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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.10.2014, RV/5100746/2012

Bürgschaftszahlung an ein Kind als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Renner in der Beschwerdesache XY gegen den Bescheid des Finanzamt Braunau Ried Schärding, vertreten durch Amtsvertr vom , betreffend Einkommensteuer für 2011 zu Recht erkannt:

  

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) machte für das Jahr 2011 als „sonstige außergewöhnliche Belastung“ einen Betrag von EUR 43.537,55 iZm einem Forderungsverlust aus einer „zwangsläufig erfolgten Darlehenshingabe“ unter Verweis auf eine Insolvenz beim Bezirksgericht Kirchdorf bei einer Quote von 46 % geltend.

Über Bedenkenvorhalt der Abgabenbehörde vom gab der Bf mit Eingabe vom bekannt, dass es zu dieser außergewöhnlichen Belastung durch den Ausfall seiner Forderung gegenüber dem Sohn im Schuldenregulierungsverfahren gekommen sei. Es habe sich bei der Forderung um einen Kredit vom über EUR 41.000 für einen Hausbau und idF um die Übernahme von Verbindlichkeiten seines Sohnes, die durch Insolvenz seiner Firma mit Beginn der Wirtschaftskrise und den folgenden Notständen durch Arbeitslosigkeit entstanden sei. Das Haus habe verkauft werden müssen, die Ehe sei geschieden worden.

Der Vorhaltsbeantwortung war ua die Seite 1 des Gerichtsbeschlusses über die Bestätigung des Zahlungsplanes in der Insolvenzsache des Sohnes des Bf, wonach eine Quote von 46 %, die in sieben Teilquoten zwischen und zur Zahlung fällig wird, angeschlossen.

Im Einkommensteuerbescheid vom wurde die iZm dem Forderungsausfall geltend gemachte außergewöhnliche Belastung mit der Begründung nicht anerkannt, dass insoweit keine Zwangsläufigkeit vorliege.

In der dagegen erhobenen Berufung (Beschwerde gemäß § 243 idF des FVwGG, BGBl I 2013/14) führte der Bf aus, dass sein Sohn im Jahr 2002 als Startkapital ein Sparbuch über EUR 37.000 geschenkt erhalten habe.
Aus sittlichen Gründen und zwangsläufig habe er zur Abdeckung existenzbedrohender nicht vorhersehbarer ungedeckter Schulden anlässlich des Hausbaus 2004 habe der Sohn von ihm am wegen hoher Zinsen anstatt einer Bürgschaft über EUR 41.000 ein Darlehen in gleicher Höhe erhalten. Durch die Wirtschaftskrise sei die Personalleasingfirma des Sohnes in Insolvenz geraten, Folge seien Arbeitslosigkeit, einige kurze Arbeitsverhältnisse und Schulden gewesen.
In dieser weiterhin existenzbedrohenden Notlage der Familie seines Sohnes habe sofort das Haus verkauft und außerdem zwischen Juni 2007 und Juni 2011 zwangsläufig das oa gewährte Darlehen aufgestockt werden müssen, um Strafen und weitere Kosten zu vermeiden. Die unverschuldete finanzielle Notsituation habe durch die gewährten Darlehen gemildert werden, die Ehe (zwei Kinder) aber nicht mehr gerettet werden können.
Im September 2011 sei beim Bezirksgericht Kirchdorf das Schuldenregulierungsverfahren abgehandelt worden, wobei für den Bf ein Forderungsausfall von EUR 43.537,55 entstanden sei.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Berufungsvorentscheidung vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass nach Ansicht des VwGH niemand verpflichtet sei, einem Angehörigen das von diesem freiwillig eingegangene Unternehmerrisiko, zu dem auch die Insolvenzgefahr gehöre, abzunehmen. Es bestehe auch keine sittliche Verpflichtung zur Abwendung einer solchen Gefahr. Dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich erscheinen möge, reiche nicht aus, um eine sittliche Verpflichtung anzunehmen.  Zweck des § 34 EStG 1988 sei nicht, wirtschaftliche Misserfolge des Unternehmers, die verschiedenste Ursachen haben könnten, durch Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen (). Demgemäß habe weder eine rechtliche noch eine sittliche Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens an den Sohn bestanden und stelle der Forderungsausfall infolge Konkurses keine außergewöhnliche Belastung iSd EStG 1988 dar.

