Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.02.2015, RV/7103281/2014

Freiwilliges Soziales Jahr allein keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die als Beschwerde weiterwirkende Berufung der A B, Adresse , vertreten durch Ulrike Riha, Steuerberaterin, 1220 Wien, Haberergasse 2/2/20, vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22, 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, vom , wonach der Antrag vom auf Familienbeihilfe für die im November 1993 geborene Tochter C für den Zeitraum Juli 2012 bis September 2012 abgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer X, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe

Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe

Mit Schreiben vom übermittelte das Finanzamt der Berufungswerberin (Bw) und späteren Beschwerdeführerin (Bf) A B ein Formular zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe. Dieses wurde von der Bf am ausgefüllt und langte beim Finanzamt am wieder ein.

Den Angaben der Bf zufolge absolviere ihre im November 1993 geborene Tochter C das "Freiwillige soziale Jahr" bis . Ab werde die Tochter den Studienlehrgang Ergotherapie von 2013 bis 2016 an der Fachhochschule Campus Wien beginnen.

Laut Mitteilung der Fachhochschule Campus Wien vom sei die Tochter laut Beschluss der Aufnahmekommission vom selben Tag in den Studiengang 2013/2016 des Bachelorstudiums Ergotherapie bedingt aufgenommen worden.

Aktenkundig ist auch ein Versicherungsdatenauszug vom , wonach C im Juli 2011 bei einem Rehabilitationszentrum angestellt war, von bis "Freiwilliges Sozialjahr" beim Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste, Linz, geleistet habe und seit geringfügig bei der Caritas der Erzdiözese Wien (Caritasverband) beschäftigt ist.

Antrag vom (eingelangt )

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , führte die steuerliche Vertreterin namens der Bf aus:

... ich beziehe mich auf die Mitteilung des Finanzamts vom über den Bezug der Familienbeihilfe. Für die Tochter C B wurde die Familienbeihilfe für die Zeit vom 10/2012 bis 9/2014 gewährt. Für die Zeit zwischen dem Schulabschluss 7/2012 und dem ehestmöglichen Beginn der Berufsausbildung 9/2012 wurde keine Familienbehilfe zuerkannt.

Namens und im Auftrag meiner Klientin beantrage ich, den Anfang Juli eingebrachten Antrag, die Familienbehilfe für die Tochter C B, Vers.Nr. ...1193, für die Monate 7/2012 bis 9/2012 zuzuerkennen, nochmals zu überprüfen.

C B hat sich unmittelbar nach ihrem Schulabschluss im Juni 2012 entschlossen, die Berufsausbildung zur Ergotherapeutin zu absolvieren. Für die Aufnahme in die Fachhochschule zum Bachelorstudiengangs "Ergotherapie" ist eine Aumahmeprüfung zu absolvieren, bei der die vorherige Teilnahme am "Freiwilligen Sozialen Jahr" nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetze BGBl. I Nr. 1/2012 als Aneigung von Erfahrungen in einem sozialen Bereich besonders bewertet und angerechnet wird.

Somit hat C B nach ihrem Schulabschluss im Juni 2012 ehestmöglich, ab am "Freiwilligen Sozialjahr" als Berufsausbildung und Vorbereitung für den im September 2013 angeschlossenen Bachelorstudiengangs Ergotherapie teilgenommen (Siehe Bestätigungen Verein zur Förderung Freiwilliger Sozialer Dienste). Die Absolvierung des Freiwilligen Sozialen Jahres ist laut beiliegender Bestätigung der Fachhochschule ein wichtiges Kriterium im Rahmen des Aufnahmeverfahrens des Bachelorstudiengangs Ergotherapie und war für die Aufnahme von C B von ausschlaggeber Bedeutung.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit.d FLAG besteht der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Gemäß Abschnitt 02.01 Ziffer 16.4. der Durchführungsrichtlinien zum  Familienlastenausgleichsgesetz (Stand September 2010) letzter Satz wird festgestellt, dass das "Freiwillige Soziale Jahr" bereits vor Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes () als Berufsausbildung gegolten hat, wenn die Tätigkeit nachweislich Voraussetzung für die Aufnahme in eine Fachschule für Sozialberufe ist.

Mit Wirkung wurde das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 durch Anfügung einer lit. laa) zum § 2 Abs. 1 dahingehend geändert, dass für die Zeit der Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und damit das "Freiwillige Soziale Jahr" als Berufsausbildung zu werten ist.

Mit Fortsetzung der Ausbildung zur Ergotherapeutin im September 2013 steht nun fest, dass im Falle von C B die Teilnahme am "Freiwilligen Sozialen Jahr" jedenfalls als Berufsausbildung zu werten ist, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wurde, sodass der Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG auch für die Zeit zwischen Schulabschluss und Beginn des Freiwilligen Sozialjahres (Juli 2012 bis September 2012) besteht.

