Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2015, RV/7102211/2014

Primärer Familienbeihilfenanspruch aufgrund Haushaltszugehörigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. über die Beschwerde der Bf., X. , gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Monat September 2013, zu Recht erkannt:

Die Bescherde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog von April 2012 bis September 2013 für ihre mj. Stiefschwester S., geb. 1998, Familienbeihilfe.

Am stellte der Kindesvater einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2013.

Das Finanzamt forderte nach Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen von der Bf. mit Bescheid vom für den Monat September 2013 die Familienbeihilfe (inkl. Kinderabsetzbetrag) unter Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) zurück.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte die Bf. im Wesentlichen aus, sie sei die Erziehungsberechtigte von ihrer Schwester gewesen und sie hätte mit dem Geld für sie bereits vor dem das Kinderzimmer ausgebaut und renoviert. S. sei Mitte Juli 2013 zum Familienurlaub nach Venedig mitgenommen worden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom unter Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2 und 10 Abs. 2 FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass laut Schreiben der Jugendhilfe St. Pölten der Kindesvater für S. am wieder die Vollmacht übernommen habe. Laut Zentralem Melderegister sei S. seit an der Adresse des Kindesvaters gemeldet. S. sei daher im September 2013 nicht mehr ihrem Haushalt zugehörig gewesen. Die Unterhaltskosten seien im September nicht überwiegend von der Bf. getragen worden. Familienbeihilfenanspruch bestehe daher für September 2013 nicht mehr.

Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und führte darin aus, dass S. mehr als zwei Jahre in ihrem Haushalt gewohnt habe und sie als Studentin alleine für sie gesorgt habe. Die Eltern von S. seien beide arbeitslos und hätten keinen Beitrag leisten können.

Im August 2013 habe sie abermals die vollständige Familienbeihilfe erhalten und damit S Kinderzimmer renoviert bzw. seien sie damit auf Urlaub gefahren.

Das Geld für September (Schule, Essen) habe sie aus ihrem Ersparten gezahlt.

S. hätte bis Mitte September Urlaub bei ihrem Vater gemacht und sei erst nach den zwei Wochen die Obsorge dem Jugendamt gegeben worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Gesetzesbestimmung des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 regelt die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit. Demnach gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn-und Wirtschaftsgemeinschaft) an.

Gemäß § 7 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt.

§ 10 Abs. 2 FLAG 1967 bestimmt, dass Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 10 Abs. 4 FLAG 1967 gebührt für einen Monat Familienbeihilfe nur einmal. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzip demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat oder nach § 2a FLAG 1967 als Haushaltsführender vermutet wird.

Feststehender Sachverhalt:

Unstrittig ist, dass S. - sie ist die Stiefschwester der Bf. - bis im Haushalt der Bf. gemeldet war.

Fest steht weiters, dass der Vater von S. vom Magistrat der Stadt St. Pölten mit Schreiben vom die Vollmacht für deren Pflege und Erziehung, ausgenommen Bestimmung des Aufenthaltes und Vertretung vor Behörden, erhalten hat.

Weiters steht fest, dass die Bf. die Vollmacht für S. am an die Jugendwohlfahrt zurück übergeben hat.

S. ist seit im Haushalt des Vaters gemeldet (Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom ).

Rechtliche Würdigung:

Strittig ist die Frage, ob die Familienbeihilfe (inkl. Kinderabsetzbetrag) im Monat September 2013 der Bf. oder dem Vater von S. zugestanden ist.

Die Bf. selbst führte in ihrem Vorlageantrag aus, S. hätte bis Mitte September 2013 Urlaub bei ihrem Vater gemacht.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, hat nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind trägt und keine andere Person nach dem ersten Satz des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 anspruchsberechtigt ist.

Das Gesetz geht erkennbar davon aus, dass das Kind nur einem Haushalt angehören kann. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa ).

Der Begriff der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes wird von Merkmalen verschiedenster Art geprägt. Die Haushaltszugehörigkeit leitet sich aus dem Zusammenwirken örtlicher Gegebenheiten sowie materieller und immaterieller Faktoren ab.

Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich die Tatsache einer nachgewiesenen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung (vgl. ).

Unter Wohngemeinschaft versteht man das Zusammenleben mehrerer Personen in einer Wohnung, wobei allgemeine Räume wie Badezimmer, Küche oder Wohnzimmer gemeinsam benutzt werden, d.h. in welchem Haushalt das Kind gewöhnlich seinen Alltag verbringt, die Mitteln des Haushalts benutzt und wo es üblicherweise nächtigt und von wo aus es die Schule (Berufsschule, Arbeitsstelle) besucht.

Eine Wirtschaftsgemeinschaft liegt dann vor, wenn zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen werden, wobei es nicht nur auf die Ausgaben für die Nahrung, sondern darüber hinaus vor allem auch auf jene für die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs sowie für Bekleidung ankommt.

Ein Kind gilt somit dort und dann als haushaltszugehörig, wenn es in einem bestimmten Haushalt wohnt, und dort betreut und versorgt wird. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Kind ständig in diesem Haushalt anwesend ist. Der Begriff der Haushaltszugehörigkeit verlangt jedoch sowohl einen Haushalt, der von der „Betreuungsperson“ und dem Kind gemeinsam regelmäßig genutzt wird, als auch, dass die „Betreuungsperson“ die Verantwortung für das materielle Wohl (Wirtschaftsführung und -tragung) des haushaltszugehörigen Kindes trägt.

Die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, hängt auch davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt.

Nicht von Bedeutung sind hingegen das Erziehungsrecht (vgl. ), ebenso polizeiliche Meldebestätigungen (sie stellen lediglich ein widerlegbares Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft dar, sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse zu liefern, ebenso wie das Unterbleiben einer polizeilichen Meldung kein unwiderlegbares Indiz dafür ist, dass das Kind nicht beim Anspruchswerber wohnt; vgl. ).

Da im vorliegenden Beschwerdefall unbestritten feststeht, dass S. bis Mitte September Urlaub bei ihrem Vater gemacht hat, dieser ab die Vollmacht für Pflege und Erziehung erhalten hat und S. überdies bereits seit in dessen Haushalt gemeldet ist, kann von einer Haushaltszugehörigkeit von S. zur Bf. im Monat September 2013 nicht mehr gesprochen werden.

Die Prüfung der von der Bf. geleisteten Zahlungen (Schule und Essen für den Monat September) ist damit obsolet (vgl. auch ), da diese nur dann von Relevanz wären, wenn keine Zugehörigkeit zum Haushalt des Vaters vorliegen würde.

Da somit die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe im Monat September 2013 nicht mehr vorlagen, hat die Bf. für den genannten Monat die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen.

Gemäß § 26 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. § 26 leg cit. gilt gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit. a EStG 1988 auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.

Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. Demnach entbindet auch die Weitergabe der zu Unrecht bezogenen Beträge nicht von der zwingenden Rückzahlungsverpflichtung (vgl. dazu insbesondere , und auch ).

Da der angefochtene Bescheid des Finanzamtes sohin der anzuwendenden Rechtslage entspricht, musste die dagegen gerichtete Beschwerde der Bf. als unbegründet abgewiesen werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da der Umstand, dass Voraussetzung für einen Familienbeihilfenanspruch primär die Haushaltszugehörigkeit ist, dem Gesetzeswortlaut entspricht und auch durch die oben zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung klargestellt ist. Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at