Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.01.2015, RV/7101945/2013

Die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide konnten durch das Finanzamt dem BFG nicht vorgelegt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den-Senat , im Beisein der Schriftführerin D. in der Beschwerdesache A.B., Adresse1 , vertreten durch Centra-Consult Wirtschaftstreuhand -Steuerberatungs GmbH, Jasomirgottstraße 6/3/7A, 1010 Wien über die Beschwerde vom  gegen den Haftungsbescheid gemäß §§ 9 und 80 BAO des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom am in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Haftungsbescheid aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der nunmehrige Beschwerdeführer vertrat ab --1999 die XY-GmbH als alleiniger Geschäftsführer.

Mit Beschluss des *Gerichtes vom Datum1 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss vom Datum2 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. Am Datum3 erfolgte die amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG.

Am erfolgte eine Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf.

Am erging durch das Finanzamt ein Haftungsvorhalt an den Bf. betreffend einen Abgabenrückstand der GmbH in Höhe von insgesamt Euro 15.297,40, nämlich Lohnsteuer 3-4/2000 in Höhe von Euro 6.671,80, Dienstgeberbeitag 3-4/2000 in Höhe von Euro 1.217,63, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 3-4/2000 in Höhe von Euro 140,69 und Umsatzsteuer 1999 in Höhe von Euro 7.267,28.

Im diesbezüglichen Antwortschreiben führte der Bf. aus, dass der Konkursantrag am beim Handelsgericht Wien gestellt worden sei. Es werde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens beigelegt, aus dem die wirtschaftliche Situation ersichtlich sei.

Weiters werde auch das Anmeldeverzeichnis des Masseverwalters beigelegt.

Unabhängig von den Beilagen sei gemäß § 238 BAO die Einhebungsverjährung eingetreten und somit eine Inanspruchnahme der Bf. im Haftungswege rechtlich nicht gedeckt.

Mit Bescheid vom wurde der Bf. für Abgabenschuldigkeiten der XY-GmbH in Höhe von Euro 15.297,40, nämlich Lohnsteuer 3-4/2000 in Höhe von Euro 6.671,80, Dienstgeberbeitag 3-4/2000 in Höhe von Euro 1.217,63, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 3-4/2000 in Höhe von Euro 140,69 und Umsatzsteuer 1999 in Höhe von Euro 7.267,28 gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung herangezogen.

Zur Begründung wurde nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO im Wesentlichen ausgeführt, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht eingebracht hätten werden können.

Der Bf. sei vom --1999 bis -/- 2000 handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH und daher zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei daher auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Heranziehung für die aushaftende Umsatzsteuer sei festzuhalten:

Gemäß § 21 UStG 1994 habe der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für das Jahr 2000 sei die Umsatzsteuer rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.

In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 BAO angenommen werden dürfe (, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für die Lohnsteuer sei festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Es wäre Pflicht des Bf. gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. habe hingegen die Abfuhr der gegenständlichen Lohnsteuerbeträge unterlassen. In diesem Zusammenhang werde hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen habe. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken ().

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht Sorge dafür habe tragen können, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabepflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe. Da der Bf. den abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, wäre wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Weiters sei der Bf. seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun nicht nachgekommen.

Im Schreiben vom werde als Beantwortung des Vorhaltes lediglich die Verjährung gemäß § 238 BAO angeführt. Die Verjährung nach § 238 BAO könne insofern nicht eingetreten sein, da ab der Insolvenz am Datum1 die Anmeldung der Konkursforderungen am und die Bekanntgabe der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am --/-- als weitere Unterbrechungshandlungen gelten würden. Am (also innerhalb der fünf Jahre) sei an das Finanzamt 07 ein Amtshilfeersuchen gerichtet worden, in dem eine Begehung an der damaligen Adresse dokumentiert sei. Es sei zu diesem Zeitpunkt eine Einhebung betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. ein Vermögensverzeichnis aufgenommen worden.

In der gegen diesen Bescheid frist- und formgerecht eingebrachten Berufung führte der Bf. aus, dass Sorge getragen worden sei, dass alle Abgaben aus den Mitteln, die zu verwalten gewesen seien, auch entrichtet worden seien.

Insbesondere werde die Korrespondenz mit der Wiener Gebietskrankenkasse samt Beilagen angefügt, wo bereits im Jahr 2000 die sorgfältige Verpflichtung des Geschäftsführers nachgewiesen worden sei. Es erscheine verwunderlich, dass die Finanzbehörde 10 Jahre nach Fälligkeit der Abgaben einen Haftungsbescheid erlasse. Weiters werde der vom Bf. als seinerzeitigen Geschäftsführer ordnungsgemäß eingebrachte Konkursantrag beigelegt.

