Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.03.2015, RV/7103232/2013

Haftung für Umsatzsteuer aus Lottoscheinen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M. in der Beschwerdesache R., Adresse , über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Haftungspflichtigen, V. als Vertreter des Finanzamtes sowie der Schriftführerin zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und die Haftungssumme um den Umsatzsteuerbetrag 08/2011 von € 2.000,00 verringert.

Darüber hinaus wird für Umsatzsteuer 03-09/2010 von € 27.025,22, Umsatzsteuer 10-12/2010 von € 11.524,71, Umsatzsteuer 01-03/2011 von € 14.000,00 und
Umsatzsteuer 04/2011 von € 4.668,00 (gesamt € 57.217,93) die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurde Herrn R. (in weiterer Folge: Bf.) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma E-GmbH , Wien , im Ausmaß von € 59.217,93 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Haftung werde hinsichtlich folgender Abgabenschulden geltend gemacht:

Umsatzsteuer 03-09/2010 von € 27.025,22,
Umsatzsteuer 10-12/2010 von € 11.524,71,
Umsatzsteuer 01-03/2011 von € 14.000,00,
Umsatzsteuer 04/2011 von € 4.668,00,
Umsatzsteuer 08/2011 von € 2.000,00,
Summe: € 59.217,93.

Als Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„1. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

2. Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3. Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4. Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten. Die Abgaben können nicht mehr bei der E-GmbH eingebracht werden, weil der Konkurs bereits am mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.

5. Sie waren im Zeitraum von bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der E-GmbH also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6. Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am (ergänzt: 15.) Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit. selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Die Umsatzsteuer 03-09/2010 wurde am mit € 90.000,00 geschätzt, weil keine Steuererklärungen abgegeben wurden. Am wurde der Betrag auf € 27.053,73 gemäß § 293b BAO berichtigt.

Die Umsatzsteuer 10-12/2010 wurde am mit € 90.000,00 geschätzt, weil keine Steuererklärungen abgegeben wurden. Aufgrund der am eingebrachten Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom die geschätzte Vorschreibung auf € 11.524,71 herabgesetzt.

Die Umsatzsteuer 01-03/2011 wurde am wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO mit € 14.000,00 festgesetzt.

Die Umsatzsteuer 04/2011 wurde am wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege mit € 4.668,00 festgesetzt.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer 08/2011 erfolgte aufgrund einer von Ihnen ausgestellten Ausgangsrechnung vom .

7. ln diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf ( , 0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nichtentrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

ln der Vorhaltsbeantwortung betreffend Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 iVm § 80 BAO für die Abgabenschuldigkeiten der E-GmbH wurde vorgebracht, dass Sie in der Funktion als Geschäftsführer die Zahlungen an alle Gläubiger gleichzeitig eingestellt hätten, als keine Geldmittel mehr vorhanden waren.

Gemäß der österreichischen Insolvenzordnung sei damit kein Gläubiger bevorzugt bzw. benachteiligt worden.

Der Masseverwalter habe keine Ihrer Handlungen rückabgewickelt, was zeige, dass diese zu Recht erfolgt seien. Es sei keine Quote ausgeschüttet worden, weil es keine Fahrnisse und auch keine Liquidität mehr gegeben hätte.

Dazu ist vom Finanzamt festzuhalten, dass die pauschale Behauptung der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht reicht. Aus der Vorhaltsbeantwortung geht auch nicht hervor, wann die Zahlungen an die Gläubiger eingestellt wurden und ab wann keine Geldmittel mehr vorhanden waren.

Dem Einwand der bereits vom Masseverwalter geprüften Gleichbehandlung ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () der Geschäftsführer die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen auch verletzt, wenn er das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet, als er keinem der Geschäftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung leistet. Da in einer Gleichbehandlung der Abgabenschulden nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keine im "status kridae" unzulässige Gläubigerbevorzugung gesehen werden kann, erweist sich auch der Hinweis auf eine allfällige Anfechtung als nicht zielführend ().

8. Die Geltendmachung der Haftung liegt auch im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigten Interessen der Partei", dem Begriff der "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlichen vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die Abgabenschuld beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt, sah sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen. Da der Abgabenausfall auch auf das Verschulden der Haftungspflichtigen zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den Interessen der Partei der Vorrang einzuräumen.

9. Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Sie haben es wie in Punkt 6 angeführt mehrfach unterlassen Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben, was zu mehrfachen Festsetzungen von Umsatzsteuern im Schätzungsweg geführt hat.

