Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2015, RV/7500417/2014

Virtuelle Hunde- und Pferderennen - keine Vergnügungssteuerpflicht mangels Vorliegen eines Spielapparates iSd § 6 VGSG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Verwaltungsstrafsache Bf , vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Stephansplatz 4/VIII, 1010 Wien, gegen das Straferkenntnis des Magistrat der Stadt Wien vom , GZ1 ua, betreffend Übertretung der §§ 14 Abs 2 und 17 Abs 3 iVm § 19 Abs 1  Vergnügungssteuergesetzes 2005, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Gemäß § 50 VwGVG wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 zweiter Fall VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

"1) Zahl: [GZ1a]

(bitte bei Antwort vollständig angeben!)

Sie haben es (als Lokalinhaber) bis zum unterlassen, den im Betrieb in [Betriebsadresse] , gehaltenen Apparat der Type 'Hunderennwettapparat' für den Monat Juni 2010 mit dem Betrag von € 1.400,00 zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer für diesen Monat mit dem oben genannten Betrag verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

2) Zahl: GZ2

(bitte bei Antwort vollständig angeben!)

Sie haben es (als Lokalinhaber) bis zum unterlassen, den im Betrieb in [Betriebsadresse], gehaltenen Apparat der Type 'Hunderennwettapparat' für den Monat Juli 2010 mit dem Betrag von € 1.400,00 zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer für diesen Monat mit dem oben genannten Betrag verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

3) Zahl: GZ3

(bitte bei Antwort vollständig angeben!)

Sie haben es (als Lokalinhaber) bis zum unterlassen, den im Betrieb in [Betriebsadresse], gehaltenen Apparat der Type 'Hunderennwettapparat' für den Monat August 2010 mit dem Betrag von € 1.400,00 zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer für diesen Monat mit dem oben genannten Betrag verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

4) Zahl: GZ4

(bitte bei Antwort vollständig angeben!)

Sie haben es (als Lokalinhaber) bis zum unterlassen, den im Betrieb in [Betriebsadresse], gehaltenen Apparat der Type 'Hunderennwettapparat' für den Monat September 2010 mit dem Betrag von € 1.400,00 zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer für diesen Monat mit dem oben genannten Betrag verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

5) Zahl: GZ5

(bitte bei Antwort vollständig angeben!)

Sie haben es (als Lokalinhaber) bis zum unterlassen, den im Betrieb in [Betriebsadresse], gehaltenen Apparat der Type 'Hunderennwettapparat' für den Monat Mai 2012 mit dem Betrag von € 1.400,00 zur Vergnügungssteuer anzumelden und diese zu entrichten. Sie haben dadurch die Vergnügungssteuer für diesen Monat mit dem oben genannten Betrag verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen."

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer 5 Geldstrafen von je € 700,00, falls diese uneinbringlich sind, 5 Ersatzfreiheitsstrafen von je 20 Stunden gemäß § 19 Abs 1 VGSG.

Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG je € 70,00 als Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren, das sind 10% der Strafen zu bezahlen. Die zu zahlenden Gesamtbeträge (Strafe/Kosten) würden daher je € 770,00 betragen.

In der Begründung des Straferkenntnisses führte die belangte Behörde ua aus:

"Der Sachverhalt der Ihnen zur Last gelegten Übertretungen ist durch die amtlichen Feststellungen vom und , das Bemessungsverfahren, Ihre Rechtfertigung und den Kontostand unbedenklich erwiesen und wurde Ihnen vorgehalten; demnach haben Sie den gegenständlichen Apparat weder spätestens einen Tag dessen Aufstellung angemeldet, noch die Vergnügungssteuer bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit entrichtet.

Anlässlich der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde die Vergnügungssteuerpflicht zur Gänze bestritten; im Wesentlichen wird die Ansicht vertreten, dass es sich beim gegenständlichen Gerät um keinen Spielapparat im Sinne des§ 6 Abs. 1 VGSG, sondern um ein Terminal zwecks Sportwettenvermittlung von voraufgezeichneten Hunderennen handle.

