1. Entscheidungssperre nach § 300 BAO bei angefochtenem USt-Festsetzungsbescheid 2. Keine Säumnis bei gegebener Entscheidungssperre nach § 300 BAO: Zurückweisungsbeschluss
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RS/5100023/2014-RS1 | Nach dem von § 300 BAO verfolgten Zweck der Vermeidung von Doppelzuständigkeiten einer Behörde und eines Gerichtes ist ein iSd § 253 BAO den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid ersetzender Jahresbescheid als ein den Festsetzungsbescheid aufhebender Bescheid zu verstehen. Das Finanzamt darf daher gem. § 300 BAO bei Anhängigkeit einer Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid beim BFG bei sonstiger Nichtigkeit keinen den Festsetzungszeitraum mitumfassenden Jahresbescheid erlassen (so wohl auch Ritz , BAO5, § 300 Tz 4). |
RS/5100023/2014-RS2 | Besteht eine derartige Entscheidungssperre, liegt keine Verletzung einer Entscheidungspflicht vor, wenn das Finanzamt innerhalb von sechs Monaten ab Einbringung der Jahreserklärung keinen Jahresbescheid erlässt. Mangels Vorliegens der wesentlichen Prozessvoraussetzung für eine Säumnisbeschwerde nach § 284 BAO ist die Säumnisbeschwerde durch das BFG gemäß § 284 Abs. 7 iVm § 260 Abs. 1 lit a BAO mit Beschluss zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, Anschrift, (StNr.: 123/4567) vertreten durch Schietz-Maureder Steuerberatung GmbH, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend die Erlassung von Umsatzsteuer-Jahresbescheiden für die Jahre 2010 und 2011 durch das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr beschlossen:
Die Säumnisbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Posteingang vom hat der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO beim Bundesfinanzgericht (BFG) eingebracht und darin ausgeführt, dass das Finanzamt bezüglich seiner am bzw. am eingebrachten Umsatzsteuer-Jahreserklärungen betreffend die Jahre 2010 und 2011 seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen sei. Der Bf forderte die Nachholung der entsprechenden Veranlagungen binnen drei Monaten ab Einlangen der Beschwerde.
Gemäß § 284 Abs. 2 BAO wurde dem Finanzamt durch das BFG aufgetragen, die versäumten Veranlagungen bis nachzuholen oder mitzuteilen, warum eine Säumnis nicht vorliege.
Das Finanzamt teilte daraufhin mit, dass dem BFG mit Vorlagebericht vom die Beschwerden des Bf gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 12/2010 und 01/2011 dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS) zur Entscheidung vorgelegt worden seien. Gem. § 300 BAO könnten Abgabenbehörden mit Bescheidbeschwerde angefochtene Bescheide bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben. Nach Ritz, BAO 5. Auflage, § 300 Tz 4 gelte dies auch für Umsatzsteuer-Veranlagungsbescheide nach Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheiden. Es liege daher keine Verletzung einer Entscheidungspflicht vor, vielmehr bestehe durch § 300 BAO ein gesetzliches Hindernis für die Erlassung entsprechender Bescheide, welche mit Nichtigkeit bedroht wären.
Dem Beschluss des BFG liegt zugrunde, dass durch den steuerlichen Vertreter des Bf am per Finanz Online Berufungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen 12/2010 und 01/2011 eingebracht wurden. Diese wurden mit Vorlagebericht vom dem Unabhängigen Finanzsenat ohne vorhergehende Berufungsvorentscheidung zur Entscheidung vorgelegt und bisher nicht erledigt.
Nach § 284 BAO kann eine Partei eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide des Finanzamtes nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des betreffenden Anbringens bekannt gegeben werden.
§ 300 BAO ordnet an, dass ab Stellung des Vorlageantrages bzw. in jenen Fällen, in denen eine Beschwerdevorentscheidung nicht zu ergehen braucht, ab Einbringung der Bescheidbeschwerde Abgabenbehörden beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheide –abgesehen von einer hier nicht relevanten Ausnahme- bei sonstiger Nichtigkeit weder abändern noch aufheben dürfen.