Die Abgabenbehörde verwies weiters unter Hinweis auf verschiedene Bestimmungen der Lohnsteuerrichtlinien 2002 darauf, dass weiters eine außergewöhnliche Belastung nicht zwangsläufig erwachse, wenn sie sonst unmittelbare Folge eines Verhaltens sei, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe. Eine sittliche Verpflichtung liege nur vor, wenn die Übernahme der Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen durch die Sittenordnung geboten erscheine. Es reiche nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige zur Tätigung der Aufwendungen sittlich verpflichtet fühle. Ebenso sei es nicht ausreichend, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschen-oder lobenswert erscheinen möge oder eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden solle.

Dagegen brachte der Bf am einen Vorlageantrag ein. Darin brachte er vor, dass in der Berufungsvorentscheidung nicht auf seine in der Beschwerde vorgebrachten Umstände eingegangen worden sei, wonach die von ihm aufgebrachten Geldmittel an seinen Sohn ab Jänner 2004 erfolgt seien, die Gründung dessen Personalleasingfirma aber im Mai 2006 gewesen sei. Von freiwillig eingegangenem Unternehmerrisiko und Insolvenzgefahr habe zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein können. Vor Gründung seiner Firma sei sein Sohn in gehobener Position im Personalleasing beschäftigt gewesen. Der Hausbau habe 2002 begonnen, die Bank habe Ende 2003 zusätzliche Garantien verlangt. 2007 sei die Wirtschaftskrise und damit der Abbau von geleastem Personal gekommen. Unrichtig sei ferner, dass durch eine Ermäßigung seiner Einkommensteuer die Steuerlast auf die Allgemeinheit abgewälzt werde, da durch seinen Kredit Forderungsverluste von Lieferanten in mehr als doppelter Höhe seines Verlustes (Quote 46 %) verhindert und damit Ertragsteuern aus Einnahmen realisiert und zusätzlich die zugehörige Umsatzsteuer abgeführt werden hätte können.
Der Bf verwies weiters auf die Lohnsteuerrichtlinien 2002, wonach eine sittliche Verpflichtung in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen in Betracht komme, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung bestehe. Eine allgemeine sittliche Verpflichtung, Dritten beizustehen, bestehe nicht. Eine sittliche Verpflichtung liege nur dann vor, wenn die Übernahme der Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen (objektiv) durch die Sittenordnung geboten erscheine. Es komme darauf an, ob der Steuerpflichtige objektiv glauben dürfe, eine existenzbedrohende Notlage eines Angehörigen abwenden zu können.

Erwägungen des Bundesfinanzgerichts

Sachverhalt und Streitpunkte

Zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht unstrittig fest, dass der Bf seinem Sohn im Jahr 2002 einen Kredit für dessen Hausbau gewährte und in der Folge Verbindlichkeiten für ihn übernahm, die durch die Insolvenz seiner Personalleasingfirma entstanden sind. Insgesamt ist dem Bf dadurch eine finanzielle Belastung von EUR 43.537,55 (Gesamtforderung: EUR 80.625,09; Quote: 46 %) entstanden.

Strittig ist, ob dieser Forderungsausfall die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG 1988 erfüllt.

Rechtslage

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 muss eine außergewöhnliche Belastung außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4). Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen zu berechnenden und von ihm zu tragenden Selbstbehalt übersteigt. Unterhaltsleistungen sind gemäß § 34 Abs 7 Z 4 leg.cit nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.

