Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetztes 1995, BGBl. 1994/702 idF des BGBl 13/2014
Beim VfGH anhängig zur Zl. G 175/2015. Mit Erkenntnis G 28/2015, G 175/2015 vom zum Teil abgewiesen, ansonsten zurückgewiesen.
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RN/7200002/2015-RS1 | wie RN/7200001/2015-RS1 Das Bundesfinanzgericht teilt die in der anhängigen Beschwerdesache von der Beschwerdeführerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz, wonach die Vorschreibung der Schaumweinsteuer eine Verletzung der Eigentumsgarantie, der verfassungsrechtlich verbürgten Erwerbsfreiheit und des dem Gleichheitsgrundsatz immanenten Sachlichkeitsgebotes darstellt. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., Adr., vertreten durch die A., gegen den Bescheid des Zollamtes B., Adresse vom , GZ: 0001, betreffend Schaumweinsteuer beschlossen:
Gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, er möge
1. in § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz 1995, BGBI 1994/702, zuletzt geändert durch BGB I 2014/13, die ersten beiden Ziffern "1" und "0" der im einzigen Satz des § 3 Abs 1 leg.cit. enthaltenen Zahl "100",
2. in eventu § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz 1995, BGBI 1994/702, zuletzt geändert durch BGBl I 2014/13 zur Gänze
wegen Verfassungswidrigkeit aufheben.
I. Eingangs wird im gegenständlichen Fall angemerkt, dass zu den obgenannten Bestimmungen des Schaumweinsteuergesetzes bereits ein gleichlautender Antrag auf Gesetzesaufhebung wegen Verfassungswidrigkeit beim VfGH unter der GZ 28/2015 anhängig ist. Dem nunmehrigen Verfahren liegt im Wesentlichen ein gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde.
II. Sachverhalt:
1. Mit u.a. wies der Verfassungsgerichtshof den auf Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit c B-VG gestützten Individualantrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin (kurz Bf.) auf Aufhebung der genannten Bestimmungen des Schaumweinsteuergesetzes mangels Legitimation zurück, weil ihr ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken offen stehe. Der VfGH verwies dabei auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 201 BAO. Mit Schreiben vom informierte die Bf. das Zollamt B. sinngemäß davon, dass sie in Bälde auf elektronischem Wege die Verbrauchsteueranmeldung für Juli 2014 einreichen werde, in der sie die von ihr selbst zu berechnende Schaumweinsteuer mit "Null" ausweisen würde. Die Abgabenbehörde möge zur Geltendmachung ihrer verfassungsrechtlichen Rechte in weiterer Folge einen der Gesetzeslage entsprechenden Bescheid gemäß § 201 BAO erlassen. Im Anschluss meldete die Bf. als Inhaberin einer Bewilligung eines Schaumweinlagers für den Monat Juli 2014 nach zweimaliger Berichtigung im Rahmen der Verbrauchsteueranmeldung eine Menge von 85.226,650 Liter Schaumwein mit einem Steuersatz von € 0 je Hektoliter und einem daraus resultierenden Steuerbetrag von € 0,00 beim Zollamt an.
Die Abgabenbehörde setzte folglich mit Bescheid vom , Zl. 0001 die Schaumweinsteuerschuld gemäß § 201 BAO mit € 85.226,65 fest.
Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. fristgerecht Beschwerde ein und begründete diese mit der Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz 1995 (SchwStG) in der Fassung der Novelle BGBI. I 13/2014. Mit Beschwerdevorentscheidung vom , GZ: 0002 wies das Zollamt diese Beschwerde als unbegründet ab. Mit Schriftsatz vom beantragte die nunmehrige Bf. beim Zollamt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da der von ihr rechtzeitig an die Abgabenbehörde übermittelte, jedoch versehentlich nicht als Einschreibesendung postalisch versandte Vorlageantrag bei der Abgabenbehörde offenbar nicht eingelangt war. Gleichzeitig legte sie einen neuerlichen Vorlageantrag diesem Schriftstück bei. Mit Bescheid des Zollamtes B. vom , GZ: 0003 gab die Abgabenbehörde dem Antrag der Bf. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 310 BAO folge, wodurch nunmehr beim Bundesfinanzgericht unter GZ: RV/X die Beschwerde der Bf. gegen den Bescheid des Zollamtes vom , Zl. 0001 anhängig ist.
