Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Februar 2012 bis November 2012 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wird auf den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 eingeschränkt.
Der Rückforderungsbetrag wird mit 447,80 Euro (Familienbeihilfe: 331,00 Euro, Kinderabsetzbeträge: 116,80 Euro) festgesetzt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (Bf.) die von ihm für seinen Sohn S für den Zeitraum Februar 2012 bis November 2012 bezogene Familienbeihilfe in Höhe von 1.655 Euro und die für diesen Zeitraum bezogenen Kinderabsetzbeträge in Höhe von 584 Euro gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück.
Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Berufung. Das Finanzamt führte ein Ermittlungsverfahren durch und erließ am eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Aufgrund des dagegen vom Bf. eingebrachten Vorlageantrages legte das Finanzamt die Berufung (Beschwerde) am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Das Finanzamt führte im Vorlagebericht Folgendes aus:
Sachverhalt:
Der Sohn des Beschwerdeführers (Bf.), S , geboren xx.xx. 1991, absolvierte im Juni 2011 die Handelsschule für Informationstechnologie und Multimedia. Von bis erfüllte er seine Wehrpflicht. Im Dezember 2012 wurde bekanntgegeben, dass der Sohn die Berufsreifeprüfung absolviert. Es wurde die Familienbeihilfe von Februar 2012 bis November 2012 verlängert, da eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Prüfungsgegenstand anzunehmen war. Tatsächlich wurde erst am die Englischprüfung mündlich und die Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen am schriftlich und am mündlich bestanden. Laut Auskunft des TGM Wexstraße ist S zur Deutschprüfung am schriftlich und am mündlich angetreten und hat diese nicht bestanden. Laut Telefonat mit der Schule xxxxx ist S am und am zur Mathematikprüfung angetreten und hat diese ebenfalls nicht bestanden. Die Familienbeihilfe wurde am von Februar 2012 bis November 2012 rückgefordert. Ab August 2013 absolviert S eine Lehre zum Kraftfahrzeugtechniker.
Stellungnahme:
Als Zeit der intensivsten Prüfungsvorbereitung können laut Rechtsprechung zum § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vier Monate vor dem jeweiligen Prüfungsbeginn und somit als Zeiten einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG angesehen werden. Siehe zB GZ. RV/1657-W/08. Da im März 2013 die Englischprüfung und im Juli 2013 die Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen positiv absolviert wurden und das Kind zu den anderen Zulassungsprüfungen zumindest angetreten ist, stünde nach Ansicht des Finanzamtes nach nochmaliger Würdigung des Falles unter Berücksichtigung einer 16-monatigen Vorbereitungszeit, zurückgerechnet ab Juli 2013, zumindest ab April 2012 die Beihilfe zu. Die Prüfungsantritte waren zum Zeitpunkt des Erlassens des Abweisungsbescheides nicht bekannt.
Über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden (§ 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988).
Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. zB ; ; ; ).
Voraussetzung für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg. Dieses manifestiert sich im Fall des Besuches einer Maturaschule im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend; der Maturaschüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl. ; ).
Nach dem Berufsreifeprüfungsgesetz besteht für
-LehrabsolventInnen mit abgelegter Lehrabschlussprüfung,
-AbsolventInnen mindestens dreijähriger berufsbildender mittlerer Schulen
-AbsolventInnen von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen,
-AbsolventInnen mindestens 30 Monate dauernder Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst sowie für
-AbsolventInnen der land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterprüfung
die Möglichkeit, auf Basis des im Rahmen der Berufsausübung erworbenen praxisbezogenen Wissens die Berufsreifeprüfung abzulegen.
Die Berufsreifeprüfung ist der Reifeprüfung an höheren Schulen insofern gleichwertig, als sie uneingeschränkt zum Studium an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sowie zum Besuch von Kollegs etc. berechtigt und im Bundesdienst als Erfüllung der Erfordernisse für eine Einstufung in den gehobenen Dienst gilt.
Die Berufsreifeprüfung setzt sich aus 4 Teilprüfungen zusammen:
-Deutsch
-Mathematik
-eine lebende Fremdsprache nach Wahl als Teile der Allgemeinbildung, sowie einem
-Fachgebiet aus der beruflichen Praxis.
Der Familienbeihilfenanspruch während der Vorbereitungszeit auf die Berufsreifeprüfung ist in dem – das Bundesfinanzgericht allerdings nicht bindenden – Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98, wie folgt geregelt:
"…Die Familienbeihilfe ist immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist. Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen. Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."
Der unabhängige Finanzsenat und das Bundesfinanzgericht haben ebenfalls in mehreren Entscheidungen eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Teilprüfung als ausreichend angesehen (vgl. zB ; RV/0121-F/07; ; ; ; ).
Dies gilt in gleicher Weise für den vorliegenden Fall, wobei darauf hinzuweisen ist, dass laut Homepage der vom Sohn des Bf. besuchten Schule xxxxx die Vorbereitungskurse für die Berufsreifeprüfung an dieser Schule lediglich ein Jahr dauern. Die Mehrzahl der Kursteilnehmer bewältigt alle vier Teilprüfungen in 8 bis 9 Monaten.
Im gegenständlichen Fall hat der Sohn des Bf. die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung im Februar 2012 begonnen. Er hat im März 2013 die Englischprüfung und im Juli 2013 die Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen erfolgreich abgelegt. Zur Deutschprüfung ist der Sohn des Bf. im April 2013, zur Mathematikprüfung im Februar 2013 und Juni 2013 jedenfalls angetreten, auch wenn er diese Prüfungen letztlich nicht bestanden hat.
Dem Sohn des Bf. kann somit ein Bemühen um den Ausbildungserfolg nicht abgesprochen werden. Der Berufsreifeprüfungsschüler muss jedoch durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, den Ausbildungsabschluss zu erreichen.
Bei ernsthaftem und zielstrebigem Studium ist nach den obigen Ausführungen von einem erforderlichen Zeitaufwand von maximal vier Monaten pro Teilprüfung auszugehen. Kann wegen Überschreitung dieses Zeitrahmens Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, so ist sie – bei vier Teilprüfungen – für längstens 16 Monate, zurückgerechnet vom letzten Prüfungstermin, zu gewähren.
Da im gegenständlichen Fall der letzte Prüfungsantritt im Juli 2013 erfolgte, sind nach den vorstehenden Ausführungen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge ab April 2012 zu gewähren. Der Rückforderungszeitraum reduziert sich somit auf die Monate Februar und März 2012.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wird nicht zugelassen, weil es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berufsausbildung. Ob wirklich eine Berufsausbildung betrieben wurde, ist eine Tatfrage, die der Revision nicht zugänglich ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7102862.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at