Ihren Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Hinsichtlich der Frage der Steuerpflicht hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl.: 2011/17/0222, zu einem gleichartigen Apparat festgestellt, dass das beanstandete Gerät einer Vergnügungssteuerpflicht gemäß § 6 Abs. 1 VGSG unterliegt.

Aufgrund der Aktenlage ist es als erwiesen anzusehen, dass Sie der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Anmeldung des Apparates und zur Zahlung der Vergnügungssteuer nicht nachgekommen sind und damit zumindest fahrlässig gehandelt haben."

Gegen dieses Straferkenntis erhob der Beschwerdeführer das damals zulässige Rechtsmittel der Berufung und führte hierin ua aus:

"Die im Lokal in [BetriebsadresseVar1] , betriebene Ausstattung zur Vermittlung von Wetten auf virtuelle Hunde- und Pferderennen unterlag nicht der Vergnügungssteuer. Sie war daher auch nicht zur Vergnügungssteuer anzumelden, die Unterlassung der Anmeldung kann keine Strafe zur Folge haben."

Weiters wurde (zu den bereits im bisherigen Verfahrensverlauf beigebrachten Gutachten) ein statistisch - mathematisches Gutachten vorgelegt, zum Beweis dafür, dass der Ausgang der hier gegenständlichen virtuellen Hunde- und Pferderennen und somit auch die Vorhersagbarkeit des bewetteten Ereignisses nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Im Zuge des Verfahrens (Aufforderung zur Rechtfertigung) führte der Beschwerdeführer überdies ua aus:

Der [Beschwerdeführer] übt in seinem Lokal in der [BetriebsadresseVar2] das freie Gewerbe 'Vermittlung von Wettkunden zu einem befugten Buchmacher/Wettbüro unter Ausschluss der den Buchmachern und Totalisateuren vorbehaltenen Tätigkeiten' aus. ln Ausübung dieses Gewerbes hat er einen Vermittlungsvertrag für Wetten mit der Fa. [Buchmacher] abgeschlossen. Die für die Wettannahme und -Vermittlung erforderlichen EDV-Geräte (PC, Monitor, Ticketdrucker, Maus, Tastatur etc.) stammt von der [P] Vertriebs GmbH gemietet, diese ist auch Herstellerin der auf diesen Hardwaregeräten verwendeten Wettsoftware. Der [Beschwerdeführer] vermittelt unter Einsatz dieser Geräte und der Wettsoftware die von den Kunden gewünschten Wetten zur Fa. [Buchmacher] Diese hat ihren Sitz in Uruguay und nahm die Wetten von dort an, der jeweilige Wettabschluss erfolgte somit in Uruguay.

Als technische Ausstattung sind im Lokal einerseits die vorstehend beschriebene EDV-Anlage zur Vermittlung von Wetten und andererseits eine Vielzahl von Fernsehgeräten vorhanden, welche im Eigentum des Berufungswerbers standen. Die Fernsehgeräte werden einerseits dazu verwendet, Informationen des Buchmachers (Quoten, Resultate etc.) für die Wettkunden anzuzeigen, und andererseits, um die Ereignisse darzustellen, auf die gewettet werden kann (z.B.: Fußballspiel Rapid gegen Austria Wien, Formel 1 Grand Prix in Monaco oder eben die virtuellen Hunde und Pferderennen).

[...]

Wie beim vorstehend dargestellten Fußballspiel haben auch bei den virtuellen Hunderennen Pferdewetten weder die beiden Parteien des Wettvertrages (Wettkunde und Buchmacher [Buchmacher]) noch der [Beschwerdeführer] als Vermittler noch die Fa. [P] als Hersteller der Wettsoftware etwas mit dem Ereignis zu tun, auf das gewettet wird (virtuelles Hunderennen). Es besteht kein technischer Zusammenhang zwischen dem Ausgang (Ergebnis des virtuellen Rennens) und der EDV-Anlage, welche der Wettvermittlung dient.

