Einreihung eines Gemenges bestehend aus kristalliner Saccharose, Grüntee-Extrakt und anderen Stoffen in den Zolltarif
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/4200288/2011-RS1 | wie RV/4200282/2011-RS1 Eine Zubereitung auf der Grundlage von Tee im Sinne der Position 2101 der Kombinierten Nomenklatur liegt nur dann vor, wenn der Tee, der Auszug, die Essenz oder das Konzentrat aus Tee als wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung der Lebensmittelzubereitung verwendet werden und dieser ihren eigenständigen Charakter verleihen. Bei Waren mit einem Zuckergehalt von 97 GHT oder mehr gilt der Charakter nicht länger als durch Tee oder Auszüge, Essenzen und Konzentrate hieraus verliehen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der AAA GmbH, vertreten durch V, Adresse , gegen den Bescheid des Zollamtes Eisenstadt Flughafen Wien vom , Zahl: xx, betreffend Eingangsabgaben, nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde vom wird teilweise Folge gegeben.
Die Abgabenerhöhung wird mit 1.591,72 Euro festgesetzt. Die Bemessungsgrundlage und die Berechnung der Abgabenerhöhung sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurden für die Beschwerdeführerin gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex, ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für die mit der Warenanmeldung zu CRN yy in den freien Verkehr übergeführten Waren Eingangsabgaben in der Höhe von 13.303,20 Euro (Zoll auf landwirtschaftliche Erzeugnisse: 9.637 Euro und Zusatzzoll: 3.666,20 Euro) festgesetzt und der in zu geringer Höhe erfasste Abgabenbetrag (12.678 Euro) gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst. Als Folge der Nacherhebung erfolgte die Vorschreibung einer Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Höhe von 1.726,12 Euro. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit der gegenständlichen Warenanmeldung habe die Beschwerdeführerin als indirekter Vertreter des Warenempfängers „andere, Instant Green tea mix“ angemeldet und diese Ware in die Warennummer 2101 2092 80 eingereiht. Eine Überprüfung der Anmeldung habe ergeben, dass die Ware in die Warennummer 1701 9100 00 einzureihen sei.
Dagegen richtete sich die nun als Beschwerde zu erledigende Berufung vom 14. März 2011. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch V, brachte vor, es seien der belangten Behörde für die gegenständliche Ware keine Warenmuster vorgelegen. Die Abgabenbehörde verfüge somit über keinen Beweis, dass die Ware tatsächlich als Zucker einzureihen gewesen sei. Eine Umtarifierung setze den Nachweis der für die Einreihung maßgebenden Eigenschaften voraus. Dem Hinweis auf die Begleitdokumente, nach denen es sich jeweils um gleichartige Waren gehandelt haben solle, sei entgegen zu halten, dass die Rechnungen unterschiedliche Preise ausweisen würden. Schon aus diesem Grund sei die Warenidentität zu hinterfragen. Die Abgabenbehörde unterstelle der Produktspezifikation in den Begleitpapieren einerseits Unrichtigkeit, andererseits schließe sie aus diesen Unterlagen, welche Ware der Zollanmeldung zugrunde gelegen sei. Die Warenproben, auf die sich die belangte Behörde stütze, stammten nicht aus der gegenständlichen Sendung. Die Untersuchungsergebnisse für völlig andere Waren und für zu einem viel späteren Zeitpunkt gezogene Warenproben seien daher nicht relevant. Für ein richtiges, verlässliches und einer gerichtlichen Überprüfung standhaltendes Untersuchungsergebnis sei eine sachgerechte Probeentnahme wesentlich. Dies erfordere eine entsprechende Durchmischung der Probe und nicht eine Entnahme an der Oberfläche. Durch eine oberflächliche Probeentnahme könne kein zuverlässiger Rückschluss auf die tatsächliche Zusammensetzung der Ware erfolgen.
Die Unrichtigkeit der Untersuchungsergebnisse ergebe sich auch daraus, dass die für die Zolltarifierung zuständige Dienststelle auf Anfrage der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zunächst telefonisch, später schriftlich die Einreihung in die Warennummer "2101290280" bestätigt habe. Auch eine hinsichtlich des gleichen Produktes ausgestellte Verbindliche Zolltarifauskunft bestätige die von der Rechtsvorgängerin vorgenommene Einreihung; ebenso Bestätigungen von ungarischen Kunden und ein weiteres Untersuchungsergebnis.
Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Befunde seien auch deswegen rechtlich unrichtig, weil die untersuchte Ware lediglich „ aufgrund des kaum wahrnehmbaren Geruchs und Geschmacks nach Tee“ nicht als „auf der Grundlage eines Teeextraktes“ hergestellte Lebensmittelzubereitung angesehen werden könne. Die Untersuchungsanstalt meine daher, die Tarifierung ausschließlich auf Grund des Geschmackes und/oder Geruches vornehmen zu können, die Tarifierung sei daher nicht auf Grund der Produktzusammensetzung vorgenommen worden. Die Untersuchungsanstalt übersehe dabei, dass es weder nach dem Wortlaut der Tarifposition, noch nach den einschlägigen Erläuterungen auf einen ausgeprägten Teegeschmack ankomme. Eine subjektive Geschmacks- oder Geruchseinschätzung stelle kein ausreichendes Entscheidungskriterium für die Einreihung unter eine bestimmte Zolltarifnummer dar.
Unrichtig sei auch der Verweis der belangten Behörde auf die Verordnung (EG) Nr. 227/2006; das gegenständliche Produkt sei in dieser Verordnung nicht erwähnt. Die Rechtsansicht der belangten Behörde könne nicht unter die unter den Positionen 1 bis 4 der Verordnung aufgelisteten Produkte subsumiert werden, weil darin jeweils ein Zuckeranteil von über 99% angeführt sei. Das gegenständliche Produkt weise einen Zuckergehalt von nur etwa 97% auf.
Das Kapitel 17 umfasse festen Zucker und Saccharose, die Nummer 2101 beziehe sich gerade auf die (flüssigen) Essenzen, auch wenn diese (überwiegend) auf Zuckerbasis bestünden. Die vom Zollamt vorgenommene Einreihung sei daher offenkundig unrichtig.
Selbst wenn (was aufgrund der vorstehenden Ausführungen weiterhin bestritten werde) die Ware in die Position 1701 einzureihen sein sollte, sei die nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Art. 220 Abs. 2 ZK unzulässig. Denn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag sei nur aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht erfasst worden. Dieser Irrtum habe vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden können und dieser habe gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften für die Zollanmeldung eingehalten. Der Irrtum der Zollbehörde ergebe sich aus der telefonisch und mittels E-Mail erteilten Auskunft der Zollbehörden über die Einreihung des gegenständlichen Produkts sowie aus der genannten Verbindlichen Zolltarifauskunft. Auch die mehrmonatige Abfertigungspraxis (von Jänner bis Ende März), bei der Waren stets unter die Warennummer 2101 angemeldet und die Zollanmeldungen von den Zollbehörden widerspruchslos entgegengenommen worden seien, stelle einen Irrtum der Zollbehörden dar.
Dieser Irrtum habe von der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden können und diese selbst habe schuldlos gehandelt. Die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin hätten vor Aufnahme der Verzollungen telefonisch unter Bekanntgabe der Produktbeschreibung eine Bestätigung erhalten, dass die Ware in die Position 2101 einzureihen sei. Im Zuge der Abfertigungsvorgänge sei dann noch von der österreichischen Zollbehörde (BMF) telefonisch und schriftlich die Richtigkeit der Tarifierung unter der Tarifnummer 2101 bestätigt worden. Darüber hinaus bestätige eine zugunsten eines (anderen) Auftraggebers der Beschwerdeführerin ausgestellte Verbindliche Zolltarifauskunft die Richtigkeit der angemeldeten Warennummer. Die einhellige Abwicklungspraxis und das vorliegende Analysenzertifikat würden auch die vorgenommene Einreihung bestätigen. All dies zeige, dass für die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin kein Zweifel bestehen konnte, dass die Ware unter die Zolltarifnummer 2101 zu tarifieren sei. Selbst wenn daher die Zolltarifnummer unrichtig sei, habe diese Unrichtigkeit nicht auffallen können.
Hinzu komme noch, dass die Einstufung solcher Lebensmittelzubereitungen schwierig sei. Dies zeige sich darin, dass die Einreihung dieser Produkte auf EU-Ebene diskutiert werde. Jedenfalls würden derzeit andere ausländische Behörden die Ausstellung von Verbindlichen Zolltarifauskünften verweigern. Da somit schon mehrere Monate auf EU-Ebene ein Diskussionsprozess über die Frage der richtigen Einreihung des Produktes anhängig sei, könne den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin das Vertrauen auf die dargestellten Urkunden, insbesondere auch auf die Auskünfte der österreichischen Zollbehörden, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eine nachträgliche buchmäßige Erfassung müsse jedenfalls nach Art. 220 Abs. 2 ZK unterbleiben.
Mit der Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dagegen richtete sich die nun als Vorlageantrag zu wertende Beschwerde vom . Neben den in der Berufungsschrift enthaltenen Ausführungen brachte die Beschwerdeführerin vor, bei der gegenständlichen Einfuhrabfertigung sei keine Probeziehung erfolgt, die letzte Probeentnahme sei rund sechs Wochen zurück gelegen und seither sei in rund 100 Fällen "Instant Tea" unter die Warennummer 2101 2092 80 angemeldet und angenommen worden. Das Vorliegen eines Irrtums sei somit evident.
Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin, in Stattgebung der Beschwerde die angefochtene Berufungsvorentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Berufung stattgegeben und die nachträgliche buchmäßige Erfassung und Abgabenvorschreibung ersatzlos aufgehoben werde, in eventu die angefochtene Berufungsvorentscheidung aufzuheben und der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Darüber hinaus beantragte die Beschwerdeführerin die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung sowie die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).
Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin mit, sie habe unmittelbar nach Erhalt der näheren Warenbeschreibung am unter Bekanntgabe der erhaltenen Warenbeschreibung (welche der Warenbeschreibung der im Verfahren vorgelegten schriftlichen Bestätigung entspreche) über entsprechende telefonische Anfrage in Arnoldstein die Mitteilung erhalten, die Ware sei in die Zolltarifnummer 2101 einzureihen. Erst danach (und im Vertrauen auf diese telefonische Auskunft) sei die Zollanmeldung abgegeben worden. Bereits vor Abgabe der ersten Zollanmeldung sei die telefonische Auskunft über die Einreihung des Instant Tees vorgelegen. Als Beweis dafür beantragte die Beschwerdeführerin die Einvernahme einer näher genannten Person.
In der mündlichen Verhandlung am verwiesen die Parteien auf ihre bisherigen Ausführungen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Auf Grund der anlässlich der Einfuhrabfertigung vorgelegten Unterlagen steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass es sich bei der gegenständlichen Ware („Instant Green Tea mix“), die mit der gegenständlichen Einfuhranmeldung vom zum freien Verkehr abgefertigt worden ist, um ein Halbfertigprodukt für die Lebensmittelindustrie („halfproduct for food industry“) mit einem fein kristallinen, leicht grün gefärbten Erscheinungsbild („Outward: fine criystal, light green coloured“) mit folgender Zusammensetzung handelte:
2,5% Maltodextrin ("maltodextroze")
0,025% Vitamin C ("C-Vitamin")
0,2% Tee-Extrakt („ extract green tea from different tea sorts“)
97,275% Zucker („ sugar EEC 2“)
Mit der gegenständlichen Warenanmeldung wurde „andere, Instant Green tea mix“ zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet und die Ware in die Warennummer 2101 2092 80 des Österreichischen Gebrauchszolltarifes (ÖGebrZT) eingereiht. Anlässlich der Einfuhrabfertigung wurde vom Abfertigungsorgan im Beschauvermerk festgehalten, dass von einer Ware wie der gegenständlichen bereits ein Muster gezogen worden ist und dieses von der Technischen Untersuchungsanstalt (TUA) untersucht wird. Im Zuge der nachträglichen buchmäßigen Erfassung ging die belangte Behörde von einer Einreihung in die Position 1701 der Kombinierten Nomenklatur aus.
Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich gemäß Art. 20 Abs. 1 ZK auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften. Gemäß Art. 20 Abs. 3 ZK umfasst der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften unter anderem die Kombinierte Nomenklatur sowie jede andere Nomenklatur, die ganz oder teilweise auf der Kombinierten Nomenklatur - gegebenenfalls auch mit weiteren Unterteilungen - beruht und die durch besondere Gemeinschaftsvorschriften zur Durchführung zolltariflicher Maßnahmen im Warenverkehr erstellt worden ist. Der ÖGebrZT beruht auf der Grundlage des Zolltarifs der Europäischen Gemeinschaften (§ 45 Abs. 1 ZollR-DG).
Die Kombinierte Nomenklatur wurde mit Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif festgelegt und ist im Anhang I dieser Verordnung enthalten. Für den verfahrensgegenständlichen Fall findet Anhang I in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission Anwendung. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 umfasst die Kombinierte Nomenklatur die Nomenklatur des Harmonisierten Systems (als Harmonisiertes System wird das „Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren“ bezeichnet).
In Teil I (Einleitende Vorschriften) Titel I des Anhanges I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 sind die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur normiert. Die Allgemeine Vorschrift 1 bestimmt, dass „ die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise sind. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nicht anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.“ Nach der Allgemeinen Vorschrift 3b) werden „Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.“ Gemäß der Allgemeinen Vorschrift 6 sind für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und (sinngemäß) die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften maßgebend. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe.
Gemäß Art. 6 des Harmonisierten Systems ist im Rahmen dieses Übereinkommens ein Ausschuss einzusetzen; dieser Ausschuss hat unter anderem Erläuterungen, Einreihungsavise und sonstige Stellungnahmen zur Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Harmonisierten Systems auszuarbeiten (Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens). Darüber hinaus hat die Kommission die Möglichkeit, Erläuterungen zu der Kombinierten Nomenklatur zu erlassen (Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a 2. Anstrich iVm Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87). Die Erläuterungen zum Harmonisierten System und zur Kombinierten Nomenklatur sowie die Einreihungsavise stellen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Positionen dar (vgl. ; , Rs C-486/06). Gemäß der Vorbemerkung zu den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Gemeinschaften ersetzen die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur nicht die zum Harmonisierten System, sondern sind als Ergänzung dieser zu betrachten. Die Erläuterungen zum Harmonisierten System und zur Kombinierten Nomenklatur müssen daher häufig in Verbindung miteinander verwendet werden.