Ich ersuche daher, meiner Klientin für C B, Vers. Nr. ...1193, die Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag auch für die Zeit vom Juli 2012 bis September 2012 zu gewähren.

Bestätigung der FH Campus Wien vom

Beigeschlossen war eine Bestätigung der FH Campus Wien vom mit folgendem Inhalt:

Wir bestätigen, dass praktische Vorerfahrung im Gesundheits- und Sozialbereich ein wichtiges Kriterium im Rahmen des Aufnahmeverfahrens des Bachelorstudiengangs Ergotherapie ist.

Somit war die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres für die Aufnahme von Fr. C B von ausschlaggebender Bedeutung.

Schreiben des Vereins zur Förderung Sozialer Dienste Regionalstelle Wien vom

Der Verein zur Förderung Sozialer Dienste, Regionalstelle Wien, bestätigte am  gegenüber der Tochter der Bf, dass diese ab "Oktober 2012 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) machen wird."

Sie ist ab diesem Zeitpunkt 34 Wochenstunden beim Verein zur Förderung freiwilliger sozialer Dienste in einem Ausbildungsverhältnis angestellt.

Das Freiwilligengesetz (beschlossen im März 2012) sieht vor, dass die Teilnehmerinnen eines FSJ während ihres gesamten Einsatzes die Familienbeihilfe erhalten.

Bestätigung des Vereins zur Förderung Sozialer Dienste vom

Der Verein zur Förderung Sozialer Dienste bestätigte am , dass "C B in der Zeit vom bis einschließlich das Freiwillige Sozialjahr gemäß Freiwilligengesetz (in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2012)" in einer näher bezeichneten Einrichtung der Caritas absolviert. Der Verein sei mit Bescheid Zahl BMASK-58705/0003-V/6/2012 anerkannter Träger.

Diese Bestätigung dient zur Vorlage beim Finanzamt, um den Anspruch auf die Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. 1 sublit. aa des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2012) geltend zu machen.

Anerkannte Träger des Freiwilligen Sozialjahres

Laut einem aktenkundigen Ausdruck einer Aufstellung anerkannter Träger des Freiwilligen Sozialjahres des Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Stand ist der Verein zur Förderung Freiwilliger Sozialer Dienste (ZVRZahl: 325896611) laut Bescheid BMASK-58705/0003-V/6/2012 vom , Gültigkeitsdauer  bis , anerkannter Träger des Freiwilligen Sozialjahres.

Abweisungsbescheid

Mit Bescheid vom wurde der Antrag "vom " auf Familienbeihilfe für die im November 1993 geborene Tochter C für den Zeitraum Juli 2012 bis September 2012 abgewiesen wurde.

Das Finanzamt begründete dies wie folgt:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Da die Absolvierung des freiwilligen sozialen Jahres keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ist, muss der oben genannte Zeitraum abgewiesen werden.

Berufung

Die Bf erhob durch ihre steuerliche Vertreterin am mittels FinanzOnline Berufung:

Für Tochter C B, Vers.Nr....1193, wurde der Antrag auf Familienbeihilfe f. d.  Zeit zw. Schulabschluss 7/2012 u. dem ehestmöglichen Beginn d.Berufsausbildung 9/2012 mit der Begründung abgelehnt, die Absolvierung des freiwilligen sozialen Jahres sei keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Gem. Absch.02.01 Z.16.4. der Durchführungsrichtlinien zum FLAG (Stand 9/201 0) letzter Satz wird festgestellt, dass das Freiwillige Soziale Jahr bereits vor Änderung des FLAG () als Berufsausbildung gegolten hat, wenn die Tätigkeit nachweislich Voraussetzung für die Aufnahme in eine Fachschule für Sozialberufe ist. Mit Wirkung wurde das FLAG 1967 durch Anfügung einer lit. 1aa) zum § 2 Abs. 1 dahingehend geändert, dass für die Zeit der Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr Anspruch auf FB besteht und damit das Freiwillige Soziale Jahr als Berufsausbildung zu werten ist. Damit widerspricht die Begründung laut Abweisungsbescheid der geltenden Gesetzeslage.