2.
a. Die Fa.
Bf. ist lnhaberin eines Schaumweinlagers (Bewilligung des Zollamtes
B.
vom , GZ:
A/0
) im Sinne des § 11 Schaumweinsteuergesetz 1995 . Die Vorbringen der Bf. in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom decken sich bezüglich ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken mit den Ausführungen im Normprüfungsverfahren auf Aufhebung des § 3 Schaumweinsteuergesetz (siehe GZ: RN/72000001/2015 - beim VfGH anhängig unter der bereits zuvor genannten GZ: 28/2015) wodurch diese Ausführungen, wortgleich nachstehend wiedergegeben werden:
„Als Schaumwein definiert das Schaumweinsteuergesetz alle Getränke, die in Flaschen mit Schaumweinstopfen, der durch eine besondere Haltevorrichtung befestigt ist, enthalten sind oder - zusammengefasst - einen Überdruck von 3 bar und mehr aufweisen. Derartiger Schaumwein, der in Österreich hergestellt oder nach Österreich eingebracht wird, unterliegt der Schaumweinsteuer als einer Verbrauchsteuer. Nicht vom Schaumweinsteuergesetz 1995 erfasst ist Prosecco-Frizzante/Perlwein. Darunter wird ein aus Wein hergestelltes Erzeugnis verstanden, das einen Alkoholgehalt von mindestens 7% vol. sowie einen Überdruck von mindestens 1 bar und höchstens 2,5 bar aufweist (Verordnung über die einheitliche GMO - Verordnung EG 491/2009 des Rates vom ). Prosecco bezeichnete ursprünglich eine Rebsorte aus Venetien, nunmehr jedoch ausschließlich eine gesetzlich festgelegte Region in Venetien (Verordnung EG 1166/2009 vom ), in der hauptsächlich Perlwein (italienisch: "Frizzante"), aber auch Prosecco Spumante (somit Sekt) und Stillwein erzeugt werden.
b. Die Schaumweinsteuer wurde bereits mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, somit im Jahre 1995, gleichfalls aufgrund des Schaumweinsteuergesetzes 1995 bis zum lnkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2005 am eingehoben. Damals wurde die Schaumweinsteuer auf einen Nullsatz abgesenkt, um, so der Bericht des Finanzausschusses (461 BlgNR 22. GP) "die Konkurrenz von steuerfreiem ausländischem Schaumwein und Prosecco zu österreichischem Schaumwein" herzustellen "und die Wettbewerbsfähigkeit von österreichischem Schaumwein" zu erhöhen.
ln der Tat sei nach Darstellung der Bf. der Sekt-Gesamtmarkt im Zeitraum von 1999 bis 2005 um 30 Prozent geschrumpft und im Gegenzug der Gesamtmarkt von Prosecco-Frizzante, somit Perlwein, im gleichen Zeitraum um 100 Prozent angewachsen. Im Jahre 1999 sei der Prosecco-Frizzante Markt mengenmäßig bei 30 Prozent im Vergleich zu den Mengen des Sektmarktes gelegen. Im Jahre 2004 sei der Prosecco-Frizzante-Markt mengenmäßig nur noch 10 Prozent kleiner als der Sektmarkt gewesen. Nach Abschaffung der Schaumweinsteuer und somit mit der Herstellung der verbrauchsteuerlichen Waffengleichheit zwischen Sekt und Prosecco-Frizzante im Jahre 2005 habe sich die Warengruppe "Sekt" rasch zu Lasten der Warengruppe Prosecco-Frizzante erholt. Konkret habe es von 2007 (um den ersten Hype nach dem Entfall der Schaumweinsteuer auszublenden) bis 2013 mengenmäßig ein Plus von 48,3 Prozent bzw. wertmäßig ein Plus von 69,5 Prozent gegeben. Demgegenüber habe im selben Zeitraum die steuerlich nicht mehr begünstigte Warengruppe Prosecco-Frizzante/Perlwein etwa 29 Prozent an Menge und 17 Prozent an Wert (Quelle: AC Nielsen) verloren.
