Titelbescheid rechtswirksam zugestellt?
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RV/7501692/2014-RS1 | Eine nicht während der Abholfrist behobene Briefsendung wird nach beendeter Ortsabwesenheit rechtswirksam zugestellt, wenn die Abholfrist später endet als der Zeitraum, in dem sich der Empfänger der Briefsendung ortsabwesend gemeldet hat. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf. gegen die Vollstreckungsverfügung Parkometerstrafen des Magistrats der Stadt Wien vom , Zahlungsreferenz XXX , zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung als unbegründet abgewiesen. Die angefochtene Vollstreckungsverfügung wird bestätigt.
II. Gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG sind eine ordentliche Revision und eine außerordentliche Revision der Beschwerde führenden Partei nicht zulässig.
III. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG ist eine ordentliche Revision der belangten Behörde unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Vollstreckungsverfügung – Parkometerstrafen vom , Zahlungsreferenz XXX, hatte der Magistrat der Stadt Wien die Zwangsvollstreckung einer Geldstrafe iHv EUR 60,00 gemäß § 3 VVG iVm § 10 VVG verfügt. Diese Geldstrafe wurde mit der rechtskräftigen Strafverfügung vom , Gz. MA 67 – PA 689266/4/9, wegen Übertretung von § 4 Abs 1 Parkometergesetz am in Wien 21, Prager Straße 7, über den Beschwerdeführer (Bf.) verhängt.
Am sandte der Bf. folgende eMail an den Magistrat der Stadt Wien: „… Die Vollstreckungsverfügung vom ist nichtig und gegenstandslos. Die Briefsendung oder Verständigung über Hinterlegung eines behördlichen Dokuments wurde am zugestellt, obwohl ich bei der Post am auf Ortsabwesenheit für die Zeit vom 16.06. bis beantragt habe. Siehe Beilagen ….“
Die eMail vom hatte 2 Anhänge:
Anhang 1 war die Verständigung über die am erfolgte Hinterlegung der Strafverfügung vom . Die Strafverfügung wurde ab bis bei der Post Geschäftsstelle 1212 in der Zeit von Montag bis Freitag von 9:00 – 12.30 Uhr und 13.30 – 18.00 Uhr abholbereit gehalten. Die Verständigung enthielt den Hinweis auf die Rechtsfolgen der Hinterlegung.
Anhang 2 war die von der Post ausgestellte Erklärung der Ortsabwesenheit des Bf. vom für den Zeitraum – mit der Anmerkung, dass RSA- und RSB- Briefe zurück zu senden sind.
Aus den Verwaltungsakten:
Die Strafverfügung vom war innerhalb 2 Wochen ab Zustellung mit Einspruch anfechtbar; sie wurde nicht angefochten.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Beschwerdepunkt:
In dieser Beschwerdesache ist strittig, ob mit der Vollstreckungsverfügung () die Zwangsvollstreckung einer rechtskräftigen Strafe verfügt wird.
Rechtslage:
Gemäß § 10 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 sind auf das Vollstreckungsverfahren, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 3 Abs 1 VVG ist die Verpflichtung zu einer Geldleistung in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst.
Gemäß § 54b Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken.
Wann eine Vollstreckung iSd § 10 VVG iVm § 3 VVG rechtswidrig ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. Da mit einer Vollstreckungsverfügung iSd § 10 VVG iVm § 3 VVG ein bestimmter Titelbescheid vollstreckt werden soll, ist eine gesetzliche Voraussetzung für eine zulässige Vollstreckungsverfügung bspw. ein entsprechender Titelbescheid, der gegenüber dem zur Zahlung Verpflichteten wirksam geworden ist.
Nach der zu § 10 VVG idF vor der Änderung durch das BGBl. I Nr. 33/2013 ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in , mwN ist im Vollstreckungsverfahren die Gesetzmäßigkeit und nicht die Rechtsmäßigkeit des Titelbescheides der zulässige Beschwerdegrund (, mwN). Diese Rechtsprechung ist auch auf § 10 VVG idF nach der Änderung durch das BGBl. I Nr. 33/2013 anzuwenden.
