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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.01.2015, RV/3100662/2012

Beschwerdevorlage betreffend eine nicht existente Beschwerde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100662/2012-RS1
Nach dem klaren Wortlaut des § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, konnten nur (tatsächlich eingebrachte und noch unerledigte) „Berufungen“ der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt werden, weshalb die mit Vorlagebericht vom erfolgte Vorlage einer nicht existenten „Berufung“ unzulässig war. Bei Vorlageberichten der Abgabenbehörde erster Instanz im Sinne des § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, handelt es sich um Anbringen (§ 85 BAO), die der Entscheidungspflicht unterliegen (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 265 Anm 1). Das Anbringen vom war daher, weil gesetzlich nicht gedeckt, mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf. , vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft , gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 beschlossen:

Die mit Vorlagebericht des Finanzamtes A vom erfolgte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen .

Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Am erließ das Finanzamt A (zu St.Nr. a ) einen an die X-KG gerichteten Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011. Gegen diesen Bescheid erhob die X-KG am (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) fristgerecht „Berufung“, mit der die Festsetzung der Umsatzsteuer mit 0 € beantragt wurde.

Am erließ das Finanzamt A eine an die X-KG gerichtete „Berufungsvorentscheidung“, mit der die „Berufung“ gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen wurde. Diese „Berufungsvorentscheidung“ wurde zu Handen des Komplementärs X am durch Hinterlegung beim Postamt Z wirksam zugestellt (vgl. § 17 Abs. 3 ZustellG).

Mit Haftungsbescheid gemäß § 224 Abs. 1 BAO vom wurde X als Komplementär der X-KG als Haftungspflichtiger gemäß § 12 BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der X-KG in Anspruch genommen. Die Haftung erfasste auch die Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011, die mit Bescheid vom gegenüber der X-KG festgesetzt wurde. Dieser Haftungsbescheid wurde X am durch Hinterlegung beim Postamt Z wirksam zugestellt (vgl. § 17 Abs. 3 ZustellG).

Am (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) erhob der Haftungspflichtige X fristgerecht „Berufung“ gegen den an die X-KG gerichteten Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011, mit der die Festsetzung der Umsatzsteuer mit 0 € beantragt wurde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt A die „Berufung“ der X-KG vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) gegen den Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 gemäß § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus dem Akteninhalt. Das Finanzamt wertete die „Berufung“ des Haftungspflichtigen X vom gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 offensichtlich als Vorlageantrag zur „Berufung“ der X-KG vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) gegen diesen mit datierten Bescheid. Dies ist dem Vorlagebericht (Verf 46) des Finanzamtes vom samt Beilagen („Berufung und Vorlageantrag in Kopie“) unzweifelhaft so zu entnehmen.

Diese Ansicht ist verfehlt. Der Haftungspflichtige X erhob die „Berufung“ gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 bereits am (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ). Demgegenüber wurde die an die X-KG gerichtete „Berufungsvorentscheidung“ vom Finanzamt A erst am erlassen und am zu Handen des Komplementärs X durch Hinterlegung zugestellt. Zum Zeitpunkt der Einbringung der „Berufung“ gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 (die auch dezidiert als „Berufung“ und nicht als „Vorlageantrag“ bezeichnet wurde) hatte der Haftungspflichtige X somit noch gar keine Kenntnis von der vom Finanzamt A erlassenen „Berufungsvorentscheidung“.

Wollte man die „Berufung“ des Haftungspflichtigen X vom gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 - wie das Finanzamt A - als Vorlageantrag werten, müsste dieser im Hinblick auf § 264 Abs. 1 BAO in der Fassung FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, ohnehin als unzulässig zurückgewiesen werden. Ein Vorlageantrag setzt nämlich unabdingbar eine Beschwerdevorentscheidung voraus. Wird er vor Zustellung der Beschwerdevorentscheidung gestellt, so ist er wirkungslos (vgl. Ritz, BAO5, § 264 Tz 6, mwN).

