Änderung eines Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO - Verjährung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, gegen die Bescheide des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom , betreffend Einkommensteuer 1999, und vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1997, 1998 und 1999, zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit der Unabhängige Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Verwaltungsgericht (Bundesfinanzgericht) über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Im vorliegenden Fall ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführerin (Bf.) wurde nach dem Tode ihrer Mutter im Jahr 1997 im Wege eines Vermächtnisses Miteigentümerin der Liegenschaft xxxxx und erzielte - gemeinsam mit ihren drei Schwestern - ab diesem Zeitpunkt unter der St. Nr. xxx/xxxx des Finanzamtes St. Pölten gemäß § 188 BAO festgestellte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Mit B escheid vom veranlagte das Finanzamt Scheibbs die Bf. zunächst ohne Erfassung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer für das Jahr 1999.
Mit Ausfertigungsdatum erließ das Finanzamt Scheibbs - basierend auf der Mitteilung über die Feststellung der Einkünfte vom zur St. Nr. xxx/xxxx - einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999, in welchem die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1,161.438 S angesetzt wurden.
Die von der Bf. gegen den Bescheid vom erhobene Berufung wies das Finanzamt Scheibbs mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 252 Abs. 1 BAO könne der Einkommensteuerbescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Sollte der Feststellungsbescheid geändert werden, werde der Einkommensteuerbescheid von Amts wegen gemäß § 295 BAO geändert.
Gegen die Berufungsvorentscheidung vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Zu dem unter der St.Nr. xxx/xxxx durchgeführten Feststellungsverfahren für das Jahr 1999 ist Folgendes anzumerken:
Nach Durchführung von Ermittlungen betreffend den Zustellvorgang gelangte das für das Festellungsverfahren zuständige Finanzamt zum Ergebnis, dass infolge formaler Mängel bzw. mangels Heilung der Zustellmängel der mit datierte, für das Jahr 1999 zur St.Nr. xxx/xxxx ergangene Feststellungsbescheid nicht rechtswirksam geworden ist.
Mit (zweiter) Berufungsvorentscheidung vom änderte das Finanzamt Scheibbs den Einkommensteuerbescheid 1999 vom insoweit ab, als die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 0,00 S angesetzt wurden.
Mit Datum erließ das Finanzamt St. Pölten einen - inhaltlich gleich lautenden - Feststellungsbescheid für das Jahr 1999. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1999 wurden mit 7,742.917,00 S (darin enthalten aufgelöste steuerfreie Beträge in Höhe von 5,813.313,02 S) festgestellt. Der Bf. wurden wiederum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1,161.438,00 S (darin enthalten aufgelöste steuerfreie Beträge in Höhe von 871.996,95 S) zugewiesen.
Gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom erhob die Bf. am – gemeinsam mit zwei Schwestern – Berufung, in welcher beantragt wurde
- die anteiligen Einkünfte mit je 15 % von 1,929.603,98 S (140.229,79 Euro), das sind 289.475,70 S (21.037,02 Euro), festzustellen und die Einkünfte aus der Auflösung der seinerzeitigen steuerfreien Beträge (in Höhe von 5,813.313,02 S) der Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin A.B. zuzurechnen;
- die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für jede der Berufungswerberinnen für die Jahre 1997, 1998 und 1999 jeweils mit dem Betrag von 28.135 Euro festzustellen.
Im Schriftsatz vom wurde weiters beantragt, für den Fall, dass der Berufung nicht Folge gegeben werde, eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 durchzuführen und die hinzugerechneten Einkünfte aus der Auflösung der steuerfreien Beträge auf die Jahre 1997, 1998 und 1999 aufzuteilen.
Mit Berufungsentscheidung vom , RV/1744-W/05, wies der unabhängige Finanzsenat die gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom eingebrachte Berufung als unbegründet ab.
Mit Bescheid vom änderte das Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs den Einkommensteuerbescheid 1999 vom nach § 295 Abs. 1 BAO insoweit ab, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.161.438 S angesetzt wurden. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Feststellungsbescheid des Finanzamtes St. Pölten vom nunmehr durch die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1744-W/05, in Rechtskraft erwachsen ist.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom erhob die Bf. Berufung mit folgender Begründung:
Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom sei in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 302 BAO komme somit eine Änderung nicht in Frage. Bis zum sei § 302 Abs. 1 BAO mit folgendem Wortlaut in Geltung gestanden: " Abgesehen von den Fällen des § 209a Abs. 2 sind Maßnahmen gemäß den §§ 293, 293a, 293b, 294, 295, 298 und 299 Abs. 4 nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist und Maßnahmen gemäß § 299 Abs. 1 und 2 nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zulässig." Die Änderung des Gesetzestextes sei nach den EB deshalb erfolgt, weil die Aufzählung der Paragraphen unvollständig gewesen sei. Das bedeute also, dass gemäß § 302 BAO in der alten und in der neuen Fassung die Änderung eines rechtskräftigen Bescheides nicht mehr zulässig sei, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist, wie dies hier der Fall sei.
