2008) Betreuungskosten in Höhe von 2.300 € als außergewöhnliche Belastung geltend.

Das Finanzamt hat die geltend gemachten Aufwendungen in zweierlei Hinsicht nur eingeschränkt anerkannt. Zum einen versagte es den in Form von Verpflegung und Unterkunft erbrachten Sachleistungen die steuermindernde Anerkennung. Zum anderen verneinte es bei einer Au-Pair-Kraft zeitlich eingegrenzt das Vorliegen der gesetzlich geforderten Qualifikation mit der Folge, dass auch die von Juni bis einschließlich Oktober des Streitjahres geleisteten (Geld)Löhne keine Berücksichtigung fanden.

Strittig sind zwei Fragen:

1.) Sind auch Aufwendungen des Bf, die in Form von Sachleistungen an die Betreuungskräfte bzw als Lohnnebenkosten für ebendiese geleistet wurden, als abzugsfähige Betreuungsaufwendungen zu werten?

2.) Ist eine im Streitjahr 20-jährige Betreuungskraft als pädagogisch qualifizierte Person im Sinne des Gesetzes anzusehen, wenn und solange sie lediglich einen Kurs mit 8 Unterrichtseinheiten besucht hat?

Der maßgebliche Sachverhalt wurde wie folgt festgestellt:

Der Bf beschäftigte vom bis zum 17.5. des Streitjahres O.G. sowie vom bis über das Ende des Streijahres hinaus G.L. als sogenannte Au-Pair-Kräfte. Rechtliche Basis der Beschäftigung bildete ein standardisierter "Au-pair-Vertrag". Gemäß Punkt I. des Vertrages nahm der Bf die ausländische Kraft als Arbeitgeber in den Kreis der Familie auf. Im Gegenzug war vereinbart, dass die Au-Pair-Kraft "im Haushalt, einschließlich der Kinderbetreuung", mithilft. Gemäß Punkt II. des Vertrages wurde einerseits eine leichte Mithilfe der Au-Pair-Kraft "im Haushalt, einschließlich Kinderbetreuung", in einem bestimmten Ausmaß vereinbart, andererseits die Überlassung eines versperrbaren Zimmers zur alleinigen Benutzung, die volle Verpflegung sowie ein Entgeltanspruch nach dem Mindestlohntarif für Au-Pair-Kräfte.

Nach dem Vorbringen des Bf waren die Au-Pair-Kräfte ausschließlich für die Kinderbetreuung zuständig. Dieses Vorbringen trifft nach Überzeugung des Gerichtes nicht uneingeschränkt zu. Klar ist, dass das Schwergewicht der Au-Pair-Beschäftigung eindeutig in der Betreuung der minderjährigen Kinder lag. Dies ergibt sich im Beschwerdefall aus dem grundsätzlich glaubwürdigen Parteienvorbringen (Berufung vom ), der Erklärung der Großeltern der betreuten Kinder, der zusätzlichen Beschäftigung einer Haushaltshilfe und nicht zuletzt auf Grund der Unterstützung durch Eltern und Schwiegervater. Allerdings haben die Au-Pair-Kräfte nach Überzeugung des Gerichts im Hinblick auf die bereits erwähnten vertraglichen Grundlagen der Beschäftigung und unter Bedachtnahme auf die (durch Internet-Recherchen bestätigen) Lebenserfahrungen auch Tätigkeiten verrichtet, die über die Kinderbetreuung hinausgingen. Dieser auf (leichte) Haushaltsarbeiten entfallende (nichtabzugsfähige) Anteil der Beschäftigung wird im Beschwerdefall mit 10% geschätzt. Denn es ist geradezu unmöglich, reine Betreuungsleistungen zu erbringen und in diesem Zusammenhang anfallende Haushaltsarbeiten gleichsam links liegenzulassen bzw nicht zu verrichten. Beispielsweise ist es praktisch unumgänglich, Kinderwäsche, die akut gewechselt werden muss, auch in die Waschmaschine zu geben. Ebenso wird eine Au-Pair-Kraft nicht nein sagen, sondern mit gutem Beispiel vorangehen, wenn nach dem Spielen, die Spielsachen zu verräumen und das Kinderzimmer aufzuräumen ist. Auch ist die Erledigung von Besorgungen wohl eine Selbstverständlichkeit, nachdem ein Kind in den Kindergarten begleitet wurde. Auch wird die allfällige Versorgung der Kinder mit Essen das Befüllen der Geschirrspülmaschine und Reinigen des Tisches nach sich ziehen. Schließlich ist es andererseits wohl auszuschließen, dass die Eltern des Bf ihn und seine Frau bei der Verrichtung von Hausarbeiten in so hohem Umfang unterstützten, dass für die Au-Pair-Kräfte keine Hausarbeit übrig blieb. Zusammenfassend bedeutet dies: In einem 5 - 6 köpfigen Haushalt mit erwerbstätigen Eltern fällt erfahrungsgemäß so viel Hausarbeit an, dass auch eine schwerpunktmäßig mit der Kinderbetreuung befasste Au-Pair-Kraft sich ihr nicht gänzlich entziehen kann, zumal wenn dies vertraglich auch so vorgesehen war und letztlich auch von der steuerlichen Vertretung mit E-Mail vom (indirekt) bestätigt wurde ("Frau L. G. war im Jahr 2010 ab dem 21.6. im Haushalt beschäftigt.")

Bis zum November des Streitjahres bestand die pädagogische Ausbildung der am geborenen G.L. im Besuch eines Volkshochschule-Kurses mit insgesamt 8 Unterrichtseinheiten (Weil du es mir wert bist! Kinderbetreuung mit Verantwortung).