C B hat sich unmittelbar nach ihrem Schulabschluss im Juni 2012  entschlossen, die Berufsausbildung zur Ergotherapeutin zu absolvieren. Für die Aufnahme in die Fachhochschule zum Bachelorstudiengang Ergotherapie ist eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren, bei der die vorherige Teilnahme am Freiwilligen Sozialen Jahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes BGBI. I Nr. 1/2012 als Aneignung von Erfahrungen in einem sozialen Bereich besonders bewertet und angerechnet wird (Siehe Bestätigung FH Campus Wien)

Gem. § 2(1)d FLAG besteht der FB-Anspruch für volljährige Kinder (jünger als 24 J.) für die Zeit zwischen Schulabschluss und Berufsausbildung, wenn Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen wird.

C B hat nach ihrem Schulabschluss ehstmöglich, ab ihre Berufsausbildung zur Ergotherapeulin durch Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr begonnen, sodass auch f.d.Zeit 7/2012 bis 9/2012 Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die als Beschwerde weiterwirkende Berufung vom als unbegründet ab:

Gemäß § 2 Abs.1 lit.d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 ( FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder , die das 24.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung , wenn diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird .

Die Absolvierung des Freiwilligenjahres basiert auf freiwilliger Basis .

Anders ist die Regelung für den verpflichtenden Präsenz/Zivildienst/Ausbildungsdienst zu sehen , da hier für den Einzelnen keine Dispositionsmöglichkeit besteht .

Das Freiwilligenjahr kann daher nicht als Berufsausbildung gesehen werden und § 2 Abs.1 lit.d findet somit keine Anwendung .

Die Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres mag zwar als Aneignung von Erfahrungen im sozialen Bereich für das Aufnahmeverfahren für die Fachhochschule zum Bachelorstudiengang Ergotherapie von ausschlaggebender Bedeutung sein , jedoch stellt es keine unbedingte Voraussetzung dar um dieses Studium zu beginnen und ist somit auch nicht Teil des Studiums.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom , beim Finanzamt am eingelangt, stellte die Bf durch ihre steuerliche Vertreterin Vorlageantrag:

...namens und im Auftrag meiner Klientin betrage ich nach Ergehen der Beschwerdevorentscheidung vom , eingelangt am , die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom betreffend Familienbeihilfe für das Kind C geb. ...11.1993 für den Zeitraum 7-9/2012, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beschwerde wird wie folgt ergänzt:

Das Finanzamt begründet in der Beschwerdevorentscheidung: "Die Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres mag zwar als Aneignung von Erfahrungen im sozialen Bereich für das Aufnahmeverfahren für die Fachhochschule zum Bachelorstudiengang Ergotherapie von ausschlaggebender Bedeutung sein, jedoch stellt es keine unbedingte Voraussetzung dar um dieses Studium zu beginnen und ist somit auch nicht Teil des Studiums".

Laut Berufungsentscheidung des ) wurde das vor einer angestrebten dreijährigen Ausbildung zur Diplomierten Behindertenpädagogin absolvierte freiwillige Sozialjahr als Berufsausbildung im Sinne § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anerkannt.

Ein Vergleich der Voraussetzungen für eine Ausbildung zur Diplomierten Behindertenpädagogin mit den Voraussetzungen, die für die Aufnahme in die Fachhochschule zum Bachelorstudiengang Ergotherapie vorliegen müssen, lässt Parallelen erkennen. Beide Berufe werden in demselben Umfeld ausgeübt und in beiden Lehrgängen ist das freiwillige Sozialjahr als Nachweis für die Erwerbung notwendiger beruflicher Vorkenntnisse akzeptiert.

Der Beruf "Ergotherapeut" ist einer der sieben Berufe der gehobenen medizinisch-technischen Dienste laut MTD-Gesetz. Die Behandlung des Ergotherapeuten dient Menschen aller Altersgruppen mit physischen, psychischen und sozialen Beeinträchtigungen, die infolge von Krankheiten, Unfällen oder Entwicklungsstörungen aufgetreten sind. Ziel der Behandlung ist, die berufliche und soziale Integration behinderter oder körperlich beeinträchtigter Personen zu unterstützen und Behandlungen anzuwenden, die es betroffenen Menschen ermöglicht, die Aktivitäten des täglichen Lebens selbständig durchführen können. Tätigkeitsfelder sind die Geriatrie, Neurologie, Handchirurgie, Pädiatrie, Orthopädie, Psychiatrie, Sozialpsychiatrie oder Arbeitstherapie. Für den Umgang mit Behinderten und sonst beeinträchtigten Personen hat der Ergotherapeut neben der fachlichen Qualifikation über besondere sozialkommunikative Fähigkeiten zu verfügen. Der Einsatzbereich ist der gleiche, wie der des "diplomierten Behindertenpädagogen", sodass dieser Beruf auch als Sozialberuf zu werten ist.