Der Beweis der Gläubigergleichbehandlung konnte nicht erbracht werden.“

Dagegen wurde fristgerecht mit Eingabe vom Berufung eingebracht mit folgendem Inhalt:

„Ich verstehe schon, dass der Österreichische Staat Geld braucht. Es kann aber nicht so sein, dass die Finanzbehörde unter Missachtung der Gesetzeslage agiert. Zunächst sollte man nicht vergessen, dass es tatsächlich gar keine Abgabenschuld gibt.

Ich bin Opfer eines unfähigen Steuerberaters und der Finanzbehörden, denn tatsächlich handelte es sich bei den Geschäften der Gesellschaft um reine Vermittlungs- und Besorgungsgeschäfte und diese wären umsatzsteuerfrei gewesen. Auf Lottoscheine gibt es keine Umsatzsteuer und wir hätten daher auch keine UVA-Gutschrift bekommen, was schon alles beweist.

Es ist mir klar, dass dies mit dem Haftungsbescheid selbst nichts zu tun hat, aber tatsächlich bin ich Geschädigter der Österreichischen Finanzbehörde, die von meiner Gesellschaft hunderttausende Euro zu Unrecht kassiert hat und profitiert hat. Umso unverschämter empfinde ich den nunmehrigen Haftungsbescheid.

Tatsächlich ist die Firma nur auf Grund der ungerechtfertigten Zahlungen an die Finanz in Konkurs gegangen.

Ich habe in meiner Funktion als Geschäftsführer die Zahlungen an alle Gläubiger gleichzeitig eingestellt, als keine Geldmittel mehr vorhanden waren. Gemäß der Österreichischen Insolvenzgesetzgebung habe ich hiermit keinen Gläubiger bevorzugt bzw. benachteiligt.

Die Masseverwalterin hat keine meiner Handlungen rückabgewickelt, was zeigt, dass diese zu Recht erfolgt sind. Es wurde keine Quote ausgeschüttet, weil keine Fahrnisse und auch keine Liquidität mehr vorhanden waren.

In der Sache selbst darf ich Folgendes anmerken:

Sie haben durch die Finanzprokuratur einen Konkursantrag gegen die Gesellschaft eingebracht. Meines Erachtens hat dieser Antrag jeder Grundlage entbehrt, weil es gegen die Gesellschaft keinen rechtsgültigen Bescheid gab und der Rückstandsausweis unrichtig war.

Wie Sie sicherlich wissen wurde die Problematik, ob Lottogewinnspiele der Umsatzsteuerpflicht unterliegen nie ausjudiziert und stellen bis heute eine Streitfrage dar.

Tatsächlich hat es sich bei den Geschäften der E-GmbH immer um eine reine Besorgungs- und Vermittlungstätigkeit gehandelt.

Die Gesellschaft vermittelt Lottospielern größere Gewinnchancen, weil diese an einer Vielzahl von Lottoscheinen beteiligt sind.

Auf den Lottoscheinen ist keine Umsatzsteuer aufgerechnet, die E-GmbH kann daher auch keine Vorsteuer geltend machen. Es wäre daher völlig unlogisch und für niemanden nachvollziehbar, wenn die Firma für alle gekauften Lottoscheine Umsatzsteuer bezahlen müsste, die weder an die Kunden verrechnet werden kann, noch als Vorsteuer zurückgeholt werden kann.

Dieses Verhalten würde einen mutwilligen Akt der Finanzbehörde darstellen und lediglich darauf abzielen, die Firma zu ruinieren. Es war für die E-GmbH völlig unleistbar, einen Mehrbetrag von 20% aus eigener Tasche zu bezahlen. Daher kam auch der Konkurs zustande.

Da die E-GmbH die Lottoscheine besorgt und die Spieler anteilig an vielen Scheinen beteiligt sind, ist es nur möglich, die Scheine als E-GmbH anzukaufen. Mangels einer anderen Lösung ist dies Voraussetzung, dass die Spieler an mehreren Tippvarianten beteiligt sind.

Dass es sich hierbei um ein reines Vermittlungsgeschäft (ergänzt: handelt), bei welchem die E-GmbH die Lottoscheine lediglich besorgt, geht schon daraus hervor, dass die Spieler die Scheine bezahlen, womit der Vertrag zwischen Spielern und Lottogesellschaft zustande gekommen ist. Schon aus diesem Grund liegt ein Vermittlungsgeschäft vor (siehe Gesetzestext § 6 Abs. 1 Z 9 und § 3a Abs. 4, jeweils UStG 1994).

Die gesamte Konkursantragstellung erfolgte daher meines Erachtens nicht zu Recht . Da die Finanz über eine Sonderstellung verfügt und für die Einbringung des Konkursantrages keinen rechtsgültigen Bescheid braucht, sondern lediglich einen Rückstandsausweis, auf dem alles stehen kann und dessen Bekämpfung nach Konkursantragstellung nicht abgewartet wird, war der Konkurs zwar nicht zu verhindern und durch Ihre Rechtsprechung gedeckt, er erfolgte aber zweifellos nicht zu Recht.