Der Wettkunde kann die virtuellen Hunderennen auf Fernsehbildschirmen betrachten, sich auf der Homepage über die künftigen Rennen informieren, die (von [Rennveranstalter] ) unabhängigen Quoten der [Buchmacher] wählen und dann den Filialmitarbeiter mit der Vermittlung der Wette beauftragen. Dieser gibt die Wette in das EDV-System ein. Nach Zustandekommen der Wette erfolgt als Beweis für den Abschluss ein Ticketaüsdruck, der auch einen Barcode enthält, welcher die Überprüfung eines Gewinnes für den Filialmitarbeiter erleichtert.

[...]

Somit liegt kein 'Spielapparat' im Sinne des Wiener Vergnügungssteuergesetzes vor, weil keinerlei technische Verbindung zwischen den Rennen, auf die gewettet wird, und der Wettanlage besteht; keinerlei wie immer geartete Geschäftsverbindung zwischen allen in irgend einer Form an der Wette Beteiligten und dem Setreiber der Homepage (Hersteller der virtuellen Rennen) besteht; alle Wetten der Kunden von den Mitarbeitern des Lokalinhabers manuell in die Wettanlage eingetippt werden mussten; alle Quoten manuell festgelegt werden; alle gewonnenen Wettscheine für die Auszahlung manuell von den Mitarbeitern des Wettvermittlers in die Wettanlage zur Abrechnung eingetippt werden mussten; alle Rennen, auf die gewettet werden kann, manuell durch die Mitarbeiter des Buchmachers als Wettereignis eingegeben werden müssen; für alle Rennen die Wettmöglichkeit durch die Mitarbeiter des Buchmachers nach Start der einzelnen Rennen manuell im Wettsystem gesperrt werden muss; das Ergebnis jedes einzelnen Rennens manuell nach Vorliegen durch die Mitarbeiter des Buchmachers in das Wettsystem eingegeben werden muss; die Wetten etwa im Falle von Störungen auch ausschließlich manuell durch Eintragung der Wetten in ein 'Ticketbuch' abgeschlossen werden können; die Wettkunden die Form und Leistungsstärke der einzelnen Teilnehmer sehr wohl aus den zur Verfügung gestellten Informationen wie bei realen Sportveranstaltungen entnehmen können.

[...]

Zur Darstellung der technischen Funktionsweise der Wettannahme wird ein Befund und Gutachten, zu dem Gegenstand der Berufung bildenden 'Wettkassensystem der [P] Vertriebs-GmbH zum Abschluss oder Vermittlung von Wetten zur Fa. [Buchmacher]', erstellt von lng. [SV1] , vorgelegt."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer übte in seinem Lokal das freie Gewerbe „Vermittlung von Wettkunden zu einem befugten Buchmacher/Wettbüro unter Ausschluss der den Buchmachern und Totalisateuren vorbehaltenen Tätigkeiten“ aus.

In Ausübung seines Gewerbes hatte er einen Vermittlungsvertrag für Wetten mit dem Unternehmen [Buchmacher] abgeschlossen.

Die für die Wettannahme und -vermittlung erforderlichen handelsüblichen EDV-Geräte (PC, Monitor, Ticketdrucker, Maus, Tastatur etc) hatte der Beschwerdeführer von der [P] Vertriebs GmbH gemietet, diese war auch Herstellerin der auf diesen Geräten verwendeten Wettsoftware.

Der Beschwerdeführer vermittelte unter Einsatz dieser Geräte und der Wettsoftware die von den Kunden gewünschten Wetten zur [Buchmacher] Diese hat ihren Sitz in Uruguay und nimmt die Wetten dort an, weshalb der Wettabschluss in Uruguay erfolgte.

Als technische Ausstattung waren im Lokal neben der genannten EDV-Anlage (zur Vermittlung von Wetten) eine Vielzahl an Fernsehgeräten (Flachbildschirmen) vorhanden, welche im Eigentum des Beschwerdeführers standen, sowie Decoder um das Satellitenprogramm [RennveranstalterAlt] (nunmehr [Rennveranstalter]) empfangen zu können.

Die Fernsehgeräte wurden einerseits dazu verwendet, Informationen des Buchmachers wie Quoten und Resultate für die Wettkunden anzuzeigen, und andererseits um Ereignisse wie zB Fußballspiele oder virtuelle Hunde- und Pferderennen darzustellen, auf die gewettet werden konnte.