Da ein Konkursantrag seitens des Bf. eingebracht worden sei, aus dem die wirtschaftlichen Grundlagen für die Einbringung ersichtlich seien, könne von einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht ausgegangen werden. Der Konkursantrag und die daraus resultierenden Forderungen der Gläubiger seien auch zu diesem Zeitpunkt dem Finanzamt bekannt gewesen. Auch diesbezüglich werde auf die Korrespondenz mit der Muttergesellschaft über die Zahlungsschwierigkeiten der 100%-igen Tochtergesellschaft in Österreich verwiesen.

Daraus ergebe sich, dass der Bf. an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung infolge der gegebenen Umstände verhindert gewesen sei.

Die Haftung trete aus den gesetzlich vorgegebenen Gründen nicht ein, weil der Nachweis eindeutig erbracht worden sei, dass die Abgaben nicht entrichtet hätten werden können.

Der Zeitraum der Geschäftsführung werde nicht bestritten.

Die Haftung für nicht entrichtete Umsatzsteuern könne nicht eintreten, da nachgewiesen worden sei bzw. werden könne, dass die zur Verfügung gestandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien, daher die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt worden seien als andere Verbindlichkeiten (Beweis: Konkursantrag).

Der Nachweis des Fehlens ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung sei im Insolvenzverfahren selbst dargelegt worden und somit der Finanzbehörde hinreichend bekannt. Auf die Korrespondenz mit der Wiener Gebietskrankenkasse werde verwiesen.

Die Verjährungsbestimmungen würden zutreffen. Das genannte Amtshilfeersuchen sei grundlegend falsch, da ein solches für den angegebenen Zeitpunkt nicht erfolgt sei und auch in Entsprechung zu den gesetzlichen Vorschriften nie nach außen in Erscheinung getreten und somit nicht als Unterbrechungshandlung zu werten sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO aus, dass die Uneinbringlichkeit der nunmehrigen Haftungsschuldigkeiten bei der GmbH nach Abschluss des Konkursverfahrens feststehe und dies auch nicht bestritten worden sei.

Hinsichtlich der Haftung für die Umsatzsteuer 1999 verweise der Bf. zwar auf die Korrespondenz mit der Wiener Gebietskrankenkasse, jedoch sei aus den Unterlagen zu entnehmen, dass mit Bescheid vom die Haftung gemäß § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von Euro 112.858,41 ausgesprochen worden sei. Auch im abgabenbehördlichen Verfahren sei in keiner Lage die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger nachgewiesen worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem potentiellen Haftungsschuldner, einen derartigen Nachweis zu erbringen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung sowie eine Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Kausalität angenommen werden müsse.

Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe für den Lohnsteuerabzug (). Die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer sei daher in jedem Fall abzuführen.

Auf die materiellen sonstigen Voraussetzungen für die Haftung werde auf die Begründung des Haftungsbescheides verwiesen.

Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ sei dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei“, dem Begriff der Zweckmäßigkeit die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben“ mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten beizumessen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform sei, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge, habe sich das Finanzamt veranlasst gesehen, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall auch auf das Verschulden des Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen.

Die Einbringungsverjährung gemäß § 238 BAO liege nicht vor, da am eine Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom zuständigen Beamten des Finanzamtes Wien 6/7/15 durchgeführt worden sei. Durch diese aktenkundige nach außen erkennbare Amtshandlung habe die Fünfjahresfrist neu zu laufen begonnen. Die Haftungsinanspruchnahme sei erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, da die Prüfung sämtlicher abgabenrelevanter Sachverhalte und Tatsachen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Haftung gegenüber den Geschäftsführern erhebliche Zeit in Anspruch genommen habe.

Diese Berufungsvorentscheidung erwuchs zunächst in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom gab das Finanzamt einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

In dem maßgeblichen Vorlageantrag führte der Bf. aus, dass die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH mit Konkursedikt vom Datum1 erfolgt sei. Der Antrag auf Konkurseröffnung sei durch den Bf. selbst gestellt worden. Mit Beschluss des Gerichtes vom Datum2 sei der Konkurs mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben worden und die amtswegige Löschung der Firma im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG am Datum3 erfolgt

Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei der Abgabenrückstand bei der Gesellschaft als uneinbringlich anzusehen.

Am sei beim Bf. als ehemaligen Geschäftsführer der GmbH eine Erhebung durch die Abgabensicherung des Finanzamtes Wien 6/7/15 eine Erhebung erfolgt, die eine verjährungsunterbrechende Handlung dargestellt habe. Mit Schreiben vom habe die Behörde den Bf. über eine mögliche Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 iVm § 80 BAO informiert.