Der Vorwurf der Finanz in Ihrem Haftungsbescheid vom , Zitat: „Dem Einwand der bereits vom Masseverwalter geprüften Gleichbehandlung ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () der Geschäftsführer die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderung auch verletzt, wenn er das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet, als er keinem der Geschäftsgläubiger auch nur anteilig Zahlungen leistet." Zitat Ende, geht insofern ins Leere, als die anteilige Zahlung in der Folge sowieso vom Masseverwalter geleistet wird, außer es sind keine Mittel mehr vorhanden .

Dass von der Masseverwalterin keine anteiligen Zahlungen mehr geleistet wurden, beweist, dass keine anteiligen Mittel mehr vorhanden waren. Es beweist ebenso, dass überhaupt keine Mittel mehr vorhanden waren.

Nur im Nichtkonkursfall, also wenn es keinen Masseverwalter gegeben hätte, hätte ich selbst die Mittel, wenn solche vorhanden gewesen wären, im Zuge von vereinbarten Abschlagszahlungen selbst anteilig verteilen müssen.

Die Ausführungen der Finanz führen das Insolvenzrecht ad absurdum. Wenn immer alle Zahlungen geleistet werden könnten, gäbe es nämlich keine Konkurse. Wenn alle Gläubiger immer in Form von Zahlungsvereinbarungen anteilig befriedigt werden könnten, gäbe es maximal außergerichtliche Ausgleiche. Schon daraus ergibt sich die Lächerlichkeit Ihres Bescheides. All dies zeigt, dass Sie mit Ihren Bescheiden versuchen, die eigene Österreichische Gesetzeslage auszuhebeln, um der Finanz einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen .

Die Aufforderung, einen Gläubiger besser zu behandeln als andere, stellt jedoch die Aufforderung zu einer strafbaren Handlung dar (§ 158 Abs. 1 StGB).

Diese Aufforderung ist für den Gläubiger gemäß § 158 Abs. 2 StGB zwar straffrei, nicht jedoch für Vertreter von Gläubigern.

Auf Grund der obigen Ausführungen beantrage ich daher
1.) die Ansetzung einer mündlichen Berufungsverhandlung, zu welcher ich geladen werde.
2.) die Aufhebung des Abgabenbescheides, sowie
3.) die Aufhebung des Haftungsbescheides und
4.) die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bis zu Erledigung der beiden Berufungen."

Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und als Begründung auszugsweise ausgeführt, dass der Bf. vom bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der E-GmbH und daher verpflichtet gewesen wäre, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

"In der Berufung wird vorgebracht, dass Sie als Geschäftsführer alle Zahlungen an die Gläubiger gleichzeitig eingestellt hätten, als keine Geldmittel mehr vorhanden waren. Gemäß der Österreichischen Insolvenzgesetzgebung hätten Sie hiermit keinen Gläubiger bevorzugt, bzw. benachteiligt.

Die Masseverwalterin habe keine Ihrer Handlungen rückabgewickelt, was zeige, dass diese zu Recht erfolgt seien. Es sei keine Quote ausgeschüttet worden, weil keine Fahrnisse und auch keine Liquidität mehr vorhanden gewesen sei.

Dazu ist vom Finanzamt zu entgegnen, dass, wenn die Mitteln des Vertretenen nicht ausreichen, die offenen Schuldigkeiten zur Gänze zu entrichten, der Vertreter grundsätzlich verpflichtet (Gieichbehandlungsgrundsatz) ist die Schulden im gleichen Verhältnis (anteilig) zu befriedigen; die Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezieht sich auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits (z.B. ; ).

Der Vertreter darf hierbei Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden.

Der Konkurs der Firma E-GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes am eröffnet.

Die Fälligkeiten der nichtentrichteten Umsatzsteuern beginnen jedoch bereits mit . Ob also keine Quote ausgeschüttet wurde und zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung keine Liquidität vorhanden war, ist für die Gleichbehandlung nicht relevant.

Dem Vertreter obliegt der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB ; ). Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht ().

Weiters wurde von Ihnen als Bf. vorgebracht, dass das Finanzamt durch die Finanzprokuratur einen Konkursantrag gegen die Gesellschaft eingebracht habe, obwohl der Antrag jeder Grundlage entbehre, weil es gegen die Gesellschaft keinen rechtsgültigen Bescheid gäbe und der Rückstandsausweis unrichtig wäre.

Es ist jedoch so, dass es sehr wohl rechtskräftige Bescheide gibt, die auch dem Haftungsbescheid vom beigelegt wurden.

