Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.09.2014, RV/5200018/2013

Angabe des unzutreffenden Warenortes bei der Beendigung des Versandscheinverfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R.r in der Beschwerdesache B. gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. a., betreffend Zollschuld zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. a., wird hinsichtlich der Festsetzung der Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Anlässlich einer durch das Zollamt Linz Wels  durchgeführten Versandscheinprüfung wurde festgestellt, dass die vom Versandschein T1, 1, umfassten Waren zum Zeitpunkt der Abgabe der elektronischen Meldung (TR200) nicht an dem angegebenen zugelassenen Warenort der A1 , befunden haben.
Die Bf. erhielt am über den Sammelverkehr ex Schweiz an die Niederlassung A, eine Warensendung an X., die als Rückwarensendung abgefertigt werden sollte, weil die Ware bei C. nicht verkäuflich war.
Die gegenständliche Ware befand sich am zugelassenen Warenort A1. und nicht am Standort A2. .
Mit der Ankunftsanzeige (TR200) zum Versandschein 1. meldete die Bf. am um 14:41 Uhr das Eintreffen der Waren am zugelassenen Warenort  A2. , dem Zollamt Linz Wels und in weiterer Folge, nach Erhalt der Entladeerlaubnis am selben Tag den Entladekommentar (im konkreten Fall mir A2 = Konform).
Am selben Tag, am , wurde beim Zollamt Innsbruck über e-zoll von der A+ um 19:39 Uhr der Antrag auf Überführung der gegenständlichen Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr als Rückware (Verfahrenscode 6110/F01) gestellt. Die Abfertigung der Waren erfolgte antragsgemäß beim Zollamt Innsbruck unter CRN b..
Die gemeldete Ankunft der Waren am zugelassenen Warenort in A2.+ ging ins Leere, weil sich die Waren nicht an diesem Warenort befanden. Für den zugelassenen Warenort in A1.+ wurde keine Ankunftsanzeige erstattet.

Das Zollamt Linz Wels bewertete den Umstand, dass die Bf. die unzutreffenden elektronischen Meldungen in Bezug auf den Warenort erstattet hatte, obwohl sie wissen oder billigerweise hätte wissen müssen, dass sich die Waren nicht an dem in den Meldungen angegebenen Warenort befunden hatten, als Entziehung der Waren der zollamtlichen Überwachung, weshalb für die Waren die Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3, 2. Anstrich Zollkodex (ZK) entstanden sei.
Das Zollamt verwehrte der Bf. auch die Begünstigung der Zollfreiheit als Rückwaren im Sinne des Art. 212a ZK. Die Bf. habe trotz mehrfacher Aufforderung nicht durch eine entsprechende Ablaufbeschreibung, die die Vorgangsweise vom physischen Eintreffen der Nichtgemeinschaftsware bis zur elektronischen Freigabe der Ware dokumentiert, erweisen können, aus welchen Gründen bei dem verwendeten Zollsystem bei der Übermittlung der Meldungen "TR203-Entladeerlaubnis" bzw. "TR207-Freigabe vom Versand" kein Warenort ersichtlich wurde. Die von der Bf. übermittelten Unterlagen, mit denen die Bf. belegen wollte, dass kein Hinweis auf den Warenort vorhanden gewesen sei, habe dem Zollamt für die Beurteilung des Verhaltens der Bf. in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen (Fehlen einer offensichtlichen Fahrlässigkeit) zur Anwendung der Begünstigung des Art. 212a ZK nicht genügt.

Mit dem nunmehr vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheid vom , Zl. a., wurden der Bf. gem. Art. 203 Abs. 1 und Abs. 3, 2. Anstrich ZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) Abgaben (Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von 111,96 Euro und gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung in Höhe von 2,26 Euro zur Zahlung vorgeschrieben.

Begründet wurde die Entscheidung nach Zitierung der Artikel 37 Abs. 1 und Abs. 2, 92 Abs. 1, 203 Abs. 1 bis 3, 185 und 212a ZK im Wesentlichen damit, die Bf. habe durch das oben aufgezeigte Verhalten die verfahrensgegenständlichen Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen, wodurch für sie die Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 und 3 ZK entstanden sei.