Da jährlich nur rd. 1/10 aller Bewerber für den Studiengang Ergotherapie aufgenommen werden können, erfolgt die Reihung für die Aufnahme nach einem Punktesystem. Im Aufnahmeverfahren wird für Nachweise, die zur Beurteilung der sozialen Kompetenz und der bisher einschlägigen beruflichen Erfahrungen herangezogen werden können, eine bestimmte Punkteanzahl vergeben. Für die Beurteilung der persönlichen Eignung werden neben dem persönlichen Gespräch insbesondere Bestätigungen über Vorerfahrungen und einschlägige Berufstätigkeiten bewertet. Die höchste Punkteanzahl für Vorerfahrungen wird für den Nachweis der Teilnahme am freiwilligen Sozialjahr vergeben. Ein Schulabgänger nach der Matura ohne entsprechende berufliche Vorerfahrung hätte ein Punktedefizit, das er durch andere Bereiche nicht aufholen könnte, sodass ihm der Zugang zum Bachelorstudiengang Ergotherapie von Anfang an verwehrt wäre. Somit ist für eine Schulabgängerin wie C B die Teilnahme am freiwilligen sozialen Jahr und die damit nachweisbare berufliche und soziale Erfahrung notwendige Voraussetzung für die Aufnahme in die Fachhochschule zum Bachelorstudiengang Ergotherapie.

Außerdem ist noch festzuhalten, dass der Verein zur Förderung freiwilliger Sozialer Dienste auch auf seiner Website das freiwillige Sozialjahr mit dem Ziel anbietet, jungen Erwachsenen ein begleitendes Praxisjahr in ausgesuchten Sozialprojekten mit einer optimale Vorbereitung für Ausbildungen im Sozialbereich (erwähnt ist hier u.a. die Fachhochschule für Ergotherapie) zu ermöglichen.

Im konkreten Fall war die Absolvierung des freiwilligen Sozialjahrs unbedingte Voraussetzung für die nachfolgend angestrebte und zwischenzeitlich auch begonnene Ausbildung zur Ergotherapeutin. Damit ist das freiwillige Sozialjahr im Fall von C B von Anfang an als Teil der Berufsausbildung zur Ergotherapeutin anzusehen, sodass der Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs.1 lit.d FLAG auch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn der frühestmöglich begonnenen Berufsausbildung 7-9/2012 besteht.

Es wird ersucht, der Beschwerde stattzugeben und die Familienbehilfe für den Zeitraum 7-9/2012 nachträglich zu gewähren.

Freiwilliges Soziales Jahr

Laut vorgelegtem Ausdruck der Website des Vereins zur Förderung Freiwilliger Sozialer Dienste wird das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) wie folgt beschrieben:

... Das "Freiwillige Soziale Jahr" ist eine attraktive Möglichkeit für junge Leute ab 18 Jahren, die sich für den Sozialberuf interessieren, die ein Wartejahr überbrücken wollen, bzw. für jene, die nach der Schule Zeit für die berufliche Orientierung brauchen und gleichzeitig auch Erfahrung und Praxis im Sozialbereich sammeln wollen.

Das FSJ bietet jungen Erwachsenen ab 18 Jahren die Möglichkeit,

• ihre Eignung für einen Sozialberuf praktisch zu testen,

• sich in einem neuen Umfeld besser kennen zu lernen und persönlich weiter zu entwickeln,

• sich beruflich zu verändern.

• ein Wartejahr sinnvoll zu überbrücken.

Der Einsatz dauert 10 Monate und findet in einer sozialen Einrichtung in Österreich statt. Während des Einsatzjahres finden begleitende pädagogische Seminare statt.

• Vorbereitungsseminar: Selbsterfahrung und Facheinführung, 12 Tage.

• 1. Seminar: Vertiefung von fachlichen Erfahrungen, Berufsorientierung, 3 Tage.

• 2. Seminar: Supervision in Gruppen, Berufsorientierung, Bewerbungstraining, 3 Tage.

• 3. Seminar: Auswertung und Abschluss, 2 Tage.

Ziele:

Ziel des FSJ ist es, jungen Erwachsenen ein begleitendes Praxisjahr in ausgesuchten Sozialprojekten anzubieten.

Das FSJ gilt somit als optimale Vorbereitung für Ausbildungen im Sozialbereich. Etwa für die Fachhochschulstudiengänge für Soziale Arbeit und Sozialmanagement, Kolleg für Sozialpädagogik, die Akademien für Physiotherapie und Ergotherapie usw.