Gemäß Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 sind “ Rohr- und Rübenzucker und chemisch reine Saccharose, fest“ in die Position 1701 einzureihen. In die Unterposition 1701 9100 ist anderer als Rohzucker, ohne Zusatz von Aroma oder Farbstoffen, mit Zusatz von Aroma oder Farbstoffen einzureihen.
Von der Position 2101 sind „ Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Kaffee, Tee oder Mate und Zubereitungen auf der Grundlage dieser Waren oder auf der Grundlage von Kaffee, Tee oder Mate; geröstete Zichorien und andere geröstete Kaffeemittel sowie Auszüge, Essenzen und Konzentrate hieraus“ erfasst.
Gemäß den Erläuterungen zum Harmonisierten System gehört zu der Position 1701 des Harmonisierten Systems Rohr- oder Rübenzucker nur in fester Form (auch als Puder); dieser kann Zusätze von Aroma- oder Farbstoffen enthalten. Nach den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur gehört aromatisierter oder gefärbter Zucker auch dann in die Unterposition 1701 9100, wenn sein Saccharosegehalt weniger als 99,5 GHT beträgt.
Die Erläuterungen zum Harmonisierten System zu der Position 2101 bestimmen Folgendes:
„Zu dieser Position gehören:
1) Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Kaffee. Sie können aus Kaffee (auch entkoffeiniert) oder aus einer Mischung von Kaffee und Kaffeemitteln in beliebigem Verhältnis hergestellt sein. Sie können flüssig oder pulverisiert vorliegen und sind im allgemeinen hoch konzentriert. Zu dieser Gruppe gehört der Instantkaffee, der aus einem getrockneten oder gefriergetrockneten Kaffee‑Auszug besteht.
2) Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Tee oder Mate. Diese Erzeugnisse entsprechen den im vorstehenden Absatz beschriebenen sinngemäß.
3) Zubereitungen auf der Grundlage der vorstehend unter 1) und 2) behandelten Auszüge, Essenzen und Konzentrate. Es handelt sich um Zubereitungen auf der Grundlage von Auszügen, Essenzen oder Konzentraten aus Kaffee, Tee oder Mate (und nicht um Mischungen von Kaffee, Tee oder Mate als solchem mit anderen Stoffen), denen im Verlauf der Herstellung Stärke oder andere Kohlenhydrate zugesetzt sein können.
4) Zubereitungen auf der Grundlage von Kaffee, Tee oder Mate. Zu diesen Zubereitungen gehören z.B.:
a) Kaffeepasten aus gemahlenem, geröstetem Kaffee, pflanzlichen Fetten sowie manchmal auch noch anderen Zutaten, sowie
b) Zubereitungen auf der Grundlage von Tee, aus einem Gemisch von Tee, Milchpulver und Zucker.
Aufgrund des Wortlautes der Position und der Erläuterungen steht fest, dass in die Position 2101 der Kombinierten Nomenklatur Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Tee und Zubereitungen auf der Grundlage von Tee oder auf der Grundlage dieser Auszüge, Essenzen oder Konzentrate einzureihen sind. Bloße Mischungen von Tee oder von Auszügen, Essenzen oder Konzentraten mit anderen Waren (zB Zucker) sind nicht in diese Position einzureihen; solche Mischungen stellen keine Zubereitung im Sinne der Position 2101 der Kombinierten Nomenklatur dar (vgl. ). Der Tee, der Auszug, die Essenz oder das Konzentrat aus Tee müssen als wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung der Lebensmittelzubereitung verwendet werden und dieser ihren eigenständigen Charakter verleihen ().
Mit der am in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 366/2014 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif wurde in Kapitel 21 folgende Zusätzliche Anmerkung 6 eingefügt:
"Zubereitungen auf der Grundlage von Kaffee, Tee oder Mate oder Auszüge, Essenzen und Konzentrate hieraus mit einem Zuckergehalt von 97 GHT oder mehr, bezogen auf die Trockenmasse, sind von der Einreihung in die Position 2101 ausgeschlossen und werden grundsätzlich in Kapitel 17 eingereiht. Der Charakter dieser Waren gilt nicht länger als durch Kaffee, Tee oder Mate oder Auszüge, Essenzen und Konzentrate hieraus verliehen."
Mit dieser Verordnung hat der Verordnungsgeber festgestellt, dass Waren mit einem Zuckergehalt von 97 GHT oder mehr nicht in die Position 2101 sondern in das Kapitel 17 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen sind. Auch wenn diese Verordnung erst nach der gegenständlichen Einfuhrabfertigung in Kraft getreten ist, steht doch auf Grund der Erwägungsgründe fest, dass der Verordnungsgeber mit ihr nicht eine Änderung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 beabsichtigte, sondern mit der Verordnung die Einreihung von Mischungen aus Zucker des Kapitels 17 und geringen Mengen anderer Stoffe klären wollte, um so eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Kombinierten Nomenklatur im gesamten Gebiet der Europäischen Union zu gewährleisten.