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei der „Berufung“ des Haftungspflichtigen X vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 um ein eigenständiges Rechtsmittelverfahren handelt. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige konnte gemäß § 248 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Mit „Berufung“ vom hat der Haftungspflichtige X solcherart fristgerecht gegen den Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 Rechtsmittel erhoben. Dieser Bescheid wurde somit in zweifacher Hinsicht bekämpft: zum einen mit „Berufung“ der X-KG vom , die mit „Berufungsvorentscheidung“ vom - rechtskräftig - erledigt wurde, zum anderen mit „Berufung“ des Haftungspflichtigen X vom .

Zusammenfassend stellt das Bundesfinanzgericht Folgendes fest: Mit Vorlagebericht (Verf 46) vom legte das Finanzamt A die „Berufung“ der X-KG vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) gemäß § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor. Zu diesem Rechtsmittel ist am eine „Berufungsvorentscheidung“ ergangen, worauf auch der Vorlagebericht (Verf 46) hinweist. Dagegen wurde kein Vorlageantrag eingebracht, die „Berufungsvorentscheidung“ ist vielmehr rechtskräftig geworden. Somit wurde dem unabhängigen Finanzsenat eine nicht (mehr) existente „Berufung“ zur Entscheidung vorgelegt.

Gemäß § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, hatte die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung, über die eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen wurde oder über die infolge eines zeitgerechten Vorlageantrages von der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Die Abgabenbehörde erster Instanz hatte die Parteien (§ 78 BAO) vom Zeitpunkt der Vorlage an den unabhängigen Finanzsenat unter Anschluss einer Ausfertigung des Vorlageberichtes zu verständigen.

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine „Berufungsvorlage“ nach § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, dergestalt, dass eine Berufungsvorentscheidung nicht erlassen worden wäre oder infolge eines zeitgerechten Vorlageantrages von der Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr: Bundesfinanzgericht) zu entscheiden wäre, nicht vor: Die „Berufung“ der X-KG vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) wurde mit „Berufungsvorentscheidung“ vom erledigt, diese „Berufungsvorentscheidung“ ist mangels Einbringung eines Vorlageantrages rechtskräftig geworden.

Da nach dem klaren Wortlaut des § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, nur (tatsächlich eingebrachte und noch unerledigte) „Berufungen“ der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen waren, war die mit Vorlagebericht vom erfolgte Vorlage einer nicht (mehr) existenten „Berufung“ unzulässig. Dem Vorlagebericht bzw. der „Berufungsvorlage“ (in Übereinstimmung mit der seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, geltenden Terminologie als Beschwerdevorlage zu bezeichnen) vom fehlt die Rechtsgrundlage.

Bei Vorlageberichten der Abgabenbehörde erster Instanz im Sinne des § 276 Abs. 6 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, handelt es sich um Anbringen (§ 85 BAO) einer Partei (vgl. § 276 Abs. 7 BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013), die gemäß § 291 Abs. 1 BAO in der Fassung FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes auslösen (vgl. auch Fischerlehner, Abgabenverfahren (2013), § 265 Anm 1, zur Rechtslage ab dem ). Das Anbringen vom war daher, weil gesetzlich nicht gedeckt, mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch ).

Ergänzend wird vom Bundesfinanzgericht noch Folgendes festgehalten: Zur „Berufung“ des Haftungspflichtigen X vom (Datum der Einbringung beim Finanzamt: ) gegen den an die X-KG gerichteten Bescheid vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis November 2011 wurde vom Finanzamt kein Vorlagebericht (Verf 46) erstattet. Diesbezüglich liegt offensichtlich noch keine Rechtsmittelerledigung vor. Eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Erledigung dieser Beschwerde („Berufung“) ist derzeit (noch) nicht gegeben. Das Finanzamt A wird vielmehr gemäß § 262 BAO in der Fassung FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, in Verbindung mit § 323 Abs. 37 BAO (zwingend) eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen haben.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 133 Abs. 9 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Rechtsnatur von Beschwerdevorlagen und zur Behandlung von Beschwerdevorlagen, die in existente Beschwerden betreffen, findet sich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung, weshalb eine entscheidungswesentliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 276 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.3100662.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at