Tätigkeitsbereiche:

Gesundheit, Jugend, Kinder und Familien, Soziales

„Welche Tätigkeiten können von Ehrenamtlichen übernommen werden?“

„Einsatzmöglichkeiten sind in der Arbeit mit“

„• behinderten Menschen,“

„• alten Menschen,“

„• Kindern und Jugendlichen,“

„• Obdachlosen und Flüchtlingen.“

„Andorferungsprofil / Welche Fähigkeiten sind dazu notwendig?“

„Bewerbung:“

„• vollendetes 18. Lebensjahr,“

„• physische und psychische Belastbarkeit,“

„• Mobilität (Einsatzstellen sind in ganz Österreich),“

„• bewusste Entscheidung für das soziale Jahr.“

„Welche zeitliche Verfügbarkeit wird von den Ehrenamtlichen mindestens erwartet?“

„37,5 Stunden Woche. Der Einsatz dauert 10 Monate, vom 1. Oktober bis 31. Juli des Folgejahres.“

„Zu welchen Tageszeiten / an welchen Wochentagen (auch am Wochenende?)?“

„Je nach Einsatzstelle ist der Einsatz entweder Montag bis Freitag oder auch am Wochenende möglich (dafür gibt es dann wieder Zeitausgleich).“

„Einsatzorte (ganz Graz oder einzelne Bezirke?):“

„Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Salzburg.“

„Welche Unterstützungsmaßnahmen gibt es für Freiwillige?“

„Einschulung, Fortbildung, Supervision, hauptamtliche Mitarbeiterinnen als kontinuierliche Ansprechpartner, begleitende Seminare.“

„Welche Leistungen erhalten Freiwillige?“

„Fahrtkostenersatz, Unfallversicherung, Tätigkeitsnachweis, monatliches Taschengeld von € 180,-, Subvention des Bundesministeriums in Höhe von € 150,-, voller Versicherungsschutz (auch pensions- und arbeitslosenversichert), freie Unterkunft und Verpflegung. ...“

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die als Beschwerde weiterwirkende Berufung vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab an:

Sachverhalt:

Die Tochter der Bf., C, legte am die Matura erfolgreich ab. Von bis absolvierte sie das freiwillige Sozialjahr im Sinne des Freiwilligengesetzes. Ab September 2013 betreibt sie die Ausbildung zur Ergotherapeutin. Die Familienbeihilfe wurde gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG bis Juni 2012 und gem. § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa FLAG von Oktober 2012 bis Juli 2013 und ursprünglich wieder ab August 2013 zuerkannt. Der am eingebrachte Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli bis September 2012 wurde mangels gesetzlicher Voraussetzung abgewiesen. Im Vorlageverfahren wurde festgestellt, dass auch die Familienbeihilfe für den Monat August 2013 zu Unrecht gewährt worden war, weshalb sie mit Bescheid vom rückgefordert wurde.

Die BF argumentiert, die Beihilfe stehe ihr gem. § 2 Abs. 1 lit d FLAG zu, da die Tätigkeit im Rahmen des freiwilligen Sozialjahres Voraussetzung für den Erhalt eines Studienplatzes im Fachhochschullehrgang war und somit als Teil der Berufsausbildung anzusehen sei.

Beweismittel:

Siehe Inhaltsverzeichnis.

Stellungnahme:

Strittig ist, ob die Tätigkeit im Rahmen des freiwilligen Sozialjahres als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu sehen ist. Diese Tätigkeit mag zwar ein positives Kriterium bei der Zuerkennung eines Studienplatzes gewesen sein, ist aber keine unabdingbare Voraussetzung für das Studium Ergotherapie. Die Unterlagen zum Aufnahmeverfahren des FH-Studienlehrgang beziehen sich auch nur allgemein auf die Biographie der BewerberInnen. Dem im Vorlageantrag angeführte Berufungsentscheidung des liegt eine Ausbildung dreijährigen Ausbildung zur Diplomierten Behindertenpädagogin zu Grunde, für die der Diakonische Einsatz in Form der freiwilligen Mitarbeit im Bereich der Behinderten- oder Altenhilfe Voraussetzung war.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die im November 1993 geborene Tochter der Bf. A B, C, legte am   erfolgreich die Matura ab.

Von bis absolvierte sie das freiwillige Sozialjahr im Sinne des Freiwilligengesetzes bei einem vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Bescheid anerkannten Träger des Freiwilligen Sozialjahres und zwar ein einer Einrichtung der Kinder- und Jugendbetreuung. Sie war 34 Wochenstunden "in einem Ausbildungsverhältnis" angestellt.

Der Einsatz dauert 10 Monate. Während des Einsatzjahres fanden begleitende pädagogische Seminare im Umfang von insgesamt 20 Tagen statt. Ziel des Freiwilligen Sozialen Jahres ist es, jungen Erwachsenen ein begleitendes Praxisjahr (10 Monate) in ausgesuchten Sozialprojekten anzubieten, wodurch das Freiwillige Soziale Jahr als optimale Vorbereitung für Ausbildungen im Sozialbereich gilt. Das FSJ stellt eine begleitete, strukturierte, praxisbezogene Berufsorientierung dar.