c. Das Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBI I 2014/13, führte in seinem Artikel 14 (Änderung des Schaumweinsteuergesetzes 1995, § 3 Abs 1 Schaumweinsteuergesetz) wiederum eine Schaumweinsteuer in Höhe von EUR 100,-- je Hektoliter Schaumwein ein. Diese Gesetzesänderung trat mit in Kraft. Da Prosecco-Frizzante/Perlwein nicht in den Anwendungsbereich des Schaumweinsteuergesetzes fällt, bleibt diese Warengruppe diesbezüglich steuerfrei. Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Aussage darüber, warum Schaumwein und Perlwein steuerrechtlich unterschiedlich behandelt werden, obgleich der Gesetzgeber des Jahres 2005 diese Ungleichbehandlung nicht beabsichtigte (siehe dazu den im vorstehenden Punkt 2.b. zitierten Bericht des Finanzausschusses).
Die Wiedereinführung der Schaumweinsteuer begründen die Gesetzesmaterialien mit dem Ziel, bis 2016 ein strukturelles Nulldefizit im Bundesbudget und Verhaltensänderungen bezüglich der Gesundheit zu erreichen (24 BlgNR 25. GP, Seite 15).
Die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass jährlich etwa 40 Millionen Flaschen Schaumwein der Steuerpflicht unterliegen werden (24 BlgNR 25. GP, Seite 17), die Wiedereinführung der Schaumweinsteuer im Jahre 2014 EUR 20.800.000,00 an Einnahmen bringe und in den Folgejahren jeweils EUR 29.200.000,00. Die Wiedereinführung der Schaumweinsteuer solle 114 Schaumweinerzeuger betreffen und für diese Verwaltungskosten von insgesamt EUR 152.532 hervorrufen (24 BlgNR 25. GP, Seite 31).
Aus dem Genuss von Schaumwein - so die Gesetzesmaterialien (24 BlgNR, 25. GP, Seite 7) - werde deshalb ein Steueraufkommen generiert, weil der Genuss von Schaumwein gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich nachteilige Folgen haben könne; durch die Einführung der Schaumweinsteuer "soll der Trend weniger Alkohol zu konsumieren verstärkt werden" (24 BlgNR 25. GP, Seite 22). Auch sollen Jugendliche davon abgehalten werden, ihr Einkommen für dieses Suchtmittel auszugeben (24 BlgNR 25. GP, Seite 4). Das Ziel, das mit der Einführung der Schaumweinsteuer zum Evaluierungszeitpunkt (2019) erreicht sein soll, sehen die Gesetzesmaterialien dann als erreicht an, "wenn das Aufkommen aus der Besteuerung von Schaumwein (inklusive der Auswirkungen auf die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage) im Jahre 2014 25 Millionen Euro und ab dem Jahre 2015 jährlich 35 Millionen Euro beträgt" (24 BlgNR 25. GP, Seite 7).
d. Die Bf. geht aufgrund der langjährigen Erfahrung aus den vorangehenden Zeitperioden, in denen teils Schaumweinsteuer eingehoben wurde und teils nicht, davon aus, dass sich mit der Wiedereinführung der Schaumweinsteuer ihre Umsätze in diesem Geschäftsfeld um etwa 30 Prozent reduzieren werden, und das zugunsten der Konkurrenzprodukte Prosecco-Frizzante/Perlwein.