Die Heranziehung zur Haftung liegt auch im Ermessen der Abgabenhörde, die sich innerhalb der vom Gesetz auferlegten Grenzen (§ 20 BAO) zur halten hat.

Die Abgaben können bei der E-GmbH nicht mehr eingebracht werden, weil der Konkurs bereits mangels Kostendeckung aufgehoben wurde und wie von Ihnen selbst angeführt mehr keine Fahrnisse sowie Liquidität vorhanden sind.

Da es sich nicht um bloß geringfügige Abgabenschuldigkeiten handelt und es ein öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabenschuldigkeiten gibt wird im Rahmen der Zweckmäßigkeit die Haftung geltend gemacht.

Anmerkung:
Ob es zu einer Änderung bezüglich der Höhe der Haftungsschuldigkeiten kommt, wird in der Berufung gemäß § 248 BAO gegen die Grundlagenbescheide zu entscheiden sein, die gleichzeitig mit der Berufung gegen den Haftungsbescheid eingebracht wurde."

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt und vom Bf. ergänzend ausgeführt, dass das Finanzamt seine Berufung nur teilweise gelesen hätte!

Er könne auch keine Mittel anteilig verteilen, wenn keine Mittel mehr vorhanden seien! Es seien auch deswegen keine Mittel mehr vorhanden gewesen, weil die GmbH der Finanz ungerechtfertigter Weise Umsatzsteuer für ein Produkt bezahlt habe, auf welches gar keine Umsatzsteuer angefallen wäre. Da es auf Lottoscheine keine Umsatzsteuer gebe, haben auch keine UVA Gutschriften lukriert werden können, er habe daher ständig die 20 % Umsatzsteuer aus eigener Tasche bezahlen müssen, ohne sie den Kunden weiterverrechnen zu können. Dies habe die Gesellschaft in den Ruin geführt.

Tatsächlich handle es sich um eine Besorgungs- und Vermittlungstätigkeit, welche keiner Umsatzsteuerpflicht unterliege.

Der Beweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger sei durch die Nichtbezahlung und das Anmeldungsverzeichnis im Konkurs erbracht worden. Weitere Beweise seien weder notwendig noch möglich, weil lediglich Zahlungen durch Belege beweisbar seien, nicht jedoch Nichtbezahlungen.

Im Übrigen verweise er auf seine bisherige Verantwortung in seinen Stellungnahmen und Berufungen und halte alle seine gestellten Anträge aufrecht.

In der mündlichen Verhandlung wurde vom Bf. ergänzend vorgebracht, dass ihm sein damaliger Steuerberater gesagt habe, dass er dafür Umsatzsteuer zahlen müsse. Er habe das nach Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion in Frage gestellt, da er der Meinung ist, dass gar keine Umsatzsteuer zu zahlen gewesen wäre.

Zu den in der Ladung angefragten Vorlage von Bankkontoauszügen der Primärschulderin bzw. zur Frage der Entlohnung [ 1. einen Auszug aus dem Firmen-Bankkonto der Firma E-GmbH für den Zeitraum bis (Zeitraum der Fälligkeiten der im Haftungsbescheid geltend gemachten Abgaben) zum Beweis dafür, dass - wie behauptet - keine liquiden Mittel der GmbH zu den Fälligkeitstagen zur Verfügung standen, bis zur (bzw. in der) mündlichen Verhandlung vorzulegen; 2. anzugeben, ob er für seine damalige Tätigkeit als Geschäftsführer der E-GmbH entlohnt wurde, wenn ja, wann und in welcher Höhe und wie wurde die Entlohung bezahlt?] wurden keine Unterlagen vorgewiesen, da diese sich beim Nachfolgegeschäftsführer befinden, an den alles übergeben wurde.

Aufgrund der am Abgabenkonto evidenten Zahlungen bestätigt der Bf., dass es sein könne, dass erst nach dem keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren. Geschäftsführerbezüge habe er keine erhalten, die Löhne an Mitarbeiter habe er mangels liquider Mittel persönlich vorfinanziert.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Übergangsregelung und Rechtslage:

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Mit der Einführung des Bundesfinanzgerichtes haben sich auch diverse Bezeichnungen geändert. So wurde das frühere Rechtsmittel der Berufung ab zur Beschwerde. Die Ausdrücke werden in weiterer Folge jeweils angepasst.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Insolvenzverfahren:

Zunächst ist festzustellen, dass der Bf. laut Firmenbuch in der Zeit vom bis (Einlangen des Antrages auf Änderung) eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma E-GmbH gewesen ist.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Mit Beschluss des Landesgerichtes vom , AZ 19 , wurde über das Vermögen der Firma E-GmbH das Konkursverfahren eröffnet und mit weiterem Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben. Die Aufhebung des Konkurses ist seit rechtskräftig. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel eine Quote von 0 %.