Ab September 2013 betreibt C die Ausbildung an der Fachhochschule Campus Wien zur Ergotherapeutin. Voraussetzungen für das Bachelorstudium (FH) Ergotherapie sind die allgemeine Universitätsreife (etwa durch ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis), bestimmte Studienberechtigungsprüfungen oder bestimmte Berufsreifeprüfungen oder relevante einschlägige berufliche Qualifikationen.

Die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres war für die Aufnahme von C B von ausschlaggebender Bedeutung. Da jährlich nur weit weniger Studenten für den Studiengang Ergotherapie aufgenommen werden, als Bewerber bestehen, erfolgt die Reihung für die Aufnahme nach einem Punktesystem. Im Aufnahmeverfahren wird für Nachweise, die zur Beurteilung der sozialen Kompetenz und der bisher einschlägigen beruflichen Erfahrungen herangezogen werden können, eine bestimmte Punkteanzahl vergeben. Für die Beurteilung der persönlichen Eignung werden neben dem persönlichen Gespräch insbesondere Bestätigungen über Vorerfahrungen und einschlägige Berufstätigkeiten bewertet. Die höchste Punkteanzahl für Vorerfahrungen wird für den Nachweis der Teilnahme am freiwilligen Sozialjahr vergeben.

Die Absolvierung des Freiwilligen Sozialen Jahres ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für das Bachelorstudium Ergotherapie. Diese hätte auch ohne das Freiwillige Soziale Jahr begonnen werden können.

Die Familienbeihilfe wurde vom Finanzamt gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bis Juni 2012 und gem. § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa FLAG 1967 von Oktober 2012 bis Juli 2013 und ursprünglich wieder ab August 2013 zuerkannt.

Der am eingebrachte Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli bis September 2012 wurde vom Finanzamt abgewiesen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist nicht strittig. Das Bundesfinanzgericht folgt der Sachverhaltsdarstellung im Vorlagebericht des Finanzamtes sowie der Aktenlage und auch den Unterlagen des Vereins zur Förderung Freiwilliger Sozialer Dienste und der Fachhochschule Campus Wien.

Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:

„§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,

f) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

i) für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

k) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

l) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms „Jugend in Aktion“ im Zeitraum 2007 - 2013.“

Beschwerdevorbringen

Strittig ist, ob der Bf für C für die Zeit zwischen Schulabschluss (Juni 2012) und dem Beginn des freiwilligen Sozialjahres am , also von Juli bis September 2012 Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) zusteht.

Von Juli bis September 2012 befand sich C nicht in Berufsausbildung und nahm nicht am Freiwilligen Sozialjahr teil.

Das das FLAG 1967 in der für Juli bis September 2012 anzuwendenden Fassung die Weitergewährung der Familienbeihilfe für drei Monate ab Abschluss der Berufsausbildung (§ 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 i.d.F. vor dem Budgetbegleitgesetz 2011) nicht mehr vorsieht, ist nach der geltenden Fassung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 (i.d.F. Freiwilligengesetz) darauf abzustellen, ob

a) das Freiwillige Soziale Jahr (auch) eine Berufsausbildung ist und dieses zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wurde, bzw.

b) ob der Beginn des Bachelorstudiums zufolge zwingender vorhergehender Absolvierung des Freiwilligen Sozialen Jahrs zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wurde.

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides

Zuerst wird festgestellt, dass Durchführungsrichtlinien der Verwaltung für das Bundesfinanzgericht keine beachtliche Rechtsquelle darstellen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH fallen unter den Begriff "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten in einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (vgl. ).

Das Freiwillige Soziale Jahr ist von seiner Konzeption her einem Praktikum vergleichbar. Auch ein Praktikum kann "Berufsausbildung" sein (vgl. ).

Der Begriff Praktikum bezeichnet eine auf eine bestimmte Dauer ausgelegte Vertiefung erworbener oder noch zu erwerbender Kenntnisse in praktischer Anwendung oder für das Erlernen neuer Kenntnisse und Fähigkeiten durch Mitarbeit in einer Organisation oder Firma (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Praktikum).