e. Dieser Konsumrückgang von Schaumwein sei nach Dafürhalten der Bf. auch ein wesentlicher Grund, warum das Datenmaterial, auf dem die Gesetzesmaterialien aufbauen, unrichtig ist. Die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass auch nach Wiedereinführung der Schaumweinsteuer weiterhin 40 Millionen Flaschen Schaumwein jährlich der Steuerpflicht unterliegen werden. Diese Annahme der Gesetzesmaterialien lasse nach Ansicht der Bf. jedoch den zu erwartenden Umsatzrückgang unberücksichtigt. Aber auch bereits die Annahme, dass gegenwärtig jährlich 40 Millionen Flaschen Schaumwein in Verkehr gebracht werden, treffe nicht zu: Diese 40 Millionen Flaschen basierten auf einer Hochrechnung aus Daten von AC Nielsen (LEH) in Kombination mit IWSR-Daten und beträfen den "Gesamtschaumweinmarkt". In diesem seien jedoch etwa 14,5 bis 15 Millionen Flaschen der nicht schaumweinbesteuerten Gruppe Prosecco-Frizzante/Perlwein zuzuordnen, sodass die Höhe der berechneten Gesamteinnahmen bereits aus diesem Grunde niedriger liege.
III. Verfassungsrechtliche Bedenken der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz 1995 , BGBI 1994/702, zuletzt geändert durch BGBl I 2014/13
Auch im gegenständlichen Fall - analog des bereits mit GZ: RN/72000001/2015 an den VfGH vorgelegten Normprüfungsverfahrens - teilt das Bundesfinanzgericht die von der Bf. in ihrer Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 Schaumweinsteuergesetz ( SchwStG) bei Zutreffen des von ihr vorgebrachten Sachverhalts. Anhaltspunkte, dass die von der Bf. vorgebrachten Angaben unzutreffend wären, kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen. Das Bundesfinanzgericht schließt sich deshalb, all diesen (nachstehend wiederum wörtlich wiedergegebenen) bereits im zuvor zitierten Beschluss geäußerten Bedenken auch in diesem Beschluss vollinhaltlich an und macht sie zu seiner eigenen Begründung:
"Die gesetzliche und mit dem bekämpften Bescheid festgesetzte Pflicht zur Abführung einer Schaumweinsteuer erscheint aus mehreren Gründen verfassungswidrig. Sie verletzt in ihrer konkreten Ausformung die Steuerschuldner und damit auch die Bf. in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz:
1. Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 1 1. Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 5 StGG)
Mit der Vorschreibung der Schaumweinsteuer greift der Gesetzgeber in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums der Steuerschuldnerin ein (zB VfSlg 13.733/1994). Eine derartige Eigentumsbeschränkung ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse erforderlich ist (zB VfSlg 17.071/2009). Da der Verfassungsgerichtshof die Prüfung des Allgemeininteresses mit Sachlichkeitserwägungen verknüpft, schließt die Unsachlichkeit eines Eingriffes in das Eigentumsrecht das Vorliegen eines Allgemeininteresses aus.
Zunächst ist zu untersuchen, ob die Einhebung einer Schaumweinsteuer abstrakt im Allgemeininteresse liegt. Die Gesetzesmaterialien (24 BlgNR 25. GP, Seite 15) führen als Ziele, die mit der Einhebung der Schaumweinsteuer erreicht werden sollen, die Verhaltensänderung in bestimmten Bereichen (insbesondere der Gesundheit) und die Erreichung eines strukturellen Nulldefizits an.
1.1 Verhaltensänderung im Bereich der Gesundheit
Die Förderung der (Volks-)Gesundheit liegt zwar im öffentlichen Interesse, nicht jedoch eine Förderung in der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes. Nach den Gesetzesmaterialien soll mit der Einführung (auch) der Schaumweinsteuer der Trend, weniger Alkohol zu konsumieren, verstärkt werden. Dabei bedeute - so ebenfalls die Gesetzesmaterialien (24 BlgNR 25. GP, Seite 22) - abstinent bzw. fast abstinent, ein halbes Glas Sekt zu Silvester oder ein Glas Wein bei einem Geburtstag zu trinken. Von gesundheitsschädigendem Alkoholkonsum spreche man bei Männern, wenn diese täglich 1,5 Liter Bier bzw. 0,75 Liter Wein zu sich nehmen und bei Frauen, wenn diese täglich 1 Liter Bier oder 0,5 Liter Wein trinken. Dieses Ziel kann mit der gegenständlichen Regelung nicht erreicht werden.