Sie stelle daher den Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs die Berufung gegen den Bescheid vom als unbegründet ab.
Gegen die Berufungsvorentscheidung vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 vom ab.
Die Bf. erhob gegen den Abweisungsbescheid vom Berufung mit folgender Begründung:
Ob eine Rückstellung vorhanden ist und wann diese Rückstellung aufgelöst worden ist, sei eine Tatsache. Die Bf. habe erst im Zuge des Feststellungsverfahrens für das Jahr 1999 Kenntnis von der Existenz dieser Rückstellung erlangt und davon, dass diese Rückstellung aufgelöst wurde. Sie habe also hinsichtlich der Jahre 1997 und 1998 nicht die Möglichkeit gehabt, diese Rückstellung aufzulösen, wobei die Auflösung ausschließlich durch Aufnahme einer entsprechenden Position in die Buchhaltung erfolge. Dadurch hätte sich aber auch die Höhe der im Jahr 1999 aufzulösenden Rückstellung geändert.
Das Vorhandensein der Rückstellung sei also eine Tatsache, von deren Existenz die Bf. erst nach Rechtskraft der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 erfahren habe. Da die Rückstellung aber verteilt auf die Jahre 1997, 1998 und 1999 aufgelöst werden könne, ergebe sich aus einer Änderung für die Jahre 1997 und 1998, dass auch der Bescheid für 1999 geändert werden müsse.
Sie stelle daher den Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 stattgegeben wird.
Gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1744-W/05, wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Mit Beschluss vom , 2010/13/0030, hat der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/1744-W/05, abgelehnt.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
1. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom
Nach § 207 Abs. 2 BAO verjährt das Recht, die Einkommensteuer festzusetzen, grundsätzlich nach fünf Jahren.
Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs. 1 BAO).
Gemäß § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).
Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig.
Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde (Berufung) ab, so steht der Abgabenfestsetzung nach § 209a Abs. 2 BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde (Berufung) vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde.
§ 209a Abs. 2 BAO beinhaltet somit eine Ausnahme von der Grundsatzregelung des § 302 Abs. 1 BAO, wonach Änderungen von Bescheiden (zB nach § 295 Abs. 1 BAO) nach Eintritt der Verjährung nicht mehr zulässig sind.
Eine Abgabenfestsetzung hängt von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde (iSd § 209a Abs. 2 BAO) beispielsweise dann ab, wenn die Beschwerde gegen einen Grundlagenbescheid (zB Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO) gerichtet ist (vgl. zB Stoll, BAO, 2208; ). Wird die Bescheidbeschwerde vor Eintritt der Verjährung (der "abgeleiteten" Abgabe) eingebracht, so steht der Umstand, dass sie erst nach Verjährungseintritt meritorisch erledigt wird, der Anpassung "abgeleiteter" Abgabenbescheide nicht entgegen (vgl. Ritz, BAO5, § 209a Tz 6).
Im vorliegenden Fall wurde am – und somit vor Eintritt der Verjährung der Einkommensteuer 1999 – gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom Berufung erhoben. Die Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs, welches zunächst das Ergehen der Berufungsentscheidung abgewartet hatte, hat mit Bescheid vom den Einkommensteuerbescheid 1999 vom nach § 295 Abs. 1 BAO abgeändert und die der Bf. im Feststellungsbescheid 1999 vom zugewiesenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.161.438 S angesetzt. Dies war dem § 209a Abs. 2 BAO zufolge auch nach Ablauf der Verjährungsfrist noch zulässig.
Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom war daher als unbegründet abzuweisen.
2. Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmsantrages betreffend die Einkommensteuerbescheide 1997, 1998 und 1999
Nach § 192 BAO sind in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, für Meßbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, für diese Bescheide bindend.
Im Einkommensteuerverfahren besteht daher eine Bindung an die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO (vgl. ; ; ).
§ 252 Abs. 1 BAO lautet:
"Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind."
§ 252 Abs. 1 BAO schränkt das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein. Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist die Bescheidbeschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (vgl. zB ; ; ).
Infolge der Bindungswirkung der Feststellungsbescheide 1997, 1998 und 1999 kommt eine Änderung der dort festgestellten Einkunftshöhe in den abgeleiteten Einkommensteuerverfahren nicht in Betracht. Dem Wiederaufnahmsantrag konnte vom Finanzamt daher bereits aus diesem Grund nicht stattgegeben werden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine freiwillige Auflösung der nach § 28 Abs. 5 EStG 1988 idF vor dem StrukAnpG 1996 steuerfrei gebildeten Beträge vor Ablauf der in § 116 Abs. 5 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, normierten Frist nicht möglich ist (vgl. das Erkenntnis des ; sowie den ). Die von der Bf. im Wiederaufnahmsantrag beantragte Verteilung der aufzulösenden Beträge auf die Jahre 1997 bis 1999 ist daher unzulässig.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 wurde somit vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.
Die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 192 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101142.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at