Rohr‑ und Rübenzucker ist auch dann in die Position 1701 einzureihen, wenn dieser Aroma‑ oder Farbstoffe enthält. Mit der Verordnung (EG) Nr. 227/2006 der Kommission vom zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur wurde festgelegt, dass eine Ware, bestehend aus 97 GHT Weißzucker und 3 GHT Lakritzextrakt in die Unterposition 1701 9100 einzureihen ist. Begründet wurde diese Einreihung mit den Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Position 1701, fünfter Absatz, wonach der Rohr‑ und Rübenzucker - wie bereits ausgeführt - Zusätze von Aroma- oder Farbstoffen enthalten kann. Diese Verordnung bestimmt somit, dass Zucker mit Zusatz von Extrakten in die Position 1701 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist, oder anders ausgedrückt, dass betreffend die Einreihung in die Position 1701 der Begriff „Aroma“ auch Extrakte umfasst. Das ergibt sich auch aus einem Protokollvermerk des Ausschusses für den Zollkodex - Fachbereich zolltarifliche und statistische Nomenklatur (der Ausschuss für den Zollkodex unterstützt gemäß Art. 8 ff der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 iVm Art. 247 ZK die Kommission bei der Anwendung und Auslegung der Kombinierten Nomenklatur), wonach ein Erzeugnis, bestehend aus 85 GHT Zucker und 15 GHT Süßholzwurzelextrakt ebenfalls als Zucker mit Zusatz von Aromastoffen in die Position 1701 einzureihen ist. Es bedurfte daher keiner Erwägungen, ob zwischen Aromen und Extrakten ein Unterschied besteht und gegebenenfalls, worin ein solcher besteht.
Beim verfahrensgegenständlichen Erzeugnis, das lediglich einen Anteil von 0,2% Tee-Extrakt aufweist, handelt es sich aufgrund des geringen Anteils an Tee-Extrakt nicht um eine „auf der Grundlage eines Tee-Extraktes“ hergestellte Lebensmittelzubereitung. Bei einem Anteil von lediglich 0,2% stellt das Tee-Extrakt keinen wesentlichen Bestandteil bei der Herstellung einer Lebensmittelzubereitung dar, die dieser ihren eigenständigen Charakter verleiht. Vielmehr stellt das Erzeugnis Zucker dar, dem unter anderem ein geringer Anteil an Tee-Extrakt beigemengt worden ist. Da in die Position 2101 des Harmonisierten Systems nur solche Zubereitungen auf der Grundlage von Tee-Extrakten einzureihen sind, bei denen das Extrakt einen wesentlichen Bestandteil darstellt, war eine Einreihung der gegenständlichen Ware in die Position 2101 ausgeschlossen. Auch die Verordnung (EU) Nr. 366/2014 schließt die Einreihung einer Ware wie der gegenständlichen, die einen Zuckeranteil von 97,275% aufweist, in die Position 2101 der Kombinierten Nomenklatur aus.
Stütze findet die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes in den Untersuchungsbefunden der TUA zu den Nummern 388/2008, 461/2008, 464/2008 und 562/2008 sowie den Befunden 565/2008, 566/2008, 568/2008 und 569/2008. Diesen Untersuchungen lagen Waren mit der selben Zusammensetzung und mit den selben Eigenschaften wie der gegenständlichen Ware zu Grunde; diese Untersuchungen betreffen Abfertigungen, bei denen die Beschwerdeführerin ebenfalls als indirekter Vertreter des Warenempfängers aufgetreten ist. In allen Fällen wurde eine Einreihung in eine andere Position als 2101 vorgeschlagen.
Betreffend das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die bloß subjektive Geschmacks- oder Geruchseinschätzung des untersuchenden Mitarbeiters der TUA stelle kein ausreichendes Entscheidungskriterium für die Einreihung unter eine bestimmte Zolltarifnummer dar, ist festzuhalten, dass eine Einreihung in die Position 2101 nur dann in Betracht kommt, wenn das Konzentrat aus Tee als wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung der Lebensmittelzubereitung verwendet wird und dieser ihren eigenständigen Charakter verleiht (). Für die Beurteilung des eigenständigen Charakters sind der Geruch und der Geschmack nicht unwesentliche Kriterien, sodass es erforderlich war, diese beiden Faktoren festzustellen.
