Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.07.2014, RV/7101293/2014

Gesellschafterhaftung, Bedachtnahme auf Beteiligungsverhältnis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Haftung gemäß § 12 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben in der Höhe von Euro 18.566,18 eingeschränkt:


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Abgabe
Betrag
Umsatzsteuer 12/2009
2.419,54
Kammerumlage 01-03/2010
7,48
Umsatzsteuer 01/2010
1.999,55
Lohnsteuer 02/2010
238,31
Dienstgeberbeitrag 02/2010
237,99
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2010
20,59
Umsatzsteuer 02/2010
2.465,11
Lohnsteuer 03/2010
241,82
Dienstgeberbeitrag 03/2010
243,10
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2010
21,04
Umsatzsteuer 03/2010
1.728,27
Lohnsteuer 04/2010
257,51
Dienstgeberbeitrag 04/2010
262,21
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2010
22,64
Lohnsteuer 05/2010
278,66
Dienstgeberbeitrag 05/2010
292,75
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2010
25,46
Umsatzsteuer 05/2010
636,14
Lohnsteuer 06/2010
277,60
Dienstgeberbeitrag 06/2010
293,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2010
25,56
Lohnsteuer 07/2010
275,06
Dienstgeberbeitrag 07/2010
294,12
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2010
25,66
Lohnsteuer 08/2010
286,54
Dienstgeberbeitrag 08/2010
310,79
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
27,14
Umsatzsteuer 10/2010
1.436,40
Umsatzsteuer 11/2010
28,36
Umsatzsteuer 12/2010
373,97
Umsatzsteuer 01/2011
1.271,42
Umsatzsteuer 02/2011
2.241,43

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-KG mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 12 BAO als damaliger Gesellschafter der genannten KG für Abgaben in der Höhe von Euro 185.650,63, nämlich


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Abgabe
Betrag
Fälligkeit
Umsatzsteuer 12/2009
24.195,43
Kammerumlage 01-03/2010
74,82
Umsatzsteuer 01/2010
19.995,49
Lohnsteuer 02/2010
2.383,13
Dienstgeberbeitrag 02/2010
2.379,89
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2010
205,88
Umsatzsteuer 02/2010
24.651,11
Lohnsteuer 03/2010
2.418,16
Dienstgeberbeitrag 03/2010
2.430,97
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2010
210,42
Umsatzsteuer 03/2010
17.282,73
Lohnsteuer 04/2010
2.575,07
Dienstgeberbeitrag 04/2010
2.622,08
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2010
226,43
Lohnsteuer 05/2010
2.786,64
Dienstgeberbeitrag 05/2010
2.927,47
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2010
254,55
Umsatzsteuer 05/2010
6.361,38
Lohnsteuer 06/2010
2.775,96
Dienstgeberbeitrag 06/2010
2.939,58
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2010
255,63
Lohnsteuer 07/2010
2.750,55
Dienstgeberbeitrag 07/2010
2.941,20
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2010
256,59
Lohnsteuer 08/2010
2.865,40
Dienstgeberbeitrag 08/2010
3.107,92
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
271,40
Umsatzsteuer 10/2010
14.364,01
Umsatzsteuer 11/2010
283,59
Umsatzsteuer 12/2010
3.739,65
Umsatzsteuer 01/2011
12.714,17
Umsatzsteuer 02/2011
22.414,33