Mit der Eingabe vom brachte die Bf. die als Beschwerde zu wertende Berufung mit der Begründung ein, das Zollamt erkenne zu Unrecht in einer formellen, nicht körperlichen Verfehlung, der als Arbeitsfehler zu qualifizieren sei, ein vorschriftswidriges Entfernen der Waren vom genehmigten zugelassenen Warenort und darin eine Entziehung aus aus der zollamtlichen Überwachung. Tatsächlich sei die Ware bis zur Freigabe unter CRN b. nicht vom Warenort [Anmerkung: in A1.+] entfernt worden und hätte im Zuge einer Kontrolle jederzeit vorgelegt und kontrolliert werden können.
Typische Beispiele für die Entstehung einer Zollschuld nach Art 2013 Abs. 1 ZK seien Handlungen oder Unterlassungen, die dazu führen, dass die Behörde am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware oder der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Prüfungen gehindert wird, so etwa ein Entfernen der Ware vom vorgeschriebenen Verwahrungs-, Veredelungs- oder Verwendungsort ohne Zustimmung der Zollbehörden. Es müsse sich sohin um ein körperliches Entfernen und nicht um ein formelles "Entfernen" handeln, um den Tatbestand des Entziehens zu erfüllen.

Die Zollbehörde habe zudem zu Unrecht für die Ware, die grundsätzlich unter die Rückwarenregelung gem. Art. 185 ZK fallen würde, die Begünstigung nach Art 212a ZK verwehrt, denn der Bf. könne in ihrem Verhalten weder betrügerische Absicht noch offenkundige Fahrlässigkeit beigemessen werden.
Der Bf. sei ein Arbeitsfehler unterlaufen, der auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und selbst bei sachgerechter Organisation und Personalausstattung nicht immer vermieden werden könne. Im Vorliegenden Fall sei durch einen Mitarbeiter bei der EDV-Verarbeitung lediglich ein Warenort bzw. dessen Nummer falsch angeklickt worden. Die Bf. habe im Jahr 2011 knapp 3400 Versandscheinerledigungen getätigt.
Die Bf. verwies gleichzeitig auf den Umstand, dass die Kontrolle und Prüfung zwischen Vorverfahren (T1) und dem Anschlussverfahren (IMA) vielen Wirtschaftsbeteiligten Probleme bereite. Diese Problematik sei im 37. IT Arbeitsgruppen-Meeting im Bundesministerium für Finanzen mit dem Ziel erörtert worden, eine entsprechende Prüfung im System "e-Zoll" zu implementieren. Der Speditionswirtschaft sei versprochen worden, dass bis zur Einführung der Prüfmechanismen seitens der Zollverwaltung ein behutsamer Umgang mit dieser Art von Arbeitsfehlern gepflogen werde.

Die Bf. begehrte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Anwendung des Art. 212a ZK.

Im Aktengeschehen findet sich die Dokumentation der offensichtlich von der Bf. angesprochenen Besprechung im Bundesministerium, in welcher die relevanten Besprechungsergebnisse "Runder Tisch BMF – Wirtschaft vom " festgehalten wurden. Zum Besprechungspunkt "Warenort-Verwechslungen" wird darin festgehalten, von Seiten der Wirtschaft werde vorgeschlagen, zusätzlich zur Angabe des Warenort-TIN auch eine textliche Angabe des Warenortes vorzunehmen. Diesbezüglich sei eine Änderung sowohl bei den (elektronischen) Systemen des jeweiligen Wirtschaftsbeteiligten als auch im System der Zollbehörde erforderlich. Das BMF sagte dazu zu, die Problematik intern zu behandeln. Sofern eine Entscheidung für eine Umsetzung getroffen wird, sei diese bis frühestens Mitte 2012 zu erwarten.

Mit der als Beschwerdevorentscheidung zu wertenden Berufungsvorentscheidung vom , Zl. c., gab das Zollamt der Beschwerde (Berufung) teilweise Folge, indem es den angefochtene Bescheid in Bezug auf die Vorschreibung der Abgabenerhöhung unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2012/16/0090-5, aufhob, im Übrigen aber die Beschwerde (Berufung) als unbegründet abwies.