Nach § 253 BAO würde aber ein den kürzeren Feststellungszeitraum mitumfassender Jahresbescheid den Bescheid, der auch den kürzeren mitumfassten Feststellungszeitraum betrifft, ersetzen. Zweck des § 300 BAO ist die Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Doppelzuständigkeit einer Verwaltungsbehörde und eines Gerichtes für die Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides. Aus diesem Grund stimmt das BFG der von Ritz in seinem BAO-Kommentar (siehe oben) vertretenen Rechtsansicht zu, dass dieses „Ersetzen“ (nach der bisherigen Rechtsprechung des VwGH :“ aus dem Rechtsbestand ausscheiden“) einer „Aufhebung“ gleichkäme. Würde ein derartiges Ersetzen durch das Finanzamt als zulässig angesehen werden, würde genau jene Doppelzuständigkeit gegeben sein, die § 300 BAO gerade verhindern möchte.
Aufgrund des durch Art 151 Abs. 51 Z 8 B-VG angeordneten Überganges der Zuständigkeiten vom UFS auf das BFG und der Novellierung der BAO durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes BGBl I 2013/14 (siehe insbesondere § 323 Abs. 38 BAO) und den jeweiligen Übergangsbestimmungen ist darauf hinzuweisen, dass die am beim UFS anhängigen Berufungen nun als Beschwerden im Sinn des Art 130 B-VG anzusehen sind. Es liegt auch ein Fall vor, bei dem eine Berufungsvorentscheidung noch nicht zwingend zu erlassen war. Die oben genannte Bestimmung ist daher für den gegenständlichen Fall so zu verstehen, dass ab bei einer Anhängigkeit einer Berufung (jetzt Beschwerde) beim BFG gegen ein Monat des Jahres XX betreffenden Bescheides das Finanzamt keinen Bescheid betreffend der selben Abgabe für das Jahr XX erlassen darf. Ein derartiger Jahresbescheid wäre nichtig.
Das Finanzamt hat daher dem BFG zu Recht mitgeteilt, dass eine Entscheidungspflicht nicht bestehe und diese daher auch nicht verletzt sein könne. Die Pflicht zur Entscheidung über die eingebrachten Jahreserklärungen würde nur dann auf das BFG übergehen, wenn eine Entscheidungspflicht des Finanzamtes bestünde, dieses aber der bestehenden Pflicht innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt oder mitteilt, dass eine (objektiv bestehende) Entscheidungspflicht gar nicht verletzt sei.
Ist aber eine Entscheidungspflicht hinsichtlich der gegenständlichen Jahresveranlagungen gar nicht gegeben, fehlt es an der wesentlichen Prozessvoraussetzung für eine Säumnisbeschwerde, weshalb diese nicht zulässig ist. Gemäß § 284 Abs. 7 BAO ist § 260 Abs. 1 lit. a sinngemäß anzuwenden, weshalb die Säumnisbeschwerde mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen war.
Die Revision gegen diesen Beschluss war zuzulassen, da eine Rechtsprechung des VwGH zu den hier angesprochenen Rechtsfragen (etwa, ob nach dem Zweck des § 300 BAO das Ersetzen eines Bescheides iSd § 253 BAO dessen Aufhebung iSd § 300 BAO gleichkommt) bzw. zu den durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes 2012 BGBl I 2013/14 neu eingeführten Bestimmungen der BAO nicht existiert. Insbesondere in diesem Fall liegt nach Art 133 Abs. 4 B-VG ein Erkenntnis des BFG vor, welches von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sodass die Revision nach der zitierten Verfassungsbestimmung als zulässig zu erklären war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Schlagworte | |
Anmerkung | Teilweise andere Ansicht Rauscher in SWK 2014, 1416 |
Zitiert/besprochen in | Mayr in SWK 1/2016, 51 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2014:RS.5100023.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at