Sprachkurs ist keine Berufsausbildung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, Adresse, gegen den Bescheid des Finanzamt Salzburg-Stadt vom über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum September 2012 bis Dezember 2012 und April 2013 bis Juli 2013 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Anlässlich der Überprüfung der Anspruchsgrundlagen für den Bezug der Familienbeihilfe stellte das Finanzamt fest, dass der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) vom bis einen Volkshochschulkurs "Hauptschulabschluss NM Alle Fächer" besucht hat. Ab war der Bf als arbeitssuchend gemeldet.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass für die Zeit vor und nach dem Volkshochschulkurs keine Berufsausbildung gegeben sei und forderte daher die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2012 bis Dezember 2012 und April 2013 bis Juli 2013 bescheidmäßig zurück.
Innerhalb offener Frist wurde dagegen Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass sich der Bf im fraglichen Zeitraum stets um Arbeit bemüht habe. Für das berufliche Fortkommen war das erfolgreiche Absolvieren von Deutschkursen eine wesentliche Voraussetzung. Vor diesem Hintergrund sei die Teilnahme an Deutschkursen als Teil der Berufsausbildung zu sehen. Der Bf habe von September bis Oktober 2012 einen Deutschkurs für Fortgeschrittene im Integrationshaus (INTO A) besucht. Ab bis habe er zusätzlich den Kurs "Deutsch als Fremdsprache - B 1/1" an der Volkshochschule besucht. Der Bf habe daher die Monate September bis Dezember 2012 mit Bildungsmaßnahmen im Sinne des Gesetzes verbracht. Seit ist der Bf beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und habe sich stets an die Vereinbarung mit dem AMS gehalten. Das AMS sei der Ansicht, dass Deutschkenntnisse eine wesentliche Voraussetzung für die Verankerung am Arbeitsmarkt und sohin eine Bildungsmaßnahme darstellen würden, weshalb der Bf vom bis an der AMS-Maßnahme "Deutsch lernen und Arbeit suchen" teilnahm.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete dies wie folgt:
"Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:
- Zeiten der Berufsausbildung bzw. -fortbildung
- Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
- Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
- das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Einen Anspruch auf Familienbeihilfe für Zeiten während der Arbeitssuche sieht das Gesetz nicht vor.
Eine Berufsausbildung vermittelt nur dann einen Beihilfenanspruch, wenn innerhalb einer angemessenen Dauer am praktischen und theoretischen Unterricht teilgenommen wird, eine Abschlussprüfung abgelegt wird und der Kurs nicht auf die Vermittlung von Allgemeinwissen ausgerichtet ist. Ein Sprachkurs alleine stellt keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) dar.
Der Besuch des Deutschkurses stellt daher keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar. Sie haben daher keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für den Beschwerdezeitraum September 2012 bis Dezember 2012 und April 2013 bis Juli 2013."
Fristgerecht wurde dagegen der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt (Vorlageantrag) und ergänzend vorgebracht, dass keinesfalls Familienbeihilfe für die Zeit der Arbeitssuche beansprucht wird. Der Deutschkurs beim INTO sei für Fortgeschrittene gewesen. Der Kurs an der Volkshochschule vom bis werde im Rahmen der Grundversorgung nicht allen Asylsuchenden ermöglicht, weshalb dieser eine Qualifizierungsmaßnahme darstellen würde. Die guten Deutschkenntnisse haben schließlich zur jetzigen Anstellung und zur Selbsterhaltungsfähigkeit geführt. Der Bf ist in Österreich schnell als Flüchtling anerkannt worden und hatte damals nur geringe Deutschkenntnisse. Die Sprachkurse seien unabdingbare Voraussetzungen für das berufliche Weiterkommen gewesen. Es würden daher Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung iSd § 2 FLAG vorliegen. Art 26 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom (Status-RL) würde die Einräumung von Bildungsangeboten für Erwachsene, sowie berufsbildender Maßnahmen und praktischer Berufserfahrung für anerkannte Flüchtlinge zu gleichwertigen Bedingungen wie Staatsangehörige vorsehen. Ebenso sei gem. Art 27 Abs. 2 leg cit der Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, zu Weiterbildung und Umschulung zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen vorgesehen. Art 33 der Status-RL sehe die Schaffung erforderlicher Rahmenbedingungen zur Integration vor. Das Absolvieren der Deutschkurse würde daher entweder eine Bildungsmaßnahme oder eine berufliche Fortbildung darstellen. Jedenfalls wurde die Familienbeihilfe dringend gebraucht, um in dieser Zeit den Unterhalt abdecken und sich auf das berufliche Fortkommen konzentrieren zu können, sohin wäre eine Rückforderung unbillig iSd § 26 FLAG. Der Bf hat für diesen Zeitraum kein Arbeitslosengeld bezogen, da er zuvor in Österreich noch nicht erwerbstätig war. Gem. § 2 Abs. 1 lit b FLAG bestehe Anspruch auf den Bezug von Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerade in der Zeit der Ausbildung oder Fortbildung, 'wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist'. Gem. lit b (gemeint ist hier wohl: lit d) leg cit bestehe Anspruch auch für Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren frühestmöglichen Berufsausbildung. Die Ausübung eines Berufes sei nicht möglich gewesen. Im Sinne einer richtlinienkonformen Interpretation könnten die Deutschqualifizierungsmaßnahmen entweder als Schulausbildung oder als Berufsfortbildung gewertet werden. Der Bf habe jedenfalls nach dem Sinn des FLAG - nämlich Bildung und Fortbildung von jungen Menschen zu subventionieren, Familien zu entlasten und dadurch mehr Chancengleichheit herzustellen - gleichwertige Bildungsmaßnahmen absolviert und es bestehe von daher Anspruch auf Familienbeihilfe.