Die von der Beschwerdeführerin genannte Verbindliche Zolltarifauskunft Nummer AT 2007/000503 (offensichtlich gemeint AT 2007/000505; Gegenstand der von der Beschwerdeführerin angeführten Auskunft ist eine gänzlich andere Ware) und der offensichtlich angesprochene Untersuchungsbefund Nummer 2334/2007 vermögen zum einen die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht erschüttern, zum anderen zeigen diese Unterlagen bei Vergleich mit den vorstehend genannten Untersuchungsergebnissen ein willkürliches Vorgehen der TUA nicht auf. Gegenstand dieser Untersuchungen sind Erzeugnisse anderer Hersteller mit anderen Zusammensetzungen. Während in den oben genannten Fällen Waren, die aus 97,275% Zucker und 0,2% Tee-Extrakt bestanden, untersucht worden sind, waren Zubereitungen auf der Grundlage eines Tee-Extraktes mit einem Gehalt an Zucker von mehr als 5 GHT Gegenstand der genannten Unterlagen. Ebenso wenig steht ein Schreiben eines vom gegenständlichen Verfahren nicht betroffenen ungarischen Unternehmens der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes entgegen. Diesem Schreiben lassen sich keine Anhaltspunkte betreffend Zusammensetzung und in weiterer Folge betreffend Warenidentität entnehmen.
Die gegenständliche Ware, bei der es sich um ein Gemenge aus kristalliner Saccharose, Grüntee-Extrakt und anderen Stoffen handelt, ist als Zucker mit Zusatz von Aroma- oder Farbstoffen in die Unterposition 1701 9100 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen. Gemäß den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur ist aromatisierter Zucker auch dann in diese Unterposition einzureihen, wenn (wie im gegenständlichen Fall) der Saccharosegehalt weniger als 99,5 GHT beträgt.
Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Waren mit den selben Produkteigenschaften und der selben Zusammensetzung wie die gegenständliche Ware in die Unterposition 1701 9100 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen (). In den diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fällen hatte der Verwaltungsgerichtshof die Einreihung von zwölf weiteren Einfuhren (aus dem Gesamtkomplex der von der Beschwerdeführerin angemeldeten Waren) zu beurteilen.
Ebenso sieht die vorstehend genannte Verordnung (EU) Nr. 366/2014 eine Einreihung von Waren wie die gegenständliche in das Kapitel 17 der Kombinierten Nomenklatur vor.
Die Tatsache, dass die gegenständliche Ware mit den Waren, die Gegenstand der Einfuhren aus dem Gesamtkomplex waren, betreffend Produkteigenschaften und Zusammensetzung ident ist, wird sogar durch die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom bestätigt. Darin wird angegeben, die Beschwerdeführerin habe sich bereits vor der ersten Abfertigung unter Bekanntgabe der Warenbeschreibung betreffend die Einreihung der Ware telefonisch erkundigt. In den Verfahren, die dem genannten Erkenntnis zu Grunde lagen, und in den anderen Fällen des Gesamtkomplexes stützte sich die Beschwerdeführerin stets auf diese telefonische Auskunft (und auf eine später mittels E-Mail eingeholte Auskunft). Sie selbst brachte damit zum Ausdruck, dass den Einfuhren aus dem Gesamtkomplex (und somit auch der gegenständlichen Einfuhrabfertigung) Waren mit der selben Beschaffenheit zu Grunde gelegen sind.
Der Einreihung in die Position 1701 der Kombinierten Nomenklatur stehen auch nicht die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 306/2001 der Kommission vom zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur entgegen. Mit dieser wurden Erzeugnisse auf der Grundlage eines Teeauszuges, bei denen der Gehalt an Teeauszug 2,2 bzw. 2,5 GHT und der Saccharosegehalt 94 bzw. 90,1 GHT betrug, in die Unterposition 2101 2092 eingereiht. Diese Erzeugnisse weichen nicht nur hinsichtlich ihrer Zusammensetzung entscheidend von der gegenständlichen Ware ab, sondern bedurften nur mehr der Verdünnung mit Wasser, um als Getränk verwendet werden zu können. Beim verfahrensgegenständlichen Erzeugnis hingegen handelt es sich um ein Halbfertigprodukt für die Lebensmittelindustrie. Neben der abweichenden Warenbeschaffenheit schließen auch die unterschiedlichen Verarbeitungsstufen und Verwendungsmöglichkeiten der jeweiligen Waren eine Vergleichbarkeit des gegenständlichen Produkts mit den Erzeugnissen der genannten Verordnung aus. Der Verwendungszweck einer Ware stellt auch ein objektives Tarifierungskriterium dar ( C‑486/06).
Betreffend das Vorbringen, von Kapitel 17 der Kombinierten Nomenklatur seien nur Waren im festen Zustand und somit keine Flüssigkeiten erfasst, ist festzuhalten, dass es sich den Angaben in den vorliegenden Unterlagen (Zollanmeldung, Handelsrechnung, Produktspezifikation, Frachtbrief) zufolge bei der gegenständlichen Ware um keine Flüssigkeit, sondern um ein kristallines Pulver, abgepackt in so genannten Big Bags zu je 1.000 kg gehandelt hat.