Mit Haftungsbescheid vom sei der Bf. hinsichtlich der aushaftenden Abgabenschuldigkeien der GmbH (Lohnsteuer 3-4/2000 in Höhe von Euro 6.671,80, Dienstgeberbeitag 3-4/2000 in Höhe von Euro 1.217,63, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 3-4/2000 in Höhe von Euro 140,69 und Umsatzsteuer 1999 in Höhe von Euro 7.267,28) als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen worden.

Im gegenständlichen Fall sei die Aufhebung des Konkurses im Jahr 2004, die Heranziehung des Bf. zur Haftung erst Ende 2010 erfolgt. Grundsätzlich sei laut Judikatur eine Haftungsinanspruchnahme nur geboten, die zeitnah zum Feststehen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin erfolgt sei. Im vorliegenden Fall könne nach Ablauf von sechs Jahren zweifelsohne nicht mehr von einem angemessenen zeitnahen Zeitraum ausgegangen werden.

Auch lägen keine Gründe und besondere Umstände vor, die eine so späte Heranziehung zur Haftung gerechtfertigt hätten.

Für die Geltendmachung der Haftung iSd § 9 BAO seien innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen gemäß § 20 BAO durch die Behörde Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Nach Lage des Einzelfalles sei die Heranziehung des Bf. zur Haftung angesichts der langen verstrichenen Zeit (mehr als sechs Jahre) unzumutbar und es resultiere daraus eine Unbilligkeit, die gegenüber einer Zweckmäßigkeitserwägung der Behörde nur überwiegen könne.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer werde festgehalten, dass für die gegenständlichen Zeiträume 03-04/2000 keine Gehälter mehr ausbezahlt worden seien.

Aus diesem Umstand könne auch keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO vorliegen.

Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Weiters werde eine mündliche Senatsverhandlung begehrt. Wenn der UFS eine Aufhebung ohne Verfahren für durchführbar erachte, werde auf die Verhandlung verzichtet.

In Beantwortung der Aufforderung des Bundsfinanzgerichtes, das Finanzamt möge die der Haftung zugrundeliegenden Bescheide vorzulegen, teilte dieses am 10. September mit, dass der Akt nicht mehr verfügbar sei.

Mit Eingabe vom zog der steuerliche Vertreter namens des Bf. den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge sind gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. (…)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

I.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Die mit Haftungsbescheid geltend gemachte Lohnsteuer 03-04/2000 reduzierte sich infolge Überrechnung von Guthaben vom Abgabenkonto des Bf. von Euro 6.671,80 auf Euro 5.966,95.        

Die übrigen Haftungsschuldigkeiten erfuhren keine Änderung.

Eine Einschränkung der Haftung aufgrund der Entrichtung kommt nicht in Betracht, da Grundlage der Überrechnung der hier gegenständliche Haftungsbescheid war und der Überrechnung die Rechtsgrundlage entzogen würde.

2.) Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung

Die Uneinbringlichkeit der Haftungsschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der am Datum3 erfolgten amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG fest und ist auch vom Bf. außer Streit gestellt worden.

3.) Stellung des Bf. als Vertreter

Unbestritten ist auch, dass der Bf. vom --1999 bis zur Konkurseröffnung die XY-GmbH als alleiniger Geschäftsführer vertreten hat.

4.) Schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. als Geschäftsführer

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden gehindert war, der Beweis.

Daraus ist abzuleiten, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Bescheidbeschwerde einbringt, ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen ( ).

Die Haftung nach § 9 BAO erfordert somit eine schuldhafte Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten.

Es ist zwar im Haftungsverfahren Sache des Bf., die Schuldausschließungsgründe darzutun, jedoch setzt die Prüfung der schuldhaften Pflichtverletzung voraus, dass dem Bundesfinanzgericht die der Haftung zugrundeliegen Bescheide auch vorgelegt werden, um diesem eine Auseinandersetzung mit der Verschuldensfrage im Zusammenhang mit den in den Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen zu ermöglichen.

Da die Bescheide durch die Abgabenbehörde nicht vorgelegt werden konnten, können durch das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen zu einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bf. getroffen werden, bzw. kann auch nicht geprüft werden, ob die Abgabenbescheide überhaupt rechtswirksam ergangen sind. Daher war der Beschwerde schon aus diesem Grunde stattzugeben.

Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt wurden, so liegt infolge unvollständiger Information im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom , 98/13/0115, ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist.

Die Abgabenfestsetzungen erfolgten nach Eröffnung des Konkursverfahrens und können dem Bf. daher nicht bekannt sein. Im Vorhalt vom wurde ausgeführt, dass die Ermittlung der im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben den Bescheiden entnommen werden mögen, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese dem Schreiben beigelegt wurden. Ebenso ist nicht erkennbar, dass die Grundlagenbescheide dem Haftungsbescheid angeschlossen wurden.

Der Beschwerde war daher auch aus diesem Grunde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer ordentlichen Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101945.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at