Aufgrund des Ergebnisses des Insolvenzverfahrens steht die Uneinbringlichkeit der (die Quote von 0 % übersteigenden) Abgaben der Primärschuldnerin zweifelsfrei fest.

Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt nach dem Grundsatz der materiellen Akzessorietät der Haftung unter anderem voraus, dass eine Abgabenschuld einerseits entstanden ist und andererseits noch nicht erloschen ist (vgl. ).

Entscheidungen über Rechtsmittel müssen berücksichtigen, ob die haftungsgegenständliche Abgabenschuld zwischen Erlassung des Haftungsbescheids, Einbringung der Beschwerde (früher: Berufung) und materielle Entscheidung in der Sache durch das Bundesfinanzgericht entrichtet wurde.

Aus dem Abgabenkonto der GmbH ist ersichtlich, dass die verfahrensgegenständlichen Abgaben nach wie vor offen aushaften.

Einwendungen gegen den Abgabenanspruch:

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgaben­anspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungs­verfahren nach § 9 BAO nur dann zu beantworten, wenn kein die Bindungswirkung auslösender Abgaben­bescheid vorangegangen ist ().

Gehen einem Haftungsbescheid Abgabenbescheide voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diese Bescheide zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen die Abgabenbescheide eingeräumt ().

Mit vielen Beschwerdeargumenten wendet sich der Bf. gegen die dem Haftungsverfahren zugrunde liegenden Abgabenbescheide, wobei dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, dass die entsprechenden Abgabenbescheide dem Bf. mit dem Haftungsbescheid zugestellt wurden, er somit über diese Bescheide hinreichend informiert war. Zudem hat der Bf. ohnehin gemäß § 248 BAO auch gegen die Bescheide über den jeweiligen Abgabenanspruch Beschwerde (damals Berufung) eingebracht.

Die Einwendungen des Bf. gegen die zugrunde liegenden Abgabenbescheide werden in einem nachfolgenden Verfahren gemäß § 248 BAO zu berücksichtigen sein.

Behauptete Umsatzsteuerfreiheit, fehlende Judikatur

Wie bereits angesprochen wird als zentraler Punkt der Beschwerdeausführungen die behauptete Unrichtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten dargestellt, welchen bescheidmäßige Festsetzungen der Abgabenbehörde zugrunde liegen, wobei die Umsatzsteuerpflicht nach Ansicht des Bf. zu Unrecht angenommen worden seien.

Unabhängig von einem Verfahren gemäß § 248 BAO und der im Haftungsverfahren gegebenen Bindungswirkung an die Umsatzsteuerbescheide ist dem Beschwerdevorbringen, die Geschäfte der Gesellschaft wären als reine Vermittlungs- und Besorgungsgeschäfte umsatzsteuerfrei gewesen bzw. die Problematik, ob Lottogewinnspiele der Umsatzsteuerpflicht unterliegen, wäre nie ausjudiziert, zu erwidern, dass der österreichische Verwaltungsgerichthof schon im Erkenntnis vom , 2008/15/0272, zu einer Betätigung der Erstellung von Spielgemeinschaften für Zwecke des Lottospielens ausgesprochen hat, es liegt kein durchlaufender Posten vor, wenn dem Kunden die exakte Höhe jenes Betrages aus seinen laufenden Zahlungen, der an die Lotteriegesellschaft als Entgelt für Lotto-Tipps gezahlt wird, nicht bekannt ist. Es steht der Annahme eines durchlaufenden Postens auch entgegen, dass kein einzelner Tipp oder Lottoschein (und damit Wettvertrag mit der Lottogesellschaft) direkt einem einzelnen Kunden zuordenbar ist ().

Die Leistungen einer "Lottovertriebsgesellschaft" (Aufgaben: Findung und Zusammenführung von Spielinteressierten zu einer Spielgemeinschaft einschließlich Verwaltung der Spielgemeinschaft, organisatorische Abwicklung und Kontrolle der Lotto-Tipps-Abgaben für die Spielgemeinschaft, Gewinnaufteilung und -auszahlungen an die Mitglieder der Spielgemeinschaft) stellen keine umsatzsteuerfreien Besorgungsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 UStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z 9 lit. d sublit. aa UStG dar. Die von den Kunden an die Gesellschaft geleisteten monatlichen Zahlungen seien Teil des Entgelts für die Leistungserbringung. Sie seien auch nicht insoweit durchlaufende Posten, als sie von der Gesellschaft für die Begleichung der Spieleinsätze verwendet worden seien. Es komme keine unmittelbare Leistungs- und Rechtsbeziehung zwischen den Kunden der Gesellschaft und der Lotteriegesellschaft zustande. Vielmehr sei die Gesellschaft in die Leistungsbeziehung eingeschaltet, sei doch sie Teilnehmerin der Glückspiele und verpflichte sie sich den Kunden gegenüber zur Spielteilnahme. Die Gesellschaft und nicht der einzelne Kunde stehe in einem schuldrechtlichen Verhältnis zur Lotteriegesellschaft. Eine Vereinnahmung und Verausgabung in fremdem Namen und auf fremde Rechnung liege nicht vor (-I/07).