Der Bf machte folgende Kosten für die Kinderbetreuung steuermindernd geltend (vgl. Vorhaltsbeantwortung vom , E-Mail an das ):


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Brutto-Bar-Lohn (O.G. 1 - 5, inkl. Sonderzahlung)
1.905,96
Brutto-Bar-Lohn  (G.L. 6 - 12, inkl. Weihnachtsremunaration)
2.660,00
Volle freie Station (O.G.)
895,98
Volle freie Station (G.L.)
1.242,60
AMS-Gebühren (G.L.)
26,90
Aufenthaltstitel (G.L.)
80,00
Versicherung (monatl. 39 € für G.L.)
273,00
Kurse
55,00
Summe
7.139,44

Obiger Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

Gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1988 (i.d.F. BGBl. I Nr. 79/2009) gelten Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2.300 Euro pro Kind und Kalenderjahr unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:

1. Die Betreuung betrifft (u.a.) ein Kind i.S.d. § 106 Abs. 1.

2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet.

3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG können Aufwendungen für die Kinderbetreuung i.S.d. Abs. 9 ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Auf Basis des festgestellten Sachverhaltes sind die eingangs gestellten Fragen vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund wie folgt zu beantworten:

zu 1: Das Gericht kann nicht erkennen, dass die zitierte Bestimmung den restriktiven Inhalt hat, den ihm das Finanzamt beigemessen hat. Als Aufwendungen für die Betreung von Kindern sind vielmehr alle Geld- und Sachleistungen zu verstehen, die der Bf den pädagogisch qualifizierten Betreuungskräften als Gegenleistung für deren Kinder-Betreuungsleistungen gewährt hat. Der Bf hat mit den Au-pair-Kräften Arbeitsverträge besonderer Art abgeschlossen. Alle Aufwendungen die er aus diesem Rechtsgrund getragen hat, die ihre Wurzel also im Dienstverhältnis haben, kommen deshalb grundsätzlich als Aufwendungen im Sinne der zitierten Bestimmung in Frage. Entscheidend ist nicht, welchem Empfänger gegenüber eine Leistung erbracht wird bzw wie der Zahlungsfluss verläuft, sondern für welchen Zweck bzw aus welchem Grund sie erbracht wurde (vgl. ; Wanke in Wiesner/Grabner/WankeEStG § 34 Anm. 77 i). Oder mit anderen Worten: Sind mit der Kinderbetreuung im engeren Sinn andere Kosten untrennbar verbunden, stellen auch diese Aufwendungen  im Sinne von § 34 Abs. 6 EStG 1988 dar. Insbesondere wäre es nicht einsichtig, weshalb die mit Betreuungsentgelt verbundene Umsatzsteuer (LStR Rz 884f), nicht aber die mit dem Betreuungslohn nicht minder verbundene Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge zu den abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten zählen sollen. Ebenso wäre es inkonsequent, nur in Geld bezahlte Löhne, nicht aber in Sachleistungen gewährte Bezüge als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen. In diesem Sinn steht für das Gericht zweifelsfrei fest, dass mit Ausnahme des Betrages vonn 55 €, den der Bf dafür aufgewendet hat, dass eine Au-Pair-Kraft einen ersten Schritt in Richtung pädagogische Qualifizierung durch Besuch eines Kurses machen konnte, alle vom Bf geltend gemachten und oben angeführten Aufwendungen (nach Abzug des Anteils für die Mithilfe im Haushalt) für die Kinderbetreuung getätigt worden.

Zu 2: Unbestritten ist, dass  bis zum Ablauf des Oktobers des Streitjahres die pädagogische Ausbildung der am geborenen G.L. allein im Besuch eines Volkshochschule-Kurses mit insgesamt 8 Unterrichtseinheiten bestanden hat. Das Finanzamt hat daraus den Schluss gezogen, dass die Genannte in der fraglichen Zeit nicht entsprechend - wie vom Gesetz gefordert - pädagogisch qualifiziert war. Das Gericht teilt diese Auffassung und verweist diesbezüglich auf Rechtsprechung () und Fachliteratur (Reichel/Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 34 Tz. 4.2; Wanke in Wiesner/Grabner/WankeEStG § 34 Anm. 77 r; FJ 2012, 11). 

Das bedeutet, dass die nachfolgend aufgelisteten Aufwendungen des Bf gem. § 34 Abs. 9 EStG 1988 ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung steuermindernd abzuziehen sind.


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Brutto-Bar-Lohn (O.G. 1 - 5, inkl. Sonderzahlung)
1.905,96
Brutto-Bar-Lohn  (G.L. 11- 12, inkl. aliquote Weihnachtsremunaration )
846,67
Volle freie Station (O.G.)
895,98
Volle freie Station (G.L. 11 -12)
392,40
AMS-Gebühren (G.L.)
26,90
Aufenthaltstitel (G.L.)
80,00
Versicherung (39 € für G.L. 11 - 12)
78,00
Summe
4.225,91
Davon 90 %
3.803,32
Je Kind
1.267,77

Der Beschwerde war somit teilweise stattzugeben. Abgesehen von den Kinderbetreuungskosten, die nach diesem Erkenntnis mit insgesamt 3.803,32 € zu berücksichtigen sind, wird (auch hinsichtlich der Abgabenberechnung) auf die Berufungsvorentscheidung vom verwiesen.

Zulässigkeit der Revision: Höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, was unter einer pädagogisch qualifizierten Person zu verstehen ist, fehlt. Die zu dieser Rechtsfrage publizierten Positionen divergieren erheblich (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/WankeEStG § 34 Anm. 77 r;). Insoweit erging das Erkenntnis zu einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.1100310.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at