Unter den vom Beschwerdeführer vermittelten Wetten befanden sich auch Wetten auf virtuelle Hunde- und Pferderennen.

Diese virtuellen Hunde- und Pferderennen wurden von [Rennveranstalter] veranstaltet. [Rennveranstalter] ist ein englischer Buchmacher, auf dessen Homepage [HomepageRennveranstalter] auch direkt auf die virtuellen Rennen gewettet werden kann.

Diese Rennen fanden täglich rund um die Uhr regelmäßig in einem Abstand von vier Minuten statt. Innerhalb dieses Zeitraumes war auf den Fernsehbildschirmen ersichtlich, wann das nächste Rennen begann. Weiters wurden die teilnehmenden virtuellen Hunde mit ihrem jeweiligen Namen und der Startnummer vorgestellt. Zu jedem Tier wurden Informationen wie der Name, die Startbox, der Trainer und die aktuelle, in einer vierstelligen Zahl ausgedrückte Form und die Wettquote von [RennveranstalterAlt] ([Rennveranstalter]) angezeigt. Diese vierstellige Zahl (Form) zeigte die vom jeweiligen Tier in den letzten vier Rennen erreichten Plätze an. Zu Beginn des Rennens verschwanden die Quotenanzeigen.

Auf der Homepage [HomepageRennveranstalter] bestand die Möglichkeit, sich über die in den nächsten zwei Stunden beginnenden Rennen, und die vergangenen zehn Rennen zu informieren. Die Rennen konnten von jedermann auch jederzeit auf dieser Homepage aufgerufen werden.

Informationsquelle für den Wettkunden war neben Namen, Startbox, Trainer, Form und der von [Rennveranstalter] für das jeweilige Tier festgesetzten Quote weiters die vom Buchmacher([Buchmacher]) festgesetzte Quote.

Der Buchmacher ([Buchmacher]) errechnete selbst eine Wettquote aufgrund der prinzipiellen Leistungsstärke, der aktuellen Form, des Trainers und der aktuell konkurrierenden Tiere. Diese Informationen standen auf gesonderten Bildschirmen im Lokal des Beschwerdeführers zur Verfügung.

Die Buchmacherquoten der [Buchmacher] waren durch den Wettvermittler (den Beschwerdeführer) nicht veränderbar. Sie orientierten sich an den Wettquoten von [RennveranstalterAlt] bzw [Rennveranstalter], waren jedoch bei höheren Gewinnmöglichkeiten regelmäßig etwas niedriger.

Die streitgegenständlichen Rennen fanden unter einem fixen Bestand von ca 1080 virtuellen Hunden statt. Diese Hunde hatten jeweils einen individuellen Namen. Es gab Hunde, die bessere und Hunde, die schlechtere Rennleistungen erbrachten.

Mehrere Hunde waren jeweils einem bestimmten Trainer zugeordnet. Die Hunde wurden abwechselnd in Konstellationen zu je sechs Hunden gegeneinander in die Wettbewerbe geschickt.

Es handelte sich bei diesen virtuellen Rennen um jeweils elektronisch erzeugte (computergenerierte) Rennen und nicht um Aufzeichnungen.

Die Vermittlung der Wetten im Lokal des Beschwerdeführers erfolgte überwiegend über Schaltermitarbeiter. Sportwetten wurden teilweise auch über Wettautomaten mit Touch-Screen-Monitor vermittelt, nicht jedoch Wetten auf (echte oder virtuelle) Hunde- und Pferderennen, diese wurden ausnahmslos nicht über Wettautomaten, sondern über Schaltermitarbeiter vermittelt.

Der konkrete Wettabschluss erfolgte, indem der Wettkunde einen Mitarbeiter im Lokal des Beschwerdeführers mit der Vermittlung einer Wette auf ein virtuelles Rennen beauftragte.

Der Mitarbeiter gab die Wette manuell in das EDV-System des Beschwerdeführers ein und händigte dem Kunden einen Ticketausdruck mit einem Barcode aus. Im Fall eines Gewinnes wurde mittels eines Barcode-Scanners der Wettschein überprüft, verbucht und ausbezahlt.