Soweit der Bf. vermeint, nur in Österreich würde man die Tätigkeit der GmbH als umsatzsteuerpflichtig einstufen, ist darauf zu verweisen, dass über eine vergleichbare Tätigkeit einer GmbH, die Kunden für von ihr gebildete Spielgemeinschaften geworben hatte, für welche sie mit von ihr erstellten Zahlenreihen an den vom Deutschen Lottoblock ausgespielten Ziehungen teilnahm, indem sie entsprechende Spielscheine ausstellte und den Lotterieeinsatz entrichtete, der deutsche Bundesfinanzhof mit Urteil vom , XI R 4/98, abgesprochen hat. Der Bundesfinanzhof ist zum Ergebnis gekommen, dass die GmbH mit ihren Serviceleistungen - wie Organisation und Durchführung der Spielgemeinschaften und Erstellung von Zahlenreihen - nebst vermittelter Lottospielteilnahme eine einheitliche Leistung erbringt und die von ihr vereinnahmten Spieleinsätze nicht als durchlaufende Posten zu behandeln sind. Die Aufspaltung in mehrere selbständige Leistungen sei tatsächlich nicht möglich und wäre wirklichkeitsfremd. Die Serviceleistungen seien somit nicht nur Nebenleistung zum vermittelten Lottospiel, sondern Teil einer einheitlichen (umsatzsteuerpflichtigen) Leistung.

Der Bundesfinanzhof führt in seinem Urteil aus, die Annahme eines durchlaufenden Postens setze voraus, dass unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen zwei Beteiligten bestünden, in die der Unternehmer nur als vermittelnde Person, wie eine Zahlstelle, zwischengeschaltet sei. Aus Gründen der Klarheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei dabei ein eindeutiger Nachweis der Betätigung des Unternehmers als Zwischenperson bzw. Vermittler für die Beteiligten, zwischen denen die unmittelbaren Rechtsbeziehungen bestünden und für welche die vermittelnde Person auftrete, erforderlich. Dies setze grundsätzlich voraus, dass der Zahlungsverpflichtete und Zahlungsberechtigte jeweils Kenntnis vom Namen des anderen und der Höhe des gezahlten Betrages hätten. Bei der gegebenen Betätigung des Organisierens von Spielgemeinschaften seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt und liege auch nicht ein Ausnahmefall vor, in welchem nach der Rechtsprechung ausnahmsweise (etwa weil nur Bagatellbeträge betroffen seien oder die Zwischenperson die Beträge lediglich als Bote weitergebe) auf die Kenntnis über ein Auftreten im fremden Namen und die Höhe des als durchlaufenden Postens zu behandelnden Betrags verzichtet werden könnte.

Somit vertritt auch der Bundesfinanzhof die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass es der Annahme durchlaufender Posten entgegensteht, wenn der Spielteilnehmer nicht exakt über die Höhe des Spieleinsatzes unterrichtet worden ist, und dass es ebenso der Annahme eines durchlaufenden Postens entgegen steht, wenn die Beträge nicht im Namen des Kunden (siehe hiezu die Vorgaben in Art. 79 Satz 1 Buchst. c der MwStSystRL 2006/112/EG) verauslagt worden sind.

Es handelt sich somit um keine Österreichspezifische Regelung.

Ob es sich beim Geschäftsmodel der Primärschuldnerin um vergleichbare Modelle wie in der erwähnten Judikatur beschriebene handelt, wird im anschließenden Beschwerdeverfahren betreffend Umsatzsteuer gemäß § 248 BAO zu prüfen sein.

Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben:

Die Fälligkeit von Abgaben ist in den einschlägigen Abgabenvorschriften geregelt. Gemäß der hier zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 21 Abs. 5 UStG 1994 wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs. 1 und 3 leg. cit. abweichende Fälligkeit begründet.

§ 21 Abs. 1 (1. Unterabsatz) UStG 1994: Der Unternehmer hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Als Voranmeldung gilt auch eine berichtigte Voranmeldung, sofern sie bis zu dem im ersten Satz angegebenen Tag eingereicht wird. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Die Vorauszahlung und der Überschuß sind Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung. Ein vorangemeldeter Überschuß ist gutzuschreiben, sofern nicht Abs. 3 zur Anwendung gelangt. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück.