Dies ist für sich keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Ein Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag vermittelndes Praktikum muss entweder Teil einer insgesamt als Berufsausbildung anzusehenden Ausbildung sein (etwa Pflichtpraktikum im Rahmen einer Schulausbildung wie an berufsbildenden höheren Schulen) oder selbst in Form einer schulischen oder kursmäßigen Ausbildung organisiert sein. Ein Praktium, das sich im Wesentlichen auf die praktische Erfahrung beschränkt, ohne dass eine umfassende "schulische oder kursmäßige Ausbildung" vorliegt, erfüllt das Kriterium einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 nicht (vgl. ).

Das Freiwillige Soziale Jahr ist zwar für das Erlangen und Vertiefen sozialer Kompetenzen zweckmäßig und sicherlich eine gute Voraussetzung für eine Berufsausbildung in einem Sozialberuf, stellt aber für sich allein keine Berufsausbildung dar. Eine Ausbildung im Umfang von 20 Tagen bei einer Einsatzdauer von 10 Monaten ist keine umfassende "schulische oder kursmäßige Ausbildung".

Der Gesetzgeber sieht durch die Nennung des Freiwilligen Sozialen Jahres in § 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 dieses - ebenso wie etwa den Präsenz- und Ausbildungsdienst oder den Zivildienst - nicht als Berufsausbildung (§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967) an, auch wenn alle diese  im Interesse der Gesellschaft gelegenen  Dienste wertvolle Erfahrungen für eine spätere Berufsausübung vermitteln können.

Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz – FreiwG) erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (BGBl. I Nr. 17/2012, RV 1634 BlgNR 24. GP), ist zu § 2 Abs. 1 lit. l FLAG 1967 Folgendes zu entnehmen, dass es sich beim Freiwilligen Sozialen Jahr und vergleichbaren Diensten nicht um Berufsausbilung, sondern um "begleitete, strukturierte, praxisbezogene Berufsorientierung" handelt:

...Die gesellschaftspolitische Bedeutung von Freiwilligem Sozialjahr, Freiwilligem Umweltschutzjahr und Gedenkdienst außerhalb des Zivildienstes liegt in der Verbindung eines persönlichen Bildungsjahres mit beruflicher Orientierung und der Übernahme sozialer, gesellschaftlicher und umweltpolitischer Verantwortung. In dieser Zeit erworbene Kompetenzen sind in allen Kontexten, aber ganz besonders in der Berufsfindung und im Arbeitsleben sehr gefragt (Employability)...

„... Das Freiwillige Sozialjahr besteht seit mehr als 40 Jahren. 2008 wurde die Durchführung des Freiwilligen Sozialjahres sowie dessen Förderung im Rahmen der Sonderrichtlinie des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz evaluiert.“

„Die wesentlichen Ergebnisse waren: Für die Teilnehmenden ist der persönliche und berufliche Nutzen hoch: Diese Engagementform bildet mehrheitlich den Einstieg in einen Sozialberuf (rd. 50%: Fachausbildung im Sozialbereich; 30%: Fachhochschule oder Universität (überwiegend: Pflegewissenschaften, Pädagogik, Psychologie); für manche Teilnehmende stellt es eine Überbrückung der Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz im Sozialbereich dar.“

„Neben der besseren regionalen Streuung sind ein einheitliches Dokumentations- und Evaluierungswesen notwendig, um die verschiedenen Anbieter vergleichbar zu machen und damit auch die Qualität zu sichern.“

„Ein weiteres Ergebnis der Evaluierung war, dass Jugendliche, die gesellschaftliche Verantwortung durch ein freiwilliges Engagement übernehmen, dies mit hoher Wahrscheinlichkeit als Erwachsene fortführen...“

„... Seit dem Einsatzjahr 2005/2006 leistet das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz für die Teilnehmenden am Freiwilligen Sozialjahr einen Ersatz für den Entfall der Familienbeihilfe in Höhe von € 150.- (netto, pro Person pro Monat und max. für 10 Monate). Diese Förderung wird sozialversicherungs- und steuerrechtlich als Entgeltbestandteil bewertet, sodass sich bisher die Aufwendungen des Bundes um die Lohnnebenkosten erhöhen...“

„... Mit Schaffung dieses Gesetzes tritt anstelle der Ersatzleistung für Familienbeihilfe (samt Aufwand für deren Lohnnebenkosten), der Aufwand für die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag...“