Die einzige Funktion der EDV-Anlage des Beschwerdeführers war hierbei, durch Bedienung eines Mitarbeiters die Wettannahme und -vermittlung durchzuführen. Ein darüberhinaus gehender Unterhaltungswert der EDV-Anlage ergab sich für den Wettkunden nicht. Die Vergnügungskomponente trat für diesen erst nach Vertragsabschluss ein, als das virtuelle Hunde- oder Pferderennen stattfand und bestand in der Spannung, ob das gesetzte Rennergebnis auch eintrat.

Dieser Wettvorgang unterschied sich für den Kunden nicht vom Vorgang bei anderen Wetten, etwa Wetten auf Rennen von echten Hunden oder Pferden oder zB auf Fußballspiele. Mit der genannten EDV-Anlage wurden unter Vornahme der gleichen manuellen Handlungen auch die im Lokal angebotenen Sportwetten und Sport-Livewetten erfasst.

Der Ausgang dieser von [Rennveranstalter] veranstalteten virtuellen Hunde- und Pferderennen und die Vorhersagbarkeit des bewetteten Ereignisses waren nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig.

Mit entsprechendem Geschick konnten die Gewinnchancen entsprechend der Erfahrung der Wettkunden deutlich vom Mittelwert abweichen.

Bei den virtuellen Rennen gab es vereinfacht drei Gruppen von Hunde bzw Pferden:

(1) Top-Performer: jene Hunde bzw Pferde, die in 75 % der Fälle die Ränge 1-3 belegen.

(2) Underdogs: jene Hunde bzw Pferde, die in 75 % der Fälle die Ränge 4-6 oder mehr belegen

(3) Mittelmaß: jene Hunde bzw Pferde, die weder in Gruppe 1 oder Gruppe 2 liegen.

Die Ergebnisse des einzelnen Hundes bzw Pferdes schwankten innerhalb der jeweiligen Gruppe Top-Performer, Underdog oder Mittelmaß. Diese Schwankungen wurden bei elektronisch erzeugten Rennen mittels eines Zufallsgenerators simuliert.

Dabei kamen die elektronisch erzeugten Rennen den „natürlichen“ Rennen mehr als nahe, da diese „natürlichen“ Rennen weit größere Schwankungen innerhalb der gleichen Gruppen ausweisen, weil Einflüsse des Wetters und der Tagesverfassung des einzelnen Tieres hinzutreten können.

Aus den zur Verfügung gestellten Informationen ließ sich die Leistungsstärke der an den virtuellen Rennen teilnehmenden Tiere einschätzen und damit eine ernsthafte Voraussage des wahrscheinlichen Rennausgangs treffen.

Es bestand kein technischer Zusammenhang zwischen den Fernsehgeräten auf denen die Rennen vorgeführt werden und der EDV-Anlage, mit der die Wetten entgegengenommen und vermittelt wurden. Auch erfolgte das Abspielen der Rennen auf den Fernsehgeräten im Geschäftslokal des Beschwerdeführers unabhängig von diesbezüglichen Wettabschlüssen.

Weder hatten der Wettvermittler (Beschwerdeführer) oder der Buchmacher ([Buchmacher]) oder die [P] GmbH Einfluss auf den Ausgang der Rennen, noch waren dem Kunden oder dem Buchmacher ([Buchmacher]) oder dem Wettvermittler (Beschwerdeführer) die Ergebnisse der virtuellen Rennen im Vorhinein bekannt.

Der Ausgang des virtuellen Rennens lag bei Wettabschluss daher für alle Beteiligten in der Zukunft.

Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Bundesfinanzgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich zum einen auf im Verfahren unstrittige aktenkundige Feststellungen der belangten Behörde und zum anderen auf die zwei aktenkundigen, seitens des Beschwerdeführers im Verfahren vorgelegten Privatgutachten zweier allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständigen. Gegen die Befunde und Schlussfolgerungen dieser Gutachten sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 45 Abs 2 AVG als erwiesen annehmen.