In der als Vorlageantrag zu wertenden Beschwerde vom , ergänzt durch die Eingabe vom , wiederholte die Bf. im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend - nach Zitierung der Artikel 37 Abs. 1 und 2, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 79, 201 Abs. 1 Buchstabe und Abs. 2, 203 Abs. 1 ZK und in Bezug auf das Versandverfahren des Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO -  hielt die Bf. unter Hinweis auf das (Döhler Neuenkirchen GmbH), Rn 46 und 47 darauf, mit der Zollunion sei eine doppelte Belastung ein und derselben Ware durch Entstehung einer doppelten Zollschuld nicht vereinbar, weshalb sicher zu stellen sei, dass die Zollbehörden für Waren, für welche auf Grund eines früheren Tatbestands bereits eine Zollschuld entstanden ist, keine zweite Zollschuld entstehen lassen.

Im gegenständlichen Fall hätten die Waren mit der Überführung unter CRN 1b am in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr gem. Art. 79 ZK den zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware erhalten, wodurch die zollamtliche Überwachung für diese Waren ordnungsgemäß beendet worden sei (VwGH 2011/16/0191-10), weshalb kein Entzug der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Art. 203 ZK vorliege.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Waren, die in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht werden, unterliegen gemäß Art. 37 Abs. 1 ZK vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden und bleiben nach Art. 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Art. 82 Abs. 1 ZK, bis sie ihren Statut wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Art. 182 ZK vernichtet oder zerstört werden.

Die Bf. ist Inhaberin einer Bewilligung zur Teilnahme am Informatikverfahren gem. § 55 Abs. 3 ZollR-DG sowie zur Gestellung und Abfertigung an zugelassenen Warenorten gem. § 11 Abs. 7 ZollR-DG. Weiters verfügt sie über den Status eines zugelassenen Empfängers.
Unbestritten ist, dass die Bf. die mit Versandschein 1. am angelieferten Waren an einem der Bf. bewilligten Warenort (HalA1.++) angeliefert und die Bf. die Waren erhalten hat.

Für die am festgelegten Warenort angekommenen Waren war im Beschwerdefall mit der Übernahme durch den zugelassenen Empfänger, der Bf., das Versandverfahren beendet (Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO), die Waren befanden sich dann in vorübergehender Verwahrung (Art. 55  iVm Art. 50 ZK) und unterlagen gemäß Art. 37 ZK auch noch weiterhin der zollamtlichen Überwachung. In diesem Stadium traf die Bf. die Pflicht, die Bestimmungszollstelle unverzüglich mit der Ankunftsanzeige über das Eintreffen der Waren am richtigen Warenort zu unterrichten (Art. 408 Abs. 1 Buchstabe a ZK-DVO) .

Unbestritten ist auch, dass die Bf. für die vom bezeichneten Versandschein erfassten Waren am um 14:41 Uhr das Eintreffen der Waren am zugelassenen Warenort bei der A+, in A2 dem Zollamt Linz Wels eine Ankunftsanzeige und in weiterer Folge, nach Erhalt der Entladeerlaubnis am selben Tag, den Entladekommentar (im konkreten Fall mir A2 = Konform) erstattet hat, obwohl sich die Waren nicht dort, sondern an einem anderen ihr bewilligten Warenort,  nämlich bei der A+, in A1+ , befunden haben. Auf Grund eines Eingabefehlers eines Mitarbeiters der Bf. wurde die Ankunftsanzeige betreffend der gegenständlichen Waren dem Zollamt Linz Wels übermittelt, obwohl sich die Waren, wie bei der Versandscheinprüfung durch das Zollamt Linz Wels festgestellt wurde, nicht an diesem Ort befanden.

Durch eine Ankunftsanzeige wird das Zollamt vom Eintreffen der Ware beim zugelassenen Empfänger in Kenntnis und in die Lage versetzt, seine Kontrollrechte auszuüben und gegebenenfalls Kontrollen auch tatsächlich durchzuführen.

Gem. Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Die Zollschuld entsteht gem. Art. 203 Abs. 2 ZK in den Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird. Zollschuldner ist gem. Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.
Der Begriff der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung umfasst jede Handlung oder Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Zollbehörde tatsächlich eine solche Prüfung durchzuführen beabsichtigt und ob der Beteiligte die Ware der Zollbehörde zu einer solchen Prüfung zur Verfügung stellen könnte. Entscheidend ist allein, dass die Zollbehörde – wenn auch nur vorübergehend – objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen.