Das Finanzamt legte die Bescheidbeschwerde gemäß § 265 BAO an das Bundesfinanzgericht vor.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Bf (geb. im Jänner 1991) hat von September bis Oktober 2012 einen Deutschkurs "für Fortgeschrittene. Kursziel: Niveau 'Deutsch 6'" im Integrationshaus und ab bis einen Kurs "Deutsch als Fremdsprache - B 1/1" an der Volkshochschule besucht.
Von bis besuchte er den Volkshochschulkurs "Hauptschulabschluss NM Alle Fächer". Der Zeitraum Jänner bis März 2013 wurde vom Finanzamt als Schulausbildung anerkannt. Der Familienbeihilfenanspruch für diese Monate ist unstrittig.
Ab Mai 2013 ist der Bf beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und vom bis nahm er an der AMS-Maßnahme "Deutsch lernen und Arbeit suchen" teil.
Inhalt der Kurse ist das Erlernen der deutschen Sprache. Deutschkenntnisse sind zweifelsohne eine wichtige Voraussetzung um am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung (BudBG 2011, BGBl I Nr. 111/2010) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe
"für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird".
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. In ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter diesem Begriff jedenfalls alle Arten von schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu verstehen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Ziel der Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 35, mit weiteren Nachweisen [kurz: mwN]).
Ein Sprachkurs ist nach der Rechtsprechung für sich allein gesehen keine Berufsausbildung (vgl. , mwN), weil das Kind dadurch in keinem selbständigen Beruf ausgebildet wird, mag der Sprachkurs auch für eine spätere Berufsausübung von Vorteil sein. Im Erkenntnis des , wird ausdrücklich festgehalten, dass eine nicht als Berufsausbildung anzusehende Bildungsmaßnahme selbst dann, wenn sie für eine folgende Berufsausbildung Voraussetzung wäre, keinen Beihilfenanspruch vermittelt (vgl. auch Unabhängiger Finanzsenat vom , RV/0482-I/12).
Zu den Leistungen des Integrationshauses gehört auch das Anbieten von Kursen (Sprach- und Integrationskurse, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen,........).
Bei den absolvierten Deutschenkursen handelt es sich um Integrationsmaßnahmen und um eine Übergangsmaßnahme des AMS zur besseren Vermittelbarkeit eines Arbeitssuchenden. Die Sprachkurse sind daher nicht Teil einer Ausbildung zu einem bestimmten Beruf.
Mangels Vorliegens einer Berufsausbildung ist § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht anwendbar.
Für den Zeitraum Jänner bis März 2013 ist eine Schulausbildung gegeben. Da der Sprachkurs ab Juli 2013 gemäß den obigen Ausführungen keine Berufsausbildung darstellt, sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 nicht erfüllt.
Was den Vorwurf der Ungleichbehandlung betrifft, ist entgegenzuhalten, dass ein allgemeiner Sprachkurs (im konkreten Fall: Deutsch) bei allen Normunterworfenen keine Berufsausbildung darstellt.
Der Bf übersieht ferner, dass für die Monate der Schulausbildung (Volkshochschulkurs "Hauptschulabschluss NM Alle Fächer") die Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gewährt wurden. Eine gesonderte Behandlung im Vergleich zu den anderen Normunterworfenen ist sohin nicht erkennbar.
Der Bf macht weiters geltend, dass die Rückforderung unbillig wäre.
§ 26 FLAG 1967 hat folgenden Wortlaut:
"§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.
(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
(4) Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.
(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 142/2000)"
Die Oberbehörde ist nicht, wie offenbar immer wieder Berufungswerber und deren Vertreter der Ansicht sind, der Unabhängige Finanzsenat, sondern das BM für Wirtschaft, Familie und Jugend (zB ; RV/0315-I/05 ), das in Ausübung des Aufsichtsrechts von der Rückforderung absehen kann, wenn diese unbillig ist (vgl. Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 16).
Das Bundesfinanzgericht ist (ebenso wie die Vorgängerbehörde Unabhängiger Finanzsenat) keine Oberbehörde iSd der zitierten Bestimmung. Damit erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage.
Der angefochtene Bescheid entspricht sohin der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | RV/0482-I/12 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.6100436.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at