Behandlung von Bürgschaftszahlungen als außergewöhnliche Belastung

Bürgschaftszahlungen zu Gunsten eines nahen Angehörigen stellen zwar keine Unterhaltsleistung dar und fallen daher nicht unter das Abzugsverbot des § 34 Abs. 7 EStG 1988 (). Allerdings sind sie als außergewöhnliche Belastungen nur dann anzuerkennen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen (; ; ; , ; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 34, Anm. 78, Stichwort „Bürgschaftszahlungen“): Der Steuerpflichtige muss glauben, durch die Übernahme von Bürgschaften eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können. Daher muss bereits das Eingehen der Bürgschaft das Merkmal der Zwangsläufigkeit aufweisen. Eine existenzbedrohende Notlage liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können. Die besicherten Kredite dürfen nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln. Es besteht keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Bürgschaften für Schulden, die ein naher Angehöriger ohne besondere Notwendigkeit eingegangen ist. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme von Bürgschaften nicht entziehen kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, dass das Handeln menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten.

Eine Vernichtung der beruflichen Existenz infolge Insolvenz eines vom Angehörigen betriebenen Unternehmens droht etwa nicht bei einem Kind, das nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgeht (). Dass mit einer Pfändung von (nach Betriebsbeendigung laufend erzielten) Einkünften auf das Existenzminimum Härten verbunden sind, hat der Gesetzgeber beabsichtigt und verpflichtet den Angehörigen nicht, einer derartigen Pfändung vorzukommen ().

Die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens allein reicht nicht aus. Die steuerliche Absetzbarkeit von Bürgschaftszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ist durch das Gesetz auf seltene Fälle beschränkt, weil § 34 nicht zu dem Zweck geschaffen wurde, wirtschaftliche Misserfolge, welche die verschiedensten Ursachen haben können, mit der Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und auf diese Weise auf die Allgemeinheit abzuwälzen ().

Mit dem Vorbringen, ohne Übernahme der Bürgschaft wäre es zu einer massiven Verschlechterung der Berufsaussichten eines (erwachsenen) Kindes gekommen, wird keine Zwangsläufigkeit des Eingehens der Bürgschaft dargetan (UFS Wien , RV/3277-W/11).

Anwendung auf den gegenständlichen Fall

Unter Beachtung dieser allgemeinen rechtlichen Ausführungen bzw der relevanten Judikatur und Literatur kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Zahlungen des Bf bzw dessen Forderungsausfall gegenüber seinem Sohn nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung iSd § 34 EStG 1988 erfüllen.

Das Vorgehen des Bf, seinem sich in offenbar extremen wirtschaftlichen – und damit auch persönlichen – Schwierigkeiten befindlichen Sohn gleichsam „unter die Arme“ zu greifen, ist durchaus menschlich verständlich, führt aber nicht dazu, dass dem Bf die finanzielle Belastung zwangsläufig iSd § 34 Abs 2 EStG 1988 entstanden wäre. Dazu hätte nämlich bereits das Eingehen der wirtschaftlichen Verpflichtung durch seinen Sohn selbst dem Grunde nach die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung erfüllen müssen. Dessen finanziellen Verpflichtungen resultieren allerdings einerseits bereits aus einem, eine große Gruppe von Steuerpflichtigen betreffenden, Hausbau (Wohnraumschaffung) und andererseits dem – gleichfalls nicht zwangsläufigen – Aufbau seiner beruflichen (selbständigen) Existenz als Personalleasingunternehmer bzw im weiterer Folge damit im Zusammenhang stehender wirtschaftlicher Probleme. Die Insolvenz des Unternehmens des Sohnes bedeutete aber keine Vernichtung dessen wirtschaftlicher Existenz an sich.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abhängt, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr entspricht, wie oben dargestellt, der Inhalt des Erkenntnisses der ständigen Rechtsprechung.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5100746.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at