§ 21 Abs. 3 UStG 1994: Wenn der Unternehmer die Einreichung der Voranmeldung pflichtwidrig unterläßt oder wenn sich die Voranmeldung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist, so hat das Finanzamt die Steuer festzusetzen. Eine Festsetzung kann nur so lange erfolgen, als nicht ein den Voranmeldungszeitraum beinhaltender Veranlagungsbescheid erlassen wurde. Eine festgesetzte Vorauszahlung hat den im Abs. 1 genannten Fälligkeitstag. Die Gutschrift eines festgesetzten Überschusses wirkt bis zur Höhe des vorangemeldeten Überschußbetrages auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung, frühestens jedoch auf den Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, zurück. Führt eine Festsetzung zur Verminderung eines Überschusses, so gilt als Fälligkeitstag der Nachforderung der Zeitpunkt, in dem die Gutschrift des Überschusses wirksam war.

§ 21 Abs. 5 UStG 1994: Durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung wird keine von Abs. 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet.

Für die Fälligkeit der Abgabennachforderungen der hier verfahrensgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; Ritz BAO-Kommentar 5. Auflage, § 9 RZ 10).

Da die Umsatzsteuer als Selbstbemessungsabgabe jeweils schon lange vor ihrer bescheidmäßigen Nachforderung fällig geworden ist, kommt der erst im Nachhinein erfolgten bescheidmäßigen Festsetzung keine für die Haftung relevante Bedeutung zu. Die hier angegebenen Umsatzsteuern waren jedoch alle im Zeitraum der Geschäftstätigkeit des Bf. fällig.

Rechtliche Erwägungen zur Haftung:

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) Vorhaltscharakter zu (). Der Bf. wurde sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Berufungsvorentscheidung ausdrücklich auf die Gleichbehandlung, die qualifizierte Mitwirkungspflicht oder die jeweilige Fälligkeit der Abgaben hingewiesen. Entsprechende neue oder ergänzende Ausführungen sind trotz dieser Hinweise im Vorlageantrag oder einem ergänzenden Schriftsatz nicht vorgebracht worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

Wie die Abgabenbehörde schon richtiger Weise ausgeführt hat, reicht die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht aus (VwGH 22.9.199991 96/15/0049).

Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. ebenfalls ).

Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl. ; ; ).

Ein Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlichen Gläubiger – bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits – an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter ().

Der Beschwerde ist zu entnehmen, dass der Bf. in seiner Funktion als Geschäftsführer die Zahlungen an alle Gläubiger gleichzeitig eingestellt hat, als keine Geldmittel mehr vorhanden waren. Um allenfalls ein Missverständnis beim Bf. auszumerzen ist festzuhalten, dass hier nicht zu prüfen war, dass er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zahlungen an alle Gläubiger gleichzeitig eingestellt hat, wobei die Frage, wann dies erfolgt ist, in der Verhandlung nicht terminisiert werden konnte . Vielmehr ist Voraussetzung einer Haftung, dass zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen der Abgaben liquide Mittel der Primärschuldnerin vorhanden waren und diese damals (nicht erst kurz vor einem Insolvenzverfahren) zur gleichmäßigen Entrichtung bei allen Gläubigern verwendet wurden.

Nur der Vollständigkeit halber bleibt festzuhalten, dass der Bf. keinesfalls zur Bevorzugung eines Gläubigers aufgefordert wurde, sondern nur versucht wurde zu klären, ob eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu den Fälligkeitstagen der Abgaben (und nicht zu Beginn des Insolvenzverfahrens) erfolgt ist.

Soweit vom Bf. das Nichtvorhandensein von liquiden Mitteln behauptet wurde, ist aus dem Akt zu ersehen, dass bis zur Konkurseröffnung immer wieder Geldbeträge auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin beim Finanzamt einbezahlt wurden:

beispielsweise am € 12.720,53, am € 437,00, am € 245,55, am € 3.012,36, am € 901,25, am € 439,00 oder am € 437,00.

Daraus lässt sich jedoch ableiten, dass entgegen der Behauptung des Bf. zumindest bis liquide Mittel zu den diversen Fälligkeitstagen vorhanden waren. Eine Prüfung einer anteilsmäßigen Entrichtung der Abgaben ist daraus jedoch nicht möglich.