Zunächst scheint dieses Ziel, weniger Alkohol zu konsumieren, nur vorgeschoben, denn die Gesetzesmaterialien definieren selbst das Ziel, das mit der Einführung der Schaumweinsteuer im Evaluierungszeitpunkt (2019) erreicht werden soll, damit, dass das Aufkommen aus der Besteuerung von Schaumwein im Jahre 2014 25 Millionen Euro und ab dem Jahre 2015 jährlich 35 Millionen Euro beträgt. Die Gesetzesmaterialien definieren somit das Ziel nicht in einem möglichst geringen Steueraufkommen, was die Folge einer Reduzierung des Schaumweinkonsums wäre, sondern offenbar in einem möglichst hohen Steuereinkommen und damit auch in einem möglichst hohen Konsum.
Der gesundheitspolitische Aspekt bei der Besteuerung von Schaumwein kann darüber hinaus wohl nur im Falle von gesundheitsschädigendem Alkoholkonsum im öffentlichen Interesse liegen, und nicht bei abstinenten bzw. fast abstinenten Konsumenten. Beide Gruppen trifft jedoch die Schaumweinsteuer gleichermaßen, sodass die Schaumweinsteuer als Mittel zur Zielerreichung nicht ausreichend differenziert ist.
Da nach Darstellung der Bf. aktuell in Österreich von jedem Österreicher im Durchschnitt alle 14 Tage ein Glas Sekt (0,1 Liter) getrunken wird, kann der Beitrag an der Stärkung der Volksgesundheit, den der Gesetzgeber mit der Einführung der Schaumweinsteuer beabsichtigt, näher besehen nur vernachlässigbar gering sein. Das eingesetzte Mittel erscheint daher zur Zielerreichung untauglich.
Die Gesetzesmaterialien übersehen auch, dass die Sparte Schaumwein - jedenfalls aus der Sicht der Konsumenten - von der Sparte Prosecco-Frizzante/Perlwein weitgehend substituiert wird. Konsumenten, die von den erhöhten Preisen des Schaumweins durch die Schaumweinsteuer abgeschreckt werden, verzichten somit zumeist nicht gänzlich auf den Genuss von alkoholischen Getränken mit Kohlensäure, sondern greifen zum insofern vergleichbaren Prosecco Frizzante. Diese Substituierbarkeit lasse sich nach der Darlegung der Bf. durch die Marktentwicklung in den letzten 18 Jahren belegen (siehe oben Punkt II/2.b.).
Schließlich müsste eine dem angesprochenen Gesetzesziel mehr gerecht werdende und somit sachgerechtere gesetzliche Regelung jedenfalls auch Prosecco-Frizzante/Perlwein steuerlich erfassen. Da dies nicht der Fall ist, erscheint das Schaumweinsteuergesetz diesbezüglich verfassungswidrig.
Allein mit der Besteuerung von Schaumwein lässt sich somit eine Verhaltensänderung im Bereich der Gesundheit nicht erreichen.
1.2 Erreichung eines strukturellen Nulldefizits
Verfassungsrechtlich sind Steuervorschriften nicht zu beanstanden, die keine lenkende, sondern rein fiskalische Zwecke verfolgen. Allerdings hat in diesen Fällen der durch die Steuervorschrift bewirkte Eingriff in das Eigentumsrecht nach sachlichen Kriterien abgegrenzt zu sein. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein.
Zunächst erscheint es unsachlich, Schaumwein zu besteuern, nicht jedoch die dazu in Konkurrenz stehende Produktsparte Prosecco Frizzante/Perlwein. Beide Produktsparten sind - nicht nur aus dem Blickwinkel des Konsumenten - substituierbar. Es erscheint daher sachlich nicht gerechtfertigt allein Schaumwein, nicht jedoch Prosecco Frizzante/Perlwein, einer Verbrauchsteuer zu unterwerfen. Eine unterschiedliche verbrauchsteuerrechtliche Behandlung mag zwar aus den zwingenden EU-rechtlichen Vorgaben in der einschlägigen Alkoholsteuerrichtlinie 92/83/EWG ableitbar sein, weil mit einer Besteuerung von Prosecco Frizzante/Perlwein zwingend auch anderer nicht schäumender Wein besteuert werden müsste. Diese EU-rechtliche Vorgabe rechtfertigt jedoch nicht Schaumwein zu besteuern.