Gemäß Art. 70 Abs. 1 ZK gelten, wenn nur ein Teil der angemeldeten Ware beschaut wird, die Ergebnisse dieser Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. Der Anmelder kann jedoch eine zusätzliche Zollbeschau verlangen, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zutreffen.
Die Beschwerdeführerin meldete „ andere, Instant Green tea mix“ zur Überführung in den freien Verkehr an. Die Anmeldung enthält keine Hinweise für eine unterschiedliche Zusammensetzung der angemeldeten Ware. Grundsätzlich liegt es im Ermessen der Zollbehörde, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit der angemeldeten Ware ermittelt wird. Bei als einheitlich beschaffen angemeldeten Waren liegt eine pflichtgemäße Ermessensausübung vor, wenn sich die Probenentnahme auf eine Stichprobe beschränkt (BFH , VII R 15/10). Das Zollrecht enthält keine Regelungen darüber, in welchem Umfang die Beschaffenheit der angemeldeten Ware von der Zollbehörde zu ermitteln ist (vgl. BFH , VII R 40/04). Der Anmelder hätte die Möglichkeit gehabt, eine weitergehende Probenentnahme zu beantragen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass für die Einreihung der gegenständlichen Ware deren Zusammensetzung, die sich aufgrund der vorgelegten Unterlagen ergibt, und nicht die in vergleichbaren Fällen durchgeführten Untersuchungen durch die TUA entscheidungsrelevant waren. Diese dienten lediglich nur der zusätzlichen Stütze der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes. Von der Aufnahme der diesbezüglich beantragten Beweise war daher gemäß § 183 Abs. 3 BAO Abstand zu nehmen.
Gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK erfolgt keine nachträglich buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Abgabenschuldner nur dann einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird, wenn alle Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind (). Ein Absehen von der Nacherhebung ist bereits dann nicht begründet, wenn eine der drei Voraussetzungen fehlt ().
Der Irrtum muss auf ein aktives Handeln der Zollbehörden zurückzuführen sein, damit ein berechtigtes Vertrauen beim Abgabenschuldner begründet werden kann. Die Zollbehörde muss den Irrtum begehen, ihm nicht nur unterliegen (Alexander in Witte, Zollkodex6 Art. 220 Rz. 12). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH begründen lediglich solche Irrtümer, die auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen sind und von einem verständigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnten, einen Anspruch darauf, dass von der Nacherhebung der Zölle abgesehen wird (). Die Zollbehörden müssen somit selbst die Grundlage, auf der das Vertrauen des Zollschuldners beruht, geschaffen haben. Fälle in denen die Zollbehörde eine passive Rolle spielt, gehören nicht zum Begriff des Irrtums im Sinne dieser Vorschrift, weil die Behörde in einem solchen Fall nicht wirklich für den Fehler verantwortlich ist. Ein beachtlicher Irrtum liegt somit nur dann vor, wenn ihn die Zollbehörde begeht, nicht wenn sie ihm unterliegt (Gellert in Dorsch, Zollrecht Art. 220 Rz 52).
Ein legitimes Vertrauen des Beteiligten kann gemäß der Entscheidung der Kommission vom (REM 12/97) nur eine Verbindliche Zolltarifauskunft oder ein Fachgutachten der zuständigen nationalen Behörde begründen, die sich auf die von ihm eingeführten Waren beziehen. Derartige Unterlagen lagen nicht vor.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, sie habe sich betreffend die Einreihung der gegenständlichen Ware bei der für Zolltarifauskünfte zuständigen Stelle unmittelbar nach Erhalt der Warenbeschreibung am und somit vor der gegenständlichen Einfuhrabfertigung telefonisch erkundigt, und nach Feststellung, dass keine schriftliche Bestätigung vorgelegen sei, mit E-Mail vom um eine schriftliche Bestätigung der Auskunft ersucht.
Bei der Auskunft der auskunftserteilenden Stelle in Arnoldstein handelte es sich nicht um die für die Erteilung von Verbindlichen Zolltarifauskünften (Fachgutachten) zuständige nationale Behörde. Für die Erteilung Verbindlicher Zolltarifauskünfte wäre die Zentralstelle für Verbindliche Zolltarifauskünfte, 1030 Wien, zuständig gewesen (Art. 6 Abs. 5 ZK-DVO iVm Amtsblatt Nr. C 145/08 vom ). Die Beschwerdeführerin konnte daher nicht auf diese Auskünfte vertrauen. Von der Aufnahme der diesbezüglich beantragten Beweise war daher abzusehen.
Ergänzend ist festzuhalten, dass die auskunftserteilende Stelle in Beantwortung der Anfrage mit E-Mail vom lediglich eine Einreihung in die Position 2101 2092 "vorgeschlagen" und auf den rechtsunverbindlichen Charakter der Auskunft hingewiesen hat.