Nach Feststellung des obigen Sachverhalts hat das Bundesfinanzgericht über die vorliegende Beschwerde rechtlich erwogen:

Mit dem Wiener Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz Abgaben (LGBl 2013/45, vom ) wurde die Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren betreffend das Abgabenrecht und das abgabenrechtliche Verwaltungsstrafrecht des Landes Wien ab gemäß Art 131 Abs 5 B-VG auf das Bundesfinanzgericht übertragen, weshalb auch über die verfahrensgegenständliche Beschwerde das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hatte (vgl § 5 WAOR idF LGBl 2013/45).

Gemäß § 24 Abs 1 zweiter Satz BFGG ist für gemäß Art 131 Abs 5 B-VG dem Bundesfinanzgericht übertragene Rechtsmittel betreffend Verwaltungsübertretungen das Verfahren im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt, wobei jedoch die Frist gemäß § 43 Abs 1 VwGVG 24 Monate beträgt.

Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 38 VwGVG auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes (FinStrG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 VStG gilt, soweit sich aus dem VStG selbst nicht anderes ergibt, das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes 2005 (VGSG) lauten auszugsweise wie folgt:

„Steuergegenstand

§ 1. (1) Folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen unterliegen einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes:

[...]

3. Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten (§ 6);

[...]

(2) Bei Verwirklichung eines der Tatbestände des Abs 1 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass gleichzeitig auch erbauende, belehrende oder andere nicht als Vergnügungen anzusehende Zwecke verfolgt werden oder dass der Unternehmer nicht die Absicht hat, eine Vergnügung zu veranstalten.

[...]

Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten

§ 6.

(1) [in der für den Streitzeitraum Juni 2010 bis September 2010 maßgeblichen Fassung des LGBl 2009/52] Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1 400 Euro. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.

(1) [in der für den Streitzeitraum Mai 2012 maßgeblichen Fassung des LGBl 2011/19] Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, erteilt wurde, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1 400 Euro. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.

(2) Für das Halten von Spielapparaten mit Bildschirmen, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) nicht erzielt werden kann, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 100 Euro.

[...]

(4) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Steuer endet erst mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Abmeldung des Apparates erfolgt oder die Abgabenbehörde sonst davon Kenntnis erlangt, dass der Apparat vom Steuerpflichtigen nicht mehr gehalten wird.

[...]

Steuerpflicht und Haftung

§ 13. (1) Steuerpflichtig ist der Unternehmer der Veranstaltung. Unternehmer der Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird oder die Entgelte gefordert werden. Sind zwei oder mehrere Unternehmer (Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldner steuerpflichtig. In den Fällen des § 1 Abs 1 Z 3 gelten auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Gesamtschuldner.

[...]

Strafbestimmungen

§ 19. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 21 000 Euro verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42 000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von mehr als 21 000 Euro fahrlässig oder vorsätzlich verkürzt wird, sind vom ordentlichen Gericht mit Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten oder mit Geldstrafen bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Monaten festzusetzen. Die Verkürzung dauert so lange an, bis der Steuerpflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Abgabenbehörde die Steuer bescheidmäßig festsetzt.

[...]“

Im Erkenntnis vom , G 6/12, hat der Verfassungsgerichtshof zur kompetenzrechtlichen (finanzverfassungsrechtlichen) Grundlage der Besteuerung von Vergnügungen bzw Lustbarkeiten iSd finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung des § 14 Abs 1 Z 8 und 9 FAG im Zusammenhang mit Wettterminals iSd Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetzes Folgendes ausgeführt:

"2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat - worauf die Bundesministerin für Finanzen zu Recht hinweist - in ständiger Judikatur die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Vergnügung bzw. Lustbarkeit iSd finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung (derzeit § 14 Abs 1 Z 8 und 9 FAG 2008) zwar nicht unbedingt das Vorliegen einer Veranstaltung voraussetze (vgl. schon VfSlg. 14.147/1995), wohl aber seitens des Anbieters eine Art von Unterhaltung geboten werden müsse. Im Erkenntnis VfSlg. 14.592/1996 hat der Verfassungsgerichtshof (vor dem Hintergrund der Regelungen des OÖ LustbarkeitsabgabeG 1979) bei der Beurteilung von Brieflosautomaten darauf abgestellt, ob die Betätigung eines Apparates selbst die Eignung besitzt, den Benützer zu unterhalten, ob also die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen einem Spiel, also einer bloß dem Vergnügen und Zeitvertreib dienenden Vorgangsweise gleichkommt. Im Hinblick darauf hat er das Betätigen eines Brieflosautomaten dem Erwerb eines Gegenstandes aus einem Warenautomaten gleichgestellt und den Vergnügungscharakter verneint. Das für den Erwerber spannende aleatorische Moment trete erst nach dem Loserwerb in Erscheinung, sodass das mit einem Münzeinwurf verbundene Betätigen eines Ausgabeautomaten als eines technischen Hilfsmittels zum Loserwerb grundsätzlich gleich zu werten sei wie der Kauf eines Loses in einer Verschleißstelle"

Nach diesem finanzausgleichsrechtlichen Begriffsverständnis der Vergnügung bzw Lustbarkeit muss demnach zwar nicht zwingend eine Veranstaltung vorliegen, aber seitens des Anbieters eine Art von Unterhaltung geboten werden. Bei der Betätigung eines Apparates ist darauf abzustellen, ob diese Betätigung selbst die Eignung besitzt, den Benützer zu unterhalten, ob also die von ihm ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen einem Spiel, also einer bloß dem Vergnügen und Zeitvertreib dienenden Vorgangsweise gleichkommt. Bei Wettterminals, die keine über eine dezentrale elektronische Wettannahmestelle hinausgehende Funktion erfüllen, tritt das spannende und unterhaltende Element indes erst nach Vertragsschluss ein, nämlich in dem Zeitpunkt, wenn das Sportereignis, auf das die Wette abgeschlossen worden ist, stattfindet. Bei (der Betätigung von) solchen Geräten handet es sich daher nicht um eine Lustbarkeit iSd § 14 Abs 1 Z 8 und 9 FAG 2008, die der Landesgesetzgeber unter diesem Titel einer Vergnügungssteuer unterwerfen darf.

Von der in § 1 Abs 1 Z 3 VGSG festgelegten Steuerpflicht für die „veranstaltete Vergnügung“ des Haltens von Spielapparaten sind somit nur Spielapparate umfasst, denen nach ihrer Funktion ein ausreichender, eigenständiger Unterhaltungswert (eine Vergnügungskomponente) im Sinne jenes finanzausgleichsrechtlichen Begriffsverständnisses innewohnt (vgl mwN).

Der im Streitfall vorliegende Sachverhalt weicht in den wesentlichen Punkten nicht von jenem, dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 6/12, zugrundeliegenden Sachverhalt ab.

Vor diesem Hintergrund handelte es sich (auch) bei der vom Beschwerdeführer benutzten EDV-Anlage um keinen Spielapparat iSd § 1 Abs 1 Z 3 iVm § 6 VGSG, da dieser Anlage funktional kein eigenständiger Unterhaltungswert zukam, sondern sie lediglich als "Mittel zum Zweck", nämlich dem - erst nach Vertragsabschluss folgenden - Vergnügen, das Ergebnis eines Rennens, auf welches gewettet wurde, mit Spannung zu erwarten, diente.

Somit konnte jedoch der Beschwerdeführer auch die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht bewirken, weshalb sich das angefochtene Straferkenntnis als inhaltlich rechtswidrig erweist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Kostenentscheidung

Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2013/17/0593 (unter Verweis auf G 6/12) entschieden, dass von § 1 Abs 1 Z 3 VGSG nur Spielapparate umfasst sind, denen nach ihrer Funktion ein ausreichender Unterhaltungswert (eine Vergnügungskomponente) innewohnt, was nur bei Anlagen der Fall ist, die eine über eine dezentrale Wettannahme hinausgehende Funktion erfüllen.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 52 Abs. 8 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 6 VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005
VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005
§ 14 Abs. 1 Z 8 FAG 2008, Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 103/2007
§ 1 Abs. 1 Z 3 VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005
Verweise

G 6/12
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7500417.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at