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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2015, RV/7501692/2014

Titelbescheid rechtswirksam zugestellt?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7501692/2014-RS1
Eine nicht während der Abholfrist behobene Briefsendung wird nach beendeter Ortsabwesenheit rechtswirksam zugestellt, wenn die Abholfrist später endet als der Zeitraum, in dem sich der Empfänger der Briefsendung ortsabwesend gemeldet hat.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Be­schwerdesache Bf. gegen die Voll­streckungsverfügung Parkometerstrafen des Magistrats der Stadt Wien vom , Zah­lungsreferenz XXX , zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung als un­begründet abgewiesen. Die angefochtene Vollstreckungsverfügung wird bestätigt.

II. Gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG iVm § 25a Abs 4 VwGG sind eine ordentliche Revision und eine außerordentliche Revision der Be­schwer­de führenden Partei nicht zulässig.

III. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG ist eine ordentliche Revision der belangten Behörde unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Vollstreckungsverfügung – Parkometerstrafen vom , Zahlungsreferenz XXX, hatte der Magistrat der Stadt Wien die Zwangsvollstreckung einer Geld­stra­fe iHv EUR 60,00 gemäß § 3 VVG iVm § 10 VVG verfügt. Diese Geldstrafe wurde mit der rechtskräftigen Strafverfügung vom , Gz. MA 67 – PA 689266/4/9, wegen Übertretung von § 4 Abs 1 Parkometergesetz am in Wien 21, Prager Straße 7, über den Beschwerdeführer (Bf.) verhängt.

Am sandte der Bf. folgende eMail an den Magistrat der Stadt Wien: „… Die Voll­streckungsverfügung vom ist nichtig und gegenstandslos. Die Brief­sen­dung oder Verständigung über Hinterlegung eines behördlichen Dokuments wurde am zugestellt, obwohl ich bei der Post am auf Ortsabwesenheit für die Zeit vom 16.06. bis beantragt habe. Siehe Beilagen ….“

Die eMail vom hatte 2 Anhänge:

  • Anhang 1 war die Verständigung über die am erfolgte Hinterlegung der Straf­ver­fügung vom . Die Strafverfügung wurde ab bis bei der Post Geschäftsstelle 1212 in der Zeit von Montag bis Freitag von 9:00 – 12.30 Uhr und 13.30 – 18.00 Uhr abholbereit gehalten. Die Verstän­di­gung enthielt den Hinweis auf die Rechtsfolgen der Hinterlegung.

  • Anhang 2 war die von der Post ausgestellte Erklärung der Ortsabwesenheit des Bf. vom für den Zeitraum mit der Anmerkung, dass RSA- und RSB- Briefe zurück zu senden sind.

Aus den Verwaltungsakten:

Die Strafverfügung vom war innerhalb 2 Wochen ab Zustellung mit Einspruch an­fechtbar; sie wurde nicht angefochten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Beschwerdepunkt:

In dieser Beschwerdesache ist strittig, ob mit der Vollstreckungsverfügung () die Zwangsvollstreckung einer rechtskräftigen Strafe verfügt wird.

Rechtslage:

Gemäß § 10 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 sind auf das Vollstreckungsverfahren, soweit sich aus diesem Bun­des­gesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinn­gemäß an­zu­wen­den.

Gemäß § 3 Abs 1 VVG ist die Verpflichtung zu einer Geldleistung in der Weise zu voll­strecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das ge­richtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst.

Gemäß § 54b Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemes­se­ne Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Er­folgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Un­rechts­folge zu vollstrecken.

Wann eine Vollstreckung iSd § 10 VVG iVm § 3 VVG rechtswidrig ist, wird im Gesetz nicht näher ausgeführt. Da mit einer Vollstreckungsverfügung iSd § 10 VVG iVm § 3 VVG ein be­stimmter Titelbescheid vollstreckt werden soll, ist eine gesetzliche Voraussetzung für eine zulässige Vollstreckungsverfügung bspw. ein entsprechender Titelbescheid, der ge­gen­über dem zur Zahlung Verpflichteten wirksam geworden ist.

Nach der zu § 10 VVG idF vor der Änderung durch das BGBl. I Nr. 33/2013 ergan­ge­nen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in , mwN ist im Vollstreckungsverfahren die Gesetzmäßigkeit und nicht die Rechtsmäßigkeit des Ti­tel­bescheides der zulässige Beschwerdegrund (, mwN). Diese Rechtsprechung ist auch auf § 10 VVG idF nach der Änderung durch das BGBl. I Nr. 33/2013 anzuwenden.