Festgehalten wird, dass ein entsprechender Liquiditätsstatus auch nach entsprechender Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht nicht vorgelegt wurde, weshalb es nicht möglich war, ein Fehlen der liquiden Mittel zu den jeweiligen Fälligkeitstagen konkretisieren. Im Lichte der zitierten VwGH-Judikatur können dem Bf. als Vertreter die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorgeschrieben werden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vom Bf. bestätigt, dass es sein könne, dass erst nach dem keine liquiden Mittel mehr vorhanden waren. Damit war der Beschwerde hinsichtlich der am fälligen Umsatzsteuer 08/2011 von € 2.000,00 insoweit stattzugeben.

Schuldhafte Pflichtverletzung:

Bei schuldhafter Pflichtverletzung spricht die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall (). Dabei reicht schon leichte Fahrlässigkeit aus.

Bei der Prüfung der Fahrlässigkeit geht es um die Beurteilung der erforderlichen Sorgfalt, die der Bf. anzuwenden gehabt hätte. Die Verpflichtung des Bf. bezieht sich auf die Sorgfalt, die ein rechtstreuer, gewissenhafter und besonnener Mensch in der konkreten Lage des Täters aufwenden würde; das Maß dieser Aufmerksamkeit muss je nach den Umständen größer oder geringer sein ().

Aus dem Akt ergibt sich, dass es der Bf. als damaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin unterlassen hat, die Abgaben (zumindest anteilig) zu den Fälligkeitstagen zu entrichten. Soweit sich der Bf. dabei selbst als Opfer eines unfähigen Steuerberaters bezeichnet, gab er in der Verhandlung an, dass ihm sein damaliger Steuerberater gesagt habe, dass er dafür Umsatzsteuer zahlen müsse. Er habe das nach Übernahme seiner Geschäftsführerfunktion in Frage gestellt, da er der Meinung ist, dass gar keine Umsatzsteuer zu zahlen gewesen wäre. Damit hat der Bf. als Geschäftsführer jedoch bewusst gegen die Aussagen eines anerkannten Steuerexperten, der offensichtlich die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes, des deutschen Bundesfinanzhofes und des Unabhängigen Finanzsenates als damaliger Rechtsmittelbehörde geteilt hat,  gehandelt, sodass - da für die Geltendmachung einer Haftung schon leichte Fahrlässigkeit ausreicht - von einem schuldhaften Verhalten auszugehen ist. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt auch im Ignorieren der Rechtsansicht des eigenen Steuerberaters, der eine Umsatzsteuerpflicht konstatiert hat.

Zusammengefasst sind die Behauptungen des Bf. nicht geeignet darzulegen, dass kein Verschulden an der Verletzung abgabenrechtlichen Obliegenheiten vorgelegen ist.

Ermessen:

Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Im gegenständlichen Fall wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft steht die Uneinbringlichkeit regelmäßig nach Verteilung des Massevermögens und erfolgter Konkursaufhebung fest, sodass die Entscheidung über die Geltendmachung der Haftung in einem angemessenen Zeitraum nach diesem Zeitpunkt erfolgen muss. Die Heranziehung der Bf. zur Haftung ist zeitnah erfolgt, sodass aus diesem Grund eine Ausübung des Ermessens nicht erforderlich war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen betont, dass die Haftung keineswegs nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfe (; ). Die Geltendmachung der Haftung könne auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich sei, da dies nicht ausschließe, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (; ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen, dessen Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften stünde für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (; ).

Auch die Beschwerdeeinwendungen, der Bf. hat die Umsatzsteuer nicht weiterverrechnen können und privat entrichtet, sind keine Argumente für eine Maßnahme, im Sinne der Billigkeit zugunsten des Bf. vom Ermessen Gebrauch zu machen.

Gründe für ein Absehen von der Geltendmachung der Haftung als Ausfluss des Ermessens lagen im gegenständlichen Fall nicht vor, sodass das Finanzamt mit Recht davon ausgehen konnte, dass den Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Vorrang gegenüber einer allfälligen Billigkeit der Vorrang einzuräumen war und die Geltendmachung der Haftung eine geeignete Maßnahme war, um den Abgabenausfall zu verhindern.

Da auch keine weiteren Gründe namhaft gemacht wurden, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit im Rahmen einer Ermessensübung eine anders lautende Einschätzung bewirken könnten, ist von einer diesbezüglichen schuldhaften Pflichtverletzung durch die Bf. auszugehen.

A ufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Bf. für die im Spruch dieses Erkenntnisses dargestellten weiteren Abgabenschulden der Primärschuldnerin (um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der näheren Darstellungen der jeweiligen Teilbeträge auf den Spruch verwiesen) zu Recht, sodass die Beschwerde über den Umsatzsteuerbetrag 08/2011 hinaus als unbegründet abzuweisen war.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr ist der oben jeweils näher dargestellten Judikatur zu entnehmen, dass die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Haftung gemäß § 9 BAO einheitlich beantwortet sind.

Wien, am

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