Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.01.2015, RV/7101133/2013

Ständiger Aufenthalt im Ausland bei einjährigem Schulbesuch

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum bis zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihre Tochter G. , geb. 1997 , Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen stellte das Finanzamt fest, dass G. seit September 2012 in der Türkei eine Koranschule besucht und forderte mit Bescheid vom die für den Zeitraum September bis Dezember 2012 ausbezahlte Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge mit der Begründung zurück, dass für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte die Bf. im Wesentlichen aus, dass ihre Tochter G. seit September 2012 eine Schule in Konya/Türkei besuche. Die Tochter sei in Österreich geboren, sei österreichische Staatsbürgerin und in Österreich aufgewachsen. Sie habe hier auch den Kindergarten besucht, die Volks- und Hauptschule erfolgreich abgeschlossen und wollte ihr Studium in der Türkei fortsetzen. So hätten sie sie dort in einer Schule angemeldet. Sie werde sich nicht ständig im Ausland befinden, denn sie komme zu den Ferien immer nach Österreich und kehre nach Ende der Ferien wieder zu ihrer Schule zurück in die Türkei. Ihr Meldezettel sei in Österreich noch aufrecht. Dem Finanzamt sei eine Schulbesuchsbestätigung vorgelegt worden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 FLAG 1967 und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Die Bf. stellte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag und führte darin ergänzend zur Berufung noch an, dass die Tochter im Internat der Schule, das von ihr und ihrem Mann finanziert werde, wohne. Auch das Studium werde von ihnen finanziert, da die Tochter im Ausland nicht beschäftigt sei bzw. nichts verdiene. G. sei über ihren Mann mitversichert. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich. G. sei nur wegen ihres Studiums in der Türkei. Es gebe tausende Menschen, die obwohl sie im Ausland studieren, weiter Familienbeihilfe beziehen.

Hingewiesen wird darauf, dass die am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungen gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen sind.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Zum Haushalt einer Person gehört gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält (lit. a).

Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, wobei allerdings nach § 53 Abs. 1 FLAG 1967 der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten ist.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Tochter der Bf. seit September 2012 eine Koranschule in der Türkei besucht hat. Sie hielt sich nur in den Ferien in Österreich auf. Nach den glaubwürdigen Angaben der Bf. kehrte G. nach Verbringen der Ferien jeweils in die Türkei zurück.

Laut einen Vermerk des Finanzamtes über ein Telefonat zwischen der Bf. und der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach war der Schulbesuch ursprünglich auf vier Jahre geplant. Aus der Aktenlage (Schreiben der Bf.) ist ersichtlich, dass sich die Tochter seit wieder in Österreich befindet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 5 Abs. 3 FLAG 1967 kann zur Auslegung des Begriffes des "ständigen Aufenthaltes" auf § 26 Abs. 2 BAO zurückgegriffen werden kann (z.B. ; so auch Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 5 Rz 9). Danach hat eine Person den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Lande nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Begriffsbestimmung ist auch auf § 5 Abs. 3 FLAG 1967 anzuwenden; wer sich in einem Land unter erkennbaren Umständen aufhält, dass er dort nicht nur vorübergehend verweilt, von dem muss bei objektiver Betrachtung angenommen werden, dass er sich in jenem Land ständig aufhält (vgl auch ; , 2008/13/0072). Das (teilweise) Verbringen der Ferien in Österreich ist jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt im Ausland nicht unterbrochen wird (sh. zB ). Auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen kommt es bei dieser Beurteilung nicht an.

Der Besuch einer Schule im Ausland, der sich über ein Schuljahr erstreckt, kann nicht mehr als nur vorübergehend im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 angesehen werden (Nowotny in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 5 Rz 9, unter Bezugnahme auf ; in diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da dieses Erkenntnis der dargestellten Judikatur des VwGH zum Vorliegen eines ständigen Auslandsaufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 FLAG 1967 folgt. Gegen dieses Erkenntnis ist daher keine (ordentliche) Revision zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2015:RV.7101133.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at