Rechtliche Würdigung:

Der Titelbescheid in dieser Beschwerdesache ist die an den Bf. adressierte Strafverfügung vom . In der Beschwerde hat der Bf. eingewendet, dass diese Strafverfügung nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Da sich dieses Beschwerdevorbringen gegen die Gesetzmäßigkeit und nicht gegen die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Strafver­fü­gung richtet, hat der Bf. einen zulässigen Beschwerdegrund eingewendet. Über die ggstl. Beschwerde ist daher in der Sache zu entscheiden.

Entscheidungsgrundlagen und Entscheidung:

Der ggstl. Entscheidung ist die Sachlage zugrunde zu legen, dass die Strafverfügung vom nach dem Zustellversuch hinterlegt und vom bis abhol­be­reit gehalten wurde und dass sich der Bf. für den Zeitraum bis orts­abwesend gemeldet hatte.

Sachverhaltsbezogen ist folgende Rechtslage anzuwenden:

Gemäß § 17 Abs 1 ZustellgesetzZustG ist ein Dokument zu hinterlegen, wenn dieses Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Gemäß § 17 Abs 3 ZustG ist das hinterlegte Do­ku­ment mindestens zwei Wochen zur Ab­ho­lung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist be­ginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hin­ter­legte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Em­pfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Ab­gabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zu­stellung an dem der Rückkehr an die Abga­be­stel­le folgenden Tag innerhalb der Ab­hol­frist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument be­hoben werden könnte.

Nach § 17 ZustG ist entscheidungsrelevant, ob – und wenn diese Frage bejaht wird – wann die Strafverfügung vom rechtswirksam zugestellt wurde. Aus der Ver­ständigung über ihre Hinterlegung ist dazu iVm der Abwesenheitsmeldung des Bf. fol­gen­de Sachlage festzustellen:

Am wurde die nach einem Zustellversuch am beim zuständigen Post­amt hinterlegte Strafverfügung vom erstmals zur Abholung bereit ge­hal­ten. Die am beginnende Abholfrist endete am ; d.h. die Straf­ver­fü­gung vom wurde vom bis abholbereit gehalten. Da sich der Bf. für den Zeitraum bis ortsabwesend gemeldet hatte, hät­te er die hinterlegte Strafverfügung ab bis abholen können. Da der Bf. die hinterlegte Strafverfügung nicht bis abgeholt hatte, wurde sie am Freitag den rechtswirksam zugestellt.

Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Gemäß § 49 Abs 3 VStG ist die Strafv­erfügung zu vollstrecken, wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird:

Wie oben ausgeführt begann die 2-wöchige Rechtsmittelfrist für die Strafverfügung am , einem Freitag, zu laufen; sie endete daher am Freitag den . Da die Strafverfügung vom nicht angefochten wurde; ist sie an einem vor der Erlas­sung der Vollstreckungsverfügung vom liegenden Zeitpunkt rechtskräftig und vollstreckbar geworden. Der Magistrat der Stadt Wien hat daher eine Vollstreckungs­ver­fü­gung für eine rechtskräftige Strafe erlassen. Da der Bf. die über ihn verhängte Strafe nicht be­zahlt hat, wurde sie zulässigerweise zwangsvollstreckt.

Das Beschwerdebegehren war daher abzuweisen.

Revision:

Da die im ggstl. Beschwerdeverfahren angefochtene Entscheidung einen Antrag zum Ge­genstand hat, der mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden ist, ist sie nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung in ; , u.v.a. eine "Verwaltungs­straf­sache" iSd § 25a Abs 4 VwGG.

Gemäß § 25a Abs 4 VwGG iVm Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist eine Revision wegen Ver­let­zung von Rechten nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkennt­nis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,00 verhängt wurde. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die ordentliche Revision und die außerordentliche Revision der beschwerdeführenden Partei sind daher unzulässig.

Eine ordentliche Revision der belangten Behörde ist nicht zulässig, weil die Entscheidung in diesem Beschwerdeverfahren nicht von der Lösung einer grundsätzlich bedeutenden Rechtsfrage abhängt: Die Rechtsfolgen einer Zustellung durch Hinterlegung ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmäßigkeit des Titelbescheides nicht im Vollstreckungs­ver­fahren zu beantworten ist, judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Recht­spre­chung (siehe die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II² (2000), E. 44, Sei­te 1392, zitierten VwGH-Entscheidungen und aus der jün­geren Rechtsprechung).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 54b Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 10 Abs. 1 VVG, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 53/1991
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 17 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7501692.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at