Die Gesetzesmaterialien führen aus, dass von der Schaumweinsteuer 114 Schaumweinerzeuger betroffen seien (24 BlgNR, 25. GP, Seite 23). Auch wenn die Last der Schaumweinsteuer auf die 114 Schaumweinerzeuger aufgrund der unterschiedlichen Größe nicht gleichmäßig verteilt ist, so stellt es doch ein verfassungsrechtlich bedenkliches Sonderopfer dieser im Vergleich zur Gesamtbevölkerungszahl Österreichs unbedeutenden Anzahl an Unternehmern dar, wenn sie zur Budgetsanierung unverhältnismäßig stark beitragen müssen. Auch deshalb erscheint die Schaumweinsteuer verfassungswidrig (VfSlg 15.739/2000).
Die Schaumweinsteuer ist - historisch betrachtet - der verbleibende Rest der um die Mitte des 20. Jahrhunderts viel diskutierten "Luxussteuer". Wenn aber tatsächlich in der Schaumweinsteuer noch das alte Ziel "mitschwingt", Luxusgüter einer besonderen Steuer zu unterwerfen, dann wird auch durch die Ausformung der Schaumweinsteuer dieses Ziel verfehlt. Da das Schaumweinsteuergesetz jeden Liter Schaumwein gleich besteuert, begünstigt es hochpreisige Schaumweine wie beispielsweise Champagner und benachteiligt es preiswerte Schaumweine. Während nämlich die Schaumweinsteuer preiswerten Schaumwein um über 25 Prozent verteuert, liegt die Verteuerung bei hochpreisigem Schaumwein lediglich um 1 bis 2 Prozent.
Nach der Beschwerdedarstellung der Bf. gehe die Regierungsvorlage davon aus, dass pro Jahr etwa 40 Millionen Flaschen Schaumwein der Steuerpflicht unterliegen werden. Sie stütze sich dabei auf Konsumdaten (24 BlgNR 25.GP, Seite 19). Von dieser Prämisse ausgehend errechne sie dann ein Steuereinkommen von € 29.200.000,00 ab dem Jahr 2015. Die Regierungsvorlage übersehe jedoch, dass in den angesprochenen "Konsumdaten" auch etwa 15 Millionen Flaschen Frizzante/Perlwein enthalten sind, sodass sich auch die jährliche Steuereinnahme - ohne Mehrwertsteuer - auf jährlich rund 18,75 Millionen Euro reduziere. Davon seien dann nochmals aus dem Rückgang des Umsatzes von Schaumwein etwa 30 Prozent abzuziehen. Es bleibe somit ein jährlicher Betrag von etwa 13 Millionen Euro (dem Vernehmen nach seien bis Ende August 2014, somit innerhalb der ersten 6 Monate lediglich knapp 2 Millionen Euro Steuereinnahmen erzielt worden). Diese Steuereinnahmen stünden jedoch in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Aufwand, der einerseits bei den Schaumweinherstellern für die Einhebung der Schaumweinsteuer andererseits auch bei den Zollbehörden und den Kellereiinspektoren bei der Kontrolle der Schaumweinsteuereinhebung hervorgerufen wird. Dieses Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen sei auch mit ein Grund für die Beseitigung der Schaumweinsteuer im Jahre 2005 gewesen. Eine gesetzliche Regelung, bei der die Kontrolle der Vollziehung den finanziellen Nutzen aus diesem Gesetz in Form von Steuereinnahmen ausgleicht, entspricht nicht den Grundsätzen der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, die auch den Gesetzgeber binden (vgl. instruktiv VfSlg 11.190/1986). Auch deshalb erscheint die Schaumweinsteuer als verfassungswidrig.