Darüber hinaus steht auf Grund der Angaben im Beschauvermerk fest, dass die belangte Behörde Zweifel an der Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin angemeldeten Warennummer hatte. Darin wurde auf eine bereits eingeleitete Untersuchung bei der TUA (Nummer 484/2008) hingewiesen. Die Beschwerdeführerin konnte sich daher nicht auf ein durch Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK gestütztes Vertrauen berufen (Alexander in Witte, Zollkodex6 Art. 220 Rz. 15) und daraus keinen Irrtum der Zollbehörden ableiten ().
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann auch eine langjährige Abfertigungspraxis ohne eigentliches zollbehördliches Handeln einen Irrtum begründen. Eine von Jänner bis Ende März ständig geübte Abfertigungspraxis stellt keine langjährige dar. Von einer solchen ist innerhalb einer Frist von drei Jahren nicht auszugehen ( vgl. Beschluss der Kommission , REC 03/08). Darüber hinaus blieb die Zollbehörde im gegenständlichen Fall betreffend die Einreihung nicht untätig. Im Zuge der Abfertigung wurde eine Warenbeschau ("P211") durchgeführt und auf die zum damaligen Zeitpunkt ausständige Untersuchung einer identen Ware verwiesen.
Da kein Irrtum der Zollbehörde vorlag waren die Voraussetzungen für das Absehen von der buchmäßigen Erfassung gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b) ZK nicht gegeben.
Der EuGH entscheidet im Wege der Vorabentscheidung unter anderem über die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b AEUV). Stellt sich einem mitgliedstaatlichen Gericht eine solche Frage, so kann diese dem EuGH vorgelegt werden, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass des Urteils für erforderlich hält. Für das Bundesfinanzgericht bestanden betreffend die Einreihung der gegenständlichen Ware keine Zweifel; ebenso wenig für den Verwaltungsgerichtshof ().
Gemäß § 183 Abs. 3 BAO ist von der Aufnahme beantragter Beweise abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen unerheblich sind. Da die (sofern nicht ohnedies berücksichtigt) gestellten Beweisanträge nicht entscheidungsrelevant waren, war von der Aufnahme dieser Abstand zu nehmen. Es bedurfte daher keiner Erwägungen, ob ordnungsgemäße Beweisanträge vorlagen.
§ 108 Abs. 1 ZollR-DG bestimmt Folgendes: "Entsteht außer den Fällen des Abs. 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre."
Gemäß § 80 Abs. 2 ZollR-DG werden die Säumniszinsen je Säumniszeitraum berechnet und fallen für einen gesamten Säumniszeitraum an, auch wenn die Säumnis nicht im ganzen Säumniszeitraum bestanden hat. Ein Säumniszeitraum reicht vom 15. eines Kalendermonats bis zum 14. des folgenden Kalendermonats.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabenerhöhung unter anderem die Verhältnismäßigkeit (). Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dann nicht eingehalten, wenn eine Abgabenerhöhung stattfindet, obwohl die Verantwortlichkeit für die verspätete Erhebung der Zollschuld ausschließlich der Zollverwaltung zuzurechnen ist ().
Die gegenständliche Einfuhranmeldung wurde am angenommen und buchmäßig erfasst. Die Beschwerdeführerin verfügt über ein Zahlungsaufschubkonto gemäß Art. 226 ZK. Die Abgabenbeträge waren daher spätestens am 15. Tag des Monats, der auf den Kalendermonat der buchmäßigen Erfassung folgt, zu entrichten (Art. 227 Abs. 3 ZK iVm § 77 Abs. 3 ZollR-DG).
Gemäß Art. 218 Abs. 3 ZK hat die buchmäßige Erfassung einer unter anderen als den in Art. 218 Abs. 1 ZK vorgesehenen Voraussetzungen entstandenen Zollschuld innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag, an dem die Zollbehörden in der Lage sind, den betreffenden Abgabenbetrag zu berechnen und den Zollschuldner zu bestimmen, zu erfolgen.
Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass dies nach Ablauf der Frist für die Beantwortung des Vorhalts betreffend Gesamtschuldner am der Fall gewesen ist. Die Vorschreibung der Abgabenerhöhung für den Zeitraum ab dem war daher im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Verwaltungsgerichtshof als unverhältnismäßig anzusehen. Die Abgabenerhöhung war für den Zeitraum zwischen (Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld) und vorzuschreiben.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beantwortung der Frage, in welche Warennummer eine Ware wie die gegenständliche einzureihen ist, steht auf Grund des Wortlautes der Positionen, der Anmerkung und der hierzu ausgearbeiteten Erläuterungen und auch auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig fest. Ebenso wenig lässt sich im gegenständlichen Fall nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Irrtum der Zollbehörde ableiten.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 20 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 20 Abs. 3 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.4200288.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at