Rechtliche Würdigung:
Der Titelbescheid in dieser Beschwerdesache ist die an den Bf. adressierte Strafverfügung vom . In der Beschwerde hat der Bf. eingewendet, dass diese Strafverfügung nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Da sich dieses Beschwerdevorbringen gegen die Gesetzmäßigkeit und nicht gegen die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Strafverfügung richtet, hat der Bf. einen zulässigen Beschwerdegrund eingewendet. Über die ggstl. Beschwerde ist daher in der Sache zu entscheiden.
Entscheidungsgrundlagen und Entscheidung:
Der ggstl. Entscheidung ist die Sachlage zugrunde zu legen, dass die Strafverfügung vom nach dem Zustellversuch hinterlegt und vom bis abholbereit gehalten wurde und dass sich der Bf. für den Zeitraum bis ortsabwesend gemeldet hatte.
Sachverhaltsbezogen ist folgende Rechtslage anzuwenden:
Gemäß § 17 Abs 1 Zustellgesetz – ZustG ist ein Dokument zu hinterlegen, wenn dieses Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Gemäß § 17 Abs 3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
Nach § 17 ZustG ist entscheidungsrelevant, ob – und wenn diese Frage bejaht wird – wann die Strafverfügung vom rechtswirksam zugestellt wurde. Aus der Verständigung über ihre Hinterlegung ist dazu iVm der Abwesenheitsmeldung des Bf. folgende Sachlage festzustellen:
Am wurde die nach einem Zustellversuch am beim zuständigen Postamt hinterlegte Strafverfügung vom erstmals zur Abholung bereit gehalten. Die am beginnende Abholfrist endete am ; d.h. die Strafverfügung vom wurde vom bis abholbereit gehalten. Da sich der Bf. für den Zeitraum bis ortsabwesend gemeldet hatte, hätte er die hinterlegte Strafverfügung ab bis abholen können. Da der Bf. die hinterlegte Strafverfügung nicht bis abgeholt hatte, wurde sie am Freitag den rechtswirksam zugestellt.
Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Gemäß § 49 Abs 3 VStG ist die Strafverfügung zu vollstrecken, wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird:
Wie oben ausgeführt begann die 2-wöchige Rechtsmittelfrist für die Strafverfügung am , einem Freitag, zu laufen; sie endete daher am Freitag den . Da die Strafverfügung vom nicht angefochten wurde; ist sie an einem vor der Erlassung der Vollstreckungsverfügung vom liegenden Zeitpunkt rechtskräftig und vollstreckbar geworden. Der Magistrat der Stadt Wien hat daher eine Vollstreckungsverfügung für eine rechtskräftige Strafe erlassen. Da der Bf. die über ihn verhängte Strafe nicht bezahlt hat, wurde sie zulässigerweise zwangsvollstreckt.
Das Beschwerdebegehren war daher abzuweisen.
Revision:
Da die im ggstl. Beschwerdeverfahren angefochtene Entscheidung einen Antrag zum Gegenstand hat, der mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden ist, ist sie nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung in ; , u.v.a. eine "Verwaltungsstrafsache" iSd § 25a Abs 4 VwGG.
Gemäß § 25a Abs 4 VwGG iVm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist eine Revision wegen Verletzung von Rechten nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,00 verhängt wurde. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die ordentliche Revision und die außerordentliche Revision der beschwerdeführenden Partei sind daher unzulässig.
Eine ordentliche Revision der belangten Behörde ist nicht zulässig, weil die Entscheidung in diesem Beschwerdeverfahren nicht von der Lösung einer grundsätzlich bedeutenden Rechtsfrage abhängt: Die Rechtsfolgen einer Zustellung durch Hinterlegung ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmäßigkeit des Titelbescheides nicht im Vollstreckungsverfahren zu beantworten ist, judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II² (2000), E. 44, Seite 1392, zitierten VwGH-Entscheidungen und aus der jüngeren Rechtsprechung).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 54b Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 10 Abs. 1 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991 § 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 17 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7501692.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at