2. Verletzung der verfassungsrechtlich verbürgten Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG)
Die Einführung der Schaumweinsteuer lasse nach Ansicht der Bf. - so zeigen es die von der Bf. aus den tatsächlichen Gegebenheiten der Vergangenheit gespeisten Prognosen (vgl oben Punkte II/2.b. und II/2.d.) - den Schaumweinmarkt um rund 30 Prozent zusammenbrechen. Auch wenn dieser Umsatzrückgang allenfalls nicht vom Gesetzgeber intendiert ist (die Gesetzesmaterialien sehen es aber sogar als Ziel der Einführung der Schaumweinsteuer an, weniger Alkohol zu konsumieren), so greift diese Maßnahme doch als Ausübungsbeschränkung in die Erwerbsfreiheit ein.
Nach ständiger Judikatur des VfGH sind gesetzliche Beschränkungen der Erwerbsfreiheit nur dann zulässig, wenn sie durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind (zB. VfSlg 14.038/1995). Wie bereits ausgeführt dient die Schaumweinsteuer in Wahrheit fiskalischen Zwecken. Es erscheint fraglich, ob die Erzielung von Steuereinnahmen ein öffentliches Interesse ist, das Beschränkungen der Erwerbsfreiheit rechtfertigen kann. Andernfalls wäre schon aus diesem Grunde die gesetzliche Ausgestaltung der Schaumweinsteuer verfassungswidrig.
Die Schaumweinsteuer erscheint in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung im engeren Sinn nicht als angemessen und verhältnismäßig. Eine für die Prüfung der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit vorzunehmende Abwägung der Interessen führt die Verletzung des Rechts auf Erwerbsfreiheit vor Augen.
Da augenscheinlich das öffentliche Interesse allein in der Steuereinnahme besteht, diese Steuereinnahmen jedoch nahezu gänzlich in den Kosten der Vollziehung der Steuereinhebung aufgehen, bleibt bei der Abwägung der Interessen für die Beeinträchtigung der Erwerbsfreiheit kein Gegenpol mehr. Das öffentliche Interesse ist offensichtlich durch die hohen Steuervollzugskosten verloren gegangen. Der Eingriff in die Erwerbsfreiheit erscheint daher nicht verhältnismäßig und die derzeit geltende gesetzliche Regelung damit verfassungswidrig.
3. Verletzung des dem Gleichheitssatz immanenten Sachlichkeitsgebotes
Der VfGH entnimmt dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht nur ein Verbot, sachlich nicht begründbare bzw. nicht gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen, sondern explizit auch ein "allgemeines Sachlichkeitsgebot". Demzufolge setzt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber "insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen" (zB VfSlg 16.582/2002). Der VfGH nimmt daher einerseits vergleichende Gleichheitsprüfungen vor, indem er prüft, ob Gleiches gleich behandelt und Ungleiches ungleich behandelt wird, und andererseits auch vergleichsfreie Gleichheitsprüfungen, indem er eine Regelung auf ihre Sachlichkeit untersucht, im konkreten darauf, ob die Rechtsfolge den Tatbestand der zu prüfenden Norm entspricht, ob sie diesem "adäquat" ist bzw. darauf, ob die Regelung auf einem vernünftigen Grund beruht und verhältnismäßig ist (vgl. Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 264 f).
Die gesetzliche Ausgestaltung der Schaumweinsteuer hält weder der vergleichenden Gleichheitsprüfung noch der vergleichsfreien Gleichheitsprüfung stand.
Zum einen behandelt der Gesetzgeber zwei Warengruppen, nämlich Schaumwein und Prosecco-Frizzante/Perlwein unterschiedlich, obwohl sie zumindest im Hinblick auf das Konsumverhalten durchaus vergleichbar sind. Sie sind für den Konsumenten Güter, die sich gegenseitig substituieren lassen. Diese Differenzierung erscheint somit sachlich nicht gerechtfertigt, ja sogar sachwidrig.
Zum anderen stellt sich die gesetzliche Ausgestaltung der Schaumweinsteuer als unsachlich dar, weil sie zu wenig differenziert ist. Der Gesetzgeber unterwirft Schaumwein derselben Steuer, unabhängig davon, um welchen Preis er am Markt verkauft wird. Dies hat zur Folge, dass die Steuerlast für hochpreisige Schaumweine wie zum Beispiel Champagner vernachlässigbar gering, jene für Schaumweine im unteren Preissegment jedoch erheblich ist.