„... Das Freiwillige Sozialjahr beruht auf zwei Säulen: Zum einen hat es Bildungs- und Berufsorientierungselemente, zum anderen ist es eine wichtige Form des gesellschaftlichen Engagements und dient somit dem Gemeinwohl genauso wie der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. So lernen die Teilnehmenden die Tätigkeiten der jeweiligen Einsatzstelle unmittelbar kennen und können sich bei der Durchführung von Hilfstätigkeiten praktische Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen. In den geblockten Bildungszeiten stehen neben Fachinformationen (wie z. B. Grundzüge der Behindertenarbeit, der Altenhilfe bzw. der heil- und sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern sowie Techniken und Methoden der Sozialarbeit) Selbst- und Gruppenerfahrung sowie Reflexionsmöglichkeiten über den Einsatz unter professioneller Anleitung im Mittelpunkt. Neben der Funktion als Berufsorientierung oder als Überbrückung von Wartezeiten für die Zulassung an einer Schule bzw. Fachhochschule soll die Eignung für einen Beruf im Sozial-, Gesundheits- bzw. Pflegebereich erprobt werden.“

„Während des Einsatzes für andere lernen die Teilnehmenden ihre eigenen Stärken kennen und gewinnen Selbständigkeit. Neben einem umfassenden Einblick in praktische Tätigkeiten und Strukturen erfahren sie berufliche Orientierung und haben die Gelegenheit, Schlüssel- und Sozialkompetenzen, wie Kommunikationsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Verantwortungsfähigkeit, Selbständigkeit, Fairness und Konfliktfähigkeit zu erwerben.“

„Steuerrechtlich erfolgt die Tätigkeit der Teilnehmer/innen des freiwilligen Sozialjahres im Rahmen eines Dienstverhältnisses nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 und das an die Teilnehmer/innen ausbezahlte Taschengeld stellt steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar...“

„... Die Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr kann nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgen. Die Teilnahme ist daher als Ausbildungsverhältnis anzusehen. Auf Ausbildungsverhältnisse kommen sowohl das ASchG als auch das KJBG und das ArbIG zur Anwendung. Besteht nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit und liegt somit ein Arbeitsverhältnis vor, bleibt es dem/der Teilnehmer/in am Freiwilligen Sozialjahr unbenommen, seine/ihre Ansprüche beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht einzuklagen...“

„... Neben der praktischen Tätigkeit in der Einsatzstelle wird durch das Angebot von Exkursionen zu Ausbildungsstätten und Sozialeinrichtungen sowie fachliche Einführungen ein Überblick über die vielfältigen Berufs- und Einsatzmöglichkeiten im Sozialbereich gewährleistet.“

„Da die Teilnehmer/innen hier mit einem hohen Einsatz über einen längeren Zeitraum tätig sind, benötigt dieser Einsatz auch eine entsprechende Absicherung, d.h. v.a. Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie Weiterbezug der Familienbeihilfe...“

„... Nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wird die Familienbeihilfe für volljährige Kinder nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden.“

„Da es sich bei der Absolvierung des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, sowie des Gedenkdienstes und des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland aber um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 handelt, wird eine Sonderregelung geschaffen, um die Gewährung der Familienbeihilfe sicherzustellen...“

Der Gesetzgeber hat mit dem Freiwilligengesetz zwar für den Freiwilligendienst einen eigenständigen Anspruch auf Familienbeihilfe normiert, nicht aber eine Regelung geschaffen, die einen Familienbeihilfenbezug auch zwischen Beendigung der Schulausbildung und Beginn des Freiwilligendienstes vorsieht.

Das Freiwillige Soziale Jahr ist nach den Gesetzesmaterialien, der Literatur (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 45 "Freiwilliges soziales Jahr") und der bisherigen Entscheidungspraxis des Unabhängigen Finanzsenats (vgl. ) nicht "Berufsausbildung". Dieser Ansicht ist auch das Bundesfinanzgericht gefolgt (vgl. ).

Das Freiwillige Soziale Jahr war aber auch nicht Voraussetzung für weitere Ausbildung der Tochter (vgl. ); die Zweckmäßigkeit der Absolvierung des FSJ allein macht es noch nicht zum integrativen Bestandteil der folgenden Ausbildung.

Auf Grund der geltenden Rechtslage ist für die Zeit zwischen dem Ende der Berufsausbildung und dem Beginn des Freiwillendienstes kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben (vgl. ).

Es wurde aber auch das Bachelorstudium Ergotherapie nicht zum frühstmöglichen Zeitpunkt nach der Beendigung der Schulausbildung begonnen. Die Absolvierung des Freiwilligen Sozialen Jahres hat zwar der Tochter der Bf einen Vorsprung gegenüber anderen Bewerbern für das Fachhochschulstudium, die kein FSJ geleistet haben, vermittelt; dass die Tochter ohne das FSJ von der Fachhochschule nicht aufgenommen worden wäre, behauptet aber auch die Bf nicht.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), die Beschwerde ist somit gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zulassung der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig, da die Frage, ob das Freiwillige Soziale Jahr Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 ist, eine grundsätzliche Frage ist und diese Frage bisher nicht an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7103281.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at