Da im gegenständlichen Fall die Zollschuld für die Bf. im Zeitpunkt der Mitteilung des unzutreffenden Warenortes entstanden ist, hatten nachfolgende Ereignisse, wie hier die Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr keine Auswirkungen mehr auf die bereits entstandene Zollschuld (; ). Im gegenständlichen Fall konnte das Zollamt Linz Wels, welchem die Ankunftsanzeige am unzutreffenden Warenort übermittelt worden war, als zuständige Zollstelle, aber auch das Zollamt Innsbruck, dem gegenüber keine Ankunftsanzeige zugeleitet worden war, und welchem in weiterer Folge die Anmeldung zur Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr zugeleitet wurde bis dahin, Prüfungen und Kontrollen am tatsächlichen Warenort nicht durchführen, weil sie in Unkenntnis über den Ort der Waren keinen Zugriff auf die Waren hatten. Aber eine sachgerechte Prüfung kann selbst bei Kenntnis des Aufenthaltsortes der Waren nicht stattfinden, weil die vorübergehende Verwahrung und einzelne Zollverfahren ortsgebunden sind. Selbst wenn der Sachverhalt durch eine andere Zollstelle am neuen (hier: tatsächlichen) Aufenthaltsort kurzfristig überprüfbar gewesen wäre, wäre den Zollbehörden zumindest kurzzeitig die Prüfungsmöglichkeit genommen und damit entzogen worden (Witte, Zollkodex, Kommentar, Art. 203, RN 11).

Die Bf. vermochte im gegebenen Zusammenhang nicht mit Erfolg auf die Besprechung im Bundesministerium, in welcher die relevanten Besprechungsergebnisse "Runder Tisch BMF – Wirtschaft vom " festgehalten wurden, verweisen.
Wie bereits dargetan, wurde zum Besprechungspunkt "Warenort-Verwechslungen" lediglich festgehalten, von Seiten der Wirtschaft werde vorgeschlagen, zusätzlich zur Angabe des Warenort-TIN auch eine textliche Angabe des Warenortes vorzunehmen. Diesbezüglich sei eine Änderung sowohl bei den (elektronischen) Systemen des jeweiligen Wirtschaftsbeteiligten als auch im System der Zollbehörde erforderlich. Das BMF sagte dazu zu, die Problematik intern zu behandeln. Sofern eine Entscheidung für eine Umsetzung getroffen wird, sei diese bis frühestens Mitte 2012 zu erwarten. Es finden sich darin keine Zugeständnisse dergestalt, dass die Zollverwaltung bei Angabe unzutreffender Warenorte die Speditionswirtschaft von den rechtlich vorgesehenen zollschuldrechtlichen Konsequenzen frei lässt. Derartige Zugeständnisse wären im Übrigen contra legem und für das Entstehen einer Zollschuld unerheblich.

Wenn die Bf. in ihrem Vorlageantrag (Beschwerde) darauf hinweist, es sei mit der Zollunion eine doppelte Belastung ein und derselben Ware durch Entstehung einer doppelten Zollschuld nicht vereinbar, weshalb sicher zu stellen sei, dass die Zollbehörden für Waren, für welche auf Grund eines früheren Tatbestands bereits eine Zollschuld entstanden ist, keine zweite Zollschuld entstehen lassen, ist sie daran zu erinnern, dass im verfahrensgegenständlichen Fall die in Streit stehende Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 und 2 ZK in einer zeitlichen Abfolge betrachtet als erste unmittelbar mit der Mitteilung des unrichtigen Warenortes durch Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung entstanden ist. Eine allfällige Abgabenvorschreibung für eine spätere Zollschuldentstehung könnte im Wege eines Erlasses oder einer Erstattung nach Art. 236 ZK beseitigt werden.

Die Bf. vermeint, ihr wäre im konkreten Fall - zumal für die verfahrensgegenständlichen Waren die objektiven Voraussetzungen für eine Rückwarenbehandlung nach Art 184 ZK (Zollbefreiung für Rückwaren) vorlägen - die Begünstigung nach Art. 212a ZK (Abgabenbefreiung trotz Unregelmäßigkeiten) zugestanden.

Art. 212a ZK lautet auszugsweise:

Sieht das Zollrecht ….. eine Zollfreiheit oder eine vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben gemäß den Artikeln ….. 184 bis 187 vor, so findet die ….. Zollfreiheit oder eine vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben auch in den Fällen des Entstehens einer Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205, 210 oder 211 Anwendung, sofern im Verhalten des Beteiligten weder betrügerische Absicht noch offensichtliche Fahrlässigkeit liegt und dieser nachweist, dass die übrigen Voraussetzungen für die ….. Zollfreiheit oder die teilweise Abgabenbefreiung erfüllt sind.

Im gegenständlichen Fall führte die Bf. die Angabe des unzutreffenden Warenortes - in Form des betreffenden Ziffern (AT)- und Zahlencodes - auf einen Arbeitsfehler, nämlich das irrtümliche Anklicken des unzutreffenden Codes für den jeweiligen Warenort im Zollinformatikverfahren eines Angestellten zurück. Diese Arbeitsfehler seien nicht als offensichtliche Fahrlässigkeit zu qualifizieren, zumal sie auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt und selbst bei sachgerechter Organisation und Personalausstattung bei der großen Anzahl an Versandscheinerledigungen, nämlich im Jahr 2011 knapp 3400, nicht immer vermieden werden könnten.

Hierzu ist festzustellen, dass die Umrechnung der 3400 Versandscheinerledigungen verteilt auf 240 Arbeitstage eine Erledigungszahl von durchschnittlich 14 pro Arbeitstag ergibt, eine Anzahl, die für ein Speditionsunternehmen, wie es die Bf. darstellt, nicht als hoch anzusehen ist. Im Übrigen vermag ein Hinweis auf einen hohen Arbeitsanfall als Erklärung für eine erhöhte Fehleranfälligkeit nicht zu exkulpieren, denn einem überdurchschnittlich hohen Arbeitsanfall wäre zur Vermeidung vermeidbarer Arbeitsfehler durch eine sachgerechte Organisation und Personalausstattung Rechnung zu tragen.

Festzustellen ist auch, dass in Beantwortung eines Vorhaltes des Zollamtes Linz Wels zum Ergebnis von Versandscheinprüfungen die Bf. in ihrer Stellungnahme vom , abgesehen zum verfahrensgegenständlichen Versandschein, zu weiteren 3 Versandscheinen, nämlich zu  den Versandscheinen b1, b2 und b3 erläuterte, infolge irrtümlicher Verwechslung der Warenorte sei es zu unzutreffenden Warenortanzeigen gekommen. Es handelte sich demnach verfahrensgegenständlich nicht um einen Einzelfall. Gleichzeitig hat die Bf. dem Zollamt mitgeteilt, es seien bereits interne Maßnahmen ergriffen worden, dass bei Gestellung eines Versandscheines ab sofort als Sicherungsmaßnahme für eine doppelte Kontrolle der Warenort schriftlich am Versandschein angeführt wird.

Das Zollamt hatte im gegenständlichen Fall die Bf. mehrfach aufgefordert, in Form einer Ablaufbeschreibung die Vorgangsweise vom physischen Eintreffen einer Nichtgemeinschaftsware bis zur elektronischen Freigabe der Ware zu dokumentieren; dieser Aufforderung ist die Bf. nicht nachgekommen; vielmehr hat sie im Verfahren stets auf den Umstand des irrtümlich erfolgten Arbeitsfehlers hingewiesen.

Von betrügerischer Absicht war im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
Ob eine offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt, beurteilt der EuGH unter anderem anhand von drei Kriterien. Berücksichtigt werden muss insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers und dessen Sorgfalt.
Die Komplexität der Vorschriften ist im Zollrecht regelmäßig zu bejahen.
Hinsichtlich der Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist festzustellen, dass die Bf. als Zollspedition laut Aktenlage unter anderem Inhaberin einer Bewilligung als zugelassene Empfängerin zufolge des Bescheides des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. d., und gewerbsmäßig mit der Gestellung von Waren, Überführung von Waren in ein Zollverfahren etc. befasst ist. Die konkrete Vorschrift, die sie als Bewilligungsinhaberin einzuhalten hatte, ist auch im Punkt 4a) der Anlage zu Zahl e. angeführt, wonach die Ankunft der für den Warenort zuständigen Zollstelle mittels elektronischer Nachricht "Ankunftsanzeige" mitzuteilen ist …., wenn Waren an einem in der e-zoll-Bewilligung genannten Warenort eintreffen, die von einem Versandscheinbegleitdokument begleitet werden.
Der Bf. waren die Problematik und die zollschuldrechtlichen Konsequenzen der Angabe eines falschen Warenortes bekannt, weshalb auf die Angabe des zutreffenden Warenortes ein erhöhtes Augenmerk zu richten war, wenn sie selbst darauf verweist, dass "die Speditionswirtschaft mit dieser Problematik allgemein zu kämpfen hat". Dass sie es unterlassen hat innerorganisatorisch Vorkehrungen zu treffen, um die Angabe unzutreffender Warenorte zu vermeiden, ergibt sich aus der angesprochenen Stellungnahme der Bf. vom , wonach derartige Maßnahmen intern ab sofort, demnach aber erst nach den verfahrensgegenständlichen Geschehnissen, ergriffen worden seien. Offensichtlich hatte die Bf. zuvor - und so auch für den verfahrensgegenständlichen Fall -  keine hinreichend geeigneten organisatorischen Maßnahmen gesetzt, um die Ankunftsanzeige am zutreffenden Warenort zu gewährleisten, zumal, wie bereits aufgezeigt, der gegenständliche Fall und demnach der angesprochene Arbeitsfehler kein Einzelfall war. Die Bf.  widerspricht sich in ihrer Verantwortung in der vorliegenden Beschwerde, es sei ein Arbeitsfehler eingetreten, der trotz sachgerechter Organisation und Personalausstattung nicht immer vermieden werden könne, wenn sie in ihrer Stellungnahme vom , mitteilt, innerorganisatorische Maßnahmen getroffen zu haben, um in Zukunft den angesprochenen Fehler nicht mehr zu begehen. Es war daher davon auszugehen, dass es zur Vermeidung des angesprochenen Fehlers an der sachgerechten Organisation gemangelt hat. Die Bf. vermochte daher nicht mit Erfolg auf das Vorliegen von Arbeitsfehlern verweisen, die eine offensichtliche Fahrlässigkeit ausschließen. Die Bf. musste es in Kenntnis der Problematik und der "Fehleranfälligkeit" bei der Angabe des zutreffenden Warenortes für möglich gehalten haben, dass die in Rede stehende Verletzung der Verfahrensvorschriften eintreten können. Dass sie solche Verletzungen von Verfahrensvorschriften vermeiden hätte können, zeigte ihre später erfolgte Mitteilung, diesbezüglich interne Sicherungsmaßnahmen ergriffen zu haben.

Der Bf. war im gegebenen Zusammenhang hinsichtlich ihrer Sorgfaltsverpflichtung als intensiv am einschlägigen Wirtschaftsleben Beteiligte eine erhöhte Sorgfalt zuzumessen. Es traf sie als diesbezüglich erfahrenes Unternehmen ein strenger Maßstab. Es finden sich keine Anhaltspunkte, dass die Bf. diesbezüglich einen geringen Erfahrungsschatz aufzuweisen hatte. Der Bf. war daher im angefochtenen Bescheid von der Zollbehörde zu Recht in ihrem Verhalten offensichtliche Fahrlässigkeit zugemessen worden, weshalb die Begünstigung des Art 212a ZK für die Gewährung der Befreiung von Einfuhrabgaben als Rückware zu verwehren war.

Im Übrigen wird - insbesondere auch hinsichtlich der teilweisen Stattgabe zur Abstandnahme von der Geltendmachung einer Abgabenerhöhung -  auf die Begründung in der als Beschwerdevorentscheidung zu wertenden Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Linz Wels vom , Zl. c., verwiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 2013 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 212a ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 37 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Verweise
VwGH, 2004/16/0256
VwGH, 2006/16/0142
Witte, Zollkodex, Kommentar, Art. 203, RN 11
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.5200018.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at