Dass die Schaumweinsteuer in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nicht adäquat und nicht verhältnismäßig ist, wurde bereits ausgeführt (siehe oben Punkt III/2.). Die dort dargelegten Bedenken gelten gleichermaßen in diesem Zusammenhang.
Die auch die Bf. treffende Schaumweinsteuer lässt sich somit sachlich nicht rechtfertigen, weder im Vergleich zur nicht besteuerten Warengruppe Frizzante/Perlwein noch in ihrer Ausgestaltung an sich. Sie erscheint zu wenig differenziert und auch nicht verhältnismäßig. Damit bestehen auch aus diesem Grund Bedenken hinsichtlich ihrer verfassungsmäßigen Ausgestaltung.
IV. Abgrenzung des Umfanges der aufzuhebenden gesetzlichen Bestimmung
Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, als dies zur Beseitigung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit erforderlich ist, wobei aber der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfahren soll (VfSlg 14.131/1995 und 14.308/1995). Zugleich sind aber alle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen zu erfassen (VfSlg 15.935/2000), wobei ein solcher untrennbarer Zusammenhang insbesondere dann besteht, wenn der nach einer - teilweisen - Aufhebung verbleibende Rest einer Bestimmung ein legislativer Torso bliebe (VfSlg 15.935/2000). Andererseits hat es der VfGH wiederholt als der Zulässigkeit von Gesetzesprüfungsanträgen unschädlich angesehen, wenn durch Aufhebung einer Gesetzesbestimmung andere Bestimmungen des Gesetzes unanwendbar geworden sind (vgl. zB die bei Rohregger in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 140 B-VG Rz 216, FN 644 angeführte Rechtsprechung).
Die dargelegten Bedenken gehen - zusammengefasst - dahin, dass - primär - überhaupt von Schaumwein eine Schaumweinsteuer eingehoben wird, in zweiter Linie, dass von der Schaumweinsteuer die - aus der Sicht des Konsumenten vergleichbare - Produktgruppe Prosecco-Frizzante/Perlwein nicht erfasst ist. Beide Bedenken lassen sich durch die Beseitigung der Pflicht zur Zahlung von Schaumweinsteuer ausräumen.
Bis zur Wiedereinführung der Schaumweinsteuer durch das Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBI I 2014/12 lautete § 3 Schaumweinsteuergesetz wörtlich: "Die Schaumweinsteuer beträgt 0 Euro je Hektoliter Schaumwein."
ln der durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 geänderten Fassung lautet § 3 Abs 1 Schaumweinsteuergesetz wörtlich wie folgt: "Die Schaumweinsteuer beträgt 100 Euro je Hektoliter Schaumwein".
Da sich die Herabsetzung der Schaumweinsteuer auf einen Steuersatz "0" durch Gesetzesaufhebung dadurch bewerkstelligen lässt, dass aus der Zahl in § 3 Abs 1 Schaumweinsteuergesetz "100" die ersten beiden Ziffern (somit "1" und "0") beseitigt werden, richtete das BFG den Hauptantrag auf diese Aufhebung.
Für den Fall, dass der VfGH der Meinung sein sollte, dass die Aufhebung der Ziffern 1 und 0 in der Zahl 100 in § 3 Abs 1 Schaumweinsteuergesetz nicht möglich ist, war eventualiter auch der Antrag zu stellen, den gesamten Satz des § 3 Abs 1 Schaumweinsteuergesetz, BGBI 1994/702, zuletzt geändert durch BGBl I 2014/13 aufzuheben."
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 140 Abs. 1 lit. a B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 3 Abs. 1 SchwStG 1995, Schaumweinsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 702/1994 |
Verweise | BFG, RN/7200001/2015 VfSlg 17071/2009 VfSlg 15739/2000 VfSlg 14131/1995 VfSlg 14038/1995 VfSlg 16582/2002 VfSlg 13733/1994 VfSlg 14308/1995 VfSlg 11190/1986 VfSlg 15935/2000 |
Zitiert/besprochen in | Hayden/Varro in taxlex 2015, 176 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RN.7200002.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at