zur Haftung herangezogen.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde) wandte der Bf. ein, dass er in der dem Bescheid zu Grunde liegenden Gesellschaft keinerlei haftungsbegründende Funktion bzw. Tätigkeit ausgeübt habe. Dies gehe schon aus der niederschriftlichen Nachschau vom anlässlich der Firmenaufnahme hervor, in der er lediglich als gewerberechtlicher Geschäftsführer mit einem voraussichtlichen Gewinnanteil von 10 % geführt worden sei. Dies sei aber praktisch nicht verrechnet worden, da keine ordnungsgemäße Buchhaltung durch den tatsächlich allein agierenden Gesellschafter, Herrn P.R., erstellt worden sei. Hierzu verwies er auf den Außenprüfungsbericht vom und der ergänzenden Niederschrift vom . Zur weiteren Beweisführung beantragte der Bf. die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn P.R. als Gesellschafter der KG und Herrn Mag. H.S. als Steuerberater der Gesellschaft.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass der Bf. auf Grund des vorliegenden Firmenbuchauszuges seit bis unbeschränkt haftender Gesellschafter der P-KG, vormals S-KG, gewesen sei. Zur Haftung des Komplementärs werde auf § 128 UGB verwiesen. Nach § 128 UGB würden die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unmittelbar, primär, unbeschränkt, unbeschränkbar, persönlich und solidarisch haften. Eine entgegenstehende Vereinbarung sei Dritten gegenüber unwirksam.

Diese Haftung knüpfe allein an die Gesellschafterstellung an. Bestehe der rechtliche Status eines Gesellschafters, so vermöge § 12 BAO wirksam zu werden. Die solcherart zu verstehende Gesellschaftereigenschaft werde selbst einem Scheingesellschafter, aber auch einem Strohmann zugesprochen. Ein persönlich haftender Gesellschafter hafte daher auch dann, wenn ihm de facto kein Einfluss auf die Betriebsführung zukomme (Ritz, BAO3, § 12 Tz 1 mit Hinweis auf , betreffend Haftung eines Komplementärs; ebenso -K/06).

Somit könne auch eine niederschriftliche Einvernahme bei der Firmenaufnahme bzw. der Umstand, dass tatsächlich eine andere Person – wie vom Bf. vorgebracht -, nämlich Herr P.R. als Gesellschafter für die wirtschaftlichen Belange der KG zuständig gewesen sei, oder eine zeugenschaftliche Einvernahme der Haftung nicht entgegenstehen und eine andere Entscheidung herbeiführen.

Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde) zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr durch das Bundesfinanzgericht) und brachte ergänzend vor, dass er absolut keinen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen gehabt habe und in solche auch nicht eingebunden gewesen sei. Daher sei die Erlassung eines Haftungsbescheides gegen ihn eine unverhältnismäßige Härte.

Darüber wurde erwogen:

Die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit haften gemäß § 12 BAO persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

Gemäß § 128 UGB haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unbeschränkt. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

Unbestritten ist, dass der Bf. im Zeitraum vom bis unbeschränkt haftender Gesellschafter der P-KG war.

Das Finanzamt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Haftung gemäß § 12 BAO die Gesellschafter unter anderem einer KG trifft und die Frage, ob jemand Gesellschafter einer solchen KG ist, nach dem Gesellschaftsrecht zu beurteilen ist, wobei es auf die "förmliche Gesellschafterstellung" ankommt. Gemäß § 128 UGB haften die Gesellschafter einer KG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich und ist eine entgegenstehende, im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung Dritten gegenüber unwirksam (). Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, wenn sie vor dem unbestrittenen Sachverhalt, dass der Bf. Gesellschafter der KG war, dem Vorbringen, er sei nur als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig gewesen, keine Bedeutung beigemessen hat ().

Ein Komplementär haftet auch dann, wenn ihm de facto kein Einfluss auf die Betriebsführung zukommt ().

Die gemäß § 12 BAO bestehende Haftung ist keine Ausfallshaftung. Die Nachrangigkeit der Haftung ist aber auch hier zu berücksichtigen. Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Datum das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-KG mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde.

Im Abgabenrecht liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Ermessen (Ritz, BAO5, § 6 Tz 6). Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Ferner wird auch das Ausmaß der Verantwortlichkeit der einzelnen von Bedeutung sein, aber auch das der Vorteile (Bereicherung), die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen geschöpft wurden (Stoll, Steuerschuldverhältnis, 218; ; Stoll, Ermessen2, 384 ff.).

Im Zuge der Ermessensentscheidung war daher auch der Umstand zu würdigen, dass sich bei mehreren potenziell Haftenden die haftungsrechtliche Verantwortung danach richtet, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut war.

Aus dem Einwand des Bf. geht hervor, dass er lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer der KG war und der zweite Gesellschafter im Zeitraum der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben, Herr P.R., offenbar der tatsächliche Machthaber der Gesellschaft war. Dies ergibt sich auch aus den Verwaltungsakten, wonach im Finanzstrafverfahren lediglich P.R. verurteilt wurde, da dieser auch die alleinige Schuld auf sich nahm.

Aus der Aussage des Bf., dass zwar ein voraussichtlicher Gewinnanteil von 10 % vereinbart worden sei, dieser aber mangels ordnungsgemäßer Buchführung des P.R. nicht verrechnet worden sei, lässt sich jedoch lediglich gewinnen, dass der Bf. nicht für den gesamten Abgabenrückstand herangezogen werden kann, sondern lediglich im Ausmaß seines auch im Betriebsprüfungsbericht vom dokumentierten Gewinnbeteiligungsverhältnisses von 10 %. Ob dieser Gewinnanteil aus welchen Gründen auch immer nicht zur Auszahlung gelangte, ist hingegen unerheblich.

Dazu ist festzustellen, dass nach der Aktenlage der zweite Gesellschafter P.R. mit Bescheid vom zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO für die größtenteils übereinstimmenden Abgaben (abzüglich Kammerumlage, zuzüglich Verspätungszuschläge) im Ausmaß von Euro 193.786,22 herangezogen wurde.

Weiters befanden sich die ehemaligen Gesellschafter der KG nach der Aktenlage jeweils in Schuldenregulierungsverfahren, die mittlerweile nach Abschluss von Zahlungsplänen abgeschlossen wurden.

Bei dieser Sachlage war es daher zweckmäßig, auch den Bf. zur Haftung heranzuziehen, um die haftungsgegenständlichen Abgaben, wenn auch in geringem Ausmaß, doch noch einbringen zu können.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 12 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die nachstehenden Abgabenschuldigkeiten der P-KG im Ausmaß von nunmehr Euro 18.566,18 zu Recht:


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Abgabe
Betrag
10 %
Umsatzsteuer 12/2009
24.195,43
2.419,54
Kammerumlage 01-03/2010
74,82
7,48
Umsatzsteuer 01/2010
19.995,49
1.999,55
Lohnsteuer 02/2010
2.383,13
238,31
Dienstgeberbeitrag 02/2010
2.379,89
237,99
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2010
205,88
20,59
Umsatzsteuer 02/2010
24.651,11
2.465,11
Lohnsteuer 03/2010
2.418,16
241,82
Dienstgeberbeitrag 03/2010
2.430,97
243,10
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 03/2010
210,42
21,04
Umsatzsteuer 03/2010
17.282,73
1.728,27
Lohnsteuer 04/2010
2.575,07
257,51
Dienstgeberbeitrag 04/2010
2.622,08
262,21
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 04/2010
226,43
22,64
Lohnsteuer 05/2010
2.786,64
278,66
Dienstgeberbeitrag 05/2010
2.927,47
292,75
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2010
254,55
25,46
Umsatzsteuer 05/2010
6.361,38
636,14
Lohnsteuer 06/2010
2.775,96
277,60
Dienstgeberbeitrag 06/2010
2.939,58
293,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2010
255,63
25,56
Lohnsteuer 07/2010
2.750,55
275,06
Dienstgeberbeitrag 07/2010
2.941,20
294,12
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 07/2010
256,59
25,66
Lohnsteuer 08/2010
2.865,40
286,54
Dienstgeberbeitrag 08/2010
3.107,92
310,79
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2010
271,40
27,14
Umsatzsteuer 10/2010
14.364,01
1.436,40
Umsatzsteuer 11/2010
283,59
28,36
Umsatzsteuer 12/2010
3.739,65
373,97
Umsatzsteuer 01/2011
12.714,17
1.271,42
Umsatzsteuer 02/2011
22.414,33
2.241,43

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 128 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7101293.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at