Vergnügungssteuerpflicht virtueller Hunderennen
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zl. Ra 2015/17/0056. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch RA Dr. Maria Brandstetter, Stephansplatz 4/VIII, 1010 Wien gegen den Bescheid des Magistrat der Stadt Wien MA 6 Rechnungs- und Abgabenwesen vom , GZ MA 6/DII/R2-13341/2014, betreffend Vergnügungssteuer im Betrieb X in Adresse, für die Monate Juli 2013 bis Jänner 2014 samt Verspätungs- und Säumniszuschlag zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im Verfahren, ob das Ausspielen von Wetten auf virtuelle Hunde- und Pferderennen eine vergnügungssteuerpflichtige Tätigkeit nach dem Gesetz über die Besteuerung von Vergnügungen im Gebiete der Stadt Wien (Vergnügungssteuergesetz 2005 - VGSG) darstellt.
Über die Beschwerde wurde nach Vorlage der Akten und Zurückziehung der Anträge der Beschwerdeführerin (Bf) auf Senatsentscheidung und mündliche Verhandlung erwogen:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Beschwerdeführerin übte im Lokal in Adresse, das freie Gewerbe „Vermittlung von Wettkunden zu einem befugten Buchmacher/Wettbüro unter Ausschluss der den Buchmachern und Totalisateuren vorbehaltenen Tätigkeiten“ aus. In Ausübung ihres Gewerbes hatte sie einen Vermittlungsvertrag für Wetten mit der B abgeschlossen.
Die für die Wettannahme und -vermittlung erforderlichen handelsüblichen EDV-Geräte (PC, Monitor, Ticketdrucker, Maus, Tastatur etc) hatte die Beschwerdeführerin von der P GmbH gemietet, diese war auch Herstellerin der auf diesen Geräten verwendeten Wettsoftware.
Die Beschwerdeführerin vermittelte unter Einsatz dieser Geräte und der Wettsoftware die von den Kunden gewünschten Wetten zur B. Diese hat ihren Sitz in Uruguay und nimmt die Wetten dort an, weshalb der Wettabschluss in Uruguay erfolgte.
Als technische Ausstattung waren im Lokal neben der genannten EDV-Anlage (zur Vermittlung von Wetten) eine Vielzahl an Fernsehgeräten (Flachbildschirmen) vorhanden, welche im Eigentum der Beschwerdeführerin standen, sowie Decoder um das Satellitenprogramm S empfangen zu können. Mitte Jänner 2012 ist das Satellitenprogramm eingestellt worden, seither sind die virtuellen Rennen auf der Homepage S.com zu betrachten.
Die Fernsehgeräte wurden einerseits dazu verwendet, Informationen des Buchmachers wie Quoten und Resultate für die Wettkunden anzuzeigen, und andererseits um Ereignisse wie zB Fußballspiele oder virtuelle Hunde- und Pferderennen darzustellen, auf die gewettet werden konnte.
Unter den von der Beschwerdeführerin vermittelten Wetten befanden sich auch Wetten auf virtuelle Hunde- und Pferderennen.
Diese virtuellen Hunde- und Pferderennen werden von S veranstaltet. S ist ein englischer Buchmacher, auf dessen Homepage S.com auch direkt auf die virtuellen Rennen gewettet werden kann.
Bis Mitte Jänner 2012 wurden die virtuellen Rennen sowohl über den Satellitenfernsehsender S als auch über die Homepage S.comgezeigt, seit Mitte Jänner 2012 nur mehr über diese Homepage.
Diese Rennen finden täglich rund um die Uhr regelmäßig in einem Abstand von früher drei, nunmehr vier Minuten statt; im Streitzeitraum im Abstand von drei Minuten. Innerhalb dieser drei bzw vier Minuten ist anfänglich am Bildschirm ersichtlich, wann das nächste Rennen beginnt. Weiters werden die teilnehmenden virtuellen Hunde mit ihrem jeweiligen Namen und der Startnummer vorgestellt.
Zu jedem Tier werden Informationen wie der Name, die Startbox, der Trainer und die aktuelle, in einer vierstelligen Zahl ausgedrückte Form und die Wettquote von S bzw S angezeigt. Diese vierstellige Zahl (Form) zeigt die vom jeweiligen Tier in den letzten vier Rennen erreichten Plätze an. Diese Angaben werden täglich aktualisiert. Zu Beginn des Rennens verschwinden die Quotenanzeigen, nach Ende des Rennens sind die drei bzw vier Minuten verstrichen.
Auf der Homepage S.combesteht die Möglichkeit, sich über die in den nächsten zwei Stunden beginnenden Rennen, und die vergangenen zehn Rennen zu informieren. Die Rennen können von jedermann auch jederzeit auf der Homepage S.com aufgerufen werden. Auf den Fernsehgeräten im Lokal der Beschwerdeführerin wurde ein Ausschnitt der Homepage bzw des Programms S gezeigt, auf welchem jeweils das virtuelle Rennen zu sehen war.
Informationsquelle für den Wettkunden war neben Namen, Startbox, Trainer, Form und der von S für das jeweilige Tier festgesetzten Quote weiters die vom Buchmacher ( B ) festgesetzte Quote.
Der Buchmacher (B) errechnete selbst eine Wettquote aufgrund der prinzipiellen Leistungsstärke, der aktuellen Form, des Trainers und der aktuell konkurrierenden Tiere. Diese Informationen standen auf gesonderten Bildschirmen im Lokal der Beschwerdeführerin zur Verfügung. Die Buchmacherquoten der B sind durch den Wettvermittler (die Beschwerdeführerin) nicht veränderbar. Sie orientieren sich an den Wettquoten von S bzw S, sind jedoch bei höheren Gewinnmöglichkeiten häufig etwas niedriger. Der Buchmacher (B) verfügt über dieselben, der Homepage der S zu entnehmenden Informationen wie die Wettkunden.
Ab dem Rennstart werden keine Spieleinsätze mehr angenommen. Der Buchmacher (B) muss jedes einzelne Rennen manuell in sein Wettsystem aufnehmen und entsprechende Quoten festlegen und nach dem Rennen manuell den jeweiligen Sieger eingeben. Bei Beginn des Rennens wird die Wettannahmemöglichkeit vom Buchmacher (B) manuell gestoppt. Ab diesem Zeitpunkt können vom Wettvermittler (Beschwerdeführerin) keine Wetten mehr angenommen werden.
Zwischen der Vorführung der virtuellen Rennen über Fernsehgeräte und der für die Wettannahme und -vermittlung erforderlichen EDV-Anlage besteht keine technische Verbindung. Es besteht kein technischer Zusammenhang zwischen dem Ausgang der virtuellen Rennen und der EDV-Anlage, welche der Wettvermittlung dient. Auf den Inhalt des übertragenen Fernsehprogrammes bzw der wiedergegebenen Homepage hat weder der Wettvermittler (die Beschwerdeführerin), noch der Buchmacher (B) Einfluss. Weder der Wettvermittler (Beschwerdeführerin) noch der Buchmacher (B) noch die P GmbH haben Einfluss auf den Ausgang der Rennen.
Weder dem Kunden noch dem Buchmacher (B) oder dem Wettvermittler (Beschwerdeführerin) sind die Ergebnisse der virtuellen Rennen im Vorhinein bekannt. Der Ausgang des virtuellen Rennens liegt bei Wettabschluss für alle Beteiligten in der Zukunft. Das Abspielen der Rennen auf den Bildschirmen im Lokal erfolgt unabhängig von diesbezüglichen Wettabschlüssen. Die Auswahl des jeweiligen Rennens, auf das gewettet wird, erfolgt jeweils bereits vor Wettabschluss. Weder die Beschwerdeführerin noch der Buchmacher B noch die P GmbH stehen mit S in einer Geschäftsbeziehung.
Die Rennen finden unter einem fixen Bestand von 1080 virtuellen Hunden statt. Diese Hunde haben jeweils einen individuellen Namen. Es gibt Hunde, die bessere und Hunde, die schlechtere Rennleistungen erbringen. Mehrere Hunde sind jeweils einem bestimmten Trainer zugeordnet. Dabei gibt es Trainer mit tendenziell eher erfolgreichen und Trainer mit tendenziell eher erfolglosen Hunden. Diese Hunde werden abwechselnd in Konstellationen zu je sechs Hunden gegeneinander in die Wettbewerbe geschickt.
Es handelt sich bei diesen virtuellen Rennen um jeweils elektronisch erzeugte (computergenerierte) Rennen und nicht um Aufzeichnungen.
Die Vermittlung der Wetten im Lokal der Beschwerdeführerin erfolgte überwiegend über Schaltermitarbeiter. Sportwetten wurden teilweise auch über Wettautomaten mit Touch-Screen-Monitor vermittelt, nicht jedoch Wetten auf (echte oder virtuelle) Hunde- und Pferderennen, diese wurden ausnahmslos nicht über Wettautomaten, sondern über Schaltermitarbeiter vermittelt.
Der Wettabschluss erfolgte, indem der Wettkunde einen Mitarbeiter im Lokal der Beschwerdeführerin mit der Vermittlung einer Wette auf ein virtuelles Rennen beauftragte. Der Mitarbeiter gab die Wette manuell in das EDV-System der Beschwerdeführerin ein und händigte dem Kunden einen Ticketausdruck mit einem Barcode aus. Im Fall eines Gewinnes wurde mittels eines Barcode-Scanners der Wettschein überprüft, verbucht und ausbezahlt.
Der Mindesteinsatz betrug EUR 1,00. Der Wettvorgang unterschied sich für den Kunden nicht vom Vorgang bei anderen Wetten, etwa Wetten auf Rennen von echten Hunden oder Pferden oder zB auf Fußballspiele. Mit der genannten EDV-Anlage wurden unter Vornahme der gleichen manuellen Handlungen auch die im Lokal angebotenen Sportwetten und Sport-Livewetten erfasst. Der Wettkunde konnte seinen Wettbeleg zumindest 45 Tage lang einlösen.
Die Wettkunden konnten unabhängig von jeglicher Abgabe einer Wette im Lokal die virtuellen Hunde- und Pferderennen auf den Fernsehbildschirmen betrachten. Die Wettkunden konnten im Lokal Wetten auf die virtuellen Hunde- und Pferderennen abgeben, ohne dass sie diese im Lokal tatsächlich verfolgen mussten.
Für die Funktionstüchtigkeit des Wettsystems war es unerheblich, ob beim Wettvermittler das Satellitenprogramm übertragen bzw die Homepage wiedergegeben wurde.
Der Ausgang der von S veranstalteten virtuellen Hunde- und Pferderennen und die Vorhersagbarkeit des bewetteten Ereignisses ist nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig. Mit entsprechendem Geschick können Gewinnchancen entsprechend der Erfahrung des Wettteilnehmers deutlich vom Mittelwert abweichen.
Bei den virtuellen Rennen gibt es vereinfacht drei Gruppen von Hunde bzw Pferden:
(1) Top-Performer: jene Hunde bzw Pferde, die in 75 % der Fälle die Ränge 1-3 belegen.
(2) Underdogs: jene Hunde bzw Pferde, die in 75 % der Fälle die Ränge 4-6 oder mehr belegen.
(3) Mittelmaß: jene Hunde bzw Pferde, die weder in Gruppe 1 oder Gruppe 2 liegen.
Die Ergebnisse des einzelnen Hundes bzw Pferdes schwanken innerhalb der jeweiligen Gruppe Top-Performer, Underdog oder Mittelmaß. Diese Schwankungen werden bei elektronisch erzeugten Rennen innerhalb der jeweiligen Gruppe Top-Performer, Underdog oder Mittelmaß mittels eines Zufallsgenerators simuliert. Dabei kommen die elektronisch erzeugten Rennen den „natürlichen“ Rennen mehr als nahe, da diese „natürlichen“ Rennen weit größere Schwankungen innerhalb der gleichen Gruppen ausweisen, weil Einflüsse des Wetters und der Tagesverfassung des einzelnen Tieres erheblich sein können. Aus den zur Verfügung gestellten Informationen lässt sich die Leistungsstärke der an den virtuellen Rennen teilnehmenden Tiere einschätzen und damit eine ernsthafte Voraussage des wahrscheinlichen Rennausgangs treffen.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Der bis zu den Worten „Für die Funktionstüchtigkeit des Wettsystems war es unerheblich, ... bzw die Homepage wiedergegeben wurde.“ dargestellte Teil der Feststellungen ist unstrittig. Diese Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sowie auf die Feststellungen des Revisionsbeamten und auf die Ausführungen im Abgabenbescheid.
Die weiteren, ab den Worten „Der Ausgang der virtuellen Hunde- und Pferderennen und die Vorhersagbarkeit ...“ getroffenen Feststellungen gründen sich neben dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (bzw ihrer Vertreterin) insbesondere auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten nachvollziehbaren Gutachten ( SV ). Im Verfahren sind keine Gründe hervorgekommen, die Anlass gäben, an der Richtigkeit dieser Gutachten zu zweifeln. Seitens des Magistrates der Stadt Wien wurden keine diesen Gutachten widersprechenden Beweismittel beigebracht.
Rechtlich folgt daraus:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Besteuerung von Vergnügungen im Gebiete der Stadt Wien (Vergnügungssteuergesetz 2005 - VGSG), LGBl Nr 56/2005 (§ 6 Abs 1 idF vor LGBl Nr 19/2011) lauten auszugsweise:
„Steuergegenstand
§ 1 (1) Folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen unterliegen einer
Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes: [...]
3. Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten (§ 6); [...]
(2) Bei Verwirklichung eines der Tatbestände des Abs 1 wird die Steuerpflicht nicht
dadurch ausgeschlossen, dass gleichzeitig auch erbauende, belehrende oder andere nicht als Vergnügungen anzusehende Zwecke verfolgt werden oder dass der Unternehmer nicht die Absicht hat, eine Vergnügung zu veranstalten.
[...]
Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten
§ 6 (1) Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann, [ und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz,
BGBl. Nr. 620/1989 , in der Fassung
BGBl. I Nr. 111/2010 , erteilt wurde,]* beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1 400 Euro. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.
* eingefügt durch LGBl Nr 19/2011
(2) Für das Halten von Spielapparaten mit Bildschirmen, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) nicht erzielt werden kann, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 100 Euro.
[...]
(4) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Steuer endet erst mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Abmeldung des Apparates erfolgt oder die Abgabenbehörde sonst davon Kenntnis erlangt, dass der Apparat vom Steuerpflichtigen nicht mehr gehalten wird.
[...]
Steuerpflicht und Haftung
§ 13 (1) Steuerpflichtig ist der Unternehmer der Veranstaltung. Unternehmer der Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird oder die Entgelte gefordert werden. Sind zwei oder mehrere Unternehmer (Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldner steuerpflichtig. In den Fällen des § 1 Abs 1 Z 3 gelten auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Gesamtschuldner.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrmals mit „Hunderennwettautomaten“ auseinandergesetzt und dabei das Vorliegen eines Spielapparates bejaht, wenn bei dem gegenständlichen Spielprogramm nicht auf ein künftiges sportliches Ereignis gewettet werden konnte, sondern der Ausgang des Spieles davon abhing, welches bereits stattgefundene Rennen nach bzw vor dem Setzen ausgewählt wurde.
Im Gegensatz dazu hängt bei einer „Sportwette“ die Entscheidung über das Spielergebnis nicht vorwiegend vom Zufall ab, weil der Wettende seine Kenntnisse betreffend die Umstände bei der sportlichen Veranstaltung (zB betreffend Hunderennen die Trainingsverfassung und den gesundheitlichen Zustand der einzelnen Tiere, die Stärken der Hunde bei der zu erwartenden Wetterlage etc) einbringt und diese Kenntnisse im Hinblick auf den Ausgang des jeweiligen sportlichen Ereignisses das Zufallselement überwiegen ( mwN).
Sind Tipps nicht auf ein bestimmtes, in der Zukunft liegendes Ereignis (mit ungewissem Ausgang) bezogen, liegt keine Wette vor (). Im Streitfall lagen keine Wetten auf in der Vergangenheit stattgefundene, aufgezeichnete Rennen vor. Es handelte sich bei den streitgegenständlichen virtuellen Hunde- und Pferderennen vielmehr um elektronisch erzeugte Rennen, die so noch nicht stattgefunden hatten und für alle Beteiligten in der Zukunft lagen. Bei den streitgegenständlichen Wetten handelte es sich also um Wetten auf bestimmte in der Zukunft liegende Ereignisse (mit ungewissem Ausgang).
Von der in § 1 Abs 1 Z 3 VGSG festgelegten Steuerpflicht für die „veranstaltete Vergnügung“ des Haltens von Spielapparaten sind nur Spielapparate umfasst, denen nach ihrer Funktion ein ausreichender Unterhaltungswert (eine Vergnügungskomponente) im Sinne des finanzausgleichsrechtlichen Begriffsverständnisses innewohnt.
Nach dem finanzausgleichsrechtlichen Begriffsverständnis der Vergnügung bzw Lustbarkeit muss zwar nicht zwingend eine Veranstaltung vorliegen, aber seitens des Anbieters muss eine Art von Unterhaltung geboten werden. Bei der Betätigung eines Apparates ist darauf abzustellen, ob diese Betätigung selbst die Eignung besitzt, den Benützer zu unterhalten, ob also die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen einem Spiel, also einer bloß dem Vergnügen und Zeitvertreib dienenden Vorgangsweise gleichkommt ().
Bei Wettterminals, die keine über eine dezentrale elektronische Wettannahmestelle hinausgehende Funktion erfüllen, tritt das spannende und unterhaltende Element erst nach Vertragsschluss ein, nämlich in dem Zeitpunkt, wenn das Sportereignis, auf das die Wette abgeschlossen wurde, stattfindet. Bei (der Betätigung von) solchen Geräten handelt es sich daher nicht um eine Lustbarkeit im Sinn des § 14 Abs 1 Z 8 und 9 FAG 2008, die der Landesgesetzgeber unter diesem Titel einer Vergnügungssteuer unterwerfen darf ( mwN; insbesondere unter Verweis auf G 6/12).
Im Streitfall kommt es somit darauf an, ob das spannende und unterhaltende Element erst nach Vertragsabschluss eintrat, nämlich in dem Zeitpunkt, wenn das Ereignis, auf das die Wette abgeschlossen wurde, stattfand oder ob die Betätigung des Apparates selbst die Eignung besaß, den Benützer zu unterhalten, ob also die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen einem Spiel, also einer bloß dem Vergnügen und Zeitvertreib dienenden Vorgangsweise gleichkam.
Zwischen den von S veranstalteten virtuellen Rennen und der EDV-Anlage (im Lokal) der Beschwerdeführerin bestand kein technischer Zusammenhang. Ebenso bestand kein technischer Zusammenhang zwischen der Darstellung dieser virtuellen Rennen im Lokal der Beschwerdeführerin und der EDV-Anlage (im Lokal) der Beschwerdeführerin. Die virtuellen Rennen wurden nicht vom Wettvermittler (Beschwerdeführerin) oder vom Buchmacher (B), sondern von einem unbeteiligten Dritten (S) veranstaltet
Die virtuellen Rennen fanden unabhängig vom allfälligen Abschluss einer Wette statt. Die Wiedergabe der virtuellen Rennen auf den Bildschirmen im Lokal der Beschwerdeführerin erfolgte unabhängig von diesbezüglichen Wettabschlüssen. Wettabschlüsse waren möglich, ohne die virtuellen Rennen selbst im Lokal zu verfolgen. Wetten konnten idR auch schon zwei Stunden vor den virtuellen Rennen abgegeben werden. Der Wettbeleg konnte zumindest 45 Tage lang eingelöst werde.
Der Wettvorgang (die Tippabgabe) unterschied sich für den Wettkunden nicht vom Vorgang bei Wetten auf Rennen von echten Hunden oder Pferden.
Die von S veranstalteten virtuellen Rennen finden unter einem fixen Bestand von 1080 Hunden statt. Diese Hunde haben jeweils einen Namen sowie einen Trainer, von dem bekannt ist, ob er tendenziell eher erfolgreiche oder tendenziell eher erfolglose Hunde trainiert. Von den an den virtuellen Rennen teilnehmenden Hunden wird jeweils angezeigt, wie sie in den letzten vier Rennen abgeschnitten haben (Form). Sowohl der Veranstalter der virtuellen Rennen (S) als auch der Buchmacher (B) erstellen entsprechende Quoten.
Unter den Hunden bzw Pferden gibt es Top-Performer, Underdogs und mittelmäßige Tiere, wobei die Ergebnisse des einzelnen Hundes bzw Pferdes innerhalb der jeweiligen Gruppe schwanken. Diese Schwankungen werden innerhalb der jeweiligen Gruppe mittels eines Zufallsgenerators simuliert. Dabei kommen die elektronisch erzeugten Rennen den „natürlichen“ Rennen mehr als nahe, da diese „natürlichen“ Rennen weit größere Schwankungen innerhalb der gleichen Gruppen ausweisen, weil Einflüsse des Wetters und der Tagesverfassung des einzelnen Tieres erheblich sein können.
Der Ausgang der virtuellen Rennen und die Vorhersagbarkeit des bewetteten Ereignisses ist nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig. Mit entsprechendem Geschick können Gewinnchancen entsprechend der Erfahrung des Wettteilnehmers deutlich vom Mittelwert abweichen.
Da der Bestand der Hunde feststeht und sämtliche virtuellen Rennen im Internet übertragen werden, besteht für den interessierten Wettkunden darüber hinaus die Möglichkeit, durch Beobachtung der virtuellen Rennen festzustellen, wie die einzelnen Hunde bei den virtuellen Rennen jeweils abschneiden und auch diese Beobachtungen in seine Tippentscheidung einzubeziehen.
Ausgehend von den genannten Informationsquellen ist es für den Wettkunden möglich, eine ernsthafte Voraussage des wahrscheinlichen Rennausganges zu treffen.
Da es sich um künstlich generierte virtuelle Rennen handelt, bei denen es bestimmte Faktoren wie zB ergebnisrelevante Ereignisse im Vorfeld des Wettkampfes oder zu erwartende Wetterbedingungen nicht gibt, spielen diese Faktoren für den Rennausgang auch keine Rolle.
Da es für den Wettkunden möglich war, eine ernsthafte Voraussage des wahrscheinlichen Rennausganges zu treffen, trat das spannende und unterhaltende Element erst nach Vertragsschluss ein, nämlich in dem Zeitpunkt, wenn das Ereignis, also das virtuelle Hunde- oder Pferderennen, auf das die Wette abgeschlossen wurde, stattfand. Der alleinige Unterhaltungswert lag nur in der Spannung, ob das gesetzte Rennergebnis eintrat.
Die Anlage der Beschwerdeführerin erfüllte damit keine über eine dezentrale Wettannahme hinausgehende Funktion, sie diente lediglich dazu, den Wettvertrag abzuschließen. Der Anlage der Beschwerdeführerin wohnte damit ihrer Funktion nach kein ausreichender Unterhaltungswert (keine Vergnügungskomponente) inne. Die Abgabe einer Wette auf diese virtuellen Rennen besaß damit nicht die Eignung, den Wettkunden zu unterhalten, sie kam einem Spiel im Wesentlichen nicht gleich.
Der im Streitfall vorliegende Sachverhalt weicht damit in den wesentlichen Punkten nicht von dem dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 6/12, zugrundeliegenden Sachverhalt ab.
Von § 1 Abs 1 Z 3 iVm § 6 VGSG sind nur Spielapparate umfasst, denen ihrer Funktion nach ein ausreichender Unterhaltungswert, also eine Vergnügungskomponente, innewohnt. Der von der Beschwerdeführerin betriebenen Anlage wohnte ihrer Funktion nach kein ausreichender Unterhaltungswert inne, es handelte sich nach dem Gesagten daher nicht um einen Spielapparat.
Damit lag keine Vergnügungssteuerpflicht vor.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2013/17/0593 bereits entschieden, dass von § 1 Abs 1 Z 3 VGSG nur Spielapparate umfasst sind, denen nach ihrer Funktion ein ausreichender Unterhaltungswert (eine Vergnügungskomponente) innewohnt, was nur bei Anlagen der Fall ist, die eine über eine dezentrale Wettannahme hinausgehende Funktion erfüllen. Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen. Es liegt daher keine grundsätzliche Rechtsfrage vor. Die Revision ist daher unzulässig.